Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Rechtmäßigkeit der Festlegung einer Residenzpflicht in einer Eingliederungsvereinbarung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtsmäßigkeit einer in einem Eingliederungsverwaltungsakt enthaltenen Regelung zur Ortsabwesenheit.
Die am 1960 geborene kongolesische Klägerin, ihr Ehemann und ihre 3 Kinder bezogen seit Januar 2005 mit Unterbrechungen Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Am 11. Juni 2009 bot der Beklagte der Klägerin den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung an. Die Klägerin erhielt eine
Frist zur Einreichung der unterschriebenen Eingliederungsvereinbarung bis zum 15. Juni 2009.
Nachdem die Klägerin die Eingliederungsvereinbarung nicht unterschrieben zurückreichte, erließ der Beklagte mit Bescheid vom
6. Juli 2009 einen auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II gestützten Eingliederungsverwaltungsakt mit Wirkung für die Zeit vom 6. Juli 2009 bis 5. Januar 2010. Ziel des Eingliederungsverwaltungsaktes
war die Integration der Klägerin in existenzsichernde Arbeit. Der Beklagte verpflichtete sich, Vermittlungsvorschläge, soweit
geeignete Stellenangebote vorliegen würden, zu unterbreiten, das Bewerberprofil der Klägerin unter www.arbeitsagentur.de aufzunehmen,
sowie Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme der Kosten und der Aushändigung eines Vermittlungsgutscheines für die Inanspruchnahme
eines privaten Arbeitsvermittlers zu fördern. Außerdem wurde die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für einen zukünftigen
Arbeitgeber in Aussicht gestellt.
Für die Klägerin enthielt der Eingliederungsverwaltungsakt insbesondere die Verpflichtung, an der Maßnahme "GANZIL" in der
Zeit vom 4. Mai 2009 bis 20. Oktober 2009 teilzunehmen und sich intensiv um sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen in
Teilzeit zu bewerben und dies zu dokumentieren. Ferner hieß es unter "Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit:
"Sie verpflichten sich, dass Sie sich nur nach Absprache und mit Zustimmung Ihrer Integrationsfachkraft außerhalb des zeit-
und ortsnahen Bereiches aufhalten. Insbesondere holen Sie sich spätestens 1 Woche vor Ihrer Ortsabwesenheit die Zustimmung
ein und melden sich am nächsten Werktag nach Ihrer Ortsabwesenheit wieder persönlich vormittags in der Zeit von 8.00 Uhr bis
12.00 Uhr bei Ihrer Integrationsfachkraft zurück. Insgesamt kann Ihnen eine Ortsabwesenheit von höchstens 21 Kalendertagen
im Kalenderjahr genehmigt werden. Dies obliegt der Entscheidung Ihrer lntegrationsfachkraft. Sie stellen sicher, dass Sie
an jedem Werktag an Ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort erreichbar sind."
Mit ihrem dagegen am 20. Juli 2009 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass die Regelung zur Ortsabwesenheit
- 1-wöchige vorherige Zustimmung, persönliche Meldung am nächsten Tag nach der Ortsabwesenheit zu festgelegten Zeiten - unzulässig
sei, weil ihr neben der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 4a SGB II darüber hinausgehende weitere Verpflichtungen auferlegt würden. Ihr werde durch die Regelung ein nicht zu rechtfertigender
Ortsarrest auferlegt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2009 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er
im Wesentlichen aus: Die Inhalte des Bescheides entsprächen den Vorgaben des § 15 SGB II. Jegliche Verhältnismäßigkeit sei gewahrt und Willkür könne ausgeschlossen werden. So entspreche der Bescheid den vergleichbaren
Eingliederungsvereinbarungen anderer Kunden, berücksichtigte jedoch die Situation und die persönlichen Belange der Klägerin.
