Krankenversicherung - Anspruch auf Krankengeld - Maßgeblichkeit des konkret bestehenden Versicherungsverhältnisses - Beurteilung
der Arbeitsunfähigkeit - zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Maßstab - stufenweise Wiedereingliederung - Ausübung der bisherigen
Tätigkeit nicht möglich - keine Arbeitsfähigkeit
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 1. bis 14. Dezember 2014 streitig.
Der am 1962 geborene Kläger und Berufungsbeklagte (im weiteren Kläger) ist bei der Beklagten und Berufungsklägerin (im weiteren
Beklagte) als Arbeitnehmer gesetzlich krankenversichert. Er war zunächst bei der DRB, anschließend bei der DBN und ist seit
dem 1. Februar 2004 als Ressourcendisponent bei der DBF (im weiteren Arbeitgeber) tätig. Er ist in die Entgeltgruppe E 09
der Anlage 3a zum Konzernentgelttarifvertrag eingruppiert. Der Kläger übt seine Tätigkeit (40 Wochenstunden) im Schichtbetrieb
entsprechend der im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen betrieblich einschlägigen Tarifverträge sowie der geltenden Betriebsvereinbarungen
aus.
Der Kläger war ab 18. März 2014 mit der Diagnose I20.0 (Angina pectoris), festgestellt durch den Facharzt für Innere Medizin
Dr. Bm., arbeitsunfähig. Er befand sich in der Zeit vom 18. bis zum 24. März 2014 in stationärer Behandlung im Herzzentrum
C. (Diagnosen: akutes Koronarsyndrom mit Stentimplantation). In den Folgebescheinigungen des Facharztes für Innere Medizin
Br. vom 4. und 24. April 2014 waren die Diagnosen I25.19 (Atherosklerotische Herzkrankheit mit stenosierten Stents) und I21.4
(Akuter subendokardialer Myokardinfarkt, Innenschichtinfarkt) angegeben. Der Kläger erhielt Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber
bis zum 28. April 2014 und anschließend Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 65,73 € brutto, 57,86 € netto. Die Arbeitsunfähigkeit
wurde fortlaufend weiter bescheinigt und durch die Beklagte Krankengeld gezahlt.
Am 22. September 2014 beantragte der Kläger mit der Bescheinigung des behandelnden Hausarztes Dipl.-Med. Br. und der Zustimmung
des Arbeitgebers die stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben unter Vorlage eines Wiedereingliederungsplans. Vorgesehen
war zunächst eine Tätigkeit von 4 Stunden täglich für den Zeitraum vom 22. September bis 19. Oktober 2014. Die Betriebsärztin
Dipl.-Med. Sr. befürwortete keine Schichtarbeit. Der Arbeitgeber zahlte kein Arbeitsentgelt. Die Beklagte stimmte der stufenweisen
Wiedereingliederung zu und zahlte Krankengeld. Im Zeitraum vom 27. September bis 20. Oktober 2014 gewährte der Arbeitgeber
Erholungsurlaub und zahlte Urlaubsentgelt. Anschließend wurden die Wiedereingliederung und Krankengeldzahlung fortgesetzt.
Der Kläger reichte einen weiteren Wiedereingliederungsplan vom 7. Oktober 2014 ein. Dieser sah für die Zeit vom 3. bis 16.
November 2014 eine Tätigkeit von 6 Stunden täglich ohne Schichtarbeit vor. Dipl.-Med. Br. gab eine voraussichtliche Wiederherstellung
der vollen Arbeitsfähigkeit zum Jahr 2015 an. Die Zustimmung des Arbeitgebers reichte der Kläger nach. Arbeitsentgelt erhielt
der Kläger nicht. Die Beklagte stimmte der stufenweisen Wiedereingliederung zu und zahlte Krankengeld.
