Rechtmäßigkeit der Aufhebung und Erstattung von existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II; Verletzung des Bestimmtheitsgebotes
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren um die Rechtmäßigkeit der Aufhebung und Erstattung von Leistungen in Höhe
von jetzt noch 1.607,79 EUR für den Zeitraum März 2007 bis Februar 2008.
Die am ___________ 1981 geborene Klägerin ist alleinerziehende Mutter der am 9. Oktober 2001 geborenen Jessica-Monique, der
am 26. November 2003 geborenen Sarah-Marie und der am 29. Januar 2005 geborenen Franziska-Michelle. Die Klägerin lebt seit
Januar 2007 von ihrem Ehemann getrennt.
Am 26. Februar 2007 beantragte sie für sich und ihre Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Sie gab an, dass sie Unterhalt von ihrem getrenntlebenden Ehemann für ihre gemeinsamen Kinder und für sich selbst beanspruche,
aber noch nicht erhalte und legte entsprechende Schriftsätze ihres Anwalts vor. Außerdem gab sie an, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz beantragt zu haben, jedoch noch nicht zu erhalten. In dem Antragsformular versicherte sie, dass sie künftige Änderungen,
insbesondere der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse unaufgefordert und unverzüglich mitteilen werde.
Über Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder über Vermögen verfügten die Klägerin und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden
Kinder im streitgegenständlichen Zeitraum nicht. Die Kinder erhielten Kindergeld in Höhe von je 154,00 EUR monatlich. Die
Kosten der Unterkunft, zu deren Anmietung eine Zustimmung des Grundsicherungsträgers erteilt wurde, betrugen einschließlich
der Warmwasseraufbereitung monatlich 654,50 EUR (Kaltmiete 478,00 EUR, Heizkosten 76,50 EUR und weitere Nebenkosten 100,00
EUR).
Mit Bescheid vom 6. März 2007 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 1. März bis 31.
August 2007 in Höhe von monatlich 881,50 EUR. Dabei berücksichtigte er neben der Regelleistung für die Klägerin und dem Sozialgeld
für die drei Kinder einen Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 124,00 EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung in
Höhe von 634,50 EUR insgesamt. Als monatliches Einkommen rechnete er den Kindern das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR und
(fiktiv) Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von je 127,00 EUR an. Die Gesamtleistung enthielt einen Individualanspruch der Klägerin in Höhe von 627,61 EUR (Regelleistung
469,00 EUR und KdU 158,61 EUR) monatlich und der drei Kinder in Höhe von je 84,63 EUR.
Unter dem Eingangsdatum 27. Juli 2007 ist ein von der Klägerin allerdings nicht unterschriebener Fortzahlungsantrag aktenkundig,
auf dem jeweils angekreuzt ist, dass sich in den Verhältnissen - auch in den Einkommensverhältnissen - nichts verändert hat.
Mit Schreiben vom 3. August 2007 forderte der Beklagte die Klägerin gemäß §
60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) auf, Unterlagen über den aktuellen Stand zur Unterhaltsforderung gegenüber ihrem Ehemann vorzulegen. Darauf reagierte sie
nicht.
Mit Bescheid vom 6. August 2007 gewährte der Beklagte für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August 2007 Leistungen in Höhe von
893,50 EUR monatlich, und zwar für die Klägerin 630,61 EUR und für die drei Kinder nach Anrechnung von Kindergeld und fiktiven
Unterhaltsvorschussleistungen je 87,63 EUR. Als Hinweis enthält der Bescheid den Zusatz: "Folgende Änderungen sind eingetreten:
Änderung der Höhe des Unterhaltsvorschusses."
Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tage bewilligte der Beklagte Leistungen in dieser Höhe auch für die Zeit vom 1. September
2007 bis 29. Februar 2008.