Insbesondere die geforderte Teilnahme an der Maßnahme "GANZIL" sei angemessen und zumutbar. Die in der Eingliederungsvereinbarung
festgeschriebenen Regelungen sollten dem Hilfeempfänger ermöglichen, wieder unabhängig von Sozialleistungen zu leben. Die
Regelung zur Ortsabwesenheit orientiere sich im Übrigen an der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 4a SGB II. Danach erhalte Leistungen nach dem SGB II nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhalte. Genau dieser Gesetzestext finde sich in der Eingliederungsvereinbarung
wieder. Es handele sich daher nicht um eine unzulässige Regelung, die neben der gesetzlichen Regelung der Klägerin noch eine
weitere Verpflichtung auferlege, sondern gerade um die Verpflichtung aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 4a SGB II.
Mit ihrer dagegen am 3. September 2009 beim Sozialgericht Itzehoe eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass
der Gesetzgeber den Fall der Ortsabwesenheit in § 7 Abs. 4a SGB II abschließend geregelt habe. Die Regelung in der Eingliederungsvereinbarung sei daher unzulässig. Durch die Aufnahme der Regelung
werde die Möglichkeit der Sanktion geschaffen, gleichzeitig sei aber nicht ausgeschlossen, dass für den Zeitraum der Abwesenheit
keinerlei Leistungen gezahlt würden. Damit werde eine doppelt nachteilige Rechtsfolge begründet. Dass aufgrund der Vorschrift
des § 7 Abs. 4a SGB II kein Raum für die Aufnahme von Regelungen zur Ortsabwesenheit in einer Eingliederungsvereinbarung mehr sei, habe bereits
die 14. Kammer des Sozialgerichts ltzehoe entschieden. Im Übrigen sei die Regelung in dem Eingliederungsbescheid enger als
die gesetzliche Bestimmung, die in bestimmten Fällen eine Ortsabwesenheit auch von mehr als 21 Tagen ermögliche und keine
zeitliche Fristen für eine vorherige Regelung enthalte. Die Regelung verkürze damit ihre Rechte. Die Klage solle - nach Ablauf
der Gültigkeit des Eingliederungsbescheides - als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden. Es bestehe eine Wiederholungsgefahr,
weil der Beklagte ihr bereits am 28. Dezember 2009 eine gleichlautende Eingliederungsvereinbarung zur Unterschrift übersandt
und ihr am 24. Februar 2012 eine weitere Eingliederungsvereinbarung mit gleicher Regelung zur Ortsabwesenheit vorgelegt habe.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 10. Mai 2012 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei in Form
einer Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend §
131 Abs.
1 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft, denn die zunächst fristgerecht erhobene Anfechtungsklage habe sich nach Rechtshängigkeit durch Zeitablauf erledigt.
Es bestehe wegen Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Der Beklagte habe der Klägerin
bereits erneut zumindest zwei Eingliederungsvereinbarungen vorgelegt, die hinsichtlich der Ortsabwesenheit identische Regelungen
beinhalteten. Die Klage sei aber unbegründet, weil der Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 29. Juli 2009 rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage für den Erlass des Eingliederungsbescheides sei § 15 Abs. 1 Satz 6 i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der bis 31. März 2011 geltenden Fassung. Danach sollten die Regelungen nach Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn
- wie hier - eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande komme. Die in der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt
vom 6. Juli 2009 getroffene streitige Regelung über die Ortsabwesenheit sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Aufnahme dieser
Verpflichtung in die Eingliederungsvereinbarung sei nicht bereits aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 4a SGB II unzulässig. Nach § 7 Abs. 4a SGB II in der bis 31. Dezember 2010 gültigen Fassung, die zugrunde zu legen sei, erhalte Leistungen nach diesem Buch nicht, wer
sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeitsanordnung vom 23. Oktober 1997,
geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001, definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhalte; die übrigen Bestimmungen
dieser Anordnung gelten entsprechend. Angesichts der einschneidenden Rechtsfolge bei unerlaubter Ortsabwesenheit müsse dem
Leistungsempfänger das Erfordernis, eine Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners vor der Ortsabwesenheit einholen zu
müssen, deutlich gemacht werden. Dies sei möglich u. a. durch Aufnahme der Verpflichtung in die Eingliederungsvereinbarung.
