Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe der Erinnerungsführer Kopierkosten als Vorschuss verlangen kann.
Der Erinnerungsführer war dem Kläger des Verfahrens L 3 AS 34/13 im Wege der Prozesskostenhilfe als Prozessbevollmächtigter für das Berufungsverfahren beigeordnet (Beschluss vom 17. September
2013). Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die Berufung des Klägers, gerichtet gegen das Urteil des Sozialgerichts
Lübeck vom 21. November 2012, in dem die Klage auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Zeit vom 1. Dezember
2008 bis 31. Mai 2009 abgewiesen wurde. Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe beantragte der Erinnerungsführer am 25. November
2013 beim Erinnerungsgegner Kostenvorschuss in Höhe von insgesamt 795,22 EUR, davon die Verfahrensgebühr in Höhe von 555,00
EUR, 20,00 EUR Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen und 93,25 EUR Pauschale für die Herstellung
und Überlassung von 505 Dokumenten, insgesamt zuzüglich 19 % Umsatzsteuer. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. Dezember
2013 bewilligte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle 321,30 EUR, davon 250,00 EUR Verfahrensgebühr und keine Kopierkosten,
da es an einer Begründung der Kopienanzahl fehle. Bei 505 Kopien sei davon auszugehen, dass nahezu die gesamte Gerichts- und
Verwaltungsakte kopiert worden sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 22. Januar 2014. Darin trägt er zur Begründung
vor, die jetzt vorläufig festgesetzten Gebühren betreffend die Verfahrensgebühr würden im Rahmen der Vorschussrechnung akzeptiert.
Bei der Schlussfestsetzung werde dann zu beachten sein, dass sehr wohl Grund für eine erhöhte Mittelgebühr bestünde. Hinsichtlich
der Kopierkosten bleibe er bei seiner Einschätzung, dass diese angemessen seien. Aus Gründen der Vollständigkeit seien, wie
üblich, alle Seiten kopiert worden, auch die der Gerichtsakte erster Instanz. Diese Unterlagen könnten auch nicht durch Unterlagen
des Klägers ersetzt werden, da eine Verwaltungsakte teilweise ergänzende Aktenvermerke oder auch Randnotizen enthalte, die
in dem Gesamtzusammenhang nicht reproduzierbar seien, wenn man im Übrigen auf Unterlagen der Mandantschaft abstelle. Gleiches
gelte für die erstinstanzliche Verfahrensakte. Nur die umfassende Kopie der Akten gewährleiste, dass bei Nachfragen die richtige
Seite im Hinblick auf die Durchnummerierung gefunden werde. Zudem sei zu Prozessbeginn die Relevanz der einzelnen Seiten nicht
erkennbar. Dass die Kopien in so hoher Anzahl vorlägen, liege an dem Umfang der hier maßgebenden Akten. Es komme in keiner
Weise darauf an, ob irgendwelche Erfahrungssätze dafür sprächen, dass zahlreiche Seiten unnötig seien. Es bestünde allerdings
Einverständnis, wenn von der Anzahl der erstellten Kopien 60 Kopien abgezogen würden.
Der Kostenprüfungsbeamte bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht ist der Auffassung, dass nach Durchsicht der
übersandten Akten die Herstellung von höchstens 100 Ablichtungen für die sachgemäße Bearbeitung der Rechtssache erforderlich
gewesen sei. Es sei dem Rechtsanwalt nicht völlig freigestellt, wie viele Kopien er abrechnen könne. Bei einer hohen Zahl
von Kopien habe er die Erforderlichkeit plausibel zu machen. Das sei hier nicht in vollem Umfang geschehen.
Auf Anfrage des Senats teilt der Erinnerungsführer mit, bei der Mitteilung der Blattzahlen der kopierten Akten sei es zu einem
Übertragungsfehler gekommen. Die Akten seien nicht von Blatt 110, sondern von Blatt 310 an kopiert worden, zusätzlich mit
Aktenvorblättern, die nicht nummeriert seien. Nochmals werde auf die Bedeutung der Nummerierung hingewiesen. Außerdem verwundere,
dass wegen der Anfertigung von Kopien seitens des Gerichts Bedenken geäußert würden. Ohne die Anfertigung von Kopien sei eine
ordnungsgemäße rechtliche Vertretung des Mandanten nicht gewährleistet. Durch die relativ geringfügigen Kopierkosten dürfte
nicht das rechtliche Gehör von Bedürftigen eingeschränkt werden, andernfalls sei eine Vorlage bei dem Bundesverfassungsgericht
zu empfehlen.
II.
Die Entscheidung zur Übertragung der Sache auf den Senat beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 RVG. Danach überträgt der Einzelrichter das Verfahren dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder
rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Letzteres ist vorliegend der Fall. Die Höhe eines
eventuellen Abschlags auf eine zu hoch beantragte Kostenfestsetzung für angefertigte Kopien nach Nr. 7000 VV-RVG wird in der Rechtsprechung nämlich nicht einheitlich beurteilt. Auch der Senat hat sich mit dieser Frage bislang nicht befasst.
