Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters
Entscheidung bei sachlicher Unzuständigkeit
Prozessfähigkeit eines Beschwerdeführers
Gründe
I.
Unter dem 21. Januar 2019 erhob der Beschwerdeführer u.a. gegen die Beschwerdegegnerin Klage „wegen Schadensersatzes aufgrund
von Behandlungsverweigerungen für den Umbau bzw. den Bau und die Beschaffung bzw. Zurverfügungstellung von behindertengerechtem
Wohnraum für den behinderten Kläger“. Bereits mit der Klageschrift und in der Folge mit weiteren Schriftsätzen machte der
Beschwerdeführer deutlich, dass das Verfahren „unter Beteiligung des … zustehenden besonderen Vertreters“ zu führen sei.
Mit Beschluss vom 24. November 2020 hat das Sozialgericht die Bestellung eines besonderen Vertreters nach §
72 Abs.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) abgelehnt. In Übereinstimmung mit dem Bundessozialgericht (BSG, zuletzt Beschluss vom 21. August 2019 - B 6 KA 1/19 S, Rn. 3 m.w.N.) sei von der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen, so dass die Voraussetzungen für die Bestellung
eines besonderen Vertreters nicht vorlägen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 28. Dezember 2020.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der Senat konnte zunächst offenlassen, ob die sachliche Zuständigkeit des Sozialgerichts gegeben oder der Rechtsstreit - wofür
vorliegend viel spricht - an das Landgericht Erfurt zu verweisen ist. Eine Angelegenheit der Sozialversicherung im Sinne von
§
51 Abs.
1 SGG liegt nur dann vor, wenn die Möglichkeit besteht, dass die aus dem vorgetragenen Sachverhalt hergeleitete Rechtsfolge ihre
materiell-rechtliche Grundlage im Sozialversicherungsrecht findet. Dabei ist der Begriff der Sozialversicherung bzw. des Sozialversicherungsrechts
im Sinne von §
51 Abs.
1 SGG auf die klassischen Zweige der Sozialversicherung beschränkt und umfasst damit die herkömmlichen Bereiche der gesetzlichen
Rentenversicherung, Unfallversicherung usw. Der Beschwerdeführer begehrt vorliegend von der Beschwerdegegnerin Schadensersatz.
Ein Schadensersatz als (materielle oder immaterielle) Schadenswiedergutmachung ist dem Sozialrecht fremd. Auch der sozialrechtliche
Herstellungsanspruch führt nicht zum Schadensausgleich. Soweit der Beschwerdeführer einen Sachzusammenhang mit sozialrechtlichen
Materien sieht, kann dies eine Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit nicht begründen. Eine Zuständigkeit der Sozialgerichte
kann nur in Regelungsbereichen, die unmittelbar von §
51 SGG oder durch außerhalb des
SGG ausdrücklich erfolgte Rechtswegzuweisung erfasst werden und nicht allein kraft Sachzusammenhangs oder unter dem Gesichtspunkt
der Sachnähe begründet werden, weil es nach der Systematik des §
40 Abs.
1 VwGO in Verbindung mit §
51 Abs.
1 Nr.
10 SGG grundsätzlich einer ausdrücklichen gesetzlichen Zuweisung an die Sozialgerichte bedarf. Das tatsächliche Begehren des Beschwerdeführers
wäre daher als Schadensersatzklage (§
823 BGB) oder Amtshaftungsklage (§
839 BGB i.V.m. Art.
34 Satz 1 des
Grundgesetzes <GG>) geltend zu machen. Die sachliche Zuständigkeit für diese Klagen liegt bei den ordentlichen Gerichten. Vorliegend wäre
für die Amtshaftungsklage nach Art.
34 Satz 3
GG i.V.m. §
71 Abs. 2 Nr.
2 des
Gerichtsverfassungsgesetzes (
GVG) i.V.m. §
18 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) das Landgericht Erfurt zuständig.
Gleichwohl konnte und musste das Sozialgericht über den Antrag nach §
72 SGG zur Bestellung eines besonderen Vertreters auch bei sachlicher Unzuständigkeit entscheiden. Denn einer Verweisung des Rechtsstreites
an das zuständige Gericht muss zwingend eine Anhörung der Beteiligten vorausgehen (vgl. §
17a Abs.
2 Satz 1
GVG). Diese Anhörung kann nur gegenüber prozessfähigen Beteiligten erfolgen. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben und besteht
auch kein gesetzlicher Vertreter bzw. wurde vom Amtsgericht kein Betreuer bestellt, bedürfte es eines besonderen Vertreters
nach §
72 SGG, ohne den der Prozess nicht fortgeführt werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 23/11 R, nach juris). Damit hat - bei entsprechendem Antrag oder sonstigen Anhalten
für das Vorliegen der Voraussetzungen nach §
72 SGG - das an sich sachlich unzuständige Gericht vor einer Verweisung an das zuständige Gericht zulässig über die Bestellung eines
solchen besonderen Vertreters zu entscheiden. Dies gilt auch bei einer abschlägigen Entscheidung. Es handelt sich insoweit
nicht lediglich um eine prozessleitende Verfügung, sondern um einen erheblichen Eingriff in die Stellung des Beteiligten,
welcher daher auch zur Beschwerde berechtigt (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §
72 Rn. 4a).
Auch in der Sache ist die Entscheidung des Sozialgerichts nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen nach §
72 SGG liegen nicht vor. Der Senat nimmt auf die Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses vom 24. November 2020 Bezug (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG), die im Übrigen auch der Rechtsprechung des Senats entsprechen (vgl. zuletzt Beschlüsse vom 20. August 2020 - L 1 SF 34/20 E und L 1 SF 81/20 E). Anhaltspunkte für eine Änderung der Sachlage diesbezüglich existieren nicht (hierzu den Beschwerdeführer betreffend und
ausführlich BSG, Beschlüsse vom 17. Juli 2020 - B 1 KR 23/18 B sowie vom 18. November 2020 – B 1 KR 12/20 B, Rn. 7, jeweils nach juris).
Die Entscheidung ist nach §
177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.