Im Rahmen des von ihr diesmal auch unterschriebenen Fortzahlungsantrages vom 22. Januar 2008 gab die Klägerin an, dass sie
Unterhalt in Höhe von insgesamt 694,00 EUR monatlich von ihrem Ehemann erhalte. Der Unterhalt sei gekürzt worden von 747,00
EUR auf diesen Betrag. Hierzu bezog sie sich auf ein Anwaltsschreiben vom 11. Januar 2008, wonach Unterhalt für Jessica-Monique
in Höhe von 162,00 EUR, für Sarah-Marie in Höhe von 216,00 EUR und für Franziska-Michelle ebenfalls in Höhe von 216,00 EUR
gezahlt werde. Das Anwaltsschreiben enthält gleichzeitig die Aufforderung, künftig auf den titulierten Ehegattenunterhalt
ab Januar 2008 zu verzichten. In der Folgezeit schrieb der Beklagte die Klägerin mehrfach - zuerst mit Schreiben vom 23. Januar
2008 - ergebnislos hinsichtlich der Offenlegung der erfolgten Unterhaltszahlungen im Rahmen von §
60 SGB I an und forderte schließlich die Kontoauszüge an. Daraus ergibt sich, dass in folgenden Monaten Unterhaltszahlungen des getrenntlebenden
Mannes an die Klägerin erfolgt sind:
März 2007 (Buchungstag 05.03.2007)
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769,84 EUR
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April 2007
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667,34 EUR
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Mai 2007
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647,38 EUR
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Juni 2007
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747,00 EUR
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Juli 2007
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747,00 EUR
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August 2007
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747,00 EUR
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September 2007
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747,00 EUR
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Oktober 2007
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600,00 EUR
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November 2007
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747,00 EUR
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Dezember 2007
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747,00 EUR
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Januar 2008
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694,00 EUR
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Februar 2008
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694,00 EUR.
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Mit Schreiben vom 25. März 2008 hörte der Beklagte die Klägerin gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu einer beabsichtigten Leistungsaufhebung für die Zeit von März 2007 bis Februar 2008 an. Aus den Kontoauszügen sei ersichtlich,
dass die Klägerin regelmäßig Unterhaltszahlungen erhalte. Bei der Bedarfsberechnung seien jedoch Zahlungen der Unterhaltsvorschusskasse
angerechnet worden, die niedriger als der gezahlte Unterhalt seien, weshalb seit Leistungsbeginn an von einem falschen Einkommen
ausgegangen worden sei. Nach den vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin die Überzahlung verursacht, da sie unvollständige
und zum Teil falsche Angaben gemacht habe.
Der Klägerin, die inzwischen umgezogen war, ist das Mitwirkungsschreiben am 5. Juni 2008 nachgesendet worden, wobei die Frist
für die Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26. Juni 2008 verlängert wurde. Die Klägerin hat sich hierzu nicht geäußert.
Der Bevollmächtigte der Klägerin im familiengerichtlichen Verfahren hat auf telefonische Anfrage des Beklagten mitgeteilt,
dass im Jahr 2007 für die Kinder je 170,00 EUR Unterhalt und für die Klägerin ein Trennungsunterhalt in Höhe von 237,00 EUR
gezahlt worden sei, ab Januar 2008 werde kein Trennungsunterhalt an die Klägerin mehr gezahlt.
Der Beklagte hat die teilweise schwankenden monatlichen Unterhaltsleistungen in seiner internen Berechnung zur Aufhebung der
Leistungsbewilligung dahingehend aufgeteilt, dass er für das Jahr 2007 den Kindern jeweils eine Unterhaltsleistung von 170,00
EUR und den unterschiedlich hohen Rest der Klägerin als Einkommen zugeordnet hat. Aus dieser Berechnung ergeben sich nach
der internen Berechnung für den maßgeblichen Zeitraum jeweils noch verbleibende - wenn auch deutlich geringere - Leistungsansprüche
der Kinder und ein jeweils niedrigerer monatlicher Individualanspruch der Klägerin. Für das Jahr 2008 hat der Beklagte in
seinen internen Berechnungen eine Unterhaltsleistung für Jessica-Monique in Höhe von 262,00 EUR und die beiden anderen Kinder
in Höhe von je 216,00 EUR als Einkommen berücksichtigt. Bezogen auf die Klägerin erfolgt mittelbar eine Einkommenszuordnung
in Höhe des den Bedarf übersteigenden Kindergeldes, allerdings ohne Abzug der Versicherungspauschale.
