Kostentragungspflicht nach Berufungsrücknahme
Kostenprivilegierung als Sonderrechtsnachfolger
Vorbereitung möglicher Ansprüche durch mögliche Sonderrechtsnachfolger
Fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen
Gründe:
Zuständig für die Entscheidung ist nach §
155 Abs.
1,
2 Nr.
5 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) und dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 1.
Senats der Berichterstatter.
Nach §
197a SGG i.V.m. §§
155 Abs.
2,
159 der
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) haben die Klägerinnen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner aufgrund der Berufungsrücknahme zu tragen. Die Pflicht
zur Tragung der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens folgt aus §
154 Abs.
1 VwGO.
Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in §
183 SGG genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Dies ist hier der Fall. Die Klägerinnen (und auch die Beklagte) sind nicht gemäß §
183 SGG privilegiert. Nach §
183 Satz 1
SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger,
behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach §
56 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB I) kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Die Klägerinnen sind nicht
in ihrer Eigenschaft als Leistungsempfängerinnen am Rechtsstreit beteiligt. Sie machen in dem Rechtsstreit nämlich keinen
Anspruch als Leistungsempfängerinnen oder Hinterbliebenenleistungsempfängerinnen, sondern als Rechtsnachfolgerinnen des potentiellen
Leistungsempfängers (des Versicherten) geltend, ohne dass ein Fall der Sonderrechtsnachfolge (§
56 SGB I) vorliegt. Eine Kostenprivilegierung als Sonderrechtsnachfolger gemäß §
183 Satz 1
SGG setzt nach dem Wortlaut des ausdrücklich in Bezug genommenen §
56 Abs.
1 Satz 1
SGB I voraus, dass Streitgegenstand fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen sind. Dem genügt das zuletzt von den Klägerinnen
geltend gemachte Begehren auf "Feststellung der Nichtigkeit bestimmter Bescheide" ohne weitergehende Verpflichtungs- oder
Leistungsklage selbst dann nicht, wenn damit die eigenen Ansprüche als Hinterbliebene vorbereitet würden. Denn die Vorbereitung
möglicher Ansprüche durch mögliche Sonderrechtsnachfolger kann nicht der tatsächlichen Leistung auf der Grundlage eines fälligen
Anspruchs gleichgesetzt werden. Die Sonderrechtsnachfolge beschränkt sich auf die Rechtsnachfolge in spezielle Einzelansprüche
(vgl. BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2016 - B 2 U 45/16 B -, SozR 4-1500 § 183 Nr. 13).
Der Senat konnte auch die Kostenentscheidung des Sozialgerichts ändern, obwohl diese für die Klägerinnen günstiger ist und
nur die Klägerinnen Berufung eingelegt haben. Insoweit gilt das Verbot der Reformatio in peius nicht. Dieses Verbot der Schlechterstellung
des Rechtsmittelklägers erstreckt sich nur auf den der Disposition der Beteiligten unterliegenden Streitgegenstand, der durch
das Rechtsmittel in die höhere Instanz gelangt ist, nicht aber auf solche im angefochtenen Urteil enthaltenen Entscheidungen,
die der Disposition der Beteiligten entzogen und daher ohne Rücksicht auf deren Willen von Amtswegen zu treffen sind. Über
die Kosten ist von Amts wegen zu entscheiden und zwar unabhängig von entsprechenden Antragstellungen der Beteiligten (vgl.
dazu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Juli 2016 - L 7 AS 2261/14-; BSG, Urteil vom 10. September 1987 - 10 RAr 10/86- BSGE 62, 131 - 136).
Die Festsetzung des Streitwerts auf 20.000,00 Euro beruht auf §
197 a Abs.
1 SGG i.V.m. §§
47 Abs.
1 Satz 1, Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der
sich aus dem Antrag der Kläger für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Klägerinnen begehren
die Feststellung der Nichtigkeit von vier Bescheiden (Bescheid vom 31. Oktober 2002, 5. Oktober 2015, 28. Januar 2016 [2 x]).
In der Sache geht es um die Anerkennung einer Krebserkrankung des Versicherten als BK. Das wirtschaftliche Interesse der Kläger
ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bezifferbar. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine
genügende Anhaltspukte, ist daher der Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 Euro gemäß § 52 Abs. 2 GKG heranzuziehen. Da die Nichtigkeit von vier Bescheiden geltend gemacht wird, ist der vierfache Auffangstreitwert zugrunde
zu legen.
Da das Sozialgericht für das Verfahren in erster Instanz keinen Streitwert festgesetzt hat, macht der Senat in analoger Anwendung
von § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von seiner Befugnis Gebrauch, den Streitwert auch für die erste Instanz erstmalig festzusetzen. Denn wenn das Rechtsmittelgericht
eine erstinstanzliche Festsetzung abändern kann, muss es auch befugt sein, eine solche Festsetzung zu ersetzen; hierfür sprechen
auch prozessökonomische Gründe, denn das Erstgericht muss sich nicht erneut mit einem bereits abgeschlossenen Verfahren befassen
(BSG, Urteil vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - Juris Rn. 23; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 02. Oktober 2017 - 10 CE 17.1491 -, Juris).
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG i. V. m. §§ 68 Abs. 2 S. 7, 63 Abs. 3 S. 3 GKG).