Vergütung von beigeordneten Rechtsanwälten im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an die Bemessung der Verfahrens- und Terminsgebühr in einem Rechtsstreit um Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitssuchende nach dem SGB II und an die Unbilligkeit von Betragsrahmengebühren bei unterdurchschnittlichem Umfang und unterdurchschnittlicher Schwierigkeit
der anwaltlichen Tätigkeit
Gründe
I.
Streitgegenständlich ist das Rechtsanwaltshonorar nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), dass dem Beschwerdeführer in einem Klageverfahren nach Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Landeskasse
als Beschwerdegegner zusteht.
In dem seit dem 5. Januar 2015 anhängigen und mittlerweile erledigtem Klageverfahren beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) mit dem Aktenzeichen S 4 AS 51/15 vertrat der Beschwerdeführer die klagende fünfköpfige Familie im Streit mit dem Jobcenter des Landkreises Anhalt-Bitterfeld
als Beklagten um die Erteilung einer Zusicherung zum Umzug. Mit Bescheid vom 19. November 2014 lehnte der Beklagte den Antrag
auf die begehrte Zusicherung wegen Unangemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH)der zu beziehenden Wohnung
ab. Mit hiergegen erhobenen Widerspruch trugen die anwaltlich vertreten Kläger vor, dass mangels schlüssigen Konzeptes auf
die Wohngeldtabelle abgestellt werden müsse. Die KdU der begehrten Wohnung seien demnach angemessen. Gegen den zurückweisenden
Widerspruchsbescheid haben die Kläger durch den Beschwerdeführer Klage erhoben und zugleich PKH beantragt. In der einseitigen
Begründung führte der Beschwerdeführer zum Sachverhalt aus und trug wiederholt vor, dass mangels schlüssigen Konzeptes eine
Beschränkung der Wohnkosten nur bis zur Höhe der Werte der Wohngeldtabelle vorgenommen werden könne. Die Verwaltungsakte wurde
dem Beschwerdeführer zur Akteneinsicht in einem anderen Verfahren der Kläger (S 4 AS 9/15) übersandt. Der gerichtlichen Aufforderung vom 11. Februar 2015 ergänzend zum KdU-Konzept vorzutragen kam der Beschwerdeführer
auch nicht nach. Zu einem (hier unbekannten) Zeitpunkt nach Klageerhebung verzogen die Kläger in eine andere Wohnung.
Unter dem 15. Juni 2015 übersandte der Beschwerdeführer die Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
der Kläger und reichte mit weiterem Schriftsatz einen aktuellen SGB II-Bescheid sowie Lohnbescheinigungen nach. Mit Beschluss vom 7. August 2015 bewilligte das SG den Klägern ratenfreie PKH und Beiordnung des Beschwerdeführers.
Am 16. Mai 2018 fand eine 23-minütige mündliche Verhandlung statt, welche der Beschwerdeführer für die Kläger wahrnahm. Im
Termin haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und die Kostengrundentscheidung beantragt.
Am 4. Juni 2018 beschloss das SG, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben.