Die Erinnerung ist zulässig und entsprechend dem Tenor begründet. Der Antrag auf Gewährung eines höheren Kostenvorschusses
ist in der Sache nur teilweise begründet.
Nach Nr. 7000 VV-RVG sind für die ersten 50 Seiten der zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache gebotenen Kopien 0,50 EUR je Seite und für
jede weitere Seite 0,15 EUR zu zahlen. Wie viele Kopien zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten sind, ist zunächst
von dem PKH-Anwalt anzugeben. Diesen Angaben ist in der Regel zu folgen, es sei denn, es ergeben sich Zweifel an der Plausibilität
seiner Angaben. Insoweit hat sich der Senat in seiner Rechtsprechung zur Erstattung von Kopierkosten der Rechtsprechung des
vormals für Kostensachen zuständigen 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (vgl. Beschluss vom 16. Juli
2009 - L 1 SF 35/09 E) angeschlossen (vgl. hierzu Beschluss vom 7. Februar 2014 - L 5 SF 80/13 E), wonach es dem Anwalt nicht völlig freigestellt sein kann, nach seinem subjektiven Empfinden Kopien als erforderlich zu
bezeichnen. Da die Landeskasse die Kosten des PKH-Anwalts zu tragen hat, müssen seine Angaben überprüft und gegebenenfalls
objektiviert werden. Bei einer auffällig hohen Zahl von Kopien obliegt es dem PKH-Anwalt, die Erforderlichkeit der hohen Zahl
plausibel zu machen. Diese Rechtsauffassung ist auch nicht allein die des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts, sondern
entspricht der überwiegenden Rechtsauffassung der Rechtsprechung zu Nr. 7000 VV-RVG einschließlich der Kommentare zu dieser Ziffer des Vergütungsverzeichnisses (vgl. etwa KG Berlin, Beschluss vom 27. November
2009 - 1 Ws 142/09; LG Wuppertal, Beschluss vom 13. April 2015 - 23 QS 43/15; OLG Köln, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 Ws 651/14; Bayerisches LSG, Beschluss vom 8. Januar 2014 - L 2 SF 272/13 E; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar zu VV 7000, Rz. 56). Dort wird stets betont, die Erstattungsfähigkeit von Kopierkosten setze voraus, dass die angefertigten
Vervielfältigungen geboten seien und dass der Rechtsanwalt das ihm bei der Geltendmachung eingeräumte Ermessen auch ausüben
und eine grobe Prüfung und vorläufige Bewertung des ihm zur Einsicht überlassenen Materials vornehmen müsse. Übereinstimmend
geht diese Rechtsprechung auch davon aus, dass es insbesondere unzulässig sei, dass der Rechtsanwalt - wie vom Erinnerungsführer
hier geschehen - kurzerhand die gesamte Behörden- und Gerichtsakte einschließlich solcher Schriftstücke kopieren lässt, die
für die Sachbearbeitung offensichtlich ohne Belang und Informationswert sind. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Sowohl die Verwaltungs- als auch die Gerichtsakten enthalten allgemein und auch in diesem Verfahren zahlreiche Schriftstücke,
die auch zu Beginn eines Prozesses für den Rechtsanwalt erkennbar ohne Bedeutung für dessen Ausgang sind. Das sind etwa Zustellungsurkunden,
Empfangsbekenntnisse, Wiederholungen von Schriftstücken in der Gerichtsakte aus der Verwaltungsakte (z. B. Widerspruchsbescheid),
gerichtliche Verfügungen wie etwa Terminsbestimmungen. Darüber hinaus bedarf es auch keiner Kopien der Unterlagen, die der
Kläger noch in seinem Besitz hat, wie etwa das sozialgerichtliche Urteil, Kopien seiner Schreiben sowie der Schreiben der
Beklagten und hier insbesondere die in zahlreicher Anzahl der Beklagten im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen wie
Mietverträge, Versicherungsscheine, Kreditkartenumsätze etc.. Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass dem Erinnerungsführer
im Hauptsacheverfahren Akteneinsicht gewährt wurde. Die Akteneinsicht erfolgte hier über einen Zeitraum von mehr als zwei
Wochen und sie dient regelmäßig nicht dazu, lediglich Kopien anzufertigen, sondern auf Seiten des beauftragten Rechtsanwalts
sich mit dem Inhalt der Akten auch näher auseinanderzusetzen(Akteneinsicht). Sollte ihm dies in dem Zeitraum, für den Akteneinsicht bewilligt wurde, nicht möglich sein, besteht jederzeit die Möglichkeit
der erneuten Akteneinsichtnahme oder Verlängerung der Frist zur Einsichtnahme. Die insoweit allein vom Erinnerungsführer vorgebrachte
Begründung, er benötige die komplette Kopie der Verwaltungs- und Gerichtsakte wegen der Durchnummerierung, überzeugt nicht.