Im weiteren Wiedereingliederungsplan vom 13. November 2014 gab Dipl.-Med. Br. eine mögliche Tätigkeit von 8 Stunden täglich
für den Zeitraum vom 1. bis 31. Dezember 2014 mit Schichtarbeit an. Die Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit sei
zum Januar 2015 absehbar. Der Arbeitgeber stimmte dem Wiedereingliederungsplan zu und gab an, dass Arbeitsentgelt nicht gezahlt
werde. Mit Schreiben vom 14. November 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass aufgrund einer ihm möglichen täglichen
Arbeitszeit von 8 Stunden keine Arbeitsunfähigkeit mehr gegeben sei. Das Ziel der stufenweisen Wiedereingliederung werde damit
zum 30. November 2014 erreicht. Daraufhin reichte der Kläger einen weiteren Wiedereingliederungsplan mit einer täglichen Stundenzahl
von 7,5 für die Zeit vom 1. bis 31. Dezember 2014 ein, der sowohl vom Arbeitgeber als auch von Dipl.-Med. Br. befürwortet
wurde.
Nach einer eingeholten Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen vom 25. November 2014, der
Arbeitsfähigkeit ab sofort attestierte, legte die Beklagte mit Bescheid vom 25. November 2014 das Ende der Arbeitsunfähigkeit
mit Ablauf des 30. November 2014 fest. Hiergegen erhob der Kläger am 28. November 2014 Widerspruch. Er könne seine berufliche
Tätigkeit nur nach angemessenen Belastungserhöhungen und in Absprache mit dem Bahnarzt und dem Hausarzt wieder aufnehmen.
Er reichte eine Übersicht der Planschichten des Arbeitgebers ein, der darüber hinaus gegenüber dem Kläger mitteilte, dass
eine vollständige Arbeitsfähigkeit erst dann vorliege, wenn die Schichten in vollem Umfang geleistet werden könnten. Der Kläger
reichte auch eine Bescheinigung Dipl.-Med. Br. ein. Dieser teilte mit, dass der Wechsel von einer Tätigkeit von 6 Stunden
auf max. 12 Stunden Nachtschicht abgefedert werden sollte. Eine stufenweise Erhöhung der Belastung sei für die Rekonvaleszenz
günstig.
Die Beklagte holte eine sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt
(MDK) vom 1. Dezember 2014 ein. Dieser kam zum Ergebnis, dass der Schichtplan im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung
nicht zu berücksichtigen sei. Die kardiologische Belastbarkeit sei bereits im Mai 2014 sehr gut gewesen. Der Kläger sei über
den Ablauf von 14 Tagen hinaus nicht weiter arbeitsunfähig. Dieser reichte eine weitere ärztliche Stellungnahme vom 5. Dezember
2014 ein, in der Dipl.-Med. Br. mitteilte, dass der Kläger gesundheitlich noch nicht in der Lage sei, die 10-stündigen Nachtschichten
und 12-stündigen Wochenendschichten vollschichtig zu leisten.
Mit Anhörungsschreiben vom 10. Dezember 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass keine Arbeitsunfähigkeit über den 30.
November 2014 hinaus vorliege und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2015 mit gleicher
Begründung zurück. Nach den Feststellungen des MDK habe der Kläger seine Arbeitstätigkeit zum 1. Dezember 2014 wieder aufnehmen
können.
Mit der am 31. März 2015 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sich gegen die Entscheidung der Beklagten gewandt und die Zahlung von Krankengeld für die
Zeit bis einschließlich 14. Dezember 2014 geltend gemacht. Er sei weiterhin arbeitsunfähig gewesen. Durch die Entscheidung
der Beklagten sei er gezwungen gewesen, die stufenweise Wiedereingliederung zum 14. Dezember 2014 zu beenden und bezahlten
Erholungsurlaub zu nehmen. Ein Wiedereinstieg ins Arbeitsleben sei erst Ende Januar 2015 möglich gewesen. Der Kläger hat eine
erneute Stellungnahme Dipl.-Med. Br.s vom 13. März 2015 vorgelegt, der weiterhin eine vollschichtige Arbeitsfähigkeit im Schichtsystem
für den Dezember 2014 verneint hat.
Die Beklagte hat eine weitere sozialmedizinische Stellungnahme des MDK vom 30. Juli 2015 eingereicht. Dieser hat mitgeteilt,
dass sich keine neuen medizinischen Aspekte ergeben würden. Eine Verlängerung der stufenweisen Wiedereingliederung sei anhand
der Befundberichte nicht zu begründen.
