Unbegründetheit der Beschwerde gegen die Ablehnung eines Eilantrags auf Aufhebung der Anrechnung von Arbeitslosengeld nach
dem SGB III auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an die Prüfung der Erbringung eines Überbrückungsdarlehens
Gründe
Mit Beschluss vom 15. Juli 2020 hat das Sozialgericht Schleswig einen Eilantrag der Antragsteller, mit denen sich diese gegen
die Anrechnung des von der Antragstellerin zu 1. bezogenen Arbeitslosengeldes nach dem Sozialgesetzbuch, 3. Buch, Arbeitsförderung
(
SGB III) im Rahmen der von den Antragstellern laufend bezogenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch,
2. Buch, Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) als Einkommen gewandt haben und gleichzeitig die Gewährung eines Überbrückungsdarlehens in Höhe von 360,- EUR begehrt haben,
abgelehnt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anordnungsgrund könne für die Zeit vor einer Antragstellung bei dem Sozialgericht am
29. Juni 2020 schon nicht angenommen werden. Im Übrigen mangele es an einem Anordnungsanspruch. Eine Anrechnung des von der
Antragstellerin zu 1. bezogenen Arbeitslosengeld habe der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. Mai 2020 erstmals ab Juni 2020
vorgenommen. Diese Einkommensanrechnung sei zu Recht erfolgt. Dass das Arbeitslosengeld am Monatsende ausgezahlt werde, hindere
die Rechtmäßigkeit der Einkommensanrechnung nicht. Auch für das verlangte Darlehen fehle es an einem Anordnungsgrund. Angesichts
der zwischenzeitlich erfolgten Auszahlung von Arbeitslosengeld stünden den Antragstellern Mittel in bedarfsgerechter Höhe
zur Verfügung. Es sei nicht zweifelhaft, dass den Antragstellern die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit mittlerweile
zugeflossen sein.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller vom 20. Juli 2020. Die Antragsteller tragen vor, es ergäben
sich seit Jahren Fehlbeträge im Rahmen der Leistungsgewährung durch den Antragsgegner, die ihnen dann nicht zur Verfügung
gestanden hätten.
Das Gericht hat den Beteiligten am 14. August 2020 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Dieser ist von beiden Beteiligten
nicht angenommen worden. Für den Fall der Nichtannahme des Vergleichs hat das Gericht die Antragsteller aufgefordert, lückenlose
Kontoauszüge für den Zeitraum vom 1. Juni 2020 bis laufend vorzulegen.
Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 20. August 2020 angekündigt, dem binnen 10 Tagen nachzukommen. Eine Übersendung
von Kontoauszügen ist indessen nicht erfolgt.
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der
Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist als zulässig zu bewerten. Sie ist fristgerecht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist des §173 Abs.
1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bei dem Landessozialgericht eingegangen. Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde können sich allerdings aus §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG ergeben, der i.V.m. §
144 Abs.1 S.1
SGG im einstweiligen Rechtsschutz die Beschwerde in Verfahren mit einem Beschwerdewert von maximal 750,- EUR ausschließt. Berücksichtigt
man lediglich das effektiv für Juni 2020 angerechnete Einkommen der Antragstellerin zu 1. in Höhe von 331,50 EUR und deren
Begehren auf Gewährung eines Darlehens in Höhe von 360,- EUR, so wird der Grenzbeschwerdewert unterschritten. Allerdings dürfte
das Begehren der Antragsteller auch dahingehend zu verstehen sein, dass sie sich auch gegen die Einkommensanrechnung in den
Folgemonaten richten. Der aktuelle Leistungsbescheid vom 4. Mai 2020 sieht die Berücksichtigung des von der Antragstellerin
zu 1. bezogenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 361,50 EUR abzüglich einer Versicherungspauschale in Höhe von 30,- EUR ab Juni
2020 bis einschließlich September 2020 (Ende des Bewilligungsabschnitts) vor. Berücksichtigt man die Einkommensanrechnung
auch in den Folgemonaten, so wird der Beschwerdegrenzwert von 750,- EUR überschritten.