Die in der Eingliederungsvereinbarung getroffene Regelung zur Ortsabwesenheit stehe auch in Übereinstimmung mit der gesetzlichen
Regelung des § 7 Abs. 4a SGB II a. F ... Es sei nicht ersichtlich, dass durch die Regelung in dem angefochtenen Eingliederungsbescheid eine zusätzliche,
über die gesetzliche Regelung hinausgehende Einschränkung erfolgt sei. Selbst wenn dies, etwa durch die Begrenzung der Ortsabwesenheit
auf maximal 21 Tage der Fall wäre, folge daraus nicht die Rechtswidrigkeit dieser Regelung. Durch den Wortlaut in § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II "Die Eingliederungsvereinbarung soll insbesondere bestimmen" werde deutlich, dass es möglich sei, in einer Eingliederungsvereinbarung
die Ortsabwesenheit/Verfügbarkeit über die Regelungen der Erreichbarkeits-Anordnung hinaus festzulegen. Zu berücksichtigen sei zudem, dass auch nach der Erreichbarkeits-Anordnung die Ortsabwesenheit im Regelfall nicht länger als 3 Wochen je Kalenderjahr andauern könne, Ausnahmen müssten deshalb besonders
begründbar sein. Der Eingliederungsbescheid vom 6. Juli 2009 lasse jedoch ebenfalls eine Abänderung der Eingliederungsvereinbarung
zu. Insoweit sei auch hier keine Abweichung von der Erreichbarkeits-Anordnung zu erkennen. Die Regelung erweise sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt als rechtswidrig, dass neben dem gesetzlich in
§ 7 Abs. 4a SGB II festgelegten Wegfall der Leistung bei unerlaubter Ortsabwesenheit eine zusätzliche Sanktionsmöglichkeit geschaffen werde.
Dass dies nicht der Fall sei, ergebe sich aus dem Eingliederungsbescheid selbst. Ausdrücklich werde darauf hingewiesen, dass
bei einer unangemeldeten oder unerlaubten Ortsabwesenheit der Anspruch auf Arbeitslosengeld II, auch bei nachträglichem Bekanntwerden,
entfalle. Damit sei die Rechtsfolge festgelegt.
Gegen dieses ihr am 18. Juni 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. Juli 2012 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht
eingegangene Berufung der Klägerin. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, dass die Regelung des § 7 Abs. 4a SGB II abschließend sei. Andernfalls wäre der Hilfebedürftige neben dem völligen Verlust des Leistungsausschlusses auch noch Sanktionen
ausgesetzt. Zwar sei es so, dass in der Regel die Ortsabwesenheit nach der Erreichbarkeits-Anordnung gleich laufe mit der Ortsabwesenheit, wie sie im Eingliederungsverwaltungsakt bestimmt sei, die Erreichbarkeits-Anordnung ermögliche aber darüber hinaus zusätzliche Ortsabwesenheiten, u. a. zur Teilnahme an religiösen oder politischen Veranstaltungen.
Der Umstand, dass dies in dem Eingliederungsbescheid nicht geregelt sei, schränke ihre Rechte insbesondere aus Art.
4 und
9 Grundgesetz (
GG) erheblich ein. Der Beklagte habe hier für Deutlichkeit zu sorgen, die es dem Bürger ermögliche, seine Rechte ungehindert
wahrzunehmen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. Mai 2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Eingliederungsbescheid vom 6.
Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2009 rechtswidrig war soweit er unter Ziffer 2 folgende Formulierung
enthält: Sie verpflichten sich, dass Sie sich nur nach Absprache und mit Zustimmung ihrer Integrationsfachkraft außerhalb
des zeit- und ortsnahen Bereiches aufhalten. Insbesondere holen Sie sich spätestens eine Woche vor Ihrer Ortsabwesenheit die
Zustimmung ein und melden sich am nächsten Werktag nach Ihrer Ortsabwesenheit wieder persönlich vormittags in der Zeit von
8.00 Uhr bis 12.00 Uhr bei Ihrer Integrationsfachkraft zurück. Insgesamt kann Ihnen eine Ortsabwesenheit von höchstens 21
Kalendertagen im Kalenderjahr genehmigt werden. Dies obliegt der Entscheidung Ihrer Integrationsfachkraft. Sie stellen sicher,
dass Sie an jedem Werktag an Ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort erreichbar sind.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die den Rechtsstreit betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten haben dem Senat vorgelegen. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Inhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung (§§
143,144 Abs.
1,151
Sozialgerichtsgesetz) ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Eingliederungsbescheid des Beklagten
vom 6. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2009 rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Klägerin
hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes.
Unstreitig hat sich der streitgegenständliche Eingliederungsverwaltungsakt mit dem Ablauf seiner Gültigkeit am 5. Januar 2010
nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erledigt, da er aktuell keine rechtliche Beschwer mehr für die Klägerin enthält. Damit ist die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage
unzulässig geworden. Die Klägerin kann jedoch in diesem Fall zulässigerweise ihre Klage umstellen und im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage
einen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides weiterverfolgen.
Zusätzlich zu den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen, die hier vorliegen, setzt die Fortsetzungsfeststellungsklage nach
§
131 Abs.
1 Satz 3
SGG voraus, dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes hat. Insoweit
genügt ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller
Natur sein kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, Kommentar zum
SGG, 10. Aufl. 2012, §
131 Rn. 10a mit weiteren Nachweisen). Dieses notwendige Interesse liegt hier vor, da die Klägerin in diesem Verfahren klären
lassen will, ob der Beklagte grundsätzlich einen Eingliederungsverwaltungsakt mit dem hier streitgegenständlichen Inhalt erlassen
kann. Die Klärung dieser Frage verliert nicht mit dem Auslaufen der Gültigkeitsdauer des Eingliederungsverwaltungsaktes an
Bedeutung, da die Klägerin grundsätzlich auch zukünftig, solange sie im Leistungsbezug des Beklagten steht, mit entsprechenden
Eingliederungsverwaltungsakten rechnen muss. Da im Regelfall innerhalb der Gültigkeitsdauer eines Eingliederungsverwaltungsaktes
nicht mit einer gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren zu rechnen ist, hat die Klägerin nur die Möglichkeit,
diese Überprüfung im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage zu erreichen. Die Klägerin kann auch nicht darauf verwiesen
werden, sich gegebenenfalls gegen Sanktionsbescheide, die bei Nichtbeachtung der Regelungen der Eingliederungsvereinbarung
gegebenenfalls zu erwarten sind, mit den entsprechenden Rechtsbehelfen zu wenden, da sie insoweit Gefahr läuft, ihren Leistungsanspruch
zu verlieren, wenn die getroffenen Regelungen nicht zu beanstanden sind. Dies gilt insbesondere deshalb, da die Klägerin hier
im Wesentlichen grundsätzliche Einwände gegen die Regelungen im Eingliederungsverwaltungsakt vorträgt, die auch für künftige
Eingliederungsvereinbarungen von Bedeutung sind und davon auszugehen ist, dass der Beklagte erneut - wie auch bereits geschehen
- einen Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II mit einem gleichlautendem Inhalt erlassen wird.
