Höhe einer Krankenhausvergütung
Unverzügliche Prüfung durch den MDK
Durchführung einer Verrechnung
1. Nach § 14 Abs. 2 KHBV hat die Krankenkasse bei Zweifeln an der Behandlungsnotwendigkeit oder der korrekten Abrechnung nach
Vorlage der Rechnung und dem Fällig werden der geforderten Vergütung unverzüglich die Prüfung durch den MDK herbeizuführen.
2. Die Krankenkasse hat auf die zeitnahe Erledigung dieses Prüfauftrages hinzuwirken.
3. Ergibt die nach Satz 1 durchgeführte Prüfung, dass die Behandlung nicht notwendig oder die Abrechnung nicht korrekt war,
darf die Krankenkasse den sich insoweit ergebenden Betrag gegenüber dem Krankenhaus verrechnen.
4. Die Durchführung der Verrechnung muss innerhalb von sechs Monaten ab Fälligkeit unter Angabe des Betrages und der zur Verrechnung
gestellten Forderung des Krankenhauses erfolgen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Krankenhausvergütung.
Die Klägerin betreibt ein nach §
108 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) zugelassenes Krankenhaus, in dem der Familienversicherte der Beklagten T. K. (im Folgenden: Versicherter) geboren und vom
30. Mai bis 4. Juni 2008 vollstationär behandelt wurde. Als Entlassungsdiagnosen nannte die Klägerin die Hauptdiagnose ICD-10-GM
P07.3 (Sonstige vor dem Termin Geborene) sowie u.a. die Nebendiagnosen ICD-10-GM Q21.1 (Vorhofseptumdefekt (ASD), angeboren)
und ICD-10-GM P59.8 (Neugeborenenikterus durch sonstige näher bezeichnete Ursachen) sowie verschiedene Prozeduren.
Für die stationäre Behandlung des Versicherten setzte die Klägerin nach dem auf G-DRGs (diagnosebezogene Fallgruppen - deutsche
Version) basierenden Fallpauschalen-Katalog der G-DRG-Version 2008 die G-DRG P67B (Neugeborenes, Aufnahmegewicht > 2499 g
ohne signifikante OR-Prozedur, ohne Beatmung > 95 Stunden, mit schwerem Problem oder mit anderem Problem, mehr als ein Belegungstag
oder mit nicht signifikanter OR-Prozedur, mit komplizierender Diagnose) nebst Zuschlägen mit einer Vergütung von insgesamt
3.096,02 EUR (Rechnung vom 4. Juni 2008) an. Die Beklagte zahlte diesen Betrag und beauftragte am 2. Juli 2008 den. (MDK)
e.V. mit der Prüfung der Plausibilität der Nebendiagnosen. In einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 25. September 2008
führte dieser aus, die vom Krankenhaus angegebene Nebendiagnose ICD-10-GM Q21.1 könne gutachterlich nicht bestätigt werden.
Bei dem echokardiographisch nachgewiesenen Defekt im Vorhofseptum handele es sich um einen altersphysiologischen Befund. Der
diagnostische Aufwand werde durch die Nebendiagnose ICD-10-GM P29.3 (Persistierender Fetalkreislauf) abgebildet. Die Nebendiagnose
ICD-10-GM P59.8 könne ebenfalls nicht bestätigt werden. Zutreffend sei danach die G-DRG P67D (Neugeborener Einling, Aufnahmegewicht
> 2499 g ohne OR-Prozedur, ohne Beatmung > 95 h, ohne schweres Problem, ohne anderes Problem oder ein Belegungstag). Mit Schreiben
vom 13. November 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aufgrund der Abrechenbarkeit der G-DRG P67D mit einem Betrag von
737,80 EUR sowie Fehlern bei der Berechnung von Zu- und Abschlägen werde sie eine Verrechnung in Höhe von 2.264,35 EUR vornehmen.
Die Verrechnung erfolgte am 30. Januar 2009. Hiergegen wandte sich die Klägerin am 30. Januar 2009. Nach §
14 des durch die Schiedsstelle nach §
114 SGB V im Freistaat Thüringen am 24. Oktober 2003 festgesetzten Vertrages nach §
112 Abs.
2 Nr.
1 SGB V über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen e.V. und
den Thüringischen Landesverbänden der Krankenkassen (im Folgenden: KHBV) könnten Einwendungen nur innerhalb von sechs Monaten
nach Rechnungszugang geltend gemacht werden. Das Rückforderungsschreiben vom 26. Januar 2009 liege außerhalb dieser Fristen.
