Ehrenamt; Kreishandwerksmeister; Versicherungspflicht
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Zugunstenverfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) darüber, ob für den Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 Beiträge zur Rentenversicherung
wegen einer geringfügigen Beschäftigung nachzuentrichten sind.
Der Beigeladene zu 1) war im streitbefangenen Zeitraum Inhaber eines Handwerksbetriebes und zugleich Kreishandwerksmeister
der Klägerin. Seine Aufgaben ergaben sich aus der Satzung der Kreishandwerkerschaft Nordfriesland-Süd vom 12. August 1996.
In der Zeit vom 27. November 2010 bis 15. Juni 2011 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs.
1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2006 bis 30. September 2010 durch. Die Beklagte ermittelte, dass dem Beigeladenen zu
1) für seine Tätigkeit als Kreishandwerksmeister folgende Aufwandsentschädigungen gewährt worden waren:
2006:
|
6.420,00 EUR,
|
2007:
|
6.420,00 EUR,
|
2008:
|
6.600,00 EUR,
|
2009:
|
6.600,00 EUR.
|
Nach vorheriger Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 7. Juli 2011 u. a. für den
Beigeladenen zu 1) Beiträge zur Rentenversicherung nebst Umlagen in Höhe von 2.632,73 EUR nach. Zur Begründung führte sie
aus, der Beigeladene zu 1) sei aufgrund der von ihm durchgeführten satzungsgemäßen Verwaltungsaufgaben geringfügig beschäftigt
gewesen. Bei der gewährten Aufwandsentschädigung handele es sich nach Abzug des Freibetrags nach §
3 Nr. 12
Einkommensteuergesetz (
EStG) steuerlich und beitragsrechtlich um Arbeitsentgelt. Für die nach Abzug des jeweiligen Freibetrags (2006 = 1.848,00 EUR,
2007 = 1.848,00 EUR, 2008 = 2.100,00 EUR, 2009 = 2.100,00 EUR) verbleibenden Entgelte seien bei vorliegender Mitgliedschaft
in einer privaten Krankenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 pauschale Rentenversicherungsbeiträge
für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung nachberechnet worden. Für geringfügig Dauerbeschäftigte müsse der Arbeitgeber
für Entgeltabrechnungszeiträume bis 30. Juni 2006 12 % abführen, ab 1. Juli 2006 15 %.
Am 5. September 2011 beantragte die Klägerin die Rücknahme des Bescheides vom 7. Juli 2011 nach § 44 SGB X. Zur Begründung trug sie vor, die Beklagte habe das Recht unrichtig angewandt, weil sie vom grundsätzlichen Bestehen eines
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen sei. Kreishandwerksmeister unterlägen als Ehrenamtsträger
nicht der Sozialversicherungspflicht. Die nach der Satzung zu gewährende Entschädigung für Zeitversäumnis bei Ausübung des
Ehrenamtes sei kein Arbeitsentgelt. Die Geschäfte der laufenden Verwaltung würden von hauptamtlichen Geschäftsführern und
Mitarbeitern geführt werden. Soweit sich die Beklagte bei ihrer Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) im Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 12/05 R - gestützt habe, stünden der Anwendbarkeit folgende Gesichtspunkte entgegen: Dem Urteil lägen die Bestimmungen der Kommunalverfassung
zugrunde, während hier die Handwerksordnung maßgeblich sei. Das Urteil stelle auf die Verbindung zwischen der hauptamtlichen Tätigkeit als Kämmerer eines Verwaltungsverbandes
und der ehrenamtlichen Tätigkeit als Ortsbürgermeister einer Gemeinde ab, die Mitglied des Verwaltungsverbandes sei. Eine
derartige Verbindung sei bei Ehrenamtsträgern des Handwerks nicht gegeben, da der handwerkliche Ehrenamtsträger seine Haupttätigkeit
in der selbstständigen Führung eines Handwerksbetriebes habe. Wahl- und stimmberechtigt in der Innungsversammlung seien die
der Handwerksinnung angehörenden selbstständigen Handwerker. Vorstandsmitglieder, also auch Kreishandwerksmeister und Obermeister,
müssten Innungsmitglied sein. Daher könne nur ein bestimmter, festgelegter Personenkreis in ein Ehrenamt gewählt werden. Dieses
Ehrenamt sei nicht vergleichbar mit dem eines Bürgermeisters. Die außergerichtliche und gerichtliche Vertretungsberechtigung
sei unabhängig von der Zahlung einer Aufwandsentschädigung, so dass dieser Gesichtspunkt nicht zu einer Sozialversicherungspflicht
führe. Das Ehrenamt des Beigeladenen zu 1) sei auch nicht von Verwaltungsaufgaben geprägt gewesen. Alle Verwaltungsaufgaben
hätten die Klägerin und die Innungen auf die Geschäftsführung und die Geschäftsstellen übertragen. Insoweit würden die tatsächlichen
Verhältnisse von den Bestimmungen der Satzung abweichen. Soweit der Beigeladene zu 1) Schriftstücke von besonderer Bedeutung
habe unterzeichnen müssen, könne dies nicht als Beschäftigung gewertet werden. Sein Einfluss habe sich auf die Festlegung
von Tagesordnungen und die Richtung der Handwerkspolitik bezogen. Die Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen seien
organisatorisch und verwaltungstechnisch komplett von der Geschäftsführung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle
vorbereitet worden. Sein Ehrenamt sei durch weisungsfreie Repräsentationsaufgaben geprägt gewesen. Der Beigeladene zu 1) sei
auch nicht in die Arbeitsorganisationen der Innungen oder der Kreishandwerkerschaft eingegliedert gewesen. Er habe keinen
Arbeitsplatz in den Geschäftsstellen gehabt. Es habe kein Direktionsrecht der Innung gegenüber dem Beigeladenen zu 1) bestanden.