Die Beschwerde ist allerdings nicht begründet.
Gemäß §
86 b Abs.
2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht,
dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn eine solche
Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Zusammengefasst müssen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung regelmäßig zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen
muss es im Ergebnis einer Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich sein, dass der Antragsteller mit seinem
Begehren im hauptsächlichen Verwaltungs- oder Klageverfahren erfolgreich sein wird (Anordnungsanspruch). Zum anderen muss
eine gerichtliche Entscheidung deswegen dringend geboten sein, weil es dem Antragsteller wegen drohender schwerwiegender Nachteile
nicht zuzumuten ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Dabei hat das Gericht die Belange
der Öffentlichkeit und des Antragstellers miteinander abzuwägen.
Kein Anordnungsanspruch besteht hinsichtlich des Begehrens, von der Anrechnung des von der Antragstellerin zu 1. bezogenen
Arbeitslosengeld nach dem
SGB III in allen streitgegenständlichen Monaten oder auch nur im Juni 2020 abzusehen. Die von dem Antragsgegner vorgenommene Einkommensanrechnung
stößt auf keine rechtlichen Bedenken. Diese von der Antragstellerin zu 1. bezogene Sozialversicherungsleistung nach dem
SGB III ist schon gemäß § 9 Abs. 1 SGB II vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhaltes vor Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II einzusetzen. Das Arbeitslosengeld ist gemäß § 11 Abs. 1 SGB II auch als Einkommen zu berücksichtigen. Eine Freistellung von der Anrechnung gemäß § 11a SGB II oder aus anderen Vorschriften besteht nicht. Abzusetzen von diesem Einkommen ist gemäß § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld VO nur eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,- EUR monatlich. Dies hat der Antragsgegner
auch beachtet. Gemäß § 11 Abs. 2 SGB II ist das Arbeitslosengeld als laufende Einnahme auch in dem Monat anzurechnen, in dem es zufließt. Der spätere Zufluss innerhalb
eines Kalendermonats hindert die Anrechnung gerade nicht.
Entsteht durch den späten Zufluss von Einkommen, sei es aus Arbeitsentgelt oder sei es aus vorrangig einzusetzenden Sozialversicherungsleistungen,
in einem Kalendermonat eine nicht gedeckte Bedarfslücke, so sieht § 24 Abs. 4 SGB II ein spezifisch grundsicherungsrechtliches Instrument zur Deckung dieser Bedarfslücke vor. Danach können Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistung erbracht werden, voraussichtlich
Einnahmen anfallen. Ist demnach der grundsicherungsrechtlich relevante Bedarf zu Beginn eines Monats nicht durch Ersparnisse,
andere Vermögenswerte oder andere bereite Mittel gedeckt, besteht aber infolge zu erwartender Einnahmen keine Hilfebedürftigkeit
im grundsicherungsrechtlichen Sinne oder nur in einem geringeren Umfang, hat der angerufene Grundsicherungsträger nach den
SGB II die Erbringung eines Überbrückungsdarlehens zu prüfen.
Vorliegend kann offenbleiben, ob der Antragsgegner bereits die Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Gewährung eines
solchen Darlehens allein mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Beantragung eines Vorschusses gegenüber der Bundesagentur
für Arbeit zu verweigern durfte. Der Antragsgegner hat zwar im Ansatz zutreffend darauf hingewiesen, dass Sozialversicherungsleistungen
gegenüber Leistungen der sozialen Grundsicherung vorrangig in Anspruch zu nehmen sind und Leistungsberechtigte gemäß § 12 a SGB II auch verpflichtet sind, vorrangige Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen. Er berücksichtigt dabei aber nicht,
dass die Antragstellerin gerade keinen Anspruch auf die Gewährung eines Vorschusses durch die Bundesagentur für Arbeit oder
aber die frühere Auszahlung der ihr zustehenden Leistungen im Juni 2020 gehabt hat. §