Der Beschwerdeführer beantragte mit einem beim SG am 27. Juni 2018 eingegangenem Schreiben die Festsetzung seiner Vergütung aus der PKH wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG (MG) 300,00 € Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG (120% - für 4 weitere Auftraggeber) 360,00 € Anrechnung ½ Gebühr Beratungshilfe Nr. 2503 Nr. 2 VV RVG - 42,50 € Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 € Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG 20,00 € 1,65 € Fahrtkosten (GT am 16.05.18) Nr. 7003 VV RVG 35,10 € Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG 25,00 € Post- und Telekom.Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme 1.004,25 € 19% Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 190,81 € Gesamtbetrag 1.195,06 €
Unter dem 13. August 2018 wies die Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des SG (UdG) darauf hin, dass die beantragte Verfahrensgebühr angesichts der objektiven Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG unangemessen hoch und unbillig sei. Es sei nur eine um zwei Drittel reduzierte Mittelgebühr (100 €) zuzüglich Erhöhung für
vier weitere Auftraggeber zu berücksichtigen. Die anwaltliche Tätigkeit habe sich auf die Klageerhebung- und begründung sowie
einen weiteren Schriftsatz beschränkt. Umfangreiche Stellungnahmen oder intensiver Schriftverkehr mit dem Beklagten sei nicht
erfolgt. Zudem würden sich Synergie- und Rationalisierungseffekte kostenmäßig auf die Verfahrensgebühr auswirken. Es liege
eine im Umfang und Schwierigkeit stark unterdurchschnittliche anwaltliche Tätigkeit vor. Die Bedeutung der Angelegenheit sei
für die Kläger durchschnittlich und deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien unterdurchschnittlichen. Ein besonderes
Haftungsrisiko habe nicht bestanden. Im Vergleich zu anderen sozialgerichtlichen Verfahren habe eine leicht unterdurchschnittliche
Terminsdauer vorgelegen. Da zudem keine überdurchschnittliche Schwierigkeit vorgelegen habe, sei eine um 40 € reduzierte Mittelgebühr
der Terminsgebühr mehr als angemessen. Das Abwesenheitsgeld sei anteilsmäßig zu reduzieren, da der Beschwerdeführer am 16.
Mai 2018 zu Verhandlungen in vier verschiedenen Angelegenheiten angereist sei.
Der Beschwerdeführer führte hierzu aus, dass eine wiederholte Einarbeitung in den Sach- und Streitstand aufgrund der Verfahrensdauer
von mehr als drei Jahren erforderlich gewesen sei, zumal der Beklagte im laufenden Verfahren diverse Korrekturbescheide erlassen
habe. Es erschließe sich nicht, aus welchen Gründen von einer geringen Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger, zu welchen
die Kommunikation zudem schwierig sei, auszugehen sei. Bereits im Hinblick auf die rückwirkenden Überprüfungsmöglichkeiten
von Bescheiden nach § 44 SGB X werde ein besonderes Haftungsrisiko ausgelöst. Gegen die Reduzierung der Terminsgebühr bestünden keine Einwände.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2018 setzte die UdG die aus der Landeskasse zu erstattenden Kosten auf insgesamt 570,22 € wie
folgt fest:
Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG 220,00 € Anrechnung Beratungshilfe - 42,50 € Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 240,00 € Geschäftsreise Nr. 7003 VV RVG (16.05.2018) ¼ 8,78 € Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG (16.05.2018) ¼ 6,25 € Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1d VV RVG (61 Seiten) 26,65 € Zwischensumme 479,18 € 19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 91,04 € Gesamtsumme 570,22 €
Zur Begründung wiederholte die UdG die Ausführungen in ihrem Hinweisschreiben.
Gegen den am 16. November 2018 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer am 30. November 2018 Erinnerung ein und wiederholte
sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trug er vor: Bereits mit Klageschrift sei ausführlich zu der im Streit stehenden Zustimmung
zum Umzug vorgetragen worden. Im Weiteren habe er sich mit der streitigen Frage, ob ein schlüssiges KdU-Konzept des Beklagten
vorliege, auseinandersetzen müssen. Von einer einfachen Angelegenheit könne nicht ausgegangen werden. Rationalisierungseffekte
seien nicht eingetreten. Das Verfahren habe für die Kläger auch eine überdurchschnittliche Bedeutung gehabt, da sie haben
umziehen müssen und anderenfalls ohne Wohnsitz gewesen wären. Im Juni 2015 seien dem Beklagten weitere Mietangebote vorgelegt
worden. Eine weitere Kontaktaufnahme sei am 21. Dezember 2015 erfolgt. Von einer unterdurchschnittlichen Tätigkeit könne daher
nicht ausgegangen werden.