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da der Eingliederungsverwaltungsakt vom 6. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 29. Juli 2009 materiell-rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Rechtsgrundlage des Eingliederungsverwaltungsakts ist § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung. Hiernach kann der Beklagte, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nach
§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht zustande kommt, die Regelungen nach Satz 2 des § 15 Abs. 1 SGB II durch Verwaltungsakt vornehmen. Der zulässige Regelungsinhalt des nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ergangenen Bescheides bestimmt sich damit nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II. In den Verwaltungsakt sind sämtliche Regelungen der beabsichtigten Eingliederungsvereinbarung aufzunehmen, insbesondere
die Eingliederungsleistungen, die Eigenbemühungen und deren Nachweis (Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 15 Rn. 129). Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II soll die Eingliederungsvereinbarung, mit der die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erforderlichen
Leistungen vereinbart werden, insbesondere bestimmen, 1. welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält,
2. welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen
muss und in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat, und 3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer
Sozialleistungen, der erwerbsfähige Hilfebedürftige zu beantragen hat. Die Eingliederungsvereinbarung soll für sechs Monate
geschlossen werden (§ 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Danach soll eine neue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden (§ 15 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Bei jeder folgenden Eingliederungsvereinbarung sind die bisher gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen (§ 15 Abs. 1 Satz 5 SGB II). Gegenstand einer Eingliederungsvereinbarung und damit auch eines Eingliederungsverwaltungsaktes können nach § 15 Abs. 2 SGB II nicht die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 19 ff. SGB II sein (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 15 Rn. 22). Eine Eingliederungsvereinbarung soll nach systematischer Stellung des § 15 SGB II insbesondere die in § 16 SGB II aufgeführten Eingliederungsleistungen möglichst verbindlich konkretisieren.
Im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung/Eingliederungsverwaltungsakts sind auch Regelungen über die Ortsabwesenheit/Verfügbarkeit
des Hilfebedürftigen trotz des seit dem 1. August 2006 in § 7 Abs. 4a SGB II aufgenommenen Verweises zur Anwendbarkeit der Erreichbarkeits-Anordnung grundsätzlich möglich. Nach § 7 Abs. 4a SGB II erhält keine Leistungen nach dem SGB II, wer sich ohne Zustimmung des zuständigen Trägers außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung definierten zeit- und ortsnahen Bereichs aufhält. Nach der Gesetzesbegründung war die bisherige Regelung der Erreichbarkeit
in der Eingliederungsvereinbarung und die Sanktionsfolge des § 31 SGB II bei einem Verstoß gegen die Absprache, insbesondere bei längeren Auslandsaufenthalten, nicht ausreichend, um die Mitwirkung
des Leistungsberechtigten bei seiner Eingliederung sicherzustellen. Deswegen hat der Gesetzgeber eine abstrakt generelle Regelung
in § 7 Abs. 4a SGB II eingeführt. Damit sind gesonderte Vereinbarungen zwar regelmäßig entbehrlich (Berlit in: LPK - SGB II, 3. Aufl. 2009, § 15 Rn. 29), aber auch seit der Einführung des § 7 Abs. 4a SGB II nicht ausgeschlossen (LSG Hamburg, Urteil vom 15. November 2012 - L 4 AS 73/12 - ; Bay. LSG, Beschluss vom 22. Januar 2013 - L 16 AS 381/11 -, zitiert nach [...]; Kadov in: Eicher, 3. Aufl. 2013, § 15 Rn. 28). Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 1 S. 2 SGB II, wonach die Aufzählung in Satz 2 dieser Vorschrift nicht abschließend ist. Angesichts der mit der unerlaubten Ortsabwesenheit
verbundenen Rechtsfolgen, auf die die Klägerin selbst hingewiesen hat (Wegfall des Leistungsanspruchs, Sanktion), besteht
auch unter dem Gesichtspunkt der Beratung und Aufklärung über die einem Leistungsempfänger obliegenden Pflichten Anlass, in
einer Eingliederungsvereinbarung darauf hinzuweisen, dass gemäß § 7 Abs. 4a SGB II eine Zustimmung des bei der Beklagten zuständigen persönlichen Ansprechpartners vor Ortsabwesenheit einholen ist (LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 14. November 2008 - L 12 B 129/08 AS -, zitiert nach [...]).
Die hier getroffene Regelung begegnet auch inhaltlich keinen Bedenken. Sie deckt sich, wie der Beklagte zu Recht ausführt,
mit der für Bezieher von Arbeitslosengeld I getroffenen Regelung in §
119 Abs.
5 Nr.
2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) in Verbindung mit §§ 1 ff. der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) über die Verfügbarkeit des Arbeitslosen, um Vorschlägen der Agentur für Arbeit (AA) zur beruflichen Eingliederung Folge
leisten zu können. Nach den genannten Bestimmungen hängt die Verfügbarkeit von Arbeitslosen mit Anspruch auf Arbeitslosengeld
nach dem
SGB III davon ab, dass sie Vorschlägen der BA zur Eingliederung in Arbeit zeit- und ortsnah nachkommen können. Sie müssen deshalb
an allen Werktagen persönlich an ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt erreichbar sein. Entfernen dürfen sie sich von
ihrem Wohnort für mehr als 24 Stunden nur an Feiertagen und mit Zustimmung der AA. Es genügt, wenn der Arbeitslose statt am
Samstag oder einem Tag vor dem gesetzlichen Feiertag am Sonntag oder dem Feiertag eingehende Post zur Kenntnis nehmen kann
(§ 1 Abs. 1 Satz 3 EAO). § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 3 EAO erlaubt außerdem die Abwesenheit für drei Wochen wegen Urlaubs, wegen einer ehrenamtlichen Tätigkeit oder wegen einer Kur,
wenn die Agentur für Arbeit vorher ihre Zustimmung erteilt hat. Die von dem Beklagten geregelte Residenzpflicht genügt insoweit
diesen Bestimmungen und angesichts der klaren und ohne Weiteres verständlichen Regelung im Übrigen auch dem Bestimmtheitserfordernis
des § 33 Abs. 1 SGB X. In dem Bescheid heißt es ausdrücklich, dass die Klägerin sicherzustellen hat, dass sie an jedem Werktag - und dementsprechend
nicht an Sonn- und Feiertagen - an ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort erreichbar ist. Ferner werden ihr entsprechend
§ 3 EAO 21 Kalendertage - in § 3 EAO heißt es dazu 3 Wochen - Ortsabwesenheit zugebilligt. Mit der Verpflichtung, die Zustimmung zur Ortsabwesenheit eine Woche
vorher einzuholen, ermöglicht der Beklagte nur die rechtzeitige und im Interesse des Hilfebedürftigen liegende Prüfung, dass
die Vermittlung des Hilfebedürftigen durch die Abwesenheit nicht beeinträchtigt wird. Die rechtzeitige Beantragung einer Ortsabwesenheit
z. B. wegen Urlaub oder der Teilnahme an staatspolitischen, kirchlichen oder gewerkschaftlichen Veranstaltungen konkretisiert
darüber hinaus auch nur eine Obliegenheit, die auch jeden Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber trifft. Im Übrigen hat
der Beklagte - was auch das Sozialgericht zu Recht hervorgehoben hat - in dem Eingliederungsverwaltungsakt darauf hingewiesen,
dass andere Vereinbarungen während der Laufzeit möglich sind. Auf diese Regelung konnte zur Auslegung in Zweifelsfällen oder
zur Klärung weiterer über die 21 Tage hinausgehender Abwesenheitszeiten der Klägerin im Einzelfall zurückgegriffen werden.
Der Rechtmäßigkeit des Bescheides steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt hätte. Durch
die Wendung "soll" in § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II verdeutlicht der Gesetzgeber, dass für den Fall, dass eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt, der Erlass eines
Eingliederungsverwaltungsaktes den Regelfall darstellt. Des bestehenden Ermessens ist sich der Beklagte auch bewusst gewesen,
in dem er jedenfalls in dem Widerspruchsbescheid durch Verweis auf vergleichbare Eingliederungsvereinbarungen, dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit und dem Willkürverbot das Vorliegen dieses Regelfalles aus seiner Sicht im vorliegenden Fall verdeutlicht.
Gründe, von dem Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes ausnahmsweise abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.