Mit Bescheid vom 17. November 2011 (Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2012) lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides
vom 7. Juli 2011 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes weder das Recht unrichtig angewandt
noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Annahme einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des §
7 Abs.
1 SGB IV werde weder durch das Bestehen eines Ehrenamtes noch durch eine öffentlich-rechtliche Organstellung gehindert. Das gegenüber
einem Beschäftigten bestehende Weisungsrecht des Arbeitgebers könne im Sinne einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am
Arbeitsprozess" verfeinert sein und insoweit die in §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV als Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnis beschriebene Voraussetzung der "Eingliederung in die Arbeitsorganisation"
darstellen. Diese Voraussetzungen seien hinsichtlich des Beigeladenen zu 1) erfüllt gewesen. Vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses
sei auszugehen, wenn über die Repräsentationsfunktionen hinaus dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben
wahrgenommen würden. Dabei habe keine Gewichtung nach dem zeitlichen Aufwand der jeweiligen Aufgabeninhalte zu erfolgen. Vielmehr
sei es ausreichend, wenn die Wahrnehmung von Verwaltungstätigkeiten verpflichtend sei. In diesem Fall würden sie die Ehrenamtstätigkeit
prägen. Der Tätigkeitsbereich des Beigeladenen zu 1) habe sich nicht auf die Wahrnehmung repräsentativer Aufgaben beschränkt.
Aufgrund der satzungsrechtlichen Bestimmungen seien ihm eine Reihe von Verwaltungsaufgaben verblieben, selbst wenn die täglichen
Verwaltungsaufgaben durch hauptberufliche Mitarbeiter sowie dem Geschäftsführer erledigt worden seien. Insbesondere aber sei
der Beigeladene zu 1) hinsichtlich der Weisungs- und Überwachungskompetenz gegenüber dem Geschäftsführer und hinsichtlich
der Kassenprüfungskompetenz ebenso in Verwaltungstätigkeiten eingebunden gewesen wie durch die ihm obliegende Aufstellung
des Haushalts und der Jahresrechnung. Auch bei diesen, der inneren Organisation der Kreishandwerkerschaft zuzurechnenden Tätigkeiten,
handele es sich um Verwaltungsaufgaben. Die dem Beigeladenen zu 1) aufgrund der Satzung zugewiesenen Verwaltungsaufgaben seien
auch dem allgemeinen Erwerbsleben zugänglich. Für die Auslegung dieser Vorgabe sei nicht entscheidend, dass die Tätigkeit
des Kreishandwerksmeisters nicht jedermann offenstehe, weil er nur aus der Mitte der Mitgliederversammlung der Kreishandwerkerschaft
gewählt werden könne. Vielmehr diene die gewählte Formulierung der Abgrenzung von Verwaltungstätigkeiten zu den besonderen
Repräsentationsaufgaben öffentlicher Würdenträger, wie sie insbesondere von Ehrenamtsinhabern des öffentlichen Bereichs wahrgenommen
werde. Insoweit stützte sich die Beklagte auf die Rechtsprechung des Bayrischen Landessozialgerichts u.a. im Urteil vom 13.
November 2008 - L 5 KR 134/07 -.
Die Klägerin hat am 2. März 2012 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem
Verwaltungsverfahren wiederholt.
Die Klägerin hat beantragt,
1.
den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2012 aufzuheben,
2.
die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 7. Juli 2011 insoweit zurückzunehmen, als darin das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) festgestellt und deshalb Sozialversicherungsbeiträge
erhoben worden sind,
3.
festzustellen, dass der Kreishandwerksmeister K___ B______ in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Prüfzeitraum vom 1. Januar
2006 bis 30. September 2010 nicht der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterliegt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Begründung in den angefochtenen Bescheiden bezogen.
Der Beigeladene zu 1) hat vorgetragen, er habe im streitbefangenen Zeitraum überwiegend Repräsentationsaufgaben wahrgenommen,
auf die im Durchschnitt eine Arbeitszeit von 10 bis 15 Stunden pro Woche entfallen seien. Er habe ca. zwei- bis dreimal pro
Woche die Geschäftsstelle der Kreishandwerkerschaft aufgesucht, um die eingegangene Post, die den Vorstand betroffen habe,
mit dem Geschäftsführer zu besprechen. Hierfür habe er ca. eine halbe Stunde pro Woche im Durchschnitt an Zeit aufwenden müssen.
Einladungen zu Mitgliederversammlungen oder Vorstandssitzungen seien vom Geschäftsführer und den Mitarbeitern der Geschäftsstelle
vorbereitet worden. Er habe mit dem Geschäftsführer nur dann einmal über die Einladungen gesprochen, wenn z. B. ein bestimmter
Ehrengast habe eingeladen werden sollen. Bei diesen Besprechungen sei auch der Vorstand als Ganzes beteiligt gewesen. Er hätte
zwar durchaus auf einzelne verwaltungstechnische Abläufe in der Kreishandwerkerschaft mehr Einfluss nehmen können, wenn er
es gewollt hätte. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Die Kollegen von der Geschäftsstelle hätten die Technik und auch die
sonstigen Mittel bzw. das know how gehabt, das alles zu seiner Zufriedenheit zu regeln.