Mit dem an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 17. Juni 2008 nahm der Beklagte die Entscheidung für die Bewilligung der
Leistungen für die Zeit vom 1. März 2007 bis 29. Februar 2008 teilweise in Höhe von 3.760,59 EUR zurück, und zwar hinsichtlich
"der Bescheide vom 06.03.2007 und 06.08.2007 und 23.01.2008 in der Fassung der letzten Änderung vom 06.08.2007". Zur Begründung
führte er aus, die Klägerin habe für diesen Zeitraum Unterhaltszahlungen von dem Vater ihrer Kinder erhalten. Das in diesem
Zeitraum erzielte Einkommen führe zu einer Minderung "Ihres Leistungsanspruchs". Eine Differenzierung des Aufhebungs- und
Erstattungsbetrages wird hinsichtlich des Zeitraums März bis Juni 2007 und Juli 2007 bis Februar 2008 vorgenommen. Im ersten
Zeitraum seien 3.526,00 EUR ausgezahlt worden. Bei einem zutreffenden Anspruch auf 2.308,41 EUR bestehe eine Differenz von
1.217,59 EUR. Im zweitgenannten Zeitraum seien 7.148,00 EUR ausgezahlt worden. Bei einem zutreffenden Anspruch von 4.605,00
EUR bestehe eine Differenz von 2.543,00 EUR. Es sei daher zu einer Überzahlung in Höhe von insgesamt 3.760,59 EUR gekommen.
Eine monatsbezogene oder auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bezogene oder nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft
differenzierte Aufschlüsselung enthält der Bescheid nicht. Eine Anlage zum Bescheid gibt es nicht. Es erfolgt im Text des
Bescheides der Hinweis: Da das Einkommen im Rahmen von § 9 Abs. 2 SGB II auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt werde, sei es bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu einer Überzahlung
gekommen, weshalb gegen jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Rücknahme erfolgen müsse. Bei Überzahlungen hinsichtlich
minderjähriger Personen der Bedarfsgemeinschaft richte sich die Rückforderung an den entsprechenden gesetzlichen Vertreter
(Elternteil). Die Aufhebung ergehe gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit §
330 Abs.
2 SGB III, da der Verwaltungsakt auf Angaben beruht habe, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung
unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Die Klägerin habe verschwiegen, dass sie Unterhaltsleistungen von dem Vater der
Kinder erhalten habe. Die zu Unrecht erbrachten Leistungen seien vollständig zu erstatten.
Den am 6. August 2008 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2008 als verfristet
zurück.
Am 16. Oktober 2008 beantragte die inzwischen anwaltlich vertretene Klägerin die Überprüfung der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide
mit der Begründung, die Rückzahlungsansprüche hätten individualisiert werden müssen. Mit Bescheid vom 25. Mai 2009 änderte
der Beklagte seinen Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 17. Juni 2008 im Rahmen von § 44 SGB X insoweit ab, als nur noch ein Betrag von 1.607,79 EUR zurückgefordert wird. Eine monatsbezogene oder bewilligungsabschnittsbezogene
Aufschlüsselung der jeweils nur teilweise von der Aufhebung und Rückforderung betroffenen Leistungen enthält der Bescheid
nicht. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid richte sich nunmehr nur noch gegen die Klägerin selbst, Rückforderungen gegen
ihre Kinder würden nicht mehr geltend gemacht.
Die Klägerin erhob dagegen mit der Begründung Widerspruch, dass nicht dargetan sei, weshalb sie diesen Betrag zurückzahlen
solle und wie er sich errechne. Der Beklagte übersandte ihr daraufhin die internen Berechnungsgrundlagen und gewährte Akteneinsicht.
Bei den internen Berechnungsgrundlagen handelt es sich um monatsbezogene Tabellen mit den Spalten "BV/EHB" und "MUK" sowie
Einzelzeilen "vor Änderung", "nach Änderung" und "eingetretene ÜZ". Das zugeordnete Einkommen ist nicht erkennbar, wohl aber
- durch Interpretation der Tabellenwerte - die "einzelnen Überzahlungsbeträge bezogen auf BV" und "MUK". Nachfragen durch
den Bevollmächtigten erfolgten ebenso wenig wie eine ergänzende Widerspruchsbegründung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin und ihre
Kinder hätten im maßgeblichen Zeitraum Unterhaltsleistungen erzielt, die zu Unrecht nicht als Einkommen angerechnet worden
seien. Daher seien die Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 1. März 2007 bis 29. Februar 2008 zu Recht teilweise aufgehoben
worden. Die Rückforderungshöhe sei auch zutreffend berechnet worden. Eine Erläuterung des Rückforderungsbetrages erfolgte
nicht, der Widerspruchsbescheid enthält keine Anlagen.
