Gesetzliche Unfallversicherung - Unfallversicherungsschutz - Promotionsstudent - wissenschaftliche Forschung für die Promotion
- Erkundung einer Bergwerksgrube zur Entnahme von Wasserproben für die Doktorarbeit - Sturz in einen Schacht - fehlender organisatorischer
Verantwortungsbereich der Hochschule - Kenntnis oder Zurverfügungstellung von Materialien durch die Hochschule nicht ausreichend
- keine weitere unfallversicherungsrechtlich geschützte Aus- und Fortbildung nach abgeschlossenem Masterstudium
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Unfalles am 17. Mai 2015 als Arbeitsunfall. Dabei ist vor allem die Reichweite
des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung für Studenten streitig.
Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Promotionsstudentin an dem Institut für Geowissenschaften und Geografie der M.-L.-Universität
H./W.. Nach ihrer Immatrikulationsbescheinigung befand sie sich im Sommersemester 2015 im 4. Fachsemester Geografie (16. Hochschulsemester).
Als Abschluss wurde eine Promotion genannt.
Thema ihrer Dissertation war die Dokumentation der Veränderungen in der Höhlenbildung insbesondere durch menschlichen Einfluss.
In den Vorgaben für ihre Doktorarbeit wird auf die Sulfatkarstsysteme sowohl am Südrand des Harzes als auch entlang der Südabdachung
des Kyffhäusers hingewiesen. Weiterhin heißt es: „Durch die Erfassung von Fließwegen und hydrochemischen Variabilitäten im
Jahresverlauf ist es weiterhin möglich, die direkten Auswirkungen von unterschiedlichen Niederschlagsraten, besonders hinsichtlich
klimatischer Extremereignisse, wie langen Trockenzeiten oder Starkniederschlägen, auf die Höhlensysteme deutlich zu machen.
Diese Untersuchungen sollen im Wesentlichen in der Barbarossahöhle, aber auch in der Heimkehle durchgeführt werden.“ Weiterhin
sollten auch bisher unbekannte Hohlräume in unmittelbarem Umfeld der Barbarossahöhle erforscht werden. Es existiere die Theorie
vom Vorhandensein weiterer wasserdurchflossener Hohlräume im Nordosten und Osten. Betreut wurde die Klägerin bei ihrer Arbeit
von Privatdozent Dr. G. (im Weiteren aufgrund der Entwicklung einheitlich: Prof. Dr. G.) und Prof. Dr. M..
Nach einem Durchgangsarztbericht von Dr. R. vom 17. Mai 2015 war die Klägerin bei der Entnahme von Wasserproben ca. 15 Meter
tief in einen Schacht gestürzt. Seine Untersuchung ergab einen kompletten Berstungsbruch des Lendenwirbelkörpers 1 mit Verlegung
des Spinalkanals. Es bestand eine Querschnittsymptomatik. Gegenüber dem Klinikum B. in H./S. berichtete die Klägerin im Weiteren,
die Wasserprobenentnahme sei im Rahmen ihrer Dissertation erfolgt. Sie habe den Entwässerungsfluss bestimmter Gebiete durch
Anfärben von Wasser und anschließender Probeentnahme in entfernten Gebieten untersucht, wohin ein Untergrundwasserfluss vermutet
werde. Dies sei mit dem Betreuer ihrer Doktorarbeit an der Universität abgesprochen und auch angemeldet worden. Da ihre Begleiter
bei der Höhlenerkundung nur am Wochenende Zeit gehabt hätten, hätte sie diese Arbeiten am Wochenende machen müssen.
Der Unfall fand in der Schwerspatgrube K. statt; diese liegt zwischen der N. und der S..
In einem „Kurzprotokoll zur Beratung zum Unfall“ des Institutes für Geowissenschaften und Geografie (Zusammenfassung der Angaben
von Prof. Dr. G. und Prof. Dr. M.) lag das Arbeitsgebiet der Klägerin laut ihrem Antrag und Arbeitsablauf im Südharz und im
südlichen Kyffhäuser. Der nördliche Kyffhäuser sei weder abgesprochen noch angewiesen worden. Die Befahrung von Alt-Bergwerken
sei explizit nie kommuniziert, autorisiert oder gar angewiesen worden. Die Ausweitung des Arbeitsgebietes auf den nördlichen
Kyffhäuser sei für den erfolgreichen Fortgang der Dissertation nicht relevant. Am Freitag, dem 15. Mai 2015 habe die Klägerin
Behälter für die Wasserprobenentnahme geholt. Weitere Ausführungen zurProbennahme, Lokation und weiteren Umständen seien aus
zeitlichen Gründen unterblieben. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin in keinem Dienstverhältnis zur Universität
stehe. Dem Vater der Klägerin sei mitgeteilt worden, dass der Besuch des Bergwerkes nicht im Rahmen einer Veranstaltung der
Universität und nicht auf ihre Anweisung, sondern in Unkenntnis der Betreuer stattgefunden habe.
