Einigungsgebühr
Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages
Nicht lediglich Anerkenntnis oder Verzicht
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Festsetzung der von dem Beschwerdeführer zu erstattenden Kosten; streitig ist der
Ansatz einer Einigungsgebühr. Der Beschwerdegegner war dem Kläger in dem Verfahren S 27 AS 178/12 vor dem Sozialgericht Lübeck im Wege der Prozesskostenhilfe als Prozessbevollmächtigter mit Beschluss vom 16. Juli 2014 beigeordnet
worden. Gegenstand des Klageverfahrens war eine Anfechtungsklage gegen Rückforderungsbescheide insoweit, als ein Betrag oberhalb
von 76,89 EUR zurückgefordert wurde. Das Verfahren wurde ohne gerichtliche Entscheidung beendet. Grundlage waren zwei Schreiben
des Beklagten vom 3. und 7. Januar 2013 mit u. a. dem Inhalt:
"Angesichts der streitbefangenen Summe stellt sich ein solches Ansinnen als absolut unwirtschaftlich dar. Vor diesem Hintergrund
möchte der Beklagte unter Hintanstellung möglicher Bedenken folgenden Vergleichsvorschlag unterbreiten:
1. Der Beklagte hebt den Bescheid vom 28.11.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.01.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 07.02.2012 insoweit auf, als die Erstattung von mehr als 47,00 € gefordert wird.
2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers ohne Berücksichtigung einer Einigungs-/Erledigungsgebühr.
3. Die Beteiligten erklären das Verfahren übereinstimmend für erledigt.
Der Beklagte hat bewusst eine Summe gewählt, die für den Kläger günstiger als der bisherige Klagantrag ist um ihm die Zustimmung
zu erleichtern und eine Ausweitung des Verfahrens zu vermeiden. Da es sich so um mehr als ein volles Anerkenntnis handelt,
sieht der Beklagte die Voraussetzungen für die Einigungs-/Erledigungsgebühr nicht als gegeben an."
Mit Schreiben vom 7. Januar 2013 verzichtete der Beklagte vollständig auf eine Rückforderung. Der Beschwerdegegner erklärte
sich hiermit einverstanden und beantragte anschließend Kostenfestsetzung gegenüber dem Beklagten (Kostenrechnung vom 10./15.
September 2014). Außerdem hat der Beschwerdegegner die Festsetzung und Zahlung gegenüber der Beschwerdeführerin in Höhe von
226,10 EUR beantragt (Kostenfestsetzungsantrag vom 25./28. August 2014), und zwar
Gebühr nach Nr. 1006 VV-RVG
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190,00 EUR
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Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG
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36,10 EUR
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Mit Beschluss vom 16. Oktober 2014 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Festsetzung abgelehnt, weil die Erledigung
durch ein Anerkenntnis des Beklagten erfolgt sei und es mithin an der Mithilfe des Anwalts fehle.
Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Beschwerdegegners. Darin trägt er zur Begründung vor, dass die Erledigung durch
einen Vergleich eingetreten sei, wie sich aus dem ausdrücklichen Vergleichsangebot des Beklagten und der Annahme durch ihn,
den Beschwerdegegner, ergebe. Außerdem sei von dem Beklagten mehr zugestanden worden, als mit der Klage verfolgt worden sei.
Der Kostenprüfungsbeamte bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht hat beantragt die Erinnerung zurückzuweisen,
weil es an der erforderlichen Mitwirkung des Erinnerungsführers an der Erledigung der Sache fehle.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 25. Januar 2017 die dem Beschwerdegegner zu erstattenden Kosten auf 202,30 EUR festgesetzt.
Zwar sei hinsichtlich der Hauptsache keine Einigung der Beteiligten des Hauptsacheverfahrens ersichtlich, da materiell ein
uneingeschränktes Anerkenntnis des Beklagten vorgelegen habe. Eine Einigung liege jedoch hinsichtlich der Nebenentscheidung
vor. Komme der Gegner dem Anerkennenden durch Übernahme eines Teils der Kosten entgegen, reiche dies für die Annahme einer
Einigung aus. Hier liege insoweit eine echte Einigung vor, als sich die Beteiligten darüber einig gewesen seien, dass von
Klägerseite eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr nicht gefordert werden dürfe. Über diese Frage habe offensichtlich Uneinigkeit
bestanden. Allerdings sei die angesetzte Einigungsgebühr in Höhe der Mittelgebühr auf 170,00 EUR zu reduzieren, da es sich
bei einer Gesamtschau um ein leicht unterdurchschnittliches Verfahren gehandelt habe.