Mit ihrer dagegen am 1. Oktober 2009 beim Sozialgericht Itzehoe eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass
nicht dargetan sei, für welchen Zeitraum die Rückzahlung verlangt werde. Ebenso wenig sei spezifiziert, wie sich die Rückforderung
von 1.607,79 EUR zusammensetze. Es sei auch keine Vertrauensschutzabwägung gemäß § 45 Abs. 2 SGB X vorgenommen worden. Im Übrigen habe sie darauf vertraut, dass die ihr erteilten Bescheide richtig seien, eine Überzahlung
sei ihr nicht aufgefallen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 25. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2009 abzuändern und den Beklagten
zu verpflichten, den Bescheid vom 17. Juni 2008 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, dass dem Kläger-Vertreter sämtliche Berechnungen zur Verfügung gestellt worden seien. Die Leistungsbewilligung
sei von Anfang an wegen verschwiegenen Einkommens rechtswidrig gewesen, weshalb die Bescheide zu Recht teilweise aufzuheben
gewesen seien.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 10. August 2011 die Klage abgewiesen. Grundlage für die rückwirkende Aufhebung der Bewilligungsbescheide
sei § 45 Abs. 2 SGB X, wonach eine gebundene Entscheidung zu treffen sei. Der Klägerin sei im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Bescheide grob
fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen, nachdem noch vor Erlass des Bewilligungsbescheides am 5. März 2007 bei ihr die erste Unterhaltszahlung
in Höhe von 769,84 EUR eingegangen sei. Die Klägerin habe es zudem unterlassen, diesen Einkommenszufluss dem Beklagten mitzuteilen,
weshalb der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die die Begünstigte grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht
habe. Der Aufhebungsbescheid sei auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X. Insoweit sei eine geltungserhaltene Reduktion vorzunehmen, da der ursprüngliche Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom
17. Juni 2008 ausschließlich an die Klägerin gerichtet gewesen sei. Aus dem Verfügungssatz ergebe sich nun unzweifelhaft,
was der Beklagte von wem wolle. Die konkrete Berechnung des Rückforderungsbetrages sei keine Frage der hinreichenden Bestimmtheit,
sondern der Begründung, weshalb das Fehlen einer derartigen Berechnung nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führe. Die
Berechnung der Überzahlung sei nicht zu beanstanden, insoweit seien auch keine Fehler vorgetragen worden.
Die Rücknahmeentscheidung sei auch innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist erfolgt.
Gegen dieses der Klägerin am 21. Oktober 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. November 2011 beim Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung. Zur Begründung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass im Bescheid
vom 25. Mai 2009 nicht dargetan sei, für welchen Zeitraum die Rückzahlung verlangt werde und wie sich die Summe des Rückforderungsbetrages
zusammensetze. Ebenso fehle eine Vertrauensschutzabwägung nach § 45 Abs. 2 SGB X. Sie habe bereits im August 2008 dem Beklagten mitgeteilt, dass sie die Angaben bezüglich der Unterhaltszahlungen durch ihren
Mann im März 2007 schriftlich vorgelegt habe und ihr die Überzahlung nicht aufgefallen sei. Sie habe daher darauf vertraut,
dass die ihr erteilten Bescheide richtig seien und das Geld ausgegeben. Daher liege auch keine grobe Fahrlässigkeit vor.
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Klägerin eine Präzisierung der Unterhaltszahlungen bezogen auf die Empfänger vorgelegt.