Im Weiteren erklärte das Institut für Geowissenschaften und Geografie der M.-L.-Universität H./W. ausdrücklich, dass keiner
seiner Mitarbeiter im Vorfeld der Befahrung des Bergwerkes unterrichtet worden sei und daher auch bei keiner Befahrung anwesend
gewesen sei. Daher habe man von einer Unfallmeldung abgesehen. Man sehe die Befahrung aufgrund ihres privaten Charakters auch
nicht als Arbeitsunfall an. Insoweit wurde auf das Kurzprotokoll Bezug genommen.
Weiterhin teilte der Vater der Klägerin mit, dass die unfallbringende Exkursion nicht von der Universität geleitet oder durchgeführt
worden sei. Die Klägerin habe die Exkursion am Unfalltag selbst organisiert. Sie habe erfahrene Bergsteiger, die sie auch
über den Bergsteigerverein kenne, angesprochen und die Expedition mit diesen durchgeführt. Sie habe die Exkursion organisiert,
um dort Proben bzw. Untersuchungen für ihre Doktorarbeit durchzuführen.
Die Klägerin erklärte, dass sie die Untersuchungen für ihre Doktorarbeit benötigt und extra deswegen durchgeführt habe.
Mit Bescheid vom 14. Juli 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalles als Arbeitsunfall ab und führte aus, die Klägerin
unterliege nicht der studentischen Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz bestehe nur für die Bereiche, für die Unfallverhütungsmaßnahmen
durch Unternehmen und Unfallversicherungsträger ergriffen und unterhalten werden könnten. Diesem Grundgedanken würde es widersprechen,
wenn nicht nur die im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Hochschule und ihren Veranstaltungen verrichteten Tätigkeiten
versichert wären, sondern auch solche im privaten Bereich, die sich solcher Unfallverhütungsmaßnahmen völlig entzögen.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und wies darauf hin, dass sie durch ein langes Stipendium gefördert werde. Damit
könne sie völlig frei über ihre Zeit und ähnliches verfügen. Sie müsse sich insbesondere weder an- noch abmelden und auch
keine zusätzlichen Arbeiten an der Universität außerhalb ihrer Promotion erledigen. Insoweit verwies sie auf den Zwischenbericht
der Graduiertenförderung von Juli 2014. Sie habe Prof. Dr. G. am Freitag vor dem Unfall ausdrücklich mitgeteilt, dass eine
Exkursion in die Schwerspatgrube K. geplant sei.
Hierzu legte sie eine E-Mail von Prof. Dr. G. vom 29. Januar 2015 bei. Darin heißt es, die Projektanträge bei dem Landesamt
nähmen Gestalt an. Man könne die Klägerin vielleicht sogar mit einem ganzen Jahr in die Verlängerung bringen. Es komme auf
die Projekte (der Fakultät) an. Die Anträge liefen in Richtung der geologischen Modellierung, hätten also nicht direkt etwas
mit der Arbeit der Klägerin zu tun. Dennoch könne man wahrscheinlich Isotopenuntersuchungen in der Goldenen Aue dort unterbringen.
Es wäre schön, wenn die Klägerin ein paar zusätzliche Ideen hätte, auch wenn die eigentlichen Höhlenuntersuchungen sicher
für das Landesamt (als Drittmittelgeber) nicht interessant seien. In einer weiteren E-Mail vom 23. Februar 2015 wurde die
Klägerin gebeten, sich zu den geologischen Strukturen im Bereich der N.-Höhle sowie eventuell auch anderer Höhlen „nochmal
schlau zu machen“.
Auf Nachfrage der Beklagten führte Prof. Dr. G. aus, das von der Klägerin befahrene Bergwerk befinde sich nicht im Untersuchungsgebiet,
weil ein hydrogeologischer und/oder paläontologischer Zusammenhang nicht bestehe und nicht konstruierbar sei. Die von ihm
in den E-Mails angesprochenen Projekte hätten nichts mit der unfallbringenden Tätigkeit zu tun.
Der Unfallort sei hier kein Thema gewesen, da er außerhalb der Gipskarstverbreitung liege (Sulfat-Karst). Eine Veränderung
des Themas Sulfatkarst sei keinem Schriftstück zu entnehmen. Die Ergebnisse aus einer Beprobung der Schwerspatgrube K., in
der der Unfall passiert sei, wären für die Promotionsarbeit nicht relevant gewesen. Bei der aufgesuchten Grube habe es sich
auch nicht um eine natürliche Höhle, sondern um einen aufgelassenen Bergbaustollen gehandelt. Eine Begehung des Altbergbaues
weise ein überdurchschnittliches Risiko auf. Daher wäre eine Einbeziehung solcher Stollen in die Arbeit der Klägerin von den
Betreuern der Arbeit nicht befürwortet worden.
Die Klägerin äußerte die Vermutung, dass Prof. Dr. G. und auch Prof. Dr. M. persönliche Haftungsängste hätten. Sie habe Prof.