Die Beigeladene zu 2) hat sich nicht geäußert.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 11. August 2015 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Rechtsprechung
des BSG zur statusrechtlichen Beurteilung eines Ehrenamtsinhabers in den Urteilen vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 12/05 R - und 15. Juli 2009 - B 12 KR 1/09 R - sei in sich nicht konsistent und liefere deshalb erst nach einer Interpretation handhabbare Kriterien. Denn einerseits
verlange das BSG, dass im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen sei, ob der Ehrenbeamte neben der Wahrnehmung
weisungsfreier Repräsentationsaufgaben auch zur weisungsgebundenen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben verpflichtet sei und
damit dieser Aufgabenbereich seine Tätigkeit präge. Schon dies erscheine in sich widersprüchlich. Denn wenn bereits die Verpflichtung
zur Erbringung irgendwelcher Verwaltungstätigkeiten - unabhängig davon, in welchem qualitativen und quantitativen Umfang sie
vom ehrenamtlich Tätigen zu erbringen seien - dazu führen würde, dass diese Aufgaben die Tätigkeit des Ehrenamtsinhabers zu
einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des §
7 Abs.
1 SGB IV machten, würde die Formulierung des BSG, dass festzustellen sei, ob Repräsentations- oder Verwaltungsaufgaben die Tätigkeit "prägten", keinen Sinn mehr ergeben.
Die Feststellung, welche Aufgaben einer Tätigkeit ihr Gepräge gäben, erfordere dem Wortsinn nach eine Wertung dahingehend,
welche Aufgaben im Vordergrund stünden und welche nachrangig zu erbringen seien. Nur wenn eine solche Wertung anzustellen
sei, ergebe auch die Forderung des BSG nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls einen Sinn; eine Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände wäre
entbehrlich, wenn allein festgestellt werden müsste, ob der ehrenamtlich Tätige zur Erbringung von weisungsgebundenen Verwaltungsaufgaben
rechtlich verpflichtet sei oder nicht, und damit die Prüfung bereits beendet wäre. Dann käme es nur auf diesen einen Umstand
an, nicht aber auf alle Umstände des Einzelfalls. Andererseits verwirre das BSG noch zusätzlich mit seinen Ausführungen dazu, dass eine qualitative oder auch quantitative Bewertung der von dem Ehrenbeamten
zu erbringenden Verwaltungsaufgaben nicht vorgenommen werden könne, weil es für eine solche Bewertung an geeigneten Maßstäben
fehle und insbesondere der Zeitaufwand kein taugliches Abgrenzungskriterium sei. Es sei daher nicht ohne Weiteres erklärlich,
wie eine sämtliche Einzelfallumstände berücksichtigende Gesamtwürdigung auszusehen habe, wenn der Behörde oder auch dem Gericht
eine Bewertung der einzelnen Tätigkeitsmerkmale gleichsam untersagt sei. Vor diesem Hintergrund sei die Rechtsprechung des
BSG in der Weise auszulegen, dass zur Beurteilung, ob eine ehrenamtliche Tätigkeit als abhängige Beschäftigung anzusehen sei,
eine Einzelfallprüfung dahingehend stattzufinden habe, welche konkreten einzelnen Tätigkeiten dem zu überprüfenden Ehrenamt
sein Gepräge geben. Dabei müsse notwendigerweise eine quantitative und auch qualitative Bewertung der einzelnen Tätigkeit
jeweils in Relation zu den weiteren Tätigkeiten vorgenommen werden, weil andere Beurteilungskriterien als eine Bewertung der
einzelnen Tätigkeiten nach zeitlichem Umfang und ihrer Bedeutung für die Körperschaft, der der Ehrenamtsinhaber angehöre,
nicht zur Verfügung stünden. Ausschlaggebend müssten in dem Fall, dass die tatsächlichen Umstände der Ausübung des Ehrenamts
von den rechtlichen, in der Regel satzungsmäßigen Vorgaben abwichen, die tatsächlichen Verhältnisse sein. Schließlich sei
höchstrichterlich anerkannt, dass im Falle der Abweichung von der vertraglichen Grundlage einer Tätigkeit für die statusrechtliche
Beurteilung der Tätigkeit im Ergebnis auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen sei. Es bestehe kein Grund, von diesem
Grundsatz abzuweichen, nur weil sich die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben für die zu beurteilende Tätigkeit nicht in einem
zweiseitigen privatrechtlichen Vertrag fänden, sondern in einer Kraft Selbstverwaltungsautonomie erlassenen Satzung einer
Körperschaft. Gemessen an diesen Maßstäben sei hier festzustellen, dass die ehrenamtliche Tätigkeit des Beigeladenen zu 1)
für die Klägerin in weit überwiegendem Umfang durch weisungsfrei erbrachte Repräsentationsaufgaben geprägt gewesen sei. Demgegenüber
erschienen die von ihm erbrachten Verwaltungstätigkeiten als marginal, dies gerade gegenüber dem Anteil an der zu erbringenden
Verwaltungstätigkeit, die der hauptamtliche Geschäftsführer der Klägerin tatsächlich geleistet habe. Dieser habe auch die
nach Satzungsrecht dem Beigeladenen zu 1) zugewiesenen Verwaltungsaufgaben nahezu ausschließlich erfüllt. Das betreffe die
Aufstellung des jährlichen Haushaltsplans und der Jahresrechnung nach Abschluss eines Geschäftsjahres sowie auch die Einladungen
zu Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen. Demgegenüber komme es nicht entscheidend darauf an, ob der Beigeladene
zu 1) nach der zugrundeliegenden Satzung gegenüber der Klägerin verpflichtet gewesen sei, Verwaltungsaufgaben in einem sehr
viel weitergehenden Umfang zu erbringen bzw. ob die Klägerin über die Rechtsmacht verfügt habe, ihn gegebenenfalls zur Durchführung
hierzu hätte zwingen können. Denn auch im Rahmen eines Dienstvertragsverhältnisses könne der berechtigte Vertragspartner den
verpflichteten Partner rechtlich zur Erfüllung seiner Vertragspflichten zwingen bzw. ihn auf Vertragserfüllung verklagen.