Das SG hat einen Befundbericht Dipl.-Med. Br. vom 27. Oktober 2015 eingeholt. Dieser hat hierin angegeben, dass er zur Heranführung
an eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit auch in Spät- und Nachtschichten mit einer Dauer von 10 bis 12 Stunden zunächst
eine Tätigkeit von 8 Stunden täglich für erforderlich gehalten habe. Ein langsames und stetiges Ansteigen der Belastung sei
für die konkrete Tätigkeit erforderlich gewesen. Die Beklagte reichte demgegenüber eine Stellungnahme des MDK vom 12. November
2015 ein, der mitgeteilt hat, dass eine 8 Stunden tägliche Wiedereingliederung bereits der vollschichtigen Tätigkeit entsprechen
würde. Damit sei Arbeitsfähigkeit erreicht. Besonderheiten im Schichtplan der Bahn könnten nicht berücksichtigt werden.
Das SG hat mit dem Urteil vom 21. März 2016 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. November 2014 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 5. März 2015 verurteilt, Krankengeld für die Zeit vom 1. bis 14. Dezember 2014 in gesetzlicher
Höhe zu zahlen. Der Kläger habe Anspruch auf Krankengeld, da er arbeitsunfähig im Sinne der gesetzlichen Regelung des §
44 Abs.
1 Satz 1 des
Fünften Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V) gewesen sei. Maßgeblich seien auch im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung die Anforderungen des konkreten Arbeitsplatzes.
Der Kläger sei nicht in der Lage gewesen, in den Schichten nach dem Schichtplan für Dezember 2014 zu arbeiten. Dies stehe
nach den ärztlichen Attesten fest. Die Auffassung des MDK, der Kläger könne 8 Stunden täglich arbeiten und sei daher nicht
arbeitsunfähig, verkenne den Begriff der Arbeitsunfähigkeit. Es habe keine Änderung des Arbeitsplatzes seitens des Arbeitgebers
vorgelegen. Soweit die Beklagte davon ausgehe, der Arbeitgeber hätte dem Kläger eine anderweitige Tätigkeit zuweisen können
oder müssen, sei dies lediglich eine Meinungsäußerung, bewirke aber keine Verpflichtung des Arbeitgebers, in diesem Sinne
zu verfahren.
Gegen das am 25. April 2016 zugestellte Urteil hat sich die Beklagte mit der am 18. Mai 2016 beim Landessozialgericht (LSG)
Sachsen-Anhalt erhobenen Berufung gewandt.
Sie trägt vor, im Dezember 2014 habe keine Arbeitsunfähigkeit des Klägers mehr vorgelegen. Maßgeblich sei nach der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts nicht, dass ein Arbeitnehmer in der gesamten Bandbreite der arbeitsvertraglich möglichen Leistungsbestimmung
tätig werden könne. Der Arbeitgeber könne hier die Arbeitszeit unter Berücksichtigung des Schichtmodells festlegen und müsse
auf die Belange, insbesondere gesundheitlichen Belange, des Klägers Rücksicht nehmen. Soweit der Arbeitgeber sein Weisungsrecht
nicht unter Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht ausübe, könne dies nicht zu einer Belastung der gesetzlichen
Krankenversicherung führen. Darüber hinaus sei der Kläger nach dem Arbeitsvertrag nicht verpflichtet, mehr als 8 Stunden –
entsprechend der Regelungen im Arbeitszeitgesetz – zu arbeiten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG vom 21. März 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Dezember 2014 habe noch keine Arbeitsfähigkeit vorgelegen. Vielmehr habe er während der stufenweisen Wiedereingliederung
immer unter Aufsicht gearbeitet und habe die kompletten Planschichten nicht absolvieren können. Das Schichtsystem sei jedoch
auf die Anforderungen als Disponent im Fernverkehr ausgerichtet und könne nicht wegen eines einzelnen Mitarbeiters abgeändert
werden.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren eine Stellenbeschreibung für Ressourcendisponenten Transportleitung (gültig ab 1. Juni
2009) vorgelegt. Auf Nachfrage des Senats hat die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft in ihrer Stellungnahme vom 1. Februar
2017 bezüglich der Regelungen zur Arbeitszeit auf die tariflichen Regelungen zum Jahresarbeitszeitsoll verwiesen. Die Verteilung
erfolge unter Beachtung des § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) im Rahmen einer Betriebsvereinbarung. Auf weitere Nachfrage des Senats hat der Arbeitgeber im Schreiben vom 20. Oktober
2020 mitgeteilt, dass der Kläger im Zeitraum vom 1. bis 18. Dezember 2014 entsprechend seines Wiedereingliederungsplans eingesetzt
gewesen sei. Arbeitsentgelt sei für den 15., 17. und 18. Dezember 2014 gezahlt worden. Anhand des vorgelegten Dienstplans
für Dezember 2014 sei ersichtlich, wie seine Soll-Arbeitszeit ausgesehen hätte und welche Zeiten er tatsächlich gearbeitet
habe. Die Wiedereingliederung sei so durchgeführt worden, dass der Kläger seine Tätigkeit in einem Team bzw. in Begleitung
und nicht eigenverantwortlich ausgeübt habe. Dies sei auch mit dem Betriebsrat vorab abgestimmt worden. Eine nur 8-stündige
Tätigkeit sei im Arbeitsbereich des Klägers grundsätzlich möglich, hätte jedoch erheblichen Einfluss auf die Schichtgestaltung
der anderen Kollegen gehabt. Eine vollständige Umgestaltung des Schichtsystems sei allerdings unter Berücksichtigung der Belange
anderer Mitarbeiter und der tarifvertraglichen Regelungen nur begrenzt bzw. auf Dauer gar nicht möglich gewesen.
Die Beklagte hat am 7. Dezember 2020 und der Kläger am 8. Dezember 2020 einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung
zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung
des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte den Rechtsstreit entscheiden, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da sich die Beteiligten übereinstimmend
hiermit einverstanden erklärt haben (§§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Die Berufung ist auch statthaft,
da der Beschwerdewert von 750 € nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG überschritten wird, nachdem sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von Krankengeld dem Grunde nach für 14 Tage
wendet (14 x 65,73 € brutto = 920,22 €).
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 25. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 5. März 2015 Krankengeld für die streitbefangene Zeit vom 1. bis 14. Dezember 2014 beanspruchen kann.
Nach §
44 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte u.a. Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit
ergibt sich aus dem Umfang des Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis (ständige Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts [BSG], z. B. Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 21/05 R, juris, Rn. 12). Vorliegend war der Kläger nach §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V als abhängig Beschäftigter gesetzlich krankenversichert, so dass für die Frage der Arbeitsunfähigkeit insbesondere im fortbestehenden
Arbeitsverhältnis auf die arbeitsvertraglich geschuldete, zuletzt ausgeübte Tätigkeit abzustellen ist. Diese Orientierung
am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses entspricht der Zweckbestimmung des Krankengeldes, die Versicherten während der Arbeitsunfähigkeit
wirtschaftlich abzusichern. Damit ist grundsätzlich die Erwartung geschützt, nach Beseitigung der Arbeitsunfähigkeit die bisherige
Arbeit wieder aufzunehmen (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 - B 1 KR 5/03 R, juris, Rn. 15). Ausnahmsweise können Versicherte bei noch bestehendem Arbeitsverhältnis auf ähnlich geartete Tätigkeiten
in demselben Betrieb verwiesen werden, wenn der Arbeitgeber ein darauf gerichtetes Angebot abgibt (innerbetriebliche Umsetzung).
Die Verweisung setzt dann jedoch voraus, dass der Arbeitgeber die Versetzung konkret anbietet und diese entsprechend arbeitsrechtlichen
Grundsätzen aufgrund seines Direktionsrechts vorgenommen werden kann, insbesondere der Arbeitgeber also nach dem Arbeitsvertrag
die Arbeitsleistung insoweit einseitig bestimmen darf (so bereits BSG, Urteil vom 7. August 1991 - 1/3 RK 28/89, juris, Rn. 18; Schifferdecker in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand September 2020, §
44 SGB V, Rn. 47 m.w.N.).
Nichts Anderes gilt grundsätzlich im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung nach §
74 SGB V. Auch wenn der Arbeitnehmer mit Zustimmung des behandelnden Arztes, des Arbeitgebers und der Krankenkasse teilweise seine
Tätigkeit verrichtet, bleibt er weiterhin arbeitsunfähig und erhält – ggf. unter Berücksichtigung gezahlten Arbeitsentgelts
– Krankengeld.
Vorliegend war der Kläger bei seinem Arbeitgeber als Disponent im Schichtdienst eingesetzt. Seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen
richten sich nach den Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Im vorgelegten Arbeitsvertrag vom 28. Januar 2004
sind jedoch keine weiteren Angaben zur Tätigkeit des Klägers enthalten. Es wird lediglich geregelt, dass eine Beschäftigung
als Ressourcendisponent der Entgeltgruppe E 09 vollschichtig ausgeübt wird. Die weitere Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses
ergibt jedoch sich aus den einschlägigen Tarifverträgen, auf die im Arbeitsvertrag Bezug genommen wird (große dynamische Bezugnahmeklausel).
Unabhängig von einer Tarifbindung werden jedenfalls mit der Bezugnahmeklausel die tariflichen Regelungen zum Inhalt des Arbeitsvertrags
(Franzen in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Auflage, 2021, § 3 Tarifvertragsgesetz, Rn. 32 m.w.N.). Darüber hinaus haben die Betriebsvereinbarungen der Betriebsparteien unmittelbare Auswirkungen auf den Inhalt
des Arbeitsverhältnisses (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG). Sie gelten unmittelbar und zwingend, soweit keine günstigere Regelung im Arbeitsvertrag enthalten ist (Kania in Erfurter
Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Auflage, 2021, § 77 Betriebsverfassungsgesetz, Rn. 68 m.w.N.).
Vorliegend ergibt sich der zeitliche Umfang der Tätigkeit des Klägers aus dem von der Gewerkschaft vorgelegten Tarifvertrag.
Hier wird ein Jahresarbeitszeitsoll geregelt, wobei die konkrete Umsetzung den Betriebsparteien überlassen wird (Tariföffnung).
Sowohl die Gewerkschaft als auch der Arbeitgeber haben in ihren Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass die Verteilung der
Arbeitszeit durch Schichtpläne erfolgt. Diese werden in Abstimmung mit dem Betriebsrat als Betriebsvereinbarung vereinbart
und haben damit unmittelbare Wirkung auf das jeweilige Arbeitsverhältnis. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält keine abweichenden
Regelungen. Er hat damit im Rahmen seiner Tätigkeit als Disponent im Schichtsystem entsprechend des Schichtplans und damit
(auch) in Nacht- und Wochenendschichten von 10 bis 12 Stunden zu arbeiten. Dies ist Inhalt des Arbeitsverhältnisses.
Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass sich die „geschuldete Arbeitsleistung nach § 3 Arbeitszeitgesetz“ bestimme
und der Kläger mit einer Arbeitsleistung von 8 Stunden täglich voll arbeitsfähig sei. Insoweit verkennt die Beklagte die Vereinbarung
von Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis. Das Arbeitszeitgesetz setzt lediglich einen Rahmen im Sinne des Arbeitnehmerschutzes (vgl. § 1 Arbeitszeitgesetz [ArbZG]), bestimmt allerdings nicht die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitszeit. So sind ausdrücklich Arbeitszeiten über
8 Stunden täglich möglich, wenn dies Besonderheiten des Arbeitsplatzes erfordern und entsprechende Ruhezeiten eingehalten
werden (§ 3 Satz 2 ArbZG). Darüber hinaus sind abweichende Regelungen zu § 3 ArbZG nach § 7 ArbZG in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen ausdrücklich möglich.
Der Arbeitsplatz des Klägers als Disponent umfasst neben den qualitativen Anforderungen auch die quantitativen Anforderungen
des Schichtplans. Eine Arbeitsfähigkeit des Klägers bestand daher im Dezember 2014 nach Auffassung des Senats entsprechend
der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und auch der Einlassungen des MDK nicht. So hat Dipl.-Med. Br. in mehreren Stellungnahmen
(13. März 2015, 12. Dezember 2014, 5. Dezember 2014 und 27. November 2014) und auch im Wiedereingliederungsplan vom 13. November
2014 darauf hingewiesen, dass der Kläger im Dezember 2014 noch nicht in der Lage sei, die 10-stündigen Nachtschichten und
12-stündigen Wochenendschichten zu leisten. Für den Senat ist die stufenweise Steigerung der Arbeitszeit nach einem Myokardinfarkt
nachvollziehbar. Dies stellt ein Herantasten an die volle Arbeitsfähigkeit dar, die bei einem derart verantwortungsvollen
Arbeitsplatz wie dem Ressourcendisponenten im Fernverkehr der Bahn geboten ist. So zeigt auch die Umsetzung der Wiedereingliederung
durch den Arbeitgeber, dass ein Wechsel von einer 6-stündigen Tätigkeit wieder in eine Tätigkeit von bis zu 12 Stunden ohne
Zwischenstufe problematisch gewesen wäre. Der Arbeitgeber hat dargelegt, dass er für die Wiedereingliederung den Arbeitnehmer
nur mit einer zweiten Person in einem Team eingesetzt hat, um etwaige Ausfälle sofort kompensieren zu können. Darüber hinaus
hat der Arbeitgeber durch die Besetzung mit einer voll einsatzfähigen zweiten Person die Aufrechterhaltung des Schichtplans
sichergestellt. Die Belastungserprobung zunächst mit 8 Stunden täglich und damit mit Arbeitsunfähigkeit entsprach daher dem
Gesundheitszustand des Klägers im Dezember 2014. Hierfür spricht auch die Ende Januar 2015 erfolgte Rückkehr an seinen Arbeitsplatz.
Auch der MDK hat dies nicht mit medizinischer Begründung in Abrede gestellt. So hat er zunächst in der Stellungnahme vom 25.
November 2014 keine Angaben gemacht, warum eine Arbeitsfähigkeit bestehen sollte. In der Stellungnahme vom 1. Dezember 2014
hat der MDK eine Arbeitsunfähigkeit bejaht, die binnen 14 Tagen beendet werden könne. Er hat dabei maßgeblich auf die Rechtsauffassung
abgestellt, dass die Tätigkeit nach dem Schichtplan nicht berücksichtigt werden könne. In der Stellungnahme vom 30. Juli 2015
ging er dann von einer Arbeitsfähigkeit des Klägers aus und begründet dies in der Stellungnahme vom 12. November 2015 wiederum
damit, dass die Arbeitsfähigkeit des Klägers für eine Tätigkeit von 8 Stunden täglich bestehe und der Schichtplan nicht berücksichtigt
werden könne. Dies ist jedoch entsprechend der obigen Ausführungen zum Arbeitsplatz und den arbeitsvertraglichen Pflichten
des Klägers nicht zutreffend.
Unabhängig davon, dass die Beklagte einer weiteren stufenweisen Wiedereingliederung ab 1. Dezember 2014 die Zustimmung versagt
hat, war der Kläger daher weiterhin arbeitsunfähig.
Soweit die Beklagte ergänzend darauf abstellt, dass der Arbeitgeber verpflichtet gewesen sei, den Kläger „leidensgerecht“
zu beschäftigen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Beklagte hat insoweit auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
(BAG, Urteil vom 9. April 2014 - 10 AZR 637/13) Bezug genommen. Das BAG geht hier davon aus, dass keine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des
Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) vorliege, wenn eine Krankenschwester alle ihr obliegenden Tätigkeiten verrichten könne und lediglich keine Nachtdiensttauglichkeit
vorliege. Die Arbeitnehmerin habe dann einen Anspruch auf eine Einteilung zum Dienst ohne Nachtschichten (BAG, a.a.O., juris,
Rn. 25). Unabhängig von der Frage, ob die Rechtsprechung des BAG zum EFZG auf die Frage der Arbeitsunfähigkeit nach dem
SGB V übertragen werden kann, ist die vorliegende Situation des Klägers eine andere. Dieser war nach den ärztlichen Feststellungen
nicht in der Lage, die nach kollektivvertraglichen Regelungen im Schichtplan vorgesehene Arbeitszeit zu leisten. Es geht daher
um den Umfang und nicht die Lage der Arbeitszeit. Es handelt sich auch nicht um eine individuelle Weisung des Arbeitgebers
(z. B. die Anordnung von Überstunden), die ohne weiteres geändert werden konnte. Bezüglich der für die Ressourcendisponenten
kollektivrechtlich vereinbarten Arbeitszeit hat der Arbeitgeber in der Stellungnahme vom 20. Oktober 2020 nachvollziehbar
dargelegt, dass ein dauerhafter Einsatz des Klägers mit max. 8 Stunden täglich nicht umsetzbar gewesen wäre. Der Schichtplan
einschließlich der Wochenendschichten sei auf eine gleichmäßige Belastung aller Mitarbeiter des Arbeitsbereichs ausgelegt.