Dr. M. in der 19. Kalenderwoche 2015 über die Entdeckung eines Grundwasservorkommens in der Schwerspatgrube informiert. Am
15. Mai 2015 habe es auch ein Gespräch zwischen ihr und Prof. Dr. G. über die geplanten Höhlen- und Bergwerksbefahrungen an
dem Wochenende des Unfalles gegeben. Prof. Dr. G. habe zwar Zweifel angemeldet, dass eine Probeentnahme gewinnbringend sei,
habe aber ihre Idee mit den Worten bestätigt „Eine Probe mehr kann ja nicht schaden, sie kostet ja nichts“. Grundwasser mache
nicht an geologischen Grenzen halt. Bei dem Kyffhäuser handele es sich um ein komplexes, durch tektonische Störungen geteiltes
hydrogeologisches System.
Nach einer Stellungnahme von Herrn M. R. (einer der Begleiter bei der Begehung des Stollens am Unfalltag) vom 10. Januar 2016
unterstützte dieser die Klägerin aktiv bei der Vorbereitung und Durchführung des Tracerversuchs im Rahmen ihrer Promotionsarbeit
am 29. März 2015. Die Befahrung der Grube habe klären sollen, ob die Möglichkeit einer Wasserprobenentnahme bestehe. Obwohl
das Gebiet um die Schwerspatgrube nicht zum Gipskarst zähle, habe ein eventuell bestehender hydrologischer Zusammenhang der
Grundwasserströme untersucht werden sollen.
In einer weiteren Stellungnahme vom 20. Februar 2016 führte Herr W. S. (ein weiterer Begleiter) aus, die Klägerin habe ihn
verschiedentlich gebeten, während Tauchgängen Wasserproben zu entnehmen. Daraus habe sich eine gute Zusammenarbeit entwickelt.
Am 17. Mai 2015 habe die Klägerin ermitteln wollen, ob Material eines Tracerversuchs auch in der Grube „K. W.“ sichtbar geworden
sei. Dabei sei es zu dem Unfall gekommen
Im Weiteren lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Oktober 2016 zusätzlich die Anerkennung des Unfalles vom 17. Mai 2015
als Versicherungsfall aufgrund einer Tätigkeit nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) und §
2 Abs.
2 Satz 1
SGB VII ab. Es liege weder eine Beschäftigung noch eine sog. Wie-Beschäftigung vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2016
wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Juni 2015, ergänzt durch den Bescheid vom 17. Oktober 2015, zurück.
Es bestehe kein Zusammenhang zwischen dem Aufsuchen der Schwerspatgrube und der Anfertigung der Arbeit der Klägerin. Die Höhlen,
die zu untersuchen gewesen seien, seien konkret benannt worden. Die Schwerspatgrube befinde sich auch nicht in einem Gipskarstgebiet.
Es habe auch kein Auftrag vorgelegen, diese Grube zu untersuchen.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. November 2016 Klage erhoben und ihren Vortrag vertieft. Das Sozialgericht hat Prof. Dr.
M. und Prof. Dr. G. als Zeugen vernommen; wegen des Beweisergebnisses wird auf das Protokoll des Termins am 24. Mai 2018 Bezug
genommen. Mit Urteil vom 27. September 2018 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt, das Befahren der Grube habe nicht im organisatorischen Verantwortungsbereich der Hochschule gestanden.
Gegen die ihr am 18. Dezember 2018 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am Montag, den 21. Januar 2019 Berufung eingelegt
und ihren bisherigen Vortrag weiter vertieft. Hier sei das Beschäftigungsverhältnis weit ausgestaltet. Die selbstständige
Organisation der in die Promotionsarbeit einfließenden Forschung und Erprobung von Höhlen werde von ihr bei der Erstellung
der Doktorarbeit verlangt. Denn sie solle eine selbstständige wissenschaftliche Arbeit nachweisen. Dass sie bei der Erarbeitung
ihrer Promotion viele Freiheiten gehabt habe, heiße nicht, dass sie so den Verantwortungsbereich der Hochschule verlassen
habe. Nur so könne den Besonderheiten einer Promotion im Gegensatz zu einer Ausbildung an einer Hochschule Rechnung getragen
werden. In der studentischen Unfallversicherung geschützt seien alle Tätigkeiten, die dem Studium im weitesten Sinne dienten.
Hier habe die Hochschule ihr auch Materialien für ihre Versuche zur Verfügung gestellt. Dass die Hochschule in ihrem Organisationsbereich
nicht mehr den Zugriff ausgeübt habe, könne nicht zu ihren Lasten gehen. Würde man die Exkursion wie vorliegend generell ausschließen,
würde man die Risikosphäre ungerecht zu Lasten der Promovierenden verteilen. Es könne nicht dem Sinn und Zweck des §
2 SGB VII entsprechen, diejenigen auszunehmen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst der Allgemeinheit stellten. Die Grundsätze der Rechtsprechung
seien den Besonderheiten eines Promotionsstudiengangs anzupassen und nicht restriktiv auszulegen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 27. September 2018 und die Bescheide der Beklagten vom 14. Juli 2015 und 17. Oktober
2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2016 aufzuheben und festzustellen, dass das Unfallereignis vom
17. Mai 2015 in der Schwerspatgrube K. ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und der Verwaltungsakten der Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 14. Juli 2015
und 17. Oktober 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin
nicht in ihren Rechten. Zur Überzeugung des Senats ist der Unfall am 17. Mai 2015 nicht als Arbeitsunfall festzustellen.
