Sozialhilferecht: Begriff der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen im Ausbildungsförderungsrecht, Basiskurse für (jugendliche)
Ausländer in Hamburg
Gründe:
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht im Wege der einstweiligen
Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller - einem 1992 ohne Begleitung in das Bundesgebiet eingereisten, jetzt 17jährigen
afghanischen Staatsangehörigen - Hilfe zum Lebensunterhalt auch während seiner Teilnahme an einem von der Behörde für Schule,
Jugend und Berufsbildung (BSJB) eingerichteten sog. Basiskursus für Ausländer (BKA) zu gewähren. Das Beschwerdevorbringen
der Antragsgegnerin führt nicht zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
1. Der Tenor der angefochtenen Entscheidung, nach dem die Hilfe zum Lebensunterhalt "nach Maßgabe des Bundessozialhilfegesetzes
zu gewähren" ist, ist nicht für die Zeit bis zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis, die der Antragsteller offenbar im Laufe
des Beschwerdeverfahrens erhalten hat, abzuändern. Das Verwaltungsgericht hat in den Gründen des Beschlusses ausdrücklich
offengelassen, ob die Hilfe unmittelbar nach dem Bundessozialhilfegesetz oder gemäß §
2 Abs.
1 Nr.
1 Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG) lediglich in "entsprechender" Anwendung dieses Gesetzes zu gewähren sei und deshalb im Tenor die Formulierung "nach Maßgabe
des Bundessozialhilfegesetzes" gewählt. Die Antragsgegnerin behauptet selbst nicht, daß von der unmittelbaren oder der entsprechenden
Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes in dem hier zu entscheidenden Zusammenhang der Umfang des Anspruchs des Antragstellers
auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. die entsprechende Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin abhängig sei. Von
daher ist eine - ggf. klarstellende - Abänderung des Tenors der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht erforderlich.
2. Das Verwaltungsgericht dürfte auch in der Sache zu Recht angenommen haben, daß dem Anspruch des Antragstellers auf Hilfe
§ 26 Satz 1 BSHG nicht entgegensteht. Der in dieser Vorschrift normierte Anspruchsausschluß für Auszubildende setzt voraus, daß deren Ausbildung
im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder des Arbeitsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist.
Dies dürfte mit dem Verwaltungsgericht für den vom Antragsteller seit Dezember 1994 besuchten Basiskurs für Ausländer zu verneinen
sein.
Eine Förderungsfähigkeit der Ausbildung des Antragstellers dem Grunde nach käme allenfalls nach §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (
BAföG) in Betracht. Danach wird Ausbildungsförderung geleistet u.a. für den Besuch von weiterführenden allgemeinbildenden Schulen
ab Klasse 10, wenn - was hier unstreitig ist - der Auszubildende die Voraussetzungen des Absatzes 1a erfüllt. Hier ist zwischen
den beteiligten Behörden der Antragsgegnerin streitig, ob die Basiskurse für Ausländer "weiterführende allgemeinbildende Schulen"
im Sinne der genannten Norm und deshalb förderungsfähig sind. Von der BSJB, die diese Kurse zum Beginn des Schuljahres 1994/95
eingerichtet hat, wird dies verneint (Schreiben des Amtes für Schule vom 11. Oktober 1994 an die Bezirksämter und Stellungnahme
des Amtes für Verwaltung vom 3. April 1995 gegenüber dem Verwaltungsgericht). Die Förderungsfähigkeit der Basiskurse nach
dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz wird von der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Landessozialamt, ebenfalls verneint (Rundschreiben vom 29. Juli
1994). Demgegenüber meint das die Antragsgegnerin in diesem Verfahren vertretende Bezirksamt Hamburg-Nord, die Teilnehmer
an den genannten Kursen hätten dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen nach §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 i.V.m. §
12 Nr.
1 BAföG, soweit sie die übrigen Voraussetzungen erfüllten. Nach dem Prüfungsmaßstab des vorliegenden Eilverfahrens folgt der Senat
der Ansicht der zuerst genannten Behörden:
§
2 Abs.
1 Satz 1
BAföG enthält eine Aufzählung von Arten von Ausbildungsstätten, deren Besuch nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähig ist, und nennt dabei in Nr. 1 u.a. die weiterführenden allgemeinbildenden Schulen ab Klasse 10. Das Gesetz
beschränkt sich insoweit darauf, bestimmte Gattungsbegriffe zu bezeichnen, ohne im einzelnen zu bestimmen, welche Merkmale
eine Ausbildungsstätte kennzeichnen müssen, um einer bestimmten Art (Schulgattung) zugeordnet werden zu können (BVerwG, Beschluß
v. 2.7.1984, FamRZ 1985 S. 112; Urt. v. 10.10.1985, Buchholz 436.36 § 7 Nr. 49 S. 121, 126). Insoweit sind für die Zuordnung des besuchten Ausbildungsganges
Art und Inhalt der Ausbildung maßgebend (§
2 Abs.
1 Satz 2
BAföG). Da sich auch in bezug auf Art und Inhalt der Ausbildung an weiterführenden allgemeinbildenden Schulen im Bundesgebiet allgemeine
Standards herausgebildet haben, kann bei der Zuordnung einer Ausbildungsstätte an die Gattungsbegriffe angeknüpft werden,
die die Bundesländer übereinstimmend zu benutzen pflegen (BVerwG, Beschluß v. 2.7.1984, a.a.O., und Urt. v. 10.10.1985, a.a.O.,
für die Ausbildungsstättenarten Fachschule und Berufsfachschule). In bezug auf weiterführende allgemeinbildende Schulen sind
dies die Hauptschule, die Realschule, das Gymnasium und die integrierte Gesamtschule (vgl. Tz. 2.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift
zum Ausbildungsförderungsgesetz - BAföGVwV 1991 - v. 15.10.1991, GMBl. 1991 S. 770; vgl. auch das Abkommen zwischen den Ländern
der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Schulwesens v. 28.10.1964 i.d.F. v. 14.10.1971 - sog. Hamburger
Abkommen -, Sammlung der KMK-Beschlüsse Nr. 101; Rothe/Blanke,
BAföG, 5. Aufl., §
2 Rdnr. 4). Um diesen, die Gattung der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen typischerweise ausfüllenden Schulen förderungsrechtlich
gleichgestellt werden zu können, müßte die Ausbildung in den vom Amt für Schule zum Schuljahr 1994/95 erstmals eingerichteten
Basiskursen für Ausländer nach Art und Inhalt derjenigen an diesen Schulen im wesentlichen vergleichbar sein. Dies dürfte
nach den dem Gericht vorliegenden Verlautbarungen des Amtes für Schule über diesen Ausbildungsgang und nach den sonstigen
bisherigen Erkenntnissen derzeit nicht anzunehmen sein.
Die Einrichtung der Basiskurse für Ausländer steht offenbar im Zusammenhang mit dem Problem der schulischen Versorgung der
sich in Hamburg in zunehmender Zahl aufhaltenden sog. unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Deren Aufnahme in die Regelschulen
(vgl. § 23 Abs. 3 des Schulgesetzes der Freien und Hansestadt Hamburg - SchulG - v. 17.10.1977, GVBl. S. 297) wird ihren persönlichen Möglichkeiten und Voraussetzungen vielfach nur unzureichend gerecht.
