Anspruch auf Insolvenzgeld
Keine Berücksichtigung einer Betriebstreueprämie bei der Bemessung bei Kündigung vor dem Auszahlungstag
Gründe:
I.
Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden nur noch: Klägerin) begehrt höheres Insolvenzgeld wegen einer Betriebstreueprämie,
obwohl ihr vor deren Stichtag gekündigt worden war und die Auszahlung bei Kündigung ausgeschlossen war.
Die Klägerin war bei ihrem später insolventen Arbeitgeber seit dem 1. November 2003 angestellt. Nach der letzten Änderung
zum Arbeitsvertrag betrug ihre monatliche Bruttovergütung 4.000,00 Euro. Darüber hinaus zahlte ihr der Arbeitgeber einen Zuschuss
zu den Kosten des Kindergartens. In dem von ihm mit der Klägerin geschlossenen Arbeitsvertrag war festgelegt, dass das Gehalt
bis zum 10. Werktag des Folgemonats zu überweisen war. Weiter legte der Arbeitsvertrag in § 7 Nr. 1 fest, dass die Zahlung
von Tantiemen, Prämien und sonstigen Leistungen im freien Ermessen des Arbeitgebers liegen sollte. Ein Rechtsanspruch sollte
auch bei mehrfacher Gewährung nicht bestehen. Anderes würde nur gelten, wenn die Zahlung durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag
geregelt sei. Unmittelbar darauf folgte die Regelung in § 7 Nr. 1 Satz 4 mit folgendem Wortlaut: "Voraussetzung für die Gewährung
einer Gratifikation ist stets, dass das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungstag weder beendet noch gekündigt ist."
In der vom Betriebsrat unterzeichneten "Betriebsordnung" des Arbeitgebers vom 30. Juni 2010 war mit Wirkung ab dem 1. Juli
2010 festgelegt, dass bei einer Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren eine Sonderzuwendung in Höhe eines Bruttogrundgehaltes
gezahlt werde. Einen Zahlungstermin regelte die Betriebsordnung nicht.
Der Arbeitgeber der Klägerin kündigte ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 10. Oktober 2013 zum 31. Januar 2014. Zudem
stellte er die Klägerin beginnend am 8. Oktober 2013 bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Erbringung der Arbeitsleistung
frei. Das Kündigungsschreiben erhielt die Klägerin am 11. Oktober 2013.
Ab dem Monat November 2013 zahlte der Arbeitgeber der Klägerin keinen Lohn mehr.
Danach beantragte die Klägerin am 27. Dezember 2013 bei der Beklagten die Zahlung von Insolvenzgeld.
Am 3. Februar 2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet.
Die Beklagte gewährte der Klägerin zunächst einen Vorschuss i.H.v. 4.050,00 Euro auf das zustehende Insolvenzgeld (Bescheid
vom 3. Februar 2014).
Der Insolvenzverwalter bescheinigte der Klägerin (Steuerklasse III, zwei Kinderfreibeträge), dass sie für den Monat November
2013 ein Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 8.166,50 Euro (zusammengesetzt aus einer Bruttovergütung i.H.v. 4.000,00 Euro, einem
Kindergartenzuschuss i.H.v. 166,50 Euro und einer Jubiläumsprämie i.H.v. 4.000,00 Euro) bzw. netto 6.089,25 Euro verdient
haben würde. Für den Monat Dezember 2013 bescheinigte er ein Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 4.155,50 Euro (zusammengesetzt aus
einem Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 4.000,00 Euro und einem Zuschuss für die Kosten des Kindergartens i.H.v. 155,50 Euro) und
ein Nettoarbeitsentgelt i.H.v. 2.885,25 Euro. Für den Monat Januar 2014 habe die Klägerin ein Bruttoarbeitsentgelt i.H.v.
4.254,40 Euro (zusammengesetzt aus einem Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 4.000,00 Euro und einem Zuschuss zu den Kosten des Kindergartens
i.H.v. 254,40 Euro) und ein Nettoarbeitsentgelt i.H.v. 2.992,30 Euro zu beanspruchen.