Die mangelnde Vollstreckbarkeit nach §
888 Abs.
3 Zivilprozessordnung (
ZPO) spiele für das Bestehen eines im Erkenntnisverfahren geltend zu machenden Anspruchs keine Rolle. Gleichwohl stelle das BSG nicht auf die Vertragsgestaltung, sondern auf das tatsächlich "gelebte" Vertragsverhältnis ab, falls dieses von dem Inhalt
des Vertrages abweiche. Das müsse daher auch für ein Ehrenamt gelten, das nicht den Satzungsbestimmungen gemäß ausgeübt werde.
Auch der durchschnittliche zeitliche Aufwand, den der Beigeladene zu 1) auf Verwaltungstätigkeiten verwandt habe, habe erheblich
unter dem Aufwand gelegen, den seine repräsentativen Aufgaben in Anspruch genommen hätten. In die Gesamtabwägung würden zudem
die Umstände einfließen, dass der Beigeladene zu 1) sächlich nicht in die Arbeitsorganisation bzw. in die betriebliche Struktur
der Klägerin eingebunden gewesen sei, was insbesondere dadurch zum Ausdruck komme, dass er weder über einen Büroraum noch
sonst über Betriebsmittel wie Computer, Telefon, Telefax oder ähnliches verfügt habe. Dabei werde nicht verkannt, dass die
ehrenamtliche Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) aufgrund des faktisch nur sehr geringen Einflusses des Kreishandwerksmeisters
auf die Geschäftsführung der Klägerin und wegen des Fehlens eigenen Kapitaleinsatzes und eines unternehmerischen Risikos auf
Seiten des Beigeladenen zu 1) auch nicht als selbstständige Tätigkeit qualifiziert werden könne. Daraus folge jedoch im Umkehrschluss
nicht, dass er deshalb als abhängig Beschäftigter qualifiziert werden müsse. §
7 Abs.
1 SGB IV kenne keine strikte Zweiteilung von Tätigkeiten in abhängiger Beschäftigung oder Selbstständigkeit. Vielmehr bemühe sich
diese Vorschrift lediglich um eine Legaldefinition des für die Sozialversicherung herausragende Bedeutung besitzenden Begriffs
der Beschäftigung, ohne allerdings darüber hinaus irgendeine Aussage dazu zu treffen, ob und gegebenenfalls welche bzw. wie
viele weitere Kategorien von Tätigkeiten es noch gebe.
Gegen das ihr am 16. Oktober 2015 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die am 26. Oktober 2015
beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Sie macht geltend, entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts
komme es nicht auf ein quantitatives Überwiegen der Verwaltungstätigkeiten des Beigeladenen zu 1) an. Nach gefestigter Rechtsprechung
des BSG sei vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses auszugehen, wenn bei Wahrnehmung von Ehrenämtern über die Repräsentationsfunktionen
hinaus dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben wahrgenommen würden. Das habe zuletzt der 12. Senat des
BSG in seinem Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 12/05 R - bestätigt. Hierin werde in Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung klargestellt, dass die Ausübung von Verwaltungstätigkeiten
die Ehrenamtstätigkeit dann präge, wenn die Wahrnehmung solcher Aufgaben verpflichtend sei. Die Frage der "Prägung" bestimme
sich dabei nicht nach dem zeitlichen Aufwand der jeweiligen Aufgabeninhalte. Der Beigeladene zu 1) habe als Kreishandwerksmeister
Verwaltungsaufgaben wahrgenommen und sei hierzu nach der Satzung verpflichtet gewesen. Deshalb sei vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses
im Sinne des §
7 SGB IV auszugehen und die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Das habe auch der erkennende Senat in einem gleichgelagerten
Fall mit Urteil vom 25. Juni 2015 - L 5 KR 125/13 - so gesehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 11. August 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und erwidert, das alleinige Abstellen auf die vertragliche bzw. rechtliche
Gestaltung widerspreche sowohl der eigenen Prüfpraxis der Beklagten, wie sie in deren Arbeitsanweisungen dokumentiert sei,
als auch der sozialgerichtlichen Rechtsprechung. Vielmehr seien die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend, wenn sie - wie hier
- von den formalen Satzungsbestimmungen abwichen. Ehrenamtliche Kreishandwerksmeister übten in Deutschland ihr Amt sehr unterschiedlich
aus. Ob sie ausschließlich repräsentativ tätig seien oder auch Verwaltungsaufgaben übernähmen, hänge von deren Selbstverständnis,
den Mitgliedern und dem Hauptamt ab. Selbst die Beklagte habe im Jahr 2015 durch bestandskräftigen Widerspruchsbescheid bestätigt,
dass die Aufwandsentschädigung des ehrenamtlich tätigen Kreishandwerksmeisters der Kreishandwerkerschaft Westholstein nicht
der Sozialversicherungspflicht unterliege. Die Beklagte entscheide also abhängig von den tatsächlichen Verhältnissen von Fall
zu Fall unterschiedlich. Es lägen weitere Bescheide von anderen Kreishandwerkerschaften vor, in denen die Beklagte die Sozialversicherungspflicht
ebenfalls verneint habe. Das Sozialgericht habe aufgrund der Ausführungen des Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung
beanstandungsfrei festgestellt, dass dessen ehrenamtliche Tätigkeit in weit überwiegendem Umfang durch Repräsentationsaufgaben
geprägt gewesen sei und aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses zum damaligen Geschäftsführer, dem Zeugen I______,
dieser die ihm - dem Beigeladenen zu 1) - durch Satzung zugewiesenen Verwaltungsaufgaben nahezu ausschließlich erledigt habe.