Für diese Problematik dürfte auch die schulische Ausbildung des Antragstellers seit seiner Einreise im Juli 1992 bis zum Eintritt
in den Basiskurs im Dezember 1994 ein Beispiel sein, in der er insgesamt drei Schulen besucht hat (Grund- und Hauptschule
S., ab Februar 1994 Staatliche Handelsschule Holstenwall, ab 1. August 1994 Staatliche Schule für Ernährung und Hauswirtschaft),
ohne den jeweils vorgesehenen Abschluß zu erlangen. Vor diesem Hintergrund scheint der Schwerpunkt der Ausbildung im Rahmen
der Basiskurse für junge Ausländer eher auf der schulischen Grund-Ausbildung und nicht auf der schulischen Weiterbildung zu
liegen. Hierfür sprechen der vom Amt für Schule an die Bezirksämter im Oktober 1994 übersandte Entwurf für die genannten Kurse
sowie das Informationsblatt der BSJB vom Januar 1995, das das Amt für Verwaltung seiner Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgericht
beigefügt hat. Danach werden die Basiskurse für Ausländer von minderjährigen ausländischen Jugendlichen besucht, die ihren
Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz finanzieren und nicht über ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verfügen. Die Ausbildung enthält integrative und reintegrative
Elemente und hat zugleich die Aufgabe, die deutschen Sprachkenntnisse zu verbessern und die kulturellen Grundtechniken zu
vermitteln und zu vertiefen. Nach den dem Anmeldebogen für die Basiskurse beigefügten Zugangsvoraussetzungen werden lediglich
geringe Deutschkenntnisse verlangt. Ziele und Ausbildungsinhalte der Basiskurse, für die es im Gegensatz zu Haupt-, Realschulen
und Gymnasien keine Lehr- oder Stoffpläne gibt (vgl. Stellungnahme der BSJB vom 3. April 1995 gegenüber dem Verwaltungsgericht),
sind u.a. Erwerb und Sicherung der deutschen Sprache, das Vertiefen oder Erlernen der kulturellen Grundtechniken, das Kennenlernen
der sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen, des Arbeitsmarktes und des Bildungssystems in Deutschland sowie die Einführung
in einfache praktische Fähigkeiten, die durch ihre Anschaulichkeit den Erwerb der deutschen Sprache erleichtern, die die Chancen
einer Reintegration bei einer eventuellen Rückkehr in das Herkunftsland verbessern und die der Bewältigung des täglichen Lebens
in Deutschland dienen. Diese Lerninhalte der Basiskurse zielen offenkundig auf grundsätzliche schulische und soziale Defizite
bei jugendlichen Ausländern, zu deren Verringerung bzw. Beseitigung ihr Besuch beitragen soll. Diese schulische, soziale und
kulturelle Grundversorgung der angesprochenen jungen Ausländer, die am ehesten mit der Grundschule vergleichbar sein könnte,
ist nicht Aufgabe der weiterführenden allgemeinbildenden Regelschulen wie der Realschule oder des Gymnasiums. Die Basiskurse
für Ausländer stellen im Vergleich zu den genannten Schulen nach Art und Inhalt der Ausbildung vielmehr ein "aliud" dar und
dürften deshalb diesen im förderungsrechtlichen Sinne nicht gleichgestellt werden können.
Es dürfte auch nicht davon auszugehen sein, daß der Gesetzgeber des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bei seiner Entscheidung,
Bundesmittel für den Besuch weiterführender allgemeinbildender Schulen unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen und in
der dort festgelegten Höhe bereitzustellen, auch spezielle Ausbildungseinrichtungen der vom Amt für Schule geschaffenen Art
im Auge hatte. Soweit die Länder - wie hier die Antragsgegnerin - zur Entlastung des Regel-Schulsystems aus nachvollziehbaren
und sachgerechten Erwägungen spezielle Ausbildungseinrichtungen für Ausländer schaffen, kann hierdurch nicht der in §
2 Abs.
1 Satz 1
BAföG aufgeführte Katalog von Ausbildungsstätten, deren Besuch nach dem Bundesausbildungsgesetz förderungsfähig ist, zu Lasten
des Bundes erweitert werden.
Soweit die Beschwerde demgegenüber meint, die Unterrichtung u.a. in den Fächern Deutsch, Mathematik/Berechnungen, Erdkunde/
Politik und Naturwissenschaften sowie die Möglichkeit, nach erfolgreichem Besuch eines Basiskurses einen dem Haupt- oder Realschulabschluß
entsprechenden Abschluß zu erreichen, spreche dafür, daß die Basiskurse den weiterführenden allgemeinbildenden Schulen zuzurechnen
seien, dürfte dem nicht zu folgen sein. Die Tatsache, daß die genannten Fächer im Rahmen der Basiskurse unterrichtet werden,
deutet für sich allein noch nicht auf eine weiterführende allgemeinbildende schulische Ausbildung hin. Entscheidend für die
Einordnung der Basiskurse ist insoweit nicht die formale Bezeichnung der Unterrichtsfächer, sondern das Niveau, auf dem sie
unterrichtet werden und das der Schüler erreichen kann. Das wird hier an dem Unterrichtsfach Deutsch deutlich, das offenkundig
nicht auf dem Niveau einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule unterrichtet werden kann bzw. unterrichtet wird. Denn
die den Kursus besuchenden jungen Ausländer haben - wie oben dargelegt - lediglich geringe Deutschkenntnisse, und dementsprechend
ist insoweit auch (nur) in erster Linie der Erwerb und die Sicherung der deutschen Sprache Ziel der Ausbildung.