Hierauf setzte die Beklagte das zu zahlende Insolvenzgeld auf insgesamt 8.773,80 Euro fest und zahlte der Klägerin abzüglich
des bereits gezahlten Vorschusses noch 4.723,80 Euro aus (Bescheid vom 11. April 2014). Die Beklagte berücksichtigte dabei
nicht die Sonderzuwendung, sondern nur das für November 2013 zustehende laufende Nettoarbeitsentgelt i.H.v. 2.896,25 Euro.
Dies errechnete er aus den in der Lohnabrechnung für den laufenden Lohn ausgewiesenen Angaben, d.h. aus einem Bruttolohn von
4.166,50 Euro abzüglich steuerlicher Abzüge in Höhe von 469,01 Euro und von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 801,24
Euro. Für den Monat Dezember 2013 legte die Beklagte entsprechend den Angaben des Insolvenzverwalters ein ausgefallenes Nettoarbeitsentgelt
i.H.v. 2.885,25 Euro und für Januar 2014 ein solches i.H.v. 2.992,30 Euro zugrunde.
Gegen diese Bewilligung erhob die Klägerin am 16. April 2014 Widerspruch und begehrte die Bemessung nach dem gesamten bescheinigten
Arbeitsentgelt einschließlich der Sonderzuwendung. Sie verwies hierbei insbesondere auf die Betriebsordnung und ihre Lohnabrechnung
für den Monat November 2013, nach denen ihr eine "Prämie zum Jubiläum" i.H.v. 4.000,00 Euro brutto zugestanden habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2014). Neben den bereits berücksichtigten Ansprüchen
auf Arbeitsentgelt im Zeitraum vom 1. November 2013 bis zum 31. Januar 2014 in Höhe von insgesamt 8.773,80 Euro netto sei
die Sonderzuwendung nicht noch zusätzlich zu berücksichtigen. Der Anspruch auf die Sonderzuwendung sei außerhalb des Insolvenzgeldzeitraumes
entstanden. Die 10-jährige Betriebszugehörigkeit, die den Anspruch auf die Sonderzuwendung begründet habe, sei bereits am
31. Oktober 2013 erfüllt gewesen.
Am 30. Mai 2014 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Magdeburg gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2014 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 Klage erhoben. Die Sonderzuwendung sei entsprechend §
271 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) am Jubiläumstag, d. h. am 1. November 2013 fällig gewesen. Dies habe der Arbeitgeber auch dadurch zum Ausdruck gebracht,
indem er die Sonderzuweisung in der Entgeltabrechnung für den Monat November 2013 aufgeführt habe. Die Regelung in § 7 Nr.
1 des Arbeitsvertrages stehe der Berücksichtigung der Sonderzuwendung nicht entgegen. Es sei auf den Zeitpunkt abzustellen,
zu dem das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde.
Mit Urteil vom 29. März 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zwar sei der Anspruch auf die Sonderzuwendung am
1. November 2013 und damit innerhalb des Insolvenzgeldzeitraumes entstanden. Hingegen sei zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis
bereits gekündigt gewesen, sodass gemäß § 7 Nr. 1 des Anstellungsvertrages ein Anspruch auf Zahlung der Sonderzuwendung nicht
bestanden habe. Es sei nicht auf das Datum abzustellen, an dem die Kündigung wirksam werden sollte. Der Umstand, dass in der
Regelung neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag auch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erwähnt
sei, zeige, dass der Zeitpunkt der Erklärung der Kündigung gemeint sei. Regelmäßig und zulässigerweise seien Sonderzuwendungen,
die eine Betriebstreue honorieren, vom ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig.