Die Beklagte wies die Einwände der Klägerin zurück. Der Entlassungsbericht des Krankenhauses sei erst am 18. August 2008 beim
MDK eingegangen. Unterlagen, die die Kodierung der Nebendiagnose ICD-10-GM P.59.8 belegten, seien nicht vorgelegt worden,
so dass eine erneute Befundanforderung notwendig geworden sei. Zeitliche Verzögerungen, die durch das Krankenhaus entstanden
seien, könnten ihr nicht angelastet werden. Weiterhin verweise sie auf ihr Schreiben vom 13. November 2008. Die Klägerin führte
hierzu aus, die Rechnung sei am 24. Juni 2008 versendet worden, so dass der Eintritt der Fälligkeit auf den 10. Juli 2008
zu datieren sei. Folglich hätte eine Verrechnung bis spätestens 10. Januar 2009 erfolgen müssen; die Verrechnung sei jedoch
erst am 30. Januar 2009 erfolgt. Das Schreiben vom 13. November 2008 habe sie erst am 26. Januar 2009 erhalten. Die Überschreitung
der Verrechnungsfrist liege in der Sphäre der Beklagten.
Am 1. September 2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Klage auf Zahlung von 2.264,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 v.H. über dem Basiszinssatz ab dem 31. Januar 2009 erhoben
und an ihrer Ansicht festgehalten, die Verrechnung sei außerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 4 KHBV erfolgt. Die Beklagte
hat darauf hingewiesen, dass die Nebendiagnosen ICD-10-GM Q21.1 und ICD-10-GM P59.8 nicht kodiert werden durften. Zudem sei
die Klägerin nach §
276 Abs.
2 Satz 1 Halbsatz 2
SGB V zur Auskunft gegenüber dem MDK verpflichtet. Das SG hat Gutachten des Facharztes für Kinderheilkunde Dr. H. vom 13. Juli 2011, wonach die Kodierung der streitigen Nebendiagnosen
korrekt war, und der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin/Kinderkardiologie Dr. I. vom 7. Juni 2013 eingeholt, die die
Kodierbarkeit der Nebendiagnose ICD-10-GM Q21.1 bestätigt hat.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. September 2013 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.264,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 v.H. über dem Basiszinssatz der Europäischen
Zentralbank ab dem 31. Januar 2009 zu zahlen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Nach den eingeholten Gutachten der Dres.
H. und I. sei die G-DRG P67B abrechenbar.
Im Berufungsverfahren hält die Beklagte an ihrer Ansicht fest, dass die Nebendiagnose ICD-10-GM Q21.1 nicht kodiert werden
konnte. Sie verweist auf die erstinstanzlich vorgelegten Gutachten des MDK vom 21. September 2011 und 9. August 2013 und überreicht
ein weiteres Gutachten des MDK vom 2. Juli 2014. Die Schlussrechnung vom 24. Juni 2008 sei am 26. Juni 2008 bei ihr eingegangen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 6. September 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie verweist auf in Parallelverfahren eingeholte Gutachten, aus denen sich ebenfalls die Kodierbarkeit der Nebendiagnose ICD-10-GM
Q21.1. ergebe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen,
der Gegenstand der Entscheidung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das SG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, an die Klägerin 2.264,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 31. Januar 2009 zu zahlen.
Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der weiteren Vergütung für die vollstationäre
Behandlung einer Versicherten in Höhe von 2.264,35 EUR. Diesen Anspruch macht sie zu Recht mit der (echten) Leistungsklage
nach §
54 Abs.
5 SGG geltend. Die Klage eines Krankenhausträgers - wie hier der Klägerin - auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten
gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht
in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - Az.: B 1 KN 3/08 KR R m.w.N., nach juris).
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund der Behandlung einer Versicherten der Beklagten zunächst
ein Anspruch auf die abgerechnete Vergütung zustand; eine nähere Prüfung des erkennenden Senats ist daher nicht erforderlich
(vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: z.B. BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 - Az.: B 1 KR 16/11 R, nach juris).
Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung eines Versicherten der Beklagten ist nicht dadurch in Höhe von 2.264,35
EUR erloschen, dass die Beklagte wirksam mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung
für die Krankenhausbehandlung des Versicherten analog §
387 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) aufrechnete. Der Vergütungsanspruch der Klägerin war fällig und erfüllbar. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des
Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung in Höhe von 2.264,35 EUR ebenfalls erfüllt waren - dies bedarf an dieser
Stelle keiner Prüfung durch den Senat -, hat die Beklagte die Verrechnung entgegen § 14 Abs. 2 Satz 4 KHBV, außerhalb der
dort vereinbarten Frist von sechs Monaten ab Fälligkeit - bezogen auf den strittigen Fall - vorgenommen. Nach § 14 Abs. 2
KHBV hat die Krankenkasse bei Zweifeln an der Behandlungsnotwendigkeit oder der korrekten Abrechnung nach Vorlage der Rechnung
und dem Fällig werden der geforderten Vergütung unverzüglich die Prüfung durch den MDK herbeizuführen. Die Krankenkasse hat
auf die zeitnahe Erledigung dieses Prüfauftrages hinzuwirken. Ergibt die nach Satz 1 durchgeführte Prüfung, dass die Behandlung
nicht notwendig oder die Abrechnung nicht korrekt war, darf die Krankenkasse den sich insoweit ergebenden Betrag gegenüber
dem Krankenhaus verrechnen. Die Durchführung der Verrechnung muss innerhalb von sechs Monaten ab Fälligkeit - bezogen auf
den strittigen Fall - unter Angabe des Betrages und der zur Verrechnung gestellten Forderung des Krankenhauses erfolgen.
Die Rechnung für den stationären Aufenthalt des Versicherten datiert vom 24. Juni 2008. Diese ist an die Beklagte unstreitig
per Datenaustausch (DTA) versendet worden. Es kann dahinstehen, ob die nach Angaben der Klägerin am 24. Juni 2008 übersandte
Rechnung der Beklagten tatsächlich erst am 26. Juni 2008 zugegangen ist. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KHBV hat die Krankenkasse
die Rechnung ungekürzt innerhalb von 14 Kalendertagen nach Rechnungseingang bei der Krankenkasse oder einer von ihr beauftragten
Stelle zu bezahlen. Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend,
wird nach §
187 Abs.
1 S. 1
BGB der Tag bei der Berechnung der Frist nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Lag die Rechnung
der Beklagten (erst) am 26. Juni 2008 vor, beginnt die Frist für die Zahlung am 27. Juni 2008 und endet am 10. Juli 2008.
Die Rechnung war also spätestens am 11. Juli 2008 fällig. Ausgehend davon lief die Frist für die Verrechnung nach § 14 Abs.
2 Satz 4 KHBV spätestens am 11. Januar 2008 ab. Nach §
188 Abs.
2 Alt. 1
BGB endigt eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr,
Vierteljahr - bestimmt ist, im Falle des §
187 Abs.
1 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zeit
dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Die Beklagte hat die Verrechnung unstreitig am 30. Januar
2009 - und damit außerhalb der Frist - durchgeführt. Durch die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 4 KHBV ist der Beklagten eine
Prüfungs- und Verrechnungsfrist von sechs Monaten ab Fälligkeit der Rechnung des streitigen Falles eingeräumt worden. Für
den Fall, dass die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Abrechnung der Leistungen bzw. deren Notwendigkeit noch
nicht abgeschlossen ist, unabhängig davon, worauf dies zurückzuführen ist, ist keine Verlängerung der Frist vorgesehen. Der
Beklagten bleibt es bei Versäumung der Frist zur Verrechnung unbenommen, Klage auf Erstattung des streitigen Betrages zu erheben.
Es obliegt grundsätzlich den Vertragsbeteiligten, einen Ausgleich der insoweit möglicherweise widerstrebenden Interessen zu
finden. Sie können es entweder bei der Frist belassen, eine längere Frist vereinbaren oder gegebenenfalls die Verrechnung
auch unbefristet ermöglichen. Unabhängig davon lag der Beklagten das Gutachten des MDK vom 25. September 2008, auf das sie
die Verrechnung stützt, bereits am 29. September 2008 vor, sodass sie die Verrechnung innerhalb der Frist von sechs Monaten
ab Fälligkeit der Vergütung hätte vornehmen können.
Die Verurteilung der Beklagten, den Zahlungsanspruch der Klägerin entsprechend ihrem Antrag mit 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 31. Januar 2009 zu verzinsen, ist zu Gunsten der Beklagten nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urteil vom 19. April 2007 - Az.: B 3 KR 10/06 R, nach juris).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.