Die handschriftliche Aufschlüsselung enthält Beträge, die allerdings in der Gesamtaddition nicht immer der Summe des Gesamtunterhalts
entsprechen. Überwiegend will die Klägerin danach im Jahr 2007 für sich selbst Unterhalt in Höhe von 237,00 EUR erhalten haben,
für einzelne Monate (etwa Mai und Oktober 2007) jedoch keinen und im März und April einen niedrigeren Unterhalt (172,00 EUR
und 50,00 EUR).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. August 2011 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 25. Mai 2009 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 17. Juni
2008 zurückzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Auf Nachfrage hat er mitgeteilt, dass im Januar und Februar 2008 kein
Unterhalt, sondern nur das Einkommen der Kinder (Kindergeld) im Rahmen der Horizontalübersicht berücksichtigt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten. Der wesentliche Inhalt dieser Unterlagen ist Gegenstand der Berufungsverhandlung
gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 25. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 28. August 2009 (§
95 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -), mit dem der Beklagte die Rücknahme des bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 17. Juni 2008 für den
streitigen Zeitraum vom 1. März 2007 bis 29. Februar 2008 bezüglich der Klägerin abgelehnt hat.
Die form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie im Hinblick auf den Wert des Berufungsgegenstandes statthaft (§§
143,
144 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. August 2011 ist aufzuheben. Der
Beklagte hat zu Unrecht im Zugunstenverfahren nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17. Juni 2008 nicht auch bezogen auf die Klägerin sondern nur hinsichtlich der
Kinder der Klägerin zurückgenommen.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht
oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen. Ob bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich
nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden, ggf. jedoch aus heutiger Sicht "geläuterten" Recht (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 47/01 R - BSGE 90, 136, 138 zitiert nach [...]). Gemessen daran ist der Aufhebungsbescheid von 17. Juni 2008 gegenüber der Klägerin auch nach den
Korrekturen dieser Entscheidung im Überprüfungsverfahren rechtswidrig und von dem Beklagten zurückzunehmen. Damit ist auch
die Grundlage für die Erstattungsforderung entfallen. Zwar hat der Beklagte die Kläger zur beabsichtigten Entscheidung über
die Aufhebung und Rückforderung der Leistungen angehört und ihr damit Gelegenheit gegeben, sich zu den entscheidungserheblichen
Tatsachen zu äußern (§ 24 SGB X). Die Aufhebungsentscheidung ist jedoch nicht hinreichend bestimmt, denn die Teilaufhebung wegen des Zusammentreffens mit
nicht näher zugeordnetem Einkommen lässt nicht erkennen, für welche Monate welche Leistungen in welcher Höhe aufgehoben worden
sind.
Wie das Sozialgericht richtig erkannt hat, kommt als Rechtsgrundlage für die teilweise Leistungsaufhebung für den Zeitraum
März 2007 bis Februar 2008 allein § 45 Abs. 1, 2 SGB X in Betracht, da sämtliche Bewilligungsbescheide des Beklagten bereits bei ihrem Erlass wegen des Zusammentreffens mit Einkommen
in Form von Unterhalt teilweise rechtswidrig waren. Der Klägerin und ihren Kindern standen Leistungen nach dem SGB II nicht in der gewährten vollen Höhe zu, da ihr Hilfebedarf teilweise durch den Unterhalt des getrennt lebenden Ehemanns der
Klägerin bzw. des Vaters gedeckt war. Es kann offenbleiben, wie sich der in unterschiedlicher monatlicher Höhe im Zeitraum
März 2007 bis Februar 2008 auf das Konto der Klägerin überwiesene Unterhalt auf die drei Kinder und die Klägerin verteilen
sollte. Hierzu liegen für das Jahr 2007 unterschiedliche Angaben vor. Die Klägerin hat zunächst im Verwaltungsverfahren keine
Angaben dazu gemacht. Der frühere Anwalt im familiengerichtlichen Verfahren hat zeitnah fernmündlich gegenüber dem Beklagten
mitgeteilt, die Klägerin habe einen monatlichen Trennungsunterhalt von 237,00 EUR erhalten. Die Klägerin hat nunmehr im Berufungsverfahren
unterschiedliche Beträge zwischen 50,00, 172,00 und 237,00 EUR für das Jahr 2007 genannt. Der Beklagte hat hingegen den Kindern
jeweils einen Betrag von 170,00 EUR als Einkommen zugeordnet und den unterschiedlich hohen Rest bezogen auf die monatlichen
Überweisungen als Unterhalt für die Klägerin bewertet und diese Werte der Berechnung der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung
vom 17. Juni 2008 zugrunde gelegt. Eindeutig ist nur, dass für die Monate Januar und Februar 2008 nur noch Unterhalt für die
Kinder gezahlt wurde und Einkommen der Klägerin allenfalls hinsichtlich des für die Bedarfsdeckung der Kinder nicht mehr benötigten
Kindergeldes zugerechnet werden kann. Die genauen Unterhaltsbeträge bezogen auf die Empfänger sind jedoch vom Senat nicht
weiter aufzuklären, da der vom Beklagten auf § 45 Abs. 1 SGB X gestützte Aufhebungsbescheid vom 17. Juni 2008 bereits deshalb rechtswidrig ist, weil er nicht hinreichend bestimmt ist.