Rechtliche Grundlage für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten „infolge“ einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit. Dies setzt voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den
gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb „Versicherter“ ist. Die Verrichtung muss ein
zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod
des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (BSG, 27.11.2018, B 2 U 15/17 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 49, Rn. 11). Ein Unfall in diesem Sinne liegt zweifellos vor. Ein Versicherungsschutz bei der unfallbringenden Tätigkeit
bestand aber weder unter dem Aspekt einer Beschäftigung noch einer Wie-Beschäftigung (dazu bei A.) noch als Studierende (dazu
bei B.).
Unerheblich ist allerdings, ob das unfallbringende Verhalten mit einem besonders hohen Risiko verbunden oder gar verboten
war. Denn nach §
7 Abs.
2 SGB VII schließt verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht aus. Zudem wird zutreffend in der Stellungnahme des Thüringer
Landesbergamtes vom 27. Mai 2015 ausgeführt, dass in der Begehung der Grube weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit
zu sehen ist. Eine entgegenstehende Vorschrift ist nicht erkennbar.
A. Die Tätigkeiten der Klägerin im Rahmen ihrer Promotion unterliegen nicht dem Unfallversicherungsschutz in einer Beschäftigung
(§
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII) oder einer Wie-Beschäftigung (§
2 Abs.
2 SGB VII; zu letzterem wie hier LSG Berlin-Brandenburg, 10.5.2012, L 3 U 615/08, Rn. 45, juris; zur Abgrenzung Beschäftigter und Wie-Beschäftigter BSG, 20.08.2019, B 2 U 1/18 R, juris).
1) Hierüber kann der Senat entscheiden, denn der für eine Klageerhebung erforderliche Bescheid und Widerspruchsbescheid liegen
vor. Der Senat hält den Bescheid vom 17. Oktober 2016 angesichts des vom Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens verfolgten
Ziels rechtlich nicht für notwendig, aber als rein wiederholender Verwaltungsakt (Zweitbescheid) auch nicht für schädlich.
Da er - wie die Beklagte insoweit zutreffend ausgeführt hat - nach §
86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist, war die Einlegung eines Widerspruchs nicht erforderlich.
Grundsätzlich hat die Beklagte den Versicherungsfall innerhalb des geltend gemachten Lebenssachverhaltes und daraus folgenden
Anspruchs unter jedem Gesichtspunkt zu prüfen (BSG, 5.7.2016, B 2 U 4/15 R, Rn. 16, juris). Lebenssachverhalt ist hier die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen ihrer Promotion und der nach ihrer Darstellung
damit zusammenhängende Unfall, der ihrer Ansicht nach als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Die Klägerin bestimmt insoweit den
Streitgegenstand, also den Lebenssachverhalt und dasjenige, was sie auf dessen Grundlage als Entscheidung anstrebt („prozessualer
Anspruch“). Die Klägerin hat die Fakten zu liefern, die rechtliche Subsumtion ist (unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsprinzips)
Sache der Behörde und anschließend des Gerichts („da mihi factum, dabo tibi ius“; „iura novit curia“; vgl.BSG, 20.10.2010, B 13 R 63/10 B, SozR 4-1500 § 153 Nr. 11, Rn. 22).
2) Beschäftigung ist gemäß §
7 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (S. 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind
eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (S. 2). Nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich
bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild
der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild
zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als
Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau
mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander
abgewogen werden (BSG, 4.6.2019, B 12 R 2/18 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 40, Rn. 13).
Ähnlich spricht für das Vorliegen einer Wie-Beschäftigung die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit im Hinblick auf Zeitpunkt und
Art ihrer Ausführung in Anlehnung an für Beschäftigungsverhältnisse typische Weisungsrechte i.S. des § 106 Gewerbeordnung und damit eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts i.S. des §
315 Bürgerliches Gesetzbuch, ohne dass es einer eine Beschäftigung charakterisierenden Eingliederung in einen Betrieb bedarf. Unschädlich ist, wenn es
sich um eine geringfügige Tätigkeit handelt oder dass der unterstützte Unternehmer eine solche Arbeitskraft nicht tatsächlich
beschäftigt hätte. Eine Arbeitnehmerähnlichkeit einer Tätigkeit kommt in Betracht, wenn die betreffende Person nach Art der
Tätigkeit auch als Arbeitnehmer hätte beschäftigt werden können. Unerheblich ist, ob die in Betracht kommenden Personen von
dem Unternehmen üblicherweise beschäftigt werden, sondern es genügt, dass sie nach Art der Tätigkeit beschäftigt werden könnten
(zum vorstehenden BSG, 20.3.2018, B 2 U 16/16 R, SozR 4-1300 § 105 Nr. 6, Rn. 25).