Gegen das ihr am 10. April 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Mai 2019 Berufung eingelegt. Das Arbeitsverhältnis
sei zum Zeitpunkt der Vollendung des 10. Jahres der Betriebszugehörigkeit noch nicht gekündigt gewesen. Es sei nicht auf den
Zugang der Kündigung am 11. Oktober 2013 abzustellen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. März 2019 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2014 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr weiteres Insolvenzgeld
unter Berücksichtigung der Jubiläumsprämie in Höhe von brutto 4.000,00 Euro zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen in dem erstinstanzlichen Urteil. Es sei richtig, dass die Zahlung
der Sonderzuwendung ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis vorausgesetzt habe.
Die Klägerin hat einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht zugestimmt. Hiernach sind die Beteiligten mit Schreiben
vom 5. Februar 2020 - der Klägerin am 20. Februar 2020 zugegangen - auf die Möglichkeit der Entscheidung durch Beschluss ohne
mündliche Verhandlung durch die Berufsrichter des Senats gemäß §
153 Abs.
4 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) hingewiesen worden. Die zur Äußerung eingeräumte Frist von zwei Wochen haben die Beteiligten nicht zur weiteren Stellungnahme
genutzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Sie haben bei Entscheidungsfindung vorgelegen und sind berücksichtigt worden.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet über die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss
der Berufsrichter ohne ehrenamtliche Richter, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht
für erforderlich hält (§
153 Abs.
4 Satz 1 und
2 SGG).
1. Gegenstand des Verfahrens ist die Berufung der Klägerin mit dem Ziel der Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Magdeburg
von 29. März 2019, mit dem ihre Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 20. Mai 2014 und auf höheres Insolvenzgeld abgewiesen worden ist.
2. Hiernach ist die Berufung zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§
143,
144,
151 SGG). Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 und Satz 2
SGG bedarf die Berufung der Zulassung in einem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage,
die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt, sofern nicht die
Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die Berufung betrifft hier aber einen noch
geltend gemachten Anspruch auf Insolvenzgeld i.H.v. 3.193,00 Euro. Diese Summe folgt aus der Sonderzuwendung in Höhe von 4.000,00
Euro, von der nach der Lohnabrechnung (als sonstiger Bezug ausgewiesen) noch Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 807,00
Euro zu entrichten gewesen wären.
3. Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die als Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte (§
54 Abs.
1 Halbsatz 1, Abs.
4 SGG) und im Übrigen zulässig erhobene Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Insolvenzgeldbewilligung nach dem Bescheid
der Beklagten vom 11. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keine über die erteilte Bewilligung hinausgehenden Ansprüche auf Insolvenzgeld.
a) Grundlage des Insolvenzgeldanspruchs ist §
165 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (
SGB III). Hiernach haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und
bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt
haben. Nach §
165 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB III gilt, sollte das Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet werden, dieser Tag als Insolvenzereignis.
Das Insolvenzgeld ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen, §
324 Abs.
2 Satz 1
SGB III.
b) Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers am 3. Februar 2014 eröffnet worden ist, liegt ein Insolvenzereignis
vor. Somit umfasst der Insolvenzgeldzeitraum die Zeit der dem vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Nachdem
der Arbeitsvertrag der Klägerin bereits vor dem Insolvenzereignis zum 31. Januar 2014 endete, reicht der Insolvenzgeldzeitraum
von diesem Datum aus noch drei Monate, d.h. bis 1. November 2013 zurück. Der Antrag auf Insolvenzgeld ist danach auch rechtzeitig
gestellt worden.
c) Dem Grunde nach gehören zu den insolvenzgeldfähigen Ansprüchen auf Arbeitsentgelt alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis
(§
165 Abs.
2 Satz 1
SGB III). Dies ist so zu verstehen, dass alle Ansprüche umfasst sind, die ihre Grundlage in einem Arbeitsverhältnis haben. Damit
sind auch Ansprüche umfasst, die nicht unmittelbar auf der Arbeitsleistung beruhen (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz,
SGB III, K §
165 SGB III Rn. 103). Insolvenzgeldfähig sind daher grundsätzlich auch Gratifikationen. Allerdings muss der Anspruch auf die Gratifikation
in den Insolvenzgeldzeitraum fallen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. Januar 1990 - 10 RAr 10/89, juris; Peters-Lange in Gagel, 76. EL Dezember 2019,
SGB III §
165 Rn. 90, 108). Soweit hiernach Arbeitsentgelt zu berücksichtigen ist, bestimmt sich die Höhe des Insolvenzgeldes dann nach
dem hieraus erzielbaren Nettoarbeitsentgelt (§
167 Abs.
1 SGB III).
Nach diesen Maßgaben ist die Berechnung des Anspruchs von der Beklagten zutreffend ausgeführt.
aa) Die Klägerin hatte für den Monat November 2013 nur einen Anspruch auf ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe von Nettoarbeitsentgelt
i.H.v. 2.896,25 Euro, für den Monat Dezember 2013 auf ein Nettoarbeitsentgelt i.H.v. 2.885,25 Euro und für den Monat Januar
2014 auf ein Nettoarbeitsentgelt i.H.v. 2.992,30 Euro.
bb) Die Voraussetzungen der Berücksichtigung weiterer Arbeitsentgelte liegen nicht vor. Insbesondere bestand im Insolvenzgeldzeitraum
vom 1. November 2013 bis 31. Januar 2014 gegenüber dem Arbeitgeber kein Anspruch auf Zahlung der Sonderzuwendung bei zehnjähriger
Betriebstreue.
Die Sonderzuwendung ist nicht schon deshalb zu berücksichtigen, weil sie in der Lohnabrechnung des Arbeitgebers bzw. bei den
vom Insolvenzverwalter bescheinigten Entgelten als zustehend ausgewiesen ist. Die Beklagte bzw. die Sozialgerichte sind an
Auskünfte bzw. Bescheinigungen des Arbeitgebers nicht gebunden. Sie haben selbst im Fall einer titulierten Forderung (z.B.
einem Urteil oder Vergleich) das Recht, eigenständig zu prüfen, ob und in welcher Höhe das Arbeitsentgelt zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 1995 - 10 RAr 5/94, juris Rn. 21 f., Senatsurteil vom 22. September 2011 - L 2 AL 63/07, juris Rn. 31 f.).
Der Ausschluss des Anspruchs auf die Sonderzuwendung folgt aus § 7 Nr. 1 Satz 4 des Arbeitsvertrags. Nach dessen Regelung
war die - hier an sich nach der Betriebsordnung zustehende - Sonderzuwendung nicht zu zahlen, weil das Arbeitsverhältnis zum
Auszahlungstag bereits gekündigt war.
Der Auszahlungstag war der nächste regelmäßige Lohnzahlungstag, d.h. der 10. des auf das Jubiläum folgenden Monats. Der Arbeitsvertrag
bzw. die Betriebsordnung sehen keinen von der regelmäßigen Zahlung abweichenden Zahlungstag für Sonderzuwendungen vor. Bei
verständiger Auslegung der Betriebsordnung entsprechend §§
133 und
157 BGB war danach, weil das Jubiläum am 1. November 2013 vollendet war (§§
188 Abs.
2 Alt. 2 i.V.m. §
187 Abs.
2 Satz 1
BGB), die Auszahlung am 10. Dezember 2013 fällig.
Am diesem Tag war das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin noch nicht beendet. Sie war zu diesem Zeitpunkt nur freigestellt.
Es endete erst am 31. Januar 2014. Allerdings war es zu diesem Zeitpunkt bereits gemäß § 7 Nr. 1 Satz 4 des Arbeitsvertrags
"gekündigt", weil die Kündigung ausgesprochen war.
Anders als die Klägerin meint, wirkt die Ausschlussklausel nicht erst, wenn die Kündigung am Auszahlungstag wirksam gewesen
ist.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§
157 BGB). Bei der Auslegung der zugrundeliegenden Willenserklärungen ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen
Sinne des Ausdrucks zu haften (§
133 BGB). Dies ist nur im Fall von Betriebsvereinbarungen anders, weil solche "Normenverträge" gesetzesgleich auszulegen sind (vgl.
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 2. Juni 1961 - 1 AZR 573/59, juris). Hier folgt der Ausschluss nur aus dem Arbeitsvertrag, so dass eine Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont
maßgeblich ist.
Nach dem Wortlaut vernichtet bereits die am Auszahlungstag vorliegende Kündigung den Anspruch. Nach der Formulierung der Ausschlussklausel
ist für einen objektiven Betrachter klar zu erkennen, dass zwei Alternativen zum Wegfall des Anspruchs führen können: die
Beendigung oder die Kündigung des Arbeitsvertrages. Die Klausel ist insofern nicht widersprüchlich oder mehrdeutig. Für den
Anspruchsverlust sind nach dem Wortlaut keine Folgen der Kündigung vorausgesetzt. Danach genügt die bloße "Kündigung", d.h.
deren Ausspruch vor dem Auszahlungstag.
Dies entspricht bei einem objektiven Verständnis erkennbar auch dem Sinn und Zweck der Ausschlussklausel. Die vorliegende
Ausschlussklausel korrespondiert mit dem Sinn und Zweck der hiesigen Sonderzuwendung wegen Betriebstreue. Sie ist vorliegend
allein an die Dauer der Betriebszugehörigkeit geknüpft. Sie ist nicht von der Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung
abhängig. Sie dient daher nicht der eigentlichen Entlohnung und stellt sich als reine "Halteprämie" dar. Solche können zulässigerweise
an weitere Bedingungen, wie den Bestand des Arbeitsverhältnisses über einen bestimmten Stichtag hinaus, geknüpft werden. Dieser
Zweck wird in der arbeitsrechtlichen Praxis regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Zahlung der Sonderzuwendung von dem
ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängt (vgl. BAG, Urteil vom 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10, juris Rn. 13). Demnach soll die Ausschlussklausel dazu führen, dass die Sonderzuwendung wegen Betriebstreue nicht zur Auszahlung
kommt, falls die weitere Betriebstreue nicht gefördert werden kann, weil bereits eine Kündigung ausgesprochen ist. Folglich
sind Klauseln wie die vorliegende arbeitsrechtlich üblich und rechtlich zulässig (vgl. neben der bereits zitierten Entscheidung
den identischen Wortlaut der Klausel bei BAG, Urteil vom 12. Januar 2000 - 10 AZR 840/98, juris).
Zudem würde, wie schon das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, der Sinn der Differenzierung der Ausschlussklausel missachtet,
würde sie in der von der Klägerin gewünschten Weise ausgelegt. Erst mit einer Differenzierung zwischen Kündigung und jedweder
sonstigen Form der Beendigung des Arbeitsvertrages (z.B. durch Aufhebungsvertrag, Auflösungsurteil, Tod) werden zuverlässig
Fälle einer bereits eingetretenen oder erwartbaren Zweckverfehlung der Sonderzuwendung wegen Betriebstreue am Auszahltag erfasst.
Auch bei einem zum Auszahlungstag schon gekündigten oder selbst kündigendem Arbeitnehmer würde eine weitere Betriebstreue
durch die Sonderzuwendung nicht mehr gefördert. Zudem würde nach der Auslegung der Klägerin der Anspruch auch im Fall der
Kündigung erst dann entfallen, wenn das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet ist. Die Heraushebung der Kündigung aus den
sonstigen Beendigungsgründen hätte dann keinen erweiterten Anwendungsbereich zur Folge, der aber ersichtlich mit der Differenzierung
gewollt ist.
d) Die Verminderung der Auszahlung des Insolvenzgeldes um den gewährten Vorschuss ergibt sich aus §
168 Satz 3
SGB III.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
5. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG liegen nicht vor.