Gemäß § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein, was insbesondere den Adressaten und den Verfügungssatz betrifft.
Hierbei handelt es sich um eine Ausprägung des aus Art.
20 Abs.
3 Grundgesetz (
GG) folgenden Rechtsstaatsprinzips, das der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dient. Zur hinreichenden Bestimmtheit muss eine
behördliche Entscheidung so eindeutig formuliert sein, dass sich ohne Rückfrage ergibt, für wen was wie geregelt wird. Gegenstand,
Ziel und Regelungsgehalt der Entscheidung müssen für den Adressaten so eindeutig und vollständig sein, dass er sein Handeln
danach ausrichten und die rechtlichen Konsequenzen der Entscheidung in vollem Umfange abschätzen kann (LSG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 7. Mai 2009 - L 28 AS 1354/08 -, zitiert nach [...] Rdnr. 39). Ein Rücknahmebescheid ist aufzuheben, wenn er dem Bestimmheitsgebot nicht genügt, was der
Fall ist, wenn die von dem Bescheid ausgehende Regelungswirkung bei verständiger Auslegung ohne weitere Hilfsmittel nicht
zu erkennen ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 1. November 2011 - L 9 AS 831/10 - zitiert nach [...] Rdnr. 40; die Revision ist anhängig unter - B 14 AS 196/11 R -).
Ob hinreichend konkrete Verfügungen vorliegen, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßstab für die Auslegung des Verwaltungsaktes
ist die Sicht eines verständigen Empfängers, der als Beteiligter die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach
ihrem wirklichen Willen in ihre Entscheidung einbezogen hat, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen (vgl. BSG, Urteil vom 14. August 1996 - 13 RJ 9/95 - zitiert nach [...] Rn. 38 mwN). Ein Träger, der in der Vergangenheit gewährte existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II zurückfordern und hierzu die aus seiner Sicht anfänglich oder nachträglich rechtswidrige Bewilligung dieser Leistungen beseitigen
will, hat grundsätzlich den Zeitraum und das Ausmaß der Rücknahme oder Aufhebung nicht nur durch Benennung eines nach Anfang
und Ende bezeichneten Zeitraumes und eines insgesamt zu Unrecht gewährten Geldbetrages rechtmäßig zu bestimmen. Vielmehr hat
er hierzu die jeweils betroffenen Bewilligungsbescheide nach ihrem Datum zu bezeichnen und weiterhin anzugeben, für welchen
(Teil-)Zeitraum diese Bewilligungs-Verwaltungsakte in jeweils welcher Höhe zurückgenommen oder aufgehoben werden (so zutreffend
LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. März 2010 - L 3 AS 138/08; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Dezember 2009 - L 9 AS 477/08; siehe auch BSG, 7. Senat, Urteil vom 15. August 2002 - B 7 AL 66/01 R - sowie Urteil vom 2. Juni 2004 - B 7 AL 58/03 R - jeweils zitiert nach [...]).