Das hätte letztlich zur Folge, dass durch den Rechtsanwalt eine Auswahl der zu kopierenden Dokumente überhaupt nicht zu erfolgen
hat. Dies entspricht nicht dem auch für die Abrechnung der Dokumentenpauschale im Kostenrecht geltenden Gebot, die Ersatzpflicht
Dritter möglichst niedrig zu halten (vgl. KG Berlin, a.a.O., Rz. 3; LG Wuppertal, a.a.O., Rz. 27). Bei der Korrespondenz zwischen
den Beteiligten und/oder dem Gericht ist bei der Einbeziehung von Schriftstücken auch nicht notwendig auf die Blattzahl abzustellen.
Auch eine konkrete Bezeichnung des Schriftstücks, etwa über das Datum, ermöglicht eine Identifizierung. Gegebenenfalls kann
dem Rechtsanwalt auch nochmals Akteneinsicht vor dem Hintergrund der Identifizierbarkeit bewilligt werden oder das Gericht
übersendet - zur Sicherheit - eine Ablichtung der Unterlagen, über die es weitere Informationen benötigt.
Dass der Erinnerungsführer tatsächlich sämtliche Seiten der Gerichts- und Verwaltungsakte kopiert hat, wird hier auch daran
deutlich, dass allein die Blattzahl der erstinstanzlichen Gerichtsakte 76 Blatt beträgt und die der Verwaltungsakte 351 (310
bis 651) zuzüglich einiger weniger Blätter, die nicht in die Nummerierung einbezogen waren. Es ist also davon auszugehen,
dass auch sämtliche Rückseiten, auch die ohne jegliche Relevanz, kopiert wurden.
Allerdings berechtigt der Umstand, dass der Erinnerungsführer seiner Darlegungspflicht nicht nachgekommen ist, den Urkundsbeamten
auch im Vorschussverfahren nicht, die Kosten vollumfänglich von einer Erstattung auszunehmen. Davon ist offensichtlich auch
der Kostenprüfungsbeamte bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht ausgegangen, wenn er für den Erinnerungsgegner
beantragt hat, eine Dokumentenpauschale in Höhe von 32,50 EUR, also für 100 Ablichtungen, festzusetzen. Auch aus Sicht des
Senats ist es vorliegend nämlich erforderlich gewesen, dass im Berufungsverfahren Kopien aus den bisherigen Akten gefertigt
wurden. Der Erinnerungsführer war bislang nicht als Prozessbevollmächtigter aufgetreten und wurde erst durch Beschluss des
Senats beigeordnet. Nur durch die Gewährung der Akteneinsicht und der Möglichkeit, Kopien zu fertigen, konnte für den Kläger
ein rechtsstaatliches Verfahren gewährleistet werden. Es sind dem Erinnerungsführer deswegen grundsätzlich Auslagen für das
Anfertigen von Kopien zu erstatten. Dabei ist allerdings eine genaue Bestimmung der Anzahl der notwendigen Kopien nicht möglich
und auch nicht erforderlich, vielmehr ist eine Schätzung gerechtfertigt, wenn eine nähere Darlegung durch den Kostengläubiger
nicht erfolgt (so auch im Ergebnis Bayerisches LSG, a.a.O.; KG Berlin, a.a.O.; Beschluss des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen
LSG, a.a.O.). In diesem Zusammenhang ist es dem im Erinnerungsverfahren zuständigen Spruchkörper nicht zuzumuten, jedes Blatt
der Akte umfassend auf seine Verfahrensrelevanz zu überprüfen und dies auch noch im Erinnerungsverfahren zu begründen. Hier
ist eine überschlägige, weniger feindifferenzierende Betrachtungsweise angebracht (Thüringer Finanzgericht, Beschluss vom
14. Oktober 2014 - 4 Ko 557/13).
Gemessen an diesen Grundsätzen können die geltend gemachten Kopien nur teilweise für den Kostenerstattungsanspruch berücksichtigt
werden. Es werden im Wege der Schätzung Kosten von einem Viertel der angesetzten 505 Kopien berücksichtigt. Zu dieser Einschätzung
kommt der Senat aufgrund der überschlägigen Einsicht in die Akten, dem Umstand, dass der Erinnerungsführer die Notwendigkeit
der Kopien konkreter Seiten nicht ansatzweise begründet hat, vielmehr fälschlich meint, sämtlichen Akteninhalt kopieren und
abrechnen zu dürfen und der Erfahrung des Senats, in welchem Umfang insbesondere Gerichtsakten Inhalte enthalten, die für
die Durchführung eines Prozesses aus der ex ante-Betrachtung keine Relevanz besitzen.
Damit errechnet sich der dem Erinnerungsführer zu bewilligende Kostenvorschuss wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG
|
250,00 EUR
|
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV-RVG
|
20,00 EUR
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Dokumentenpauschale für Nr. 7000 VV-RVG (126 Kopien)
|
36,40 EUR
|
Mehrwertsteuer 19 % Nr. 7008 VV-RVG
|
58,22 EUR
|
Gesamtbetrag
|
364,62 EUR
|
Dieser Beschluss ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gebührenfrei.
Kosten werden nach § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG nicht erstattet.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).