Gegen den ihm am 30. Januar 2017 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers, eingegangen beim
Sozialgericht Lübeck am 9. Februar 2017. Er ist weiterhin der Auffassung, dass sich die Einigung auf das Hauptsacheverfahren
beziehen müsse. Eine Einigung nur hinsichtlich der Kostentragung reiche nicht. Sie belastet ausschließlich die Landeskasse,
da die Einigungsgebühr ihr gegenüber geltend gemacht werde. Der Beschwerdegegner bleibt bei seiner Auffassung, dass nicht
nur hinsichtlich der Kostentragung eine Einigung getroffen worden sei, sondern auch in der Hauptsache, weil über den Klagantrag
hinausgegangen worden sei. Ein Prozessvergleich sei nicht gegenüber anderen Prozesserklärungen subsidiär. Da der Beklagte
ein Vergleichsangebot unterbreitet habe, das vom Kläger angenommen worden sei, habe es sich um einen öffentlich-rechtlichen
Vertrag in Form eines Prozessvergleiches gehandelt.
II.
Der Senat entscheidet gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG durch den Einzelrichter.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Beschwerdegegner hat keinen Anspruch auf eine Einigungsgebühr.
Die Einigungsgebühr nach Nummern 1006, 1005, 1000 VV-RVG gilt, worauf das Sozialgericht zutreffend hinweist, nach der Anm 1 Satz 1 zu Nr. 1000 VV-RVG für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt
wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Ein solches Anerkenntnis
liegt hier entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners vor.
Zutreffend geht auch das Sozialgericht von dessen Vorliegen, allerdings beschränkt auf die Hautsache, aus. Insoweit folgt
der Senat dieser Einschätzung und verweist auf die durch das Sozialgericht gegebene Begründung. Anerkenntnis ist das im Wege
durch einseitige Erklärung gegebene uneingeschränkte Zugeständnis, dass der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch
besteht; dabei gibt der Beklagte "ohne Drehen und Wenden" zu, dass sich das Begehren des Klägers aus dem von ihm behaupteten
Tatbestand ergibt (Beschluss des Senats vom 13. Februar 2014 - L 5 SF 48/12 E - m.w.N.). Eine solche Erklärung hat der Beklagte in seinen Schreiben vom 3. und 7. Januar 2013 abgegeben. Dabei ist der
Beklagte sogar über den Antrag des Klägers hinausgegangen, da dieser nur eine Teilanfechtung betrieben hatte. In diesem Zusammenhang
hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sich an dem Wesen des Anerkenntnisses nichts daran ändert, dass
über den Streitgegenstand hinausgegangen wurde.
Der Beschwerdegegner kann auch nicht damit gehört werden, dass sowohl er als auch der Beklagte von einem "Vergleich" gesprochen
haben. Bei dem Beklagten ist dies zum einen nicht durchgängig geschehen. Er hat vielmehr in der Erläuterung seines Vorschlags
ausgeführt, dass es sich nach seiner Auffassung "um mehr als ein volles Anerkenntnis handelt". Überdies ist nicht allein die
gewählte Formulierung für die rechtliche Einschätzung maßgebend, sondern der objektiv zum Ausdruck kommende Wille der Erklärenden
(vgl. den oben zitierten Beschluss des Senats vom 13. Februar 2014, auch hierzu m.w.N.). Selbst bei Bejahung eines Vertrages
ändert dies an dem Umstand, dass ein Anerkenntnis vorliegt, nichts, weil sich die Vertragsparteien auf einen vollen Erfolg
des Rechtsschutzbegehrens verständigt hatten (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 8. April 2013 - L 15 SF 338/11 B; Thüringer LSG, Beschluss vom 4. Juni 2015 - L 6 SF 472/15 B).
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und des Beschwerdegegners sieht der Senat auch keine vergleichsweise Einigung hinsichtlich
der Kostenentscheidung. Zwar enthält der Vorschlag des Beklagten unter 2. vermeintlich einen Verzicht des Klägers auf den
Ansatz einer Einigungs-/Erledigungsgebühr. Auch dieser Ansatz ist jedoch vor dem Hintergrund zu sehen, dass in dem gleichen
Schreiben eine Erläuterung durch den Beklagten dergestalt erfolgt, dass er von einem Anerkenntnis ausgeht und damit die Voraussetzungen
für die Einigungs-/Erledigungsgebühr nicht vorliegen. Diese offensichtlich zutreffende Auffassung (s. o.) verdeutlicht, dass
damit die Kostenregelung nicht Gegenstand des Vertrages war bzw. der Beklagte vom Kläger insoweit kein Entgegenkommen erwartete.
Sollte der Kläger hier anderer Auffassung gewesen sein, so wäre das Verfahren nicht durch seine Erklärung im Schriftsatz vom
18. Januar 2013 erledigt worden, wovon er allerdings ausging und den Rechtstreit für erledigt erklärte. Entgegen der Auffassung
des Sozialgerichts ist auch nicht zu erkennen, dass über die Frage des Ansatzes der Einigungs-/Erledigungsgebühr eine "offenbare
Uneinigkeit" zwischen den Beteiligten bestanden hat. Dafür gibt es keinen Anhalt.
Vor diesem Hintergrund braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob, wie der Beschwerdeführer meint, eine Einigungsgebühr auch
entstehen kann, wenn die Einigung sich nur auf eine Nebenentscheidung bezieht.
Dieser Beschluss ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).