Gerade auch wegen der zu beachtenden Freiheit der Forschung (Art.
5 Abs.
3 Satz 1
Grundgesetz -
GG) fehlt es hinsichtlich der unfallbringenden Untersuchung der Schwerspatgrube K. an einer Fremdbestimmtheit der Tätigkeit.
Hier hat die Klägerin auch nach ihrer eigenen Darstellung diesen Schacht aus eigener Initiative erkundet und alles Diesbezügliche
vollständig selbstständig organisiert. Eine von ihr behauptete Information der Universität darüber ist nicht mit einer Weisung
durch die Universität gleichzusetzen. Die Art der Begehung und den Zeitpunkt sowie potentielle Zeitdauer hat die Klägerin
selbst festgelegt. Die Klägerin hat in ihrem Widerspruch ausdrücklich betont, dass sie völlig frei über ihre Zeit und ähnliches
verfügen könne. Sie musste sich insbesondere weder an- noch abmelden.
Die Erkundung der Schwerspatgrube K. wurde auch nicht zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse dieser Forschung der Universität
unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen sollten (vgl. §
136 Abs.
3 Nr.
1 SGB VII - dazu BSG, 19.6.2018, B 2 U 32/17 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 43, Rn. 15). Vielmehr diente sie der Promotion der Klägerin selbst.
Schließlich ist insoweit weder objektiv noch subjektiv aus der Sicht der Klägerin eine Eingliederung ihres Handelns in das
Unternehmen (hier die Universität) erkennbar (dazu BSG, a.a.O.); vielmehr ist sie eigenwirtschaftlich und „privatnützig“ im Sinne der Unfallversicherung (vgl. so zu Promotionsstudenten
Bieresborn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VII, 2. Aufl., §
2 SGB VII, Rn. 193_1). Dem entspricht §
18 Abs.
3 Hochschulgesetz Land Sachsen-Anhalt (HSG LSA) , der eine „selbstständige“ wissenschaftliche Arbeit im Rahmen der Erstellung
der Promotion verlangt. Dem hat die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen ihrer Promotion im Zusammenhang mit der Grubenbegehung
entsprochen. Diese Selbstständigkeit widerspricht den Grundsätzen der weisungsgebundenen Beschäftigung mit Eingliederung in
einen Betrieb.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Immatrikulationsordnung der M.-L.-U. H.-W., die in § 14 Promotionsstudien eigens
regelt, aber bis auf Formalien wie eine Höchststudiendauer keine weiteren hier relevanten Bestimmungen trifft. Auch § 24
HSG LSA sieht lediglich die gegenseitige Abstimmung von Forschungsvorhaben und Forschungsschwerpunkten vor; die Hochschulen
sollten danach regelmäßig durch wissenschaftliche Veranstaltungen und Publikationen über die Forschungstätigkeit und Forschungsergebnisse
berichten. Daraus ergeben sich keine Vorgaben für die Arbeit der Klägerin.
Zur Vermeidung von Missverständnissen weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin daneben grundsätzlich als Beschäftigte
(§
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII) unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung gestanden haben dürfte. Unstreitig hat sie Bachelor-Arbeiten betreut
und die Studenten angeleitet, wie die Fakultät bestätigt hat. Der Senat unterstellt zusätzlich zu Gunsten der Klägerin, dass
sie (neben ihrer Promotion) auch Forschungsvorhaben der Universität begleitet hat (wie z.B. aus den E-Mails hervorgeht) und
auch Vorlesungen gehalten hat. Bei solchen Tätigkeiten dürfte Unfallversicherungsschutz bestehen. Der Senat berücksichtigt
hier, dass die Klägerin auf der Homepage des Instituts als „Mitarbeiterin (Promotion)“ aufgeführt war, wie die Klägerin durch
Vorlage eines entsprechenden Ausdrucks nachgewiesen hat.
Jedoch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Unfall infolge einer solchen versicherten Tätigkeit eingetreten ist.
Die unfallbringende Erkundung des Schachtes hatte zu dieser keinen Bezug. Dies behauptet die Klägerin auch nicht. Die Klägerin
war die einzige Universitätsangehörige, die an der Erkundung der Grube teilnahm. Allein der Umstand, dass das Einbringen des
Tracers in der Barbarossahöhle in Zusammenarbeit mit Bachelor-Arbeiten anderer Studenten stattfand, führt nicht zum Unfallversicherungsschutz
in der Schwerspatgrube K. zu einem anderen Zeitpunkt und insbesondere ohne jene Studenten. Es fehlt insoweit an einer Weisung
der Universität und einer Eingliederung der Klägerin in den Universitätsbetrieb.
C. Ein Unfallversicherungsschutz folgt auch nicht aus §
2 Abs.
1 Nr.
8 Buchst c)
SGB VII.