Mit Beschluss vom 22. Juni 2020 hat das SG die PKH-Festsetzungsentscheidung abgeändert, die Vergütung auf insgesamt 657,49 € festgesetzt und die Erinnerung im Übrigen
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die von der UdG festgesetzte Vergütung sei unangemessen. Der Umfang der
anwaltlichen Tätigkeit im Verfahren und die Schwierigkeit der Sache seien leicht unterdurchschnittlich gewesen. Die Klage
sei erhoben und kurz mit einem Schriftsatz begründet worden. Weitere Ausführungen oder eine Mitteilung über den zwischenzeitlichen
Umzug der Kläger seien nicht erfolgt. Einer Auseinandersetzung mit medizinischen Unterlagen oder der Erörterung von rechtlichen
Fragen habe es nicht bedurft. Bei der Bemessung der Bedeutung der Angelegenheit sei nicht nur auf den Streitgegenstand, sondern
auch auf das subjektive Empfinden der Kläger abzustellen. Da sich das Interesse der fünf Kläger auf die Zustimmung zu einem
Umzug bezogen habe, sei die Bedeutung der Sache und die Schwierigkeit der Angelegenheit nach den Kriterien des § 14 RVG als durchschnittlich zu bewerten. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger seien unterdurchschnittlich. Die Verfahrensgebühr
sei daher in Höhe von zwei Drittel der Mittelgebühr entstanden. Die Terminsgebühr sei allenfalls in Höhe von einem Drittel
der Mittelgebühr (93,33 €) anzusetzen. Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im Termin seien unterdurchschnittlich
gewesen. Aufwendige Erörterungen oder Berechnungen seien nicht erfolgt. Der Hinweis auf das erledigende Ereignis hätte auch
schriftlich erfolgen können. Das Verfahren sei aufgrund des erfolgten Umzugs für erledigt erklärt worden. Die Bedeutung der
Angelegenheit sei für die Kläger zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nach bereits erfolgtem Umzug unterdurchschnittlich
gewesen. Deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien als deutlich unterdurchschnittlich und das Haftungsrisiko des Beschwerdeführers
als durchschnittlich zu bewerten. Bei ansonsten unstreitigen Gebührenpositionen ergebe sich folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG 440,00 € Anrechnung Beratungshilfe - 42,50 € Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 93,33 € Post- und Telkom.Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Reisekosten und Abwesenheitsgeld 15,03 € Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1d VV RVG 26,65 € Netto 552,51 € Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 104,98 € Gesamtsumme 657,49 €
Gegen den am 6. August 2020 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 20. August 2020 Beschwerde eingelegt, der das
SG nicht abgeholfen hat. Zur Begründung hat der Beschwerdeführer ausgeführt, dass weitere Korrespondenz mit dem Beklagten außergerichtlich
erfolgt sei. Die Angelegenheit habe für die Kläger eine ganz erhebliche Bedeutung gehabt, da der Umzug dringend zu vollziehen
war. Die in Ansatz gebrachte Mittelgebühr sei daher angemessen und sachgerecht gewesen. Von einer einfachen und unterdurchschnittlichen
Angelegenheit könne bei einer Verfahrensdauer von 23 Minuten nicht ausgegangen werden. Sofern nur eine Erledigungserklärung
im Raum gestanden hätte, wäre der Termin deutlich kürzer ausgefallen. Den Umfang der Angelegenheit schätze auch er als unterdurchschnittlich
ein. Insgesamt sei die Angelegenheit jedoch als durchschnittlich zu bewerten.
Der Beschwerdegegner hält die Entscheidung des SG zur Verfahrens- und Terminsgebühr für zutreffend. Die Beschwerde sei zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Gegen die Entscheidung des SG über die Erinnerung ist abweichend von §
178a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) der weitere Rechtsbehelf der Beschwerde zum Landessozialgericht eröffnet (§
73a Abs.
1 SGG; § 1 Abs. 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.V.m. § 56 Abs. 2 RVG, § 33 Abs. 3 bis 8 RVG; vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. März 2017 – L 4 AS 141/16 B – zitiert nach juris). Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin (§
56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind nicht die Festsetzung einzelner Gebührentatbestände, sondern jeweils die gesamte
Kostenfestsetzung des UdG vom 8. Oktober 2018 in der Fassung des Beschlusses des SG vom 22. Juni 2020. Aufgrund des Rechtsbehelfs des Beschwerdeführers ist die gesamte Kostenfestsetzung noch nicht rechtskräftig.