Soweit die Ausbildung im Rahmen der Basiskurse bei entsprechenden Eingangsvoraussetzungen und Leistungen zu Abschlüssen führen
kann, die in ihren Berechtigungen dem Haupt- oder Realschulabschluß entsprechen, dürfte dies ebenfalls nicht zu der Einstufung
dieser Kurse als weiterführende allgemeinbildende Schule im Sinne von §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 BAföG führen. Wie die BSJB in ihrer Stellungnahme vom 3. April 1995 gegenüber dem Verwaltungsgericht insoweit vor dem Hintergrund
der sozialen, sprachlichen und kulturellen Probleme der Teilnehmer der Basiskurse überzeugend ausgeführt hat, läßt sich derzeit
noch nicht absehen, ob überhaupt und in welchem Umfang dem Haupt- bzw. Realschulabschluß vergleichbare Abschlüsse erreicht
werden können. Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß so kurz nach Aufnahme des Projekts zum Beginn des Schuljahres 1994/95
noch keine einschlägigen Erfahrungen vorliegen. Demgegenüber stellt es den Regelfall dar, daß die Schüler der weiterführenden
allgemeinbildenden Schulen Hauptschule bzw. Realschule einen entsprechenden Abschluß erreichen (vgl. §§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 SchulG).
Schließlich wird die Unterschiedlichkeit der Basiskurse für Ausländer im Vergleich zu den Regelschulen Hauptschule und Realschule
auch dadurch verdeutlicht, daß die Ausbildung aus vier aufeinander folgenden in sich abgeschlossenen Modulen von jeweils einem
Schulhalbjahr besteht, d.h. sich also bereits nach Ablauf von sechs Monaten jeweils die Frage des weiteren Besuchs des Kurses
stellt (vgl. insoweit auch die Bescheinigung der Staatlichen Gewerbeschule Arbeits- und Werktechnik vom 1. März 1995, in der
als Ausbildungsende der 31. Juli 1995 genannt wird). Auch dies ist der Regelschule, bei der sich die Frage der Versetzung
erst am Ende des Schuljahres stellt, fremd.
Dem danach gemäß §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 BSHG gegebenen Hilfeanspruch des Antragstellers steht nicht das Gebot der Selbsthilfe durch Beschaffung des Lebensunterhalts durch
Arbeit (§§ 2 Abs. 1, 18 Abs. 1 BSHG) entgegen. Denn dem Antragsteller ist der Abbruch seiner Ausbildung im Rahmen des Basiskurses nicht zuzumuten (§ 18 Abs. 3 BSHG). Der Antragsteller verfügt über keine (Berufs-)Ausbildung, die ihn in den Stand setzen würde, sich auf dem hiesigen Arbeitsmarkt
mit Aussicht auf Erfolg um eine Arbeit zu bemühen, aus deren Einkünften er seinen Lebensunterhalt nachhaltig bestreiten könnte.
Durch die Teilnahme an dem Basiskurs erhält er vielmehr - wie oben dargelegt - eine schulische, soziale und kulturelle (Grund-)Ausbildung,
die ihn erst in den Stand setzen dürfte, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen oder ggf. eine berufliche Ausbildung in Angriff
zu nehmen. Es kann dem Antragsteller deshalb nicht angesonnen werden, die im übrigen von der Behörde für Schule, Jugend und
Berufsbildung befürwortete Maßnahme wieder abzubrechen und seinen Lebensunterhalt ggf. durch Gelegenheitsarbeiten bzw. Hilfsarbeiten
zu bestreiten (vgl. Beschluß des Senats v. 26.10.1994 - OVG Bs IV 208/94 - betr. eine vom Arbeitsamt befürwortete Umschulungsmaßnahme).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§
154 Abs.
2,
188 Satz 2
VwGO.