Die Zuordnung oder der Ausschluss einzelner Schichten sei tarifvertraglich nur begrenzt möglich. Insoweit kann der Senat auch
offenlassen, ob der Arbeitgeber bezüglich einer anderen Beschäftigung des Klägers ein Zustimmungsverfahren nach § 99 BetrVG hätte durchführen müssen. Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) das konkrete Angebot des Arbeitgebers einer anderen Tätigkeit erforderlich, für die Arbeitsfähigkeit besteht, um
die Arbeitsunfähigkeit auszuschließen. Ein solches Angebot hat der Arbeitgeber ausdrücklich nicht abgegeben.
Weiterhin widerspricht die Auffassung der Beklagten auch dem Sinn und Zweck der stufenweisen Wiedereingliederung. Diese dient
der kontinuierlichen Heranführung des Versicherten an seinen bisherigen Arbeitsplatz (z.B. Hess in Kasseler Kommentar zum
Sozialversicherungsrecht, Stand September 2020, §
74 SGB V, Rn. 3 m.w.N.). Dies würde konterkariert, wenn in einer laufenden Wiedereingliederung der Arbeitgeber bereits das Ergebnis
vorwegnehmen müsste und dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz zuweisen würde. Soweit und solange noch nicht feststeht,
dass der Versicherte seine bisherige Tätigkeit zeitnah nicht mehr ausüben kann, besteht bereits kein Erfordernis einer Änderung
des Arbeitsplatzes. Auch insoweit unterscheidet sich der von der Beklagten angeführte Fall des BAG von der vorliegenden Situation.
Eine uneingeschränkte Einsetzbarkeit des Klägers auf seinem bisherigen Arbeitsplatz war durch den Hausarzt bereits für Januar
2015 prognostiziert worden.
Der Kläger erfüllt auch die weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankengeld im streitigen Zeitraum. Er ist als Arbeitnehmer
bei der Beklagten mit Krankengeldanspruch nach §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V versichert. Die Arbeitsunfähigkeit wurde darüber hinaus ärztlich festgestellt (§
46 Satz 1 Nr. 2
SGB V in der Fassung bis 22. Juli 2015). Dies ergibt sich bereits aus dem Wiedereingliederungsplan vom 13. November 2014. In diesem
hat Dipl.-Med. Br. die weitere Arbeitsunfähigkeit bis 31. Dezember 2014 vor Ablauf der vorherigen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
bis zum 30. November 2014 festgestellt. Er hat darüber hinaus eine voraussichtliche Arbeitsfähigkeit zum Januar 2015 in Aussicht
gestellt. Diese Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit ist bei der Beklagten auch noch im November 2014 eingegangen, wie ihre
Reaktion vom 14. November 2014 zeigt. Die Arbeitsunfähigkeit wurde daher rechtzeitig gemeldet und ein Ruhen des Krankengeldanspruchs
nach §
49 Abs.
1 Nr.
5 SGB V ist nicht eingetreten. Der Kläger hat für den genannten Zeitraum nach den Darlegungen des Arbeitgebers in der Stellungnahme
vom 20. Oktober 2020 auch kein Arbeitsentgelt erhalten, so dass ebenfalls kein Ruhen des Krankengeldanspruchs nach §
49 Abs.
1 Nr.
1 SGB V vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 SGG). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.