In diesem Punkt bestehe auch eine wesentliche Abweichung zum Sachverhalt, über den der erkennende Senat in dem von der Beklagten
zitierten Urteil zu entscheiden gehabt habe. Dort habe der betroffene Kreishandwerksmeister die Überwachung des Ablaufs der
Geschäftsführung tatsächlich regelmäßig einmal wöchentlich wahrgenommen, während hier der Beigeladene zu 1) die Geschäftsführung
überhaupt nicht überwacht, keine Weisungen erteilt und auch die Richtlinien der Geschäftsführung nicht bestimmt habe. Ein
wesentlicher Unterschied bestehe auch darin, dass im Verfahren L 5 KR 125/13, bedingt durch die Fusion zweier Kreishandwerkerschaften, das Aufgabengebiet des Kreishandwerksmeisters erheblich erweitert
und deshalb auch die Aufwandspauschale erhöht worden sei. In diesem Zusammenhang sei der dortige Kreishandwerksmeister mit
einem nicht unerheblichen Mehraufwand an Verwaltungstätigkeiten belastet gewesen.
Der Beigeladene zu 1) hat bei seiner Befragung durch den Senat erklärt, er habe die Geschäftsstelle ca. zwei- bis dreimal
wöchentlich aufgesucht. Ihm sei bei diesen Besuchen vom Geschäftsführer Post vorgelegt worden, und zwar auf seinen Wunsch
hin ausgewählt danach, ob es sich um Einladungen gehandelt habe oder Anfragen der Handwerkskammern und Anträge aus der Kreishandwerkerschaft.
Auch politische Stellungnahmen seien ihm vom Geschäftsführer vorgelegt worden, zudem habe er Anträge der Gemeinden zu Bauvorhaben
erhalten. Die einzelnen Anfragen habe er mit dem Geschäftsführer besprochen. Dieser habe dann in der Regel die Beantwortung
vorgenommen und auch unterzeichnet. Er - der Beigeladene zu 1) - habe z. B. Grußworte und Reden selbst erstellt. Der zeitliche
Aufwand habe bei ca. einer halben Stunde am Tag für die von ihm insoweit wahrgenommenen Tätigkeiten gelegen. An zusätzlichen
Gesprächen mit dem Geschäftsführer könne er sich nur daran erinnern, dass es einmalig aus betriebsbedingten Gründen zur Kündigung
einer Halbtagskraft gekommen sei. Außerdem habe zum Ende der Amtszeit des Geschäftsführers die Nachfolge geregelt werden müssen.
Der Wechsel habe zwar mehr als ein Jahr nach seinem Ausscheiden stattgefunden. Die Vorüberlegungen seien jedoch schon zum
Ende seiner eigenen Amtszeit erfolgt. Es habe keine besondere Geschäftsverteilung der Aufgaben innerhalb des Vorstandes gegeben.
Das Ergebnis von Vorstandsbesprechungen sei durch ihn als Vorsitzenden umgesetzt worden. Vorstandssitzungen hätten ca. viermal
jährlich stattgefunden, stets vor der Mitgliederversammlung, oder wenn es besondere Beratungsgegenstände gegeben hätte, wie
z. B. Grundstücksangelegenheiten. Die Klägerin sei Miteigentümerin des Grundstücks gewesen, auf dem sie ihren Sitz gehabt
habe. Hier sei auch eine Gaststätte betrieben worden, hinsichtlich der auch z. B. mal ein Pächterwechsel zu besprechen gewesen
sei.
Die Beigeladene zu 2) äußert sich nicht. Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Der Senat hat den im streitigen Zeitraum beschäftigten Geschäftsführer C________ I______ als Zeugen vernommen. Hinsichtlich
dessen Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24. Februar 2016 verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen.
Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Zu Recht hat die Beklagte den Beigeladenen zu 1)
als Beschäftigten der Klägerin angesehen und in der Folge die für die geringfügige Beschäftigung dem Grunde und der Höhe nach
zutreffenden Sozialversicherungsbeiträge geltend gemacht.
Die auf § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV gestützte Entscheidung der Beklagten, von der Klägerin Beiträge wegen einer geringfügigen Beschäftigung des betroffenen Beigeladenen
zu 1) als Kreishandwerksmeister nachzufordern, weil dieser beitragspflichtig beschäftigt worden sei, beruht auf dem Beschäftigungsbegriff
des §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV. Nach der dortigen Legaldefinition ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Eine abhängige Beschäftigung setzt nach ständiger sozialgerichtlicher Rechtsprechung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber
persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in dem
Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit-, Dauer-, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers
unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein
einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete
Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche
Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen.