Selbst wenn er nur einzelne Berechnungselemente der Kostenfestsetzung bemängelt, ist eine Begrenzung der Beschwerde auf die
Festsetzung einzelner Gebührentatbestände nicht zulässig. Denn die Gebührentatbestände sind lediglich Elemente der einheitlichen
Kostenfestsetzungsentscheidung. Der Rechtsanwalt begrenzt den Umfang der Prüfung und Entscheidung nur durch seinen summenmäßigen
Antrag. Erhebt – wie hier - nur der Rechtsanwalt Beschwerde, darf zu seinen Ungunsten nicht von der Kostenfestsetzung des
SG abgewichen werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Oktober 2016 – L 19 AS 646/16 B – zitiert nach juris, Rn. 57 m.w.N.). Anders liegt es nur, wenn auch die Landeskasse mit der Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung
vorgeht, was hier nicht der Fall ist.
Die Beschwerde ist statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes einschließlich der Umsatzsteuer (vgl. LSG Sachsen-Anhalt,
Beschluss vom 27. September 2017 – L 5 AS 585/15 B – zitiert nach juris, Rn. 16 m.w.N.) 200,00 € übersteigt (vgl. § 1 Abs. 3 i.V.m. § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist zudem fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist gemäß § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG erhoben worden.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist jedoch unbegründet.
In dem Verfahren sind der UdG und das SG dem Erstattungsbegehren des Beschwerdeführers zu Recht nicht gefolgt. Der Umfang der Rechtsanwaltsvergütung bzw. deren Erstattung
durch die Landeskasse bemisst sich nicht nach dem Wert bzw. der Bedeutung des Klagebegehrens (Streitwert), sondern nach Betragsrahmengebühren.
Die geltend gemachten Betragsrahmengebühren waren nicht nach den maßgeblichen Kriterien des § 14 RVG angemessen bestimmt worden und wegen ihrer Unbilligkeit herabzubemessen.
Grundlage des Erstattungsanspruches des Beschwerdeführers ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach sind einem – wie hier – im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt die gesetzlichen Gebühren aus der Landeskasse
zu erstatten. Jene richten sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG, wonach in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren entstehen.
Das GKG ist gemäß §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG nicht anzuwenden. Die Kläger waren Beteiligte i.S.v. §
183 Satz 1
SGG, und es handelte sich nicht um ein Verfahren wegen überlangem Gerichtsverfahren (§
202 Satz 2
SGG), sodass das Gerichtsverfahren für sie kostenfrei war. Anzuwenden ist das RVG in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung, denn die Beauftragung des Beschwerdeführers mit der Klage ist erst nach
diesem Zeitpunkt erfolgt. Die Klage ist am 5. Januar 2015 bei Gericht eingegangen.
Im Einzelnen bestimmt sich die Vergütung, d.h. die Gebührentatbestände, die Spannwerte der Betragsrahmengebühren usw. aus
dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Bemessung der einzelnen Betragsrahmengebühren ist nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 RVG vorzunehmen. Hiernach steht es dem Rechtsanwalt zu, eine solche Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände,
vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens-
und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Bei Rahmengebühren, die sich – wie hier – nicht nach einem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen
(§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG). Aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG folgt, dass auch weitere im Einzelfall vorliegende Kriterien zur Bemessung herangezogen werden können. Aus der Aufzählung
der benannten Kriterien kann nicht auf ein vorgegebenes abstraktes Rangverhältnis geschlossen werden. Es ist Aufgabe des Rechtsanwaltes,
jedenfalls die in § 14 RVG genannten und gegebenenfalls noch weitere relevante Kriterien im Einzelfall zu gewichten.