337 Abs.
4 SGB III stellt die Gewährung eines Vorschusses nämlich in das Ermessen der Bundesagentur für Arbeit und macht dies zusätzlich vom
Vorliegen einer unbilligen Härte abhängig. Zwar steht die Gewährung eines Überbrückungsdarlehens gemäß § 24 Abs. 4 SGB II auch im Ermessen des Grundsicherungsträgers. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Deckung des grundsicherungsrechtlichen
Bedarfs und die Vermeidung von Bedarfslücken, auch solcher, die durch späteren oder verspäteten Zufluss anrechenbarer Leistungen
entstehen, gerade gesetzliche Aufgabe der Grundsicherungsträger nach dem SGB II ist. Die Sicherung des grundsicherungsrechtlichen Bedarfs ist demgegenüber nicht Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit als
Sozialversicherungsträger. Ihr obliegt es, "nur" die zustehenden Sozialversicherungsleistungen zu erbringen und dabei gemäß
§
2 Abs.
2 SGB I sicherzustellen, dass soziale Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Das Ermessen eines Grundsicherungsträgers
nach dem SGB II ist in einer Konstellation nach § 24 Abs. 4 SGB II daher schon durch seine gesetzliche Aufgabe in einem deutlich stärkeren Maß eingeschränkt als bei einem Sozialversicherungsträger,
der mit der Frage einer Vorschussgewährung befasst ist, der Fall wäre. Ferner wäre im Einzelfall zu berücksichtigen, dass
die Gewährung eines Vorschusses gemäß §
337 Abs.
4 SGB III jedenfalls bei einer betragsmäßig höheren Bedarfslücke deutlich weniger geeignet wäre, die Bedarfsunterdeckung nachhaltig
zu vermeiden, als die Gewährung eines Überbrückungsdarlehens gemäß § 24 Abs. 4 SGB II. Denn die vom gesetzlichen Regelfall nach §
337 Abs.2
SGB III abweichende Auszahlung des Arbeitslosengeldes zu Beginn eines Monats würde die Bedarfslücke zumeist nicht dauerhaft vermeiden,
sondern oftmals nur um einen Monat verschieben. Die dauerhafte Auszahlung von Arbeitslosengeld nach dem
SGB III zu Beginn eines Monats widerspricht aber gerade dem für diese Leistungsart vorgesehenen gesetzlichen Regelfall nach §
337 Abs.
2 SGB III. Demgegenüber kann auch eine betragsmäßig höhere Bedarfslücke durch Gewährung eines Darlehens gemäß § 24 Abs. 4 SGB II im Rahmen daran angepasster Aufrechnungs- bzw. Rückzahlungsmodalitäten allmählich abgeschmolzen werden.
Vorliegend bedarf es dazu aber keiner Entscheidung, denn die Antragsteller haben schon nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen
durch die Auszahlung des Arbeitslosengeldes zum Monatsende eine Bedarfslücke entstanden ist, die sie nicht aus eigenen, bereiten
Mitteln decken konnten und dass diese Bedarfslücke noch fortdauert. Sie haben entgegen der gerichtlichen Aufforderung und
ihrer eigenen Zusicherung nämlich keine Kontoauszüge eingereicht, aus denen eine faktische Bedarfsunterdeckung sichtbar werden
könnte. Die Einreichung des vorliegenden Eilantrages beim Sozialgericht Schleswig erst am 29. Juni 2020, also bereits am Ende
des Monats Juni 2020, in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur erstmaligen Auszahlung des Arbeitslosengeldes durch die Bundesagentur
für Arbeit, spricht als Indiz auch gegen eine derartige Bedarfsunterdeckung. Insgesamt besteht daher auch für den geltend
gemachten Anspruch auf Gewährung eines Überbrückungsdarlehens kein Anordnungsanspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung §
193 Abs.
1, Abs.
4 SGG und folgt der Sachentscheidung.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde gemäß §
177 SGG nicht gegeben.