1) Zwar war die Klägerin immatrikulierte Studierende an der Martin-Luther-Universität H./W. (vgl. zum zwingenden Erfordernis
der Immatrikulation für den Versicherungsschutz Studierender BSG, 13.2.2013, B 2 U 24/11 R, SozR 4-2200 § 539 Nr. 2).
2) Weiter stand die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses im sachlichen Zusammenhang mit der Promotion der Klägerin.
Eine versicherte Tätigkeit wird ausgeübt, wenn, solange und soweit der Versicherte den jeweiligen Versicherungspflichttatbestand
- hier §
2 Abs.
1 Nr.
8 Buchst c)
SGB VII - durch eigene Verrichtungen erfüllt. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln, das objektiv seiner Art nach von Dritten
beobachtbar und subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet
ist. Diese innere Tatsache der subjektiven Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten wird auch als „Handlungstendenz“
bezeichnet (dazu vgl. BSG, 26.6.2014, B 2 U 4/13 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 52 Rn 14 und vom 5.7.2016, B 2 U 5/15 R, BSGE 122, 1 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 35, Rn 15). Die Klägerin ist als Studierende während eines Forschungsvorhabens verunglückt, weil die
Beprobung des Wassers in der Schwerspatgrube K. aus Sicht eines objektiv beobachtenden Dritten und subjektiv promotionsbezogen
war. Maßgeblicher Ausgangspunkt ist damit die Zielrichtung (Handlungstendenz) der Klägerin selbst und nicht Vorgaben der Universität.
Hier haben andere Mitglieder der Höhlenforschergruppe am Unfalltage überzeugend bekundet, dass eine Wasserprobenentnahme geplant
gewesen sei. Der Senat sieht keinen anderen Grund hierfür als die Dissertation der Klägerin. Speziell eine Wasserprobe hatte
nur Sinn, wenn man hier Spuren des Tracers zu finden hoffte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es bei einem Forschungsvorhaben eines Promotionsstudenten nicht erforderlich, dass
seine Betreuer stets jeden seiner Schritte begleiten oder ihm gar Anweisungen geben (zur Selbstständigkeit von Promotionsstudenten
auch Sächsisches LSG, 12. März 2014, L 6 U 220/11, Rn. 31, juris mit anderen Schlussfolgerungen). Dies widerspräche § 18 Abs. 3 HSG LSA , wonach mit der Dissertation die
Fähigkeit nachgewiesen wird, durch selbstständige wissenschaftliche Arbeiten Ergebnisse zu erzielen, welche die Entwicklung
des Wissenschaftszweiges, seiner Theorien und Methoden fördern. Auch nach § 7 der Promotionsordnung der Naturwissenschaftlichen
Fakultäten der M.-L.-U. H.-W. beinhaltet ein Promotionsvorhaben eine selbstständige Forschungsleistung. Insoweit gibt es nach
der Auskunft der M.-L.-U. vom 9. Dezember 2015 auch üblicherweise keine einseitigen „Vorgaben“ des Betreuers zu den wissenschaftlichen
Inhalten einer Promotionsarbeit, sondern einvernehmliche Festlegungen zwischen Doktorand und Betreuer. Etwas Anderes ist auch
im vorliegenden Einzelfall nicht erkennbar.
Wie aus der Niederschrift der Beklagten über ein Gespräch mit Prof. Dr. G. und Prof. Dr. M. hervorgeht, war das Thema für
die Doktorarbeit lediglich eine Richtschnur. Im Rahmen der Forschung könnten - so Prof. Dr. G. - Dinge relevant werden, die
zu Beginn der Arbeit nicht von Bedeutung gewesen seien. Mit den Betreuern werde dann eine einvernehmliche Lösung getroffen.
Der Doktorand arbeite selbstständig. Prof. Dr. G. hat im Rahmen der Niederschrift vom 28. September 2016 ausdrücklich bestätigt,
dass die Klägerin ihm gegenüber angegeben habe, weitere Höhlen und auch Bergwerke zu untersuchen.
Das Abweichen von dem ursprünglichen Arbeitsplan ist im Rahmen einer Promotion manchmal sogar geboten. Wie sich aus einer
Stellungnahme von Prof. Dr. G. für einen Zwischenbericht über das Dissertationsvorhaben der Klägerin vom 9. Dezember 2014
ergibt, ist die Klägerin vom ursprünglichen Arbeitsplan zwar abgewichen und hatte die Abweichung auch zu vertreten. Diese
Abweichung verbessere jedoch die Qualität der Arbeit. Handschriftlich hat Prof. Dr. G. auf dem Formular noch den Zusatz „deutlich“
hinzugefügt. Ausdrücklich hat er ebenfalls hinzugesetzt „Sehr positive Entwicklung des Forschungsprojektes“. Ähnlich ist die
Stellungnahme von Prof. Dr. M. vom 9. Dezember 2014. Auch sie sieht eine deutliche Verbesserung der Qualität der Arbeit durch
die Abweichung und lobt ausdrücklich: „große Eigeninitiative, sehr erfreuliche Entwicklung des Projektes“. Auch die Zeugin
E. hat als Mitarbeiterin der Martin-Luther-Universität bestätigt, dass man das eigenständige Arbeiten der Klägerin im Rahmen
der Promotion sehr gut gefunden habe.