Ist die Gebühr von einem Dritten (hier: der Landeskasse) zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht
verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Bei der Bestimmung der im Einzelfall zutreffenden Rahmengebühr ist dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht
eingeräumt. Eine Unbilligkeit kann allenfalls angenommen werden, wenn die vom Rechtsanwalt angesetzte Gebühr die nach den
gesetzlichen Kriterien angemessene Gebühr um mehr als 20% übersteigt (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 21/09 R, juris Rn. 19). Ist die Bestimmung unbillig, erfolgt die Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die vom SG festgesetzte Vergütung nicht zu beanstanden. Ein höherer Vergütungsanspruch steht dem Beschwerdeführer gegen die Landeskasse
als Beschwerdegegner nicht zu.
Die Verfahrensgebühr ist hier nach Anlage 1 zum RVG, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 2 iVm Nr. 3102 VV RVG in Höhe von zwei Drittel der Mittelgebühr gemäß den aus Nr. 3102 VV RVG folgenden Spannwerten – einschließlich der Erhöhung (für fünf Mandanten) nach Nr. 1008 VV RVG – entstanden. Die vom Beschwerdeführer beantragte Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr (300 €) ist unbillig.
Aus den Vorgaben von Spannwerten folgt, dass die Mittelgebühr – rechnerisch die Hälfte der Summe aus Mindest- und Höchstgebühr
– nicht der Regelfall der Vergütung ist. Sie ist vielmehr nur für einen Regel- bzw. Durchschnittsfall die angemessene Vergütung.
Die Mittelgebühr bietet dann die Bestimmung der konkret angemessenen Gebühr einen Richtwert, wenn es sich um eine in jeder
Hinsicht durchschnittliche Angelegenheit handelt. Das ist dann nicht der Fall, wenn teilweise über- oder unterdurchschnittlich
zu bewertende Einzelkriterien vorliegen. Dann sind Zu- oder Abschläge vom Richtwert vorzunehmen. Die Mittelgebühr kann sich
aber auch daraus ergeben, dass die Überdurchschnittlichkeit einzelner Kriterien die Unterdurchschnittlichkeit anderer Kriterien
kompensiert.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war vorliegend – wie das SG zutreffend ausgeführt hat – unterdurchschnittlich. Maßgeblich ist dabei nur das in der jeweiligen Gebührenziffer umschriebene
Tätigkeitsfeld, hier das „Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“ nachdem ein „unbedingter Auftrag als Prozess-
oder Verfahrensbevollmächtigte in einem gerichtlichen Verfahren“ erfolgt ist (Anlage 1 zum RVG, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 1 und 2). Insofern eingegrenzt ist beim Umfang der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den
der Rechtsanwalt im Vergleich mit den üblichen Sozialgerichtssachen tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er objektiv
auch auf die Sache verwenden musste.
Vorliegend hat der Beschwerdeführer die Klage erhoben und mit einem einseitigen Schriftsatz begründet. Eine Auseinandersetzung
mit Schriftsätzen des Beklagten sowie weitergehende Ausführungen, insbesondere zu der durch das Gericht aufgeforderten ergänzenden
Stellungnahme zum KdU-Konzept des Beklagten, erfolgten nicht und waren (spätestens) nach dem (zu einem unbekannten Zeitpunkt)
tatsächlichen Umzug der Kläger in eine andere Wohnung nicht mehr erforderlich. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers erschöpfte
sich dessen weitere Tätigkeit in der Übersendung von weiteren Mietangeboten an den Beklagten im Juni 2015 und einer weiteren
Kontaktaufnahme mit dem Beklagten im Dezember 2015. Eine Mitteilung hierüber und über den bereits vollzogenen Umzug der Kläger
ist an das Gericht unterblieben. Für ein Erfordernis der mehrfachen erneuten Einarbeitung in den Sach- und Streitstand ist
zudem bereits aufgrund des begrenzten Streitgegenstandes (Zusicherung zum Umzug) nichts ersichtlich. Auch die Dauer des gerichtlichen
Verfahrens - vorliegend 40 Monate - stellt kein geeignetes Kriterium dar, um den vom Rechtsanwalt betriebenen Aufwand in die
Bewertungsskala - unterdurchschnittlich, durchschnittlich und überdurchschnittlich - einzuordnen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 2. Februar 2018 – L 19 AS 1472/17 B -, Rn. 51 mwN, zitiert nach juris).
