Sozialgerichtliches Verfahren - unzulässige Berufung - Auslegung des Berufungsbegehrens - Anfechtungsklage gegen Beitragsbescheid
- Beitragserhebung nicht Streitgegenstand - fehlende Beschwer
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch über die Erhebung von Mahngebühren und Säumniszuschlägen im Zeitraum vom 1. Mai 2013 bis 16.
Juni 2015.
Der am ... 1968 geborene Kläger und Berufungskläger (im weiteren Kläger) war bei der Beklagten und Berufungsbeklagten (im
weiteren Beklagte) seit 1. Dezember 2007 freiwilliges Mitglied. Seine vorherige selbständige Tätigkeit gab der Kläger zum
31. September 2006 auf. Die Beklagte berechnete die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund der geringen Einkünfte
aus Miete, Pacht und Zinsen zunächst aus der jeweils aktuellen Mindestbemessungsgrundlage. Sie berechnete ab 1. Mai 2013 die
Beiträge aus der Beitragsbemessungsgrenze und ging dabei von einer fehlenden Mitwirkung des Klägers bezüglich seiner Einkommensangaben
aus.
Aufgrund der Anfrage der Beklagten reichte der Kläger Einkommensfragebögen vom 1. Juni 2015 für 2015, vom 5. Januar 2015 für
2014 und vom 15. Januar 2014 für 2013 ein. Hierin gab er kein Einkommen an. Mit Schreiben vom 23. September 2015 teilte der
Kläger mit, dass noch kein Einkommensteuerbescheid für 2015 vorliege. Auch im Fragebogen vom 6. Oktober 2015 gab er kein Einkommen
im Jahr 2015 an. Er sei erwerbsunfähig. Der Kläger reichte am 12. Oktober 2015 die Einkommensteuerbescheide für die Jahre
2011 bis 2014 ein, aus denen sich jeweils kein Einkommen ergab.
Mit Bescheid vom 3. November 2015 hob die Beklagte die bisherigen Beitragsbescheide ab 1. Mai 2013 auf und setzte die monatlichen
Beiträge neu auf insgesamt 152,27 € fest (Krankenversicherung 133,85 € und Pflegeversicherung 18,42 €). Ab 1. Januar 2014
betrug der Gesamtbeitrag monatlich 156,22 € (Krankenversicherung 137,33 € und Pflegeversicherung 18,89 €) und ab 1. Januar
2015 162,07 € (Krankenversicherung 139,86 € und Pflegeversicherung 22,21 €). Der Bescheid ergehe auch im Namen der Pflegekasse.
Es sei ein Beitragsrückstand von 5.969,85 € aufgelaufen.
Mit Widerspruch vom 19. November 2015 wandte sich der Kläger gegen die Beitragserhebung. Er habe seit 2012 keine Krankenkassenkarte
mehr. Aufgrund fehlerhafter Berechnungen sei er nicht für den Zahlungsrückstand verantwortlich.
Die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers endete zum 16. Juni 2015 aufgrund des Eintritts der Familienversicherung. Mit Widerspruchsbescheid
vom 21. April 2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 3. November 2015 zurück. Nach Eingang
der Fragebögen zum Einkommen und der Steuerbescheide habe der Beitrag mit dem genannten Bescheid unter Berücksichtigung der
Mindestbemessungsgrenze festgesetzt werden können. Die vorherigen Bescheide vom 14. Mai 2013, 22. Januar 2014 und 2. Februar
2015 mit einer Berechnung anhand der Beitragsbemessungsgrenze seien aufgehoben worden. Die Beitragsbemessung für den Zeitraum
vom 1. Mai 2013 bis 16. Juni 2015 sei nicht zu beanstanden. Eine noch geringere Beitragsfestsetzung sei nicht möglich. Der
Bescheid ergehe auch im Namen der Pflegekasse.
Mit der am 25. Mai 2016 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Beitragsfestsetzung gewandt. Er habe die Krankenversicherungskarte im August
2012 zurückgesandt, da eine Heirat erfolgen sollte. Diese habe aufgrund familiärer Schicksalsschläge jedoch erst 2015 stattfinden
können. Eine Krankenversicherungskarte habe er nicht erhalten. Die Beitragsfestsetzung unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze
sei fehlerhaft gewesen. Der Beklagten sei seine Einkommenslosigkeit bekannt gewesen. Das gesamte Vorgehen der Beklagten sei
rechtswidrig gewesen, insbesondere sei es zu lebensgefährlichen Verzögerungen bei ärztlichen Behandlungen gekommen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. Februar 2020 abgewiesen. Die Beitragsfestsetzung mit dem Bescheid vom 3. November
2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2016 sei nicht zu beanstanden. Die Beitragserhebung erfolge anhand
der gesetzlich festgelegten Mindestgrenze, ein geringerer Beitrag sei nicht möglich.
Gegen den am 6. Februar 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 6. März 2020 Berufung eingelegt. Die Festsetzung
der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung sei nicht streitig. Diese seien zwischenzeitlich auch gezahlt.
Vielmehr sei Streitgegenstand, ob tatsächlich eine Säumnis zur Zahlung von Beiträgen seinerseits vorliege. Dies werde bestritten,
da das Verschulden hier auf Seiten der Beklagten liege, die ihm keine Krankenversicherungskarte zur Verfügung gestellt habe.
Mahngebühren und Säumniszuschläge seien daher nicht festzusetzen.
Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 13. August 2020 darauf hingewiesen, dass Säumniszuschläge und Mahngebühren im Bescheid
vom 3. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2016 nicht festgesetzt worden seien. Darüber
habe auch das SG nicht entschieden.
Der Senat hat die Beigeladene mit Beschluss vom 28. September 2020 zum Verfahren notwendig beigeladen.
Der Kläger trägt vor, dass durch die jahrelange Zurückbehaltung der Versichertenkarte ein Schaden entstanden sei. Es sei sogar
aufgrund der Zahlungsrückstände ein Haftbefehl beantragt worden. Zudem seien gesundheitliche Schäden eingetreten und Säumniszuschläge
sowie Mahngebühren dürften nicht festgesetzt werden.
Der Kläger beantragt schriftlich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Februar 2020 aufzuheben und den Beitragsbescheid der Beklagten vom
3. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids. Die Beitragserhebung sei nicht zu beanstanden.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Die Beklagte hat am 12. Oktober 2020 und der Kläger am 4. November 2020 einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung
zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung
des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte den Rechtsstreit entscheiden, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da sich die Beteiligten übereinstimmend
hiermit einverstanden erklärt haben (§§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist bereits unzulässig.
Hinsichtlich des Beitragsbescheides vom 3. November 2015 ist die Anfechtungsklage grundsätzlich die zutreffende Klageart.
Insbesondere ist der Beitragsbescheid nicht Gegenstand eines anderen Verfahrens im Sinne von §
86 oder §
96 SGG geworden. So hebt der Beitragsbescheid vom 3. November 2015 die vorher ergangenen Beitragsbescheide für den Zeitraum 1. Mai
2013 bis 16. Mai 2015 auf. Dies ist aber offenbar im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens zugunsten des Klägers erfolgt. Weitere
laufende Verfahren zu den vorherigen Beitragsbescheiden sind ausweislich der Stellungnahme der Beklagten vom 16. Juni 2020
zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides vom 3. November 2015 nicht anhängig gewesen.
Die Berufung ist jedoch unzulässig, da keine Beschwer des Klägers durch den Gerichtsbescheid des SG ersichtlich ist. So ist er zwar formell beschwert, da das SG seinen Klageantrag abgewiesen hat. Der Kläger wendet sich aber im Berufungsverfahren ungeachtet seiner Antragstellung ausdrücklich
nicht mehr gegen die Beitragsfestsetzung zur Kranken- und Pflegeversicherung nach dem Bescheid vom 3. November 2015. So hat
die Prozessbevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 16. April 2020 dargelegt, dass Streitgegenstand nicht die Beitragserhebung
sein soll. Dies ist auch nachvollziehbar, da diese anhand der Mindestbemessungsgrenze erfolgt ist und ein niedrigerer Beitrag
nicht in Betracht kam. Folgerichtig hat der Kläger den Beitrag auch bereits an die Beklagte gezahlt. Eine anderweitige Versicherung
ohne Beitragszahlung will der Kläger nicht geltend machen. Dies wird besonders deutlich, wenn er schon dem Gerichtsbescheid
entgegenhält, die Beiträge seien nicht Streitgegenstand. Insofern kann auch der wörtlich gestellte Antrag die Auslegung des
Begehrens nicht anders bestimmen. Soweit der Kläger zunächst die Familienversicherung erwähnt hatte, hat er hieran nicht mehr
festgehalten, da vor dem 16. Juni 2015 keine Eheschließung vorlag.
Soweit der Kläger eine fehlerhafte Erhebung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren hinsichtlich des Beitragsrückstandes angreift,
ist festzustellen, dass entsprechendes im Bescheid vom 3. November 2015 nicht geregelt ist. Vielmehr wird hier seitens der
Beklagten die bisherige Beitragserhebung anhand der Beitragsbemessungsgrenze aufgehoben und eine Neufestsetzung zugunsten
des Klägers anhand der Mindestbemessungsgrenze vorgenommen. Die genannten Einwände sind auch nicht Gegenstand einer Antragstellung
vor dem SG und folgerichtig nicht Gegenstand des angegriffenen Gerichtsbescheides. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens können daher
etwaige Säumniszuschläge und Mahngebühren nicht überprüft werden.
Weitergehende Anträge sind durch die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht gestellt worden. Die Klage und die Berufung
bezogen sich vielmehr ausdrücklich auf die Aufhebung des Bescheides vom 3. November 2015. Soweit der Kläger selbst etwaige
Schadensersatzansprüche angesprochen hat, sind auch diese nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem SG gewesen und nicht Inhalt der mit der Berufung angegriffenen Entscheidung.
Insgesamt verfolgt der Kläger damit in der Berufung kein zulässiges Begehren bezüglich des streitgegenständlichen Beitragsbescheides
vom 3. November 2015.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 SGG). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.