Soweit Prof. Dr. G. als Zeuge am Sozialgericht bekundet hat, die Klägerin sei ungefähr ein- bis zweimal im Monat bei ihm zum
Gespräch gewesen, belegt dies ebenfalls die ganz weitgehend freie Durchführung der Promotion. So hat Prof. Dr. G. auch bekundet,
die Klägerin habe entschieden, wo Proben im Rahmen des Tracerversuchs zu entnehmen seien. Dies sei Aufgabe der Dissertation
gewesen. Die Klägerin habe auch die entsprechenden lokalen Kenntnisse gehabt. Prof. Dr. M. hat als Zeugin vor dem Sozialgericht
bestätigt, dass es regelmäßige Treffen mit der Klägerin nicht gegeben habe.
Den geowissenschaftlichen Sinn und Zweck dieses einzelnen Forschungsschrittes der Klägerin hat der Senat nicht zu bewerten.
Diese Selbstständigkeit und Freiheit umfasst die Möglichkeit, auch scheinbar fernliegenden Thesen nachzugehen, selbst wenn
- was der Senat hier zu Gunsten der Beklagten unterstellt - die Betreuer der Dissertation darin nachträglich keinen Sinn sahen.
Der Ansatz „Versuch und Irrtum“ ist eine weit verbreitete heuristische Methode in der Forschung, bei der oft bewusst auch
die Möglichkeit von Fehlschlägen in Kauf genommen wird. Deshalb ist die Freiheit der Forschung auch verfassungsrechtlich und
nach § 4 Abs. 3 Satz 1 HSG LSA garantiert. Nach der letztgenannten Norm umfasst die Freiheit der Forschung insbesondere
die wissenschaftliche Fragestellung, Grundsätze der Methodik sowie die Verbreitung und Bewertung des Forschungsergebnisses.
3) Das Tatbestandsmerkmal „an Hochschulen“ ist erfüllt. Es ist nicht lokal, sondern funktional entsprechend der Handlungstendenz
der Klägerin auszulegen. Die Klägerin hat an der M.-L.-U. promoviert. Dies sah auch die Fakultät so, wie ihr Internet-Auftritt
zeigte, der die Klägerin als „Mitarbeiterin (Promotion)“ auswies.
4) Die Erforschung der Schwerspatgrube K. fand aber nicht mehr im organisatorischen Verantwortungsbereich der Hochschule statt
(zu diesem Erfordernis bei studentischen Veranstaltungen vgl. BSG, 4.12.2014, B 2 U 10/13 R, BSGE 118, 1 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 32 - „Hochschulmeisterschaften“).
Grundsätzlich erfordert der Unfallversicherungsschutz von Studenten, dass ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang
der Verrichtung zur Hochschule besteht. Dieser wird verlassen, wenn eine Einwirkung auf die Verrichtung durch Aufsichtsmaßnahmen
nicht mehr gewährleistet ist (BSG, 18.4.2000, B 2 U 5/99 R, SozR 3-2200 § 539 Nr. 49). Der organisatorische Verantwortungsbereich ist noch gegeben, wenn die Hochschule zumindest organisatorische Mitverantwortung
für die Teilnahme an der Veranstaltung trägt, die Studierenden in der Ausgestaltung der Verrichtung nicht völlig frei sind
und sich die Tätigkeit der Hochschule nicht auf eine reine Unterstützungsleistung einer ansonsten in der Organisationshoheit
der Studierenden liegenden Verrichtung beschränkt (BSG, 27.11.2018, B 2 U 15/17 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 49, Rn. 21). Dem schließt sich der Senat auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Promotion an. Andernfalls
wären Promotionsstudenten weltweit bei einer Vielzahl von Tätigkeiten versichert.
Hier hat die Klägerin - wie jede Doktorandin - alles frei und selbst organisiert (siehe auch die Ausführungen bei 2). Auch
nach ihrer Darstellung - an der der Senat nicht zweifelt - hat sie bei der unfallbringenden Tätigkeit kein Angehöriger der
Universität begleitet. Maximal war der Fakultät bekannt, dass die Klägerin einen Bergwerkschacht untersuchen wollte. Schon
dass die genaue Lage und die Uhrzeit der Expedition bekannt waren, hat die Klägerin nicht behauptet; hierfür ist auch nichts
ersichtlich. Im Übrigen würden auch umfassende Informationen nicht zu einer Organisationsgewalt der Universität führen. Bereits
in der Stellungnahme zum Stand des Promotionsvorhabens der Klägerin vom 14. Dezember 2014 heißt es, diese habe durch ihre
Tauchausbildung Probenentnahmen an sonst nicht zugänglichen Stellen in verschiedenen, teils nicht öffentlich zugänglichen
Höhlen machen können. Speziell ein Forschungsvorhaben wie das vorliegende, in der nicht zugängliche Höhlen bzw. Gruben erforscht
wurden und teilweise sogar bei Höhlentauchungen Proben entnommen wurden, lässt sich nicht mehr von der Universität organisieren
und beaufsichtigen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Fakultät entsprechende Möglichkeiten gehabt hätte oder dies konkret
im Zusammenhang mit dem Unfall getan hätte. Dies wird auch an keiner Stelle von der Universität oder der Klägerin behauptet.