Die Schwierigkeit der notwendigen anwaltlichen Tätigkeit ist, zumindest bis zum tatsächlichen Umzug der Kläger, als durchschnittlich
und nach dem Umzug als weit unterdurchschnittlich zu bewerten, da der Umzug das verfahrensbeendete Ereignis begründet hat.
Die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger ist als überdurchschnittlich zu bewerten. Bei deren Beurteilung ist auf die
unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht
aber für die Allgemeinheit abzustellen. Dabei werden Streitigkeiten über Leistungen, die das soziokulturelle Existenzminimum
sichern, wie z.B. Streitigkeiten über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, in der Regel überdurchschnittliche Bedeutung beigemessen, unabhängig davon, ob die Leistung dem Grunde nach oder die Höhe
der Leistung umstritten ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009, a.a.O.). Vorliegend war Streitgegenstand des Verfahrens die Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten. Der überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit stehen die erheblich
unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse der Kläger, denen Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, gegenüber, so dass
eine Kompensation dieser Kriterien eintritt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 01.07.2009, a.a.O.).
Ein besonderes Haftungsrisiko des Beschwerdeführers ist nicht erkennbar.
Bei Abwägung aller Kriterien des § 14 RVG, insbesondere auch der Tatsache, dass unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Herabbemessung der
Mittelgebühr rechtfertigen können (BSG, Urteil vom 01.07.2009, a.a.O.), kommt dem konkreten Verfahren eine leicht unterdurchschnittliche Bedeutung zu, so dass der
Ansatz einer Gebühr in Höhe von zwei Drittel der Mittelgebühr (200 €) zuzüglich Erhöhung für vier weitere Auftraggeber (240
€), mithin in Höhe von 440 €, durch das SG nicht zu beanstanden ist.
Auf die Verfahrensgebühr ist nach Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG die im Rahmen der Beratungshilfe ausgezahlte Geschäftsgebühr iHv 85 € zur Hälfte, mithin iHv 42,50 €, anzurechnen.
Unter Zugrundelegung des vorgegebenen Gebührenrahmens der Nr. 3106 VV RVG von 50 € bis 510 € ist die vom Beschwerdeführer nach § 14 Abs. 1 RVG bestimmte Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr (280 €) unbillig. Nach wertender Gesamtbetrachtung handelt es sich vorliegend
nicht um einen Normal-/Durchschnittsfall, sondern um einen weit unterdurchschnittlichen Fall, der den Ansatz einer Terminsgebühr
in Höhe von einem Drittel der Mittelgebühr rechtfertigt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen
Beschluss des SG vom 22. Juni 2020 verwiesen und von einer erneuten Darstellung abgesehen (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG). Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass auch die Terminsdauer von 23 Minuten im Vergleich zu gewöhnlichen sozialgerichtlichen
Verfahren als leicht unterdurchschnittlich zu bewerten ist. Soweit der Beschwerdeführer ausführt, dass angesichts der Verfahrensdauer
von 23 Minuten nicht lediglich nur eine Erledigungserklärung im Raum gestanden habe könne, führt das zu keiner anderen Beurteilung.
Welche weiteren (umfangreichen) Erörterungen neben der Erledigungserklärung und der Frage der Kostentragung erforderlich waren,
sind nicht ersichtlich und wurde auch nicht vorgetragen. Ein Gerichtstermin wäre im Übrigen bei schriftlicher Mitteilung des
Umzuges der Kläger auch nicht erforderlich gewesen.
Unter Zugrundelegung dieser Gebührenpositionen sowie der weiteren Kostenfestsetzung, die nicht zu beanstanden ist, ergibt
sich der vom SG errechnete Gesamtbetrag der anwaltlichen Vergütung von insgesamt 657,49 €. Auf diesen Gesamtbetrag ist die bereits erbrachte
Zahlung von 570,22 € abzuziehen, sodass der Beschwerdeführer noch einen Betrag von 87,27 € zu erhalten hat.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar; eine Beschwerde zum Bundessozialgericht ist nicht gegeben (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).