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 27. Januar 2010 - B 12 KR 3/09 R - m. w. N.), der sich der erkennende Senat anschließt, können auch Träger eines Ehrenamtes im kommunalen Bereich grundsätzlich
eine abhängige Beschäftigung im Sinne von §
7 Abs.
1 SGB IV ausüben, wenn sie über Repräsentationsfunktionen hinaus dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen
und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten. Weder deren - kommunalrechtliche
- Rechtsstellung als Organ oder Mitglied eines Organs einer (Gebiets-)Körperschaft des öffentlichen Rechts, noch die Zahlung
einer pauschalen Aufwandsentschädigung ohne Bezug zu einem konkreten Verdienstausfall schließen danach die Annahme einer versicherungs-
und beitragspflichtigen Beschäftigung aus. Ist der ehrenamtlich Tätige außerdem in ein Ehrenbeamtenverhältnis berufen, steht
auch dieser beamtenrechtliche Status der Annahme einer Beschäftigung nicht entgegen. Denn auch der in einem öffentlich-rechtlichen
Dienstverhältnis stehende (Berufs-)Beamte ist im sozialversicherungsrechtlichen Sinne Beschäftigter und deswegen in der Sozialversicherung
wie in der Arbeitslosenversicherung dem Grunde nach versicherungspflichtig (vgl. Urteil des BSG vom 22. Februar 1996 - 12 RK 6/95 -, BSGE 78, 34, 35 = SozR 3-2940 § 2 Nr. 5 Seite 25 f). Ob der Aufgabenbereich des ehrenamtlich Tätigen durch die weisungsgebundene Wahrnehmung
von Verwaltungsaufgaben geprägt ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung
der Ausgestaltung des Ehrenamts in der Kommunalverfassung des jeweiligen Bundeslandes zu beurteilen (vgl. Urteil des BSG vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 12/05 R - [...]).
Dieses zugrunde gelegt, bestehen gegen die von der Beklagten vorgenommene Beurteilung der von dem Beigeladenen zu 1) ausgeübten
ehrenamtlichen Tätigkeit eines Kreishandwerksmeisters als abhängige Beschäftigung im Sinne von §
7 Abs.
1 SGB IV keine durchgreifenden Bedenken. Die dem Beigeladenen zu 1) satzungsgemäß zugewiesenen und von ihm teils auch wahrgenommenen
Aufgaben entsprechen nicht dem Typus der selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit, die durch ein eigenständiges Auftreten
am Markt, eigenverantwortliche Bestimmung der Tätigkeit, den Einsatz eigener Betriebsmittel sowie durch ein Unternehmerrisiko,
welches gleichzeitig dem Unternehmer eine Unternehmerchance eröffnet, gekennzeichnet ist.
Die Kreishandwerkerschaft ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie wird mit Genehmigung der Satzung durch die Handwerkskammer
rechtsfähig. Nach § 87 Handwerksordnung (HwO) hat die Kreishandwerkerschaft die Aufgabe, die Gesamtinteressen des selbstständigen Handwerks und des handwerksähnlichen
Gewerbes sowie die gemeinsamen Interessen der Handwerksinnungen ihres Bezirks wahrzunehmen, die Handwerksinnungen bei der
Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, Einrichtungen zur Förderung und Vertretung der gewerblichen wirtschaftlichen und
sozialen Interessen der Mitglieder der Handwerksinnungen zu schaffen oder zu unterstützen, die Behörden, bei denen das selbstständige
Handwerk und des handwerksähnliche Gewerbe ihres Bezirks berührenden Maßnahmen zu unterstützen und ihnen Anregungen, Auskünfte
und Gutachten zu erteilen, die Geschäfte der Handwerksinnungen auf deren Ansuchen zu führen und die von der Handwerkskammer
innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Vorschriften und Anordnungen durchzuführen. Kreishandwerkerschaften unterstehen der
Rechtsaufsicht der Handwerkskammern.
Der Beigeladene zu 1) war in seiner Funktion als Kreishandwerksmeister Vorsitzender des Vorstands, dessen Mitgliedern im hier
maßgeblichen Zeitraum aufgrund der satzungsrechtlichen Bestimmungen der Klägerin eine Richtlinienkompetenz und Überwachungsfunktion
hinsichtlich der Geschäfte der Verwaltung übertragen war. § 22 Abs. 1 der Satzung bestimmte, dass der Vorstand die Geschäfte
der Kreishandwerkerschaft führt, soweit sie nicht gesetzlich oder durch Bestimmungen der Satzung der Mitgliederversammlung
vorbehalten oder anderen Organen übertragen sind. Gemäß Abs. 2 oblag die Erledigung der laufenden Geschäfte der Verwaltung
zwar dem Geschäftsführer. Dieser hatte gemäß § 28 Satz 2 der Satzung die laufenden Geschäfte jedoch nach näherer Anweisung
des Vorstandes zu führen. Er war dem Vorstand für die Durchführung der Aufgaben der Geschäftsstelle und für die ordnungsgemäße
Erledigung der den Angestellten unter seiner Leitung übertragenen Aufgaben verantwortlich (Satz 3). Nach § 22 Abs. 5 der Satzung
wiederum hafteten die Mitglieder des Vorstandes der Kreishandwerkerschaft für pflichtgemäße Verwaltung wie Vormünder ihren
Mündeln. § 30 Abs. 4 der Satzung bestimmte, dass der Vorstand bei seiner Verwaltung an den von ihm selbst vorbereiteten und
der Mitgliederversammlung beschlossenen Haushaltsplan gebunden war.
Die Haftung des Vormunds ist in §
1833 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) geregelt, nach dessen Abs.
1 der Vormund dem Mündel für den aus einer Pflichtverletzung entstehenden Schaden verantwortlich ist, wenn ihm ein Verschulden
zur Last fällt. Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift regelt eine Gesamtschuldnerschaft, wenn für den Schaden mehrere nebeneinander
verantwortlich sind.
Aus den satzungsrechtlichen Bestimmungen folgt daher eine Hierarchie, an dessen Spitze hinsichtlich der Verpflichtung zur
ordnungsgemäßen Verwaltung der Kreishandwerksmeister als Vorstandsvorsitzender steht. Die Aufsicht über die Kreishandwerkerschaft
führt wiederum die Handwerkskammer. Sie erstreckt sich darauf, dass Gesetz und Satzung beachtet und insbesondere die der Kreishandwerkerschaft
übertragenen Aufgaben erfüllt werden. Daraus folgt, dass der Beigeladene zu 1) als Teil des Organs "Vorstand" selbst der Aufsicht
durch die Handwerkskammer hinsichtlich der Erfüllung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben unterlag, andererseits
unter Umständen auch als Weisungsgeber des Geschäftsführers fungieren konnte. Dass der Beigeladene zu 1) Einfluss auf die
Geschäftsführung genommen hat, hat er anlässlich seiner Befragung durch den erkennenden Senats selbst eingeräumt. Er hat ausgeführt,
ca. zwei- bis dreimal wöchentlich die Geschäftsstelle aufgesucht zu haben. Dabei sei ihm die den Vorstand betreffende Post
vom Geschäftsführer vorgelegt worden. Einzelne Anfragen der Handwerkskammern oder Anträge der Gemeinden zu Bauvorhaben habe
er mit dem Geschäftsführer besprochen, ebenso die betriebsbedingte Kündigung einer Mitarbeiterin. Ferner habe er Vorgespräche
im Hinblick auf die Nachfolge der hauptamtlichen Geschäftsführung geführt und einen Pächterwechsel der auf dem Grundstück
der Kreishandwerkerschaft befindlichen Gaststätte, deren Miteigentümerin die Kreishandwerkerschaft war, begleitet.
Demgegenüber hat der Zeuge I______ bei seiner Vernehmung zwar nur einen Kontakt im zweiwöchentlichen Abstand bestätigt, bei
dem mit dem Beigeladenen zu 1) im Wesentlichen Einladungen an die Kreishandwerkerschaft besprochen worden seien. Seiner Aussage
misst der Senat wegen des ersichtlich eingeschränkten Erinnerungsvermögens an detaillierte Einzelheiten allerdings einen geringeren
Beweiswert zu. Weil der Beigeladene zu 1) als betroffene Person über den Inhalt und Umfang des von ihm wahrgenommenen Aufgabenbereichs
am besten Auskunft geben kann, hat der Senat keine Bedenken, seine Aussage als wahr zugrunde zu legen.
Letztlich ist nach der Rechtsauffassung des Senats die Statuszuordnung ohnehin nicht vom rein faktischen, rechtlich nicht
gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängig. Eine solche Abhängigkeit wäre mit dem Erfordernis
der Vorhersehbarkeit und Beständigkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen.
Demzufolge erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung auch eine "Schönwetter-Selbständigkeit", die sich ausschließlich
daraus ableitet, dass dem Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen wird, während im Fall eines Zerwürfnisses
dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, mittlerweile nicht mehr an (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 - B 12 KR 23/13 R -, [...]). Übertragen auf die vorliegende Fallgestaltung kann es daher auch nicht streitentscheidend darauf ankommen, ob
der Beigeladene zu 1) die ihm satzungsgemäß obliegenden Verwaltungstätigkeiten hinsichtlich der Überwachung und Einflussnahme
auf die Geschäftsführung tatsächlich nicht ausgeübt hat oder nicht ausüben musste, weil deren eigene Kompetenz ausreichend
war, um einen ordnungsgemäßen Geschäftsgang zu gewährleisten. Denn rechtlich waren der Vorstand und damit auch der Beigeladene
zu 1) als Vorstandsvorsitzender nach der Satzung berufen, die Richtlinien für die Geschäftsführung vorzugeben und deren Einhaltung
zu überprüfen. Darüber hinaus waren dem Beigeladenen zu 1) satzungsgemäß weitere Verwaltungsaufgaben zugewiesen, deren Verantwortlichkeit
er sich gegebenenfalls nicht hätte entziehen können. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass das öffentlich-rechtliche
Satzungsrecht anders als zivilrechtlich vereinbarte Arbeitsbedingungen nicht durch entgegenstehende Vereinbarungen oder konkludent
abbedungen werden kann. Deshalb ist den rechtlichen Verpflichtungen des Ehrenamtsinhabers in diesem Fall auch maßgebliche
Bedeutung beizumessen. Nach § 21 der Satzung hatten der Beigeladene zu 1) und der Geschäftsführer, im Verhinderungsfalle ihre
Vertreter/innen, gemeinsam die Kreishandwerkerschaft in allen öffentlich- und zivilrechtlichen Angelegenheiten gerichtlich
und außergerichtlich zu vertreten. Nach § 30 Abs. 1 der Satzung hatte der Vorstand der Kreishandwerkerschaft alljährlich über
den zur Erfüllung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Kostenaufwand ein Haushaltsplan für das folgende
Rechnungsjahr nach dem von der Aufsichtsbehörde herausgegebenen Muster aufzustellen und der Mitgliederversammlung zur Beschlussfassung
vorzulegen. Der Vorstand war bei seiner Verwaltung an den beschlossenen Haushaltsplan gebunden. Ausgaben, die darin nicht
vorgesehen waren, bedurften der Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung und der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde.