Prof. Dr. G. hat als Zeuge im Gegenteil hervorgehoben, er habe den Besuch der Höhle bzw. Grube nicht kontrollieren können
und habe dies auch nicht getan.
Allein der Umstand, dass die Universität Materialien zur Verfügung gestellt hat (Tracer und Probenbehälter), ändert nichts
an der fehlenden Organisationsgewalt der Hochschule. Es handelt sich um eine - unspezifische - reine Unterstützungsleistung.
4) Angesichts dessen lässt der Senat offen, ob das Tatbestandmerkmal „während der Aus- und Fortbildung“ bei einer Promotionsstudentin
erfüllt ist.
Ausbildungscharakter könnte der Promotion zukommen, wenn sie an Stelle eines anderen Abschlusses die erste Abschlussprüfung
eines Hochschulstudiums darstellt; denn ein Studium ohne Abschluss ist gewöhnlich keine Berufsausbildung (BSG, 18.6.2003, B 4 RA 37/02 R, SozR 4-2600 § 48 Nr. 2, Rn. 27 m.w.N.). Hier hatte die Klägerin nach ihrem Bachelor- auch ihren Masterabschluss erworben. Die Promotion im
Fach Geografie ist nicht Teil des Studiums, sondern setzt gemäß § 18 Abs. 3 HSG LSA ein bereits „abgeschlossenes“ Hochschulstudium
voraus. Sie ist auch kein Aufbau- oder Erweiterungsstudium, sondern dient der wissenschaftlichen Qualifikation nach Abschluss
des Studiums.
Zwar ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der Aus- und Fortbildung an Hochschulen der Versicherungsschutz Studierender
nicht auf studienfachbezogene Verrichtungen beschränkt. Denn Studierende können - anders als Schüler - frei entscheiden, an
welchen - auch fachfremden - (Lehr-)Veranstaltungen sie teilnehmen, um sich über die fachspezifische Berufsvorbereitung hinaus
eigenverantwortlich, fachübergreifend und möglichst ganzheitlich zu bilden. Studierende sind deshalb in aller Regel versichert,
wenn sie Hochschuleinrichtungen aufsuchen, deren (Bildungs-)Angebote nutzen und z.B. an Veranstaltungen, Exkursionen oder
dem Hochschulsport teilnehmen (BSG, 28.2.1990, 2 RU 34/89, SozR 3-2200 § 539 Nr. 1 S. 4; ausdrücklich für Doktoranden [obiter dictum] Hessisches LSG, 1.8.1973, L 3 U 368/73, Rn. 20, juris; zur Fortgeltung dieser Rechtsprechung auch im
SGB VII vgl. BSG, 4.12.2014, B 2 U 13/13 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 31 Rn 16 - „Skikurs“). Alle diese Fallbeispiele treffen jedoch nicht zu, denn die Erkundung der Grube diente nicht der
Bildung der Klägerin, sondern der Forschung. Diese ist - vor allem - darauf gerichtet, neue Erkenntnisse zu gewinnen und im
Gegensatz zur Aus- und Fortbildung nicht auf die Rezeption vorhandenen Wissens (vgl. zu Krankenversicherungspflicht von Promotionsstudenten
BSG, 23.3.1993 - 12 RK 45/92, SozR 3-2500 § 5 Nr. 10, Rn. 13 - 16; siehe zum Rentenrecht auch BSG, 18.6.2003, B 4 RA 37/02 R, SozR 4-2600 § 48 Nr. 2; LSG Berlin-Brandenburg, 7.12.2016, L 9 KR 4/16, Rn. 24, juris; siehe zu einem Unfall eines Doktoranden im Ausland im Rahmen seiner Promotion LSG Berlin-Brandenburg, 10.5.2012,
L 3 U 615/08, Rn. 2, juris; dazu Bieresborn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VII, 2. Aufl., §
2 SGB VII (Stand: 02.01.2020), Rn. 193_1). Sinn und Zweck der vielfältigen Regelungen für Studenten in den Büchern des Sozialgesetzbuches
ist es, ihnen eine (finanzielle) Hilfe bei dem Erwerb einer beruflich verwertbaren Qualifikation zu leisten. Diese hatte die
Klägerin bereits erworben (vgl. BSG, 7. Mai 2019, B 2 U 27/17 R, SozR 4-2700 § 67 Nr. 1, Rn. 16 ff).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
193 Abs.
1 S. 1, 183
SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen (§
160 Abs.
2 SGG). Er schließt sich wie oben bei 3) dargelegt der Ansicht des BSG an (4.12.2014, B 2 U 10/13 R, BSGE 118, 1 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 32 - „Hochschulmeisterschaften“).