Diesen Anforderungen genügt der Aufhebungsbescheid vom 17. Juni 2007 auch nach den Veränderungen im Überprüfungsverfahren
nicht. Es ergibt sich weder aus dem Ausgangs- noch aus dem Überprüfuungs- oder Widerspruchsbescheid, für welche Zeit und in
welcher Höhe die jeweiligen Bescheide, mit denen Leistungen bewilligt worden waren, aufgehoben worden sind. Weder ist das
zugerechnete Einkommen bezogen auf die Empfänger mitgeteilt worden noch der konkrete Umfang der Aufhebung. Da hier die Leistungsbewilligungen
entsprechend den Regelungen in § 41 Abs. 1 SGB II monatsweise erfolgt waren, hätte aus dem Aufhebungsbescheid oder ergänzenden Anlagen hervorgehen müssen, in welchem Umfang
die Bewilligungen für die einzelnen Monate nach erfolgter Teilaufhebung der Bewilligungsbescheide noch Bestand haben bzw.
nicht mehr gelten sollen. Der Umfang der Teilaufhebung wird indes weder im Verfügungssatz geregelt noch an anderer Stelle
erläutert, obwohl die Klägerin die fehlende Nachvollziehbarkeit der Beträge ausdrücklich im Überprüfungsverfahren gerügt hatte.
Es handelt sich um eine pauschale Teilaufhebung aller Bescheide für die beiden Bewilligungszeiträume. Das vorliegende Verfahren
mit einer unklaren Zuordnung des Einkommens und schwankenden monatlichen Einkünften zeigt nachdrücklich, dass die konkrete
Aufhebungsentscheidung und die Grundlagen dafür aus Empfängersicht der Klägerin bei einer Pauschalaufhebung nicht nachvollziehbar
sind. Das Bundessozialgericht hat zu Recht zum wochenweise bewilligten Arbeitslosengeld entschieden, dass ein Rücknahmebescheid
mit einer Teilaufhebung für einen Gesamtzeitraum in Höhe eines Gesamtbetrages, ohne Konkretisierung dieses Betrages für die
einzelnen Wochen, nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 33 SGB X genügt (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 15. August 2002 - B 7 AL 66/01 R -, Rdnr. 15 zitiert nach [...]). Bei dieser Anforderung handelt es sich nicht (nur) um eine Frage der hinreichenden - und
gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X nachholbaren - Begründung (§ 35 Abs. 1 SGB X) der Verwaltungsentscheidung (in diesem Sinne jedoch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. November 2011 - L 29 AS 2038/09 - zitiert nach [...] Rdnr. 49 - 51), sondern um eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Verfügungssatzes.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dem Bestimmtheitserfordernis auch nicht dadurch Rechnung getragen, dass dem bevollmächtigten
Anwalt der Klägerin im Überprüfungsverfahren Akteneinsicht gewährt wurde und die Übersichten über die internen Berechnungen
übermittelt wurden. Zum einen sind die internen Berechnungsblätter aus sich heraus nicht für Außenstehende verständlich, da
sie behördeninterne Abkürzungen und Zuordnungen enthalten und insbesondere die Namen der Klägerin und der Kinder nicht genannt
sind. Zum anderen entbindet die Gewährung von Akteneinsicht und der Einblick in interne Berechnungen die Behörde nicht von
der Aufgabe, den Verfügungssatz der Bescheide unter Berücksichtigung eventueller Anlagen und Ergänzungen im Widerspruchsverfahren
so klar zu fassen, das der Inhalt der Entscheidung eindeutig ist, wozu im Falle von Teilaufhebungen auch der monatsbezogene
Umfang der Aufhebung gehört. Nur so kann der Hilfebedürftige auch sachgerecht zu seinem Einkommen während des Leistungsbezugs
vortragen.
Da die Aufhebungsentscheidung rechtswidrig und von dem Beklagten zurückzunehmen ist, entfällt auch die Grundlage für die Rückforderung,
die von dem Beklagten entsprechend der Vorgabe nach § 50 Abs. 3 Satz 2 SGB X mit dieser Entscheidung verbunden wurde. Es kommt daher nicht darauf an, dass allein bezogen auf den Erstattungsverwaltungsakt
die Forderung gegenüber der Klägerin hinreichend bestimmt ist und insbesondere auch vollstreckbar wäre (vgl. dazu BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R - zitiert nach [...] Rdnr. 33 - 36).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.
Die Revision ist nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG im Hinblick auf die klärungsbedürftige und bisher ausdrücklich offen gelassene Frage zugelassen worden, welche Anforderungen
das Bestimmtheitsgebot nach § 33 SGB X an Verwaltungsakte über die Aufhebung von Leistungen nach dem SGB II stellt.