Der Vorstand der Kreishandwerkerschaft hatte nach § 31 der Satzung innerhalb der ersten drei Monate des Rechnungsjahres eine
Jahresrechnung für das abgelaufene Rechnungsjahr aufzustellen. Gemäß § 32 der Satzung hatte der Vorstand einen Kassenführer
zu bestellen, der ihm und der Mitgliederversammlung für die ordnungsgemäße Führung der Kasse der Kreishandwerkerschaft verantwortlich
war. Die Kasse der Kreishandwerkerschaft war alljährlich mindestens je einmal durch den Kreishandwerksmeister oder ein anderes
vom Vorstand beauftragtes Vorstandsmitglied und durch den Rechnungs- und Kassenprüfungsausschuss unvermutet zu prüfen. Zwar
sah § 23 der Satzung vor, dass der Vorstand die Verteilung der Geschäfte unter seinen Mitgliedern durch eigene Beschlüsse
regeln konnte. Der Beigeladene zu 1) hat auf Nachfrage des Senats jedoch bestätigt, dass von der Satzung abweichende Beschlussfassungen
insoweit nicht erfolgt seien.
Im Rahmen der Mitgliederversammlungen oblagen dem Beigeladenen zu 1) weitere Funktionen, die als Verwaltungstätigkeit zu qualifizieren
sind. Nach § 13 hatte er zur Mitgliederversammlung schriftlich unter Angabe der Tagesordnung einzuladen. Er hatte nach § 14
der Satzung die Mitgliederversammlung zu leiten und die Niederschrift zu unterzeichnen. Ebenso hatte er nach § 20 der Satzung
schriftlich unter Mitteilung der Tagesordnung zu den Sitzungen des Vorstandes einzuladen, sie zu leiten und auch insoweit
die Niederschriften zu unterzeichnen.
Hätte sich der Beigeladene zu 1) geweigert, seine satzungsgemäßen Pflichten zu erfüllen, hätte die Mitgliederversammlung die
Möglichkeit gehabt, seine Bestellung zu widerrufen. Nach § 18 Abs. 3 der Satzungsbestimmungen konnte die Mitgliederversammlung
die Bestellung des Vorstandes oder einzelner seiner Mitglieder widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorlag; ein solcher Grund
war insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit. Im Konfliktfall hätte der Beigeladene zu 1) daher unter Umständen
den Verlust seines Ehrenamtes nicht verhindern können.
Demgegenüber ist dem Umstand, dass Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen organisatorisch wie verwaltungstechnisch
von der Geschäftsführung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle vorbereitet und teils auch begleitet
wurden, bei der Gesamtwürdigung des Sachverhalts kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Dieses Vorgehen stand in Einklang
mit den Satzungsbestimmungen. Insoweit ist vielmehr ausschlaggebend, dass die dem Beigeladenen zu 1) übertragenen Mitwirkungs-,
Vertretungs- und Überwachungsfunktionen der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Verwaltung und Geschäftsführung bzw. deren
effektiver Kontrolle dienten und daher selbst vor dem Hintergrund umfangreicherer Repräsentationsaufgaben, die von ihm daneben
ebenfalls wahrgenommen wurden, durchaus als prägend für seine Tätigkeit anzusehen sind.
Auch der Umstand, dass die Tätigkeit des Kreishandwerksmeisters nicht jedermann offen steht und er nur aus der Mitte der Mitgliederversammlung
der Kreishandwerkerschaft gewählt werden kann, die aus Vertretern der Handwerksinnungen besteht, steht der Annahme einer abhängigen
Beschäftigung nicht entgegen. Die Formulierung des BSG, dass "dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben" wahrgenommen werden müssen, ist dahingehend zu verstehen,
dass nicht der Zugang zu diesen Aufgaben maßgeblich ist, sondern die Bezeichnung des BSG dazu dienen soll, allgemeine Aufgaben einer Verwaltung von den besonderen Repräsentationsaufgaben öffentlicher Würdenträger
abzugrenzen (vgl. ebenso LSG Bayern, Urteil vom 25. November 2008 - L 5 KR 32/07 - [...]; dessen Auslegung vom BSG im sich anschließenden Revisionsverfahren B 12 KR 1/09 R nicht beanstandet worden ist).
Eben so wenig lässt sich die Argumentation der Klägerin überzeugend auf steuerrechtliche Bestimmungen oder das Mindestlohngesetz
(MiLoG) stützen. Soweit die Klägerin einwendet, dass die angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 4 Nr. 26 Buchst. b Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Umsatzsteuer befreit sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Umsatzsteuerpflicht Unternehmen betrifft und keine
Rückschluss auf die Einkommenssteuerpflicht von Arbeitsentgelt, die hier zweifellos gegeben ist, zulässt.
§ 22 Abs. 3 des ohnehin erst seit dem 16. August 2014 und damit nach dem hier streitrelevanten Zeitraum geltenden MiLoG, auf
den sich die Klägerin bezieht, bestimmt zwar, dass von diesem Gesetz nicht die Vergütung von zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten
sowie ehrenamtlich Tätigen geregelt wird. § 1 Abs. 1 MiLoG bestimmt jedoch, dass das Gesetz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
gilt. Es setzt also den Status einer abhängigen Beschäftigung voraussetzt. Wenn vor diesem Hintergrund Abs. 3 einen expliziten
Ausschluss für Auszubildende in einem Beschäftigungsverhältnis und ehrenamtlich Tätige vorsieht, folgt daraus lediglich, dass
sie andernfalls vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst würden, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. D.h. der
Gesetzgeber ist ebenso wie die Rechtsprechung von der Möglichkeit ausgegangen, dass auch ehrenamtlich Tätige Arbeitnehmer
sein können.
Die Höhe des Streitwertes folgt aus §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.
Der Senat hat die Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen, weil er der Frage, welche Bedeutung der rechtlichen Verpflichtung zur Wahrnehmung von Verwaltungstätigkeiten
in öffentlich-rechtlichen Satzungen beizumessen ist, um einem Ehrenamt das Gepräge zu geben, grundsätzliche Bedeutung beimisst.