Sozialhilferecht: Angemessenheit eines Hausgrundstücks - Wohnflächenberechnung
Tatbestand:
Die Klägerin leidet nach einer Enzephalitis an einem frühkindlichen Hirnschaden. Sie ist blind und taub. Darüber hinaus leidet
sie an einem Anfallsleiden, das mit Schreikrämpfen sowohl tagsüber als auch nachts verbunden ist. Sie ist schwerbehindert
mit einem Grad der Behinderung von 100 und erhält seit Juli 1986 Blindengeld Sie bedarf der dauernden Pflege für alle Verrichtungen
des täglichen Lebens.
Sie lebt mit ihren Eltern und ihrem Bruder in dem Einfamilienhaus ihrer Eltern. Das Hausgrundstück ist 405 qm groß. Das Einfamilienhaus
verfügt über ca. 721 m3 umbauten Raum und eine Wohnfläche von 120,64 m².
Mit Bescheid vom ... bewilligte der Beklagte Hilfe zur Pflege als Darlehen.
Das VG hat den Beklagten verpflichtet, der Klägerin das ihr bewilligte Pflegegeld als Zuschuß zu gewähren. Die Berufung war
erfolglos.
Entscheidungsgründe:
Das VG hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, die Hilfe zur Pflege als Zuschuß zu gewähren. Der Klägerin steht ein Anspruch
auf Hilfe zur Pflege gemäß §§ 69 Abs. 4 Satz 2, 24 Abs. 2 Satz 1 BSHG in der hier für diesen Zeitraum anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 20.1.1987 (BGBl. I S. 401, 494) als Zuschuß zu.
Die Klägerin gehört - dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten - zum Personenkreis derjenigen Pflegebedürftigen,
die nach §§ 68, 69 Abs. 4 Satz 2, 24 Abs. 2 Satz 1 BSHG F. 1987 einen Anspruch auf das in Rede stehende Pflegegeld haben. Auch der Senat hat keine Veranlassung, das Vorliegen der
Voraussetzungen der genannten Bestimmungen in Zweifel zu ziehen. Gemäß § 28 BSHG wird die zu gewährende Hilfe in besonderen Lebenslagen und damit auch die Hilfe zur Pflege nach Abschnitt 3 des Bundessozialhilfegesetzes
jedoch nur gewährt, soweit dem Hilfesuchenden, seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten und, wenn er - wie hier - minderjährig
und unverheiratet ist, auch seinen Eltern die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Bestimmungen
des Abschnitts 4 nicht zuzumuten ist.
Für den hier streitbefangenen Zeitraum war nach Maßgabe der für diesen Hilfezeitraum maßgebenden Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes
der Klägerin und ihren Eltern nicht zuzumuten, die Mittel für die Deckung des geltend gemachten Hilfebedarfs aus dem im Grundbuch
von ... eingetragenen Hausgrundstück aufzubringen.
Das Grundstück war zwar verwertbares Vermögen gemäß § 88 Abs. 1 BSHG. Es stand (und steht) im Eigentum der Eltern und war rechtlich und tatsächlich verwertbar. Durch eine Verwertung des Hausgrundstücks
hätte auch der streitige Bedarf an sich gedeckt werden können. ...
Es handelte sich bei diesem Hausgrundstück im hier streitbefangenen Zeitraum jedoch um Schonvermögen im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG in der mit Wirkung ab 1.1.1991 aufgrund des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes vom 10.12.1990 (BGBl.
I S. 2644) in Kraft getretenen neuen Fassung - im folgenden: BSHG F. 1991 -. Nach dieser Vorschrift darf die Sozialhilfe und damit auch das nach § 69 Abs. 4 Satz 2 BSHG zu zahlende Pflegegeld nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks,
das vom Hilfesuchenden oder einer anderen in den §§ 11 bis 28 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder
teilweise bewohnt wird und nach seinem Tod bewohnt werden soll (Satz 1). Die Angemessenheit des Hausgrundstücks bestimmt sich
nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (z.B. Behinderter, Blinder oder Pflegebedürftiger), der Grundstücksgröße, der Hausgröße,
dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes (Satz 2).
Insoweit hat die seit dem 1. Januar 1991 geltende Neuregelung des § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG an dem Erfordernis, alle Gesichtspunkte, die für die Individualisierung eines Anspruchs auf Sozialhilfe von Bedeutung sind,
abzuwägen, nichts geändert,
vgl. OVG NW, Beschluß vom 8.12.1994 - 8 E 877/94 -, Mergler/Zink, Bundessozialhilfegesetz, 4. Aufl. 1993, § 88 Rdnr. 51c; Oestreicher/ Schelter/Kunz, Bundessozialhilfegesetz, 4. Aufl. 1993, § 88 Rdnr. 15.
Allerdings sieht die Neuregelung in § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 3 BSHG F. 1991 nunmehr jedoch vor, daß Familienheime und Eigentumswohnungen im Sinne der §§ 7 und 12 II. WoBauG in der Regel nicht unangemessen groß sind, wenn ihre Wohnfläche die Grenzen des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 iVm Abs. 2 II. WoBauG, bei häuslicher Pflege im Sinne des § 69 BSHG die Grenzen des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 iVm § 82 II. WoBauG nicht übersteigt.
Bei dem im Eigentum der Eltern der Klägerin stehenden Einfamilienhaus handelt es sich gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 3 BSHG F. 1991 um ein Familienheim im Sinne des § 7 II. WoBauG, da es nach Größe und Grundriß dazu bestimmt ist, den Eltern der Klägerin und ihrer Familie als Heim zu dienen. Es ist auch
im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG F. 1991 nicht unangemessen groß.
Ob die Regelung des § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 3 BSHG F. 1991 nur eine gesetzliche Konkretisierung allein des in Satz 2 der Vorschrift genannten Kriteriums der Hausgröße ist,
so Zeitler, Das "angemessene" Hausgrundstück und das für dessen Anschaffung vorhandene Vermögen, NDV 1991, 73; Mergler/Zink, Kommentar zum Bundessozialhilfegesetz, 4. Aufl. 1993, § 88 Anm. 51e,
oder (weitergehend) eine gesetzliche Vermutung beinhaltet, daß solche Familienheime in der Regel insgesamt angemessen im Sinne
des § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 1 BSHG F. 1991 sind, soweit dies nicht durch die Anwendung der übrigen in Satz 2 der Vorschrift genannten Kriterien widerlegt wird,
so u.a. Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum Bundessozialhilfegesetz, 14. Aufl. 1993, § 88 Anm. 58; Oestreicher/Kunz, Bundessozialhilfegesetz, aaO, § 88 Rdnr. 16,
ist bislang nicht hinreichend geklärt,
offengelassen auch von OVG NW, Urteil vom 25. August 1994 - 24 A 1895/92 -; Beschluß vom 8.12.1994 - 8 E 877/94 -.
Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit nicht eindeutig. Die in der Regelung des Satzes 3 enthaltene Formulierung, u.a. Familienheime
seien (bei Vorliegen der im Wenn-Satz genannten Voraussetzungen) nicht unangemessen "groß", läßt nicht zweifelsfrei erkennen,
ob sie sich lediglich auf eines der im vorhergehenden Satz 2 genannten Kriterien (etwa die "Hausgröße") bezieht oder ob sie
(bei Vorliegen der im Wenn-Satz genannten Voraussetzungen) Familienheime grundsätzlich als "in der Regel" nicht unangemessen
groß qualifiziert. Für die erste Auslegungsalternative spricht, daß die Regelung des Satzes 3 unmittelbar an den vorhergehenden
Satz 2 anschließt und daß das in Satz 3 verwendete Adjektiv ("groß") sprachlich nicht auf alle in Satz 2 genannten Einzelkriterien
Anwendung finden kann, sondern nur solche, die einer näheren Bezeichnung als "groß" zugänglich sind (z.B. "Hausgröße"). Gegen
diese Auslegung spricht jedoch, daß der Gesetzeswortlaut der Regelung in § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 3 BSHG F. 1991 sich eben grundsätzlich auf "Familienheime und Eigentumswohnungen", nicht aber auf einzelne der in § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG F. 1991 aufgeführten Kriterien bezieht. Hätte durch § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 3 BSHG nur eine Regelung hinsichtlich eines der in § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG F. 1991 genannten Kriterien (z.B. "Hausgröße") getroffen werden sollen, hätte es nahegelegen, die Vorschrift des Satzes 3
etwa wie folgt zu formulieren: "Bei Familienheimen und Eigentumswohnungen im Sinne der §§ 7 und 12 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes
ist die Hausgröße in der Regel nicht unangemessen groß, wenn ...". Wenn die gesetzliche Formulierung in § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 3 BSHG F. 1991 dennoch sprachlich die vorgesehene Rechtsfolge ("... sind in der Regel nicht unangemessen groß, ...") auf "Familienheime
und Eigentumswohnungen" der dort angegebenen Art bezieht, legt dies die Schlußfolgerung nahe, daß die Angemessenheit eines
Hausgrundstückes im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG F. 1991 bei Familienheimen (und Eigentumswohnungen) im Sinne der §§ 7 und 12 II. WoBauG in der Regel eben (ausschließlich) nach der Wohnfläche jedenfalls dann bestimmt werden soll, wenn die Wohnfläche die in Satz
3 der Vorschrift genannten Grenzen nicht übersteigt und wenn im Hinblick auf die in Satz 2 genannten anderen Kriterien keine
Anhaltspunkte für einen atypischen Fall vorliegen, also keine Abweichung vom Regelfalle erfordern.
Für diese Auslegung spricht vor allem auch die erkennbare Zweckrichtung der Vorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG F. 1991; dagegen läßt die Entstehungsgeschichte keine eindeutigen Schlußfolgerungen zu.
Der Gesetzentwurf wurde in der 11. Legislaturperiode vom Bundesrat auf der Grundlage eines früheren vom Freistaat Bayern,
vgl. dazu BR.-Drucks. 134/86; Nees, ZfSH/SGB 1987, S. 11 ff. ,
vorgelegten Gesetzesantrages eingebracht,
BT-Drucksache 11/391.
Der Gesetzesvorschlag des Bundesrates sah vor, daß "Familienheime und Eigentumswohnungen im Sinne der §§ 7 und 12 des Zweiten
Wohnungsbaugesetzes ... jedenfalls dann nicht unangemessen groß (sind), wenn ihre Wohnfläche die Grenzen des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 iVm Abs. 2 des II. WoBauG, bei der häuslichen Pflege (§ 69) die Grenzen des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 iVm § 82 des II. WoBauG nicht übersteigt."
In der Begründung des Gesetzentwurfs hieß es dazu:
"Mit der Anbindung an die Wohnflächengrenzen des II. WoBauG beim Familienheim mit einer Wohnung und bei der Eigentumswohnung wird für alle typischen Sozialhilfefälle eine einfache Bezugsgröße
geschaffen; die Sozialhilfepraxis kann hier ohne weitere Prüfung davon ausgehen, daß ein Hausgrundstück, das diese Voraussetzungen
erfüllt, angemessen im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG ist. In den atypischen Fällen (ca. 10 v.H.), so beispielsweise, wenn ein Familienheim mit zwei Wohnungen vom Familienverband
bewohnt wird, ist die Entscheidung über die Angemessenheit vor allem anhand der personenbezogenen Kriterien zu treffen, wobei
die Grundsätze des II. WoBauG in Verbindung mit den Grundprinzipien des Sozialhilferechts zur Auslegung herangezogen werden können."
Vgl. BT-Drucksache 11/391, S. 6.
Danach sollte also in den "typischen" Fällen für die Qualifizierung eines Hausgrundstückes als angemessen im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 1 BSHG allein die Wohnfläche (in den genannten Grenzen) maßgeblich sein. Dies sollte in allen "typischen Sozialhilfefällen" für
alle Familienheime und Eigentumswohnungen im Sinne der §§ 7 und 12 II. WoBauG gelten, wenn die in der Regelung genannten Wohnflächengrenzen nicht überstiegen waren. Damit sollte, wie es in der Begründung
hieß, eine "einfache Bezugsgröße geschaffen" werden, damit die Sozialhilfepraxis ohne weitere Prüfung - abgesehen von den
"atypischen Fällen" - davon ausgehen konnte, daß ein die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllendes Hausgrundstück grundsätzlich
angemessen im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG ist. Die von der Rechtsprechung auf der Grundlage der bis dahin geltenden gesetzlichen Regelung entwickelte sogenannte Kombinationsmethode
sollte mithin nur noch zum Zuge kommen, wenn es sich entweder nicht um ein Familienheim oder eine Eigentumswohnung im dargelegten
Sinne oder aber um einen atypischen Fall handelte.
Nachdem dieser Gesetzentwurf aus fiskalischen Gründen von der Bundesregierung abgelehnt und im Bundestag zunächst keine Mehrheit
gefunden hatte,
vgl. dazu die ablehnende Beschlußempfehlung des federführenden Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit vom
19.9.1990, BT-Drucks. 11/7928, S. 3, 5,
erarbeitete dann der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat einen Kompromißvorschlag, der schließlich auch als endgültige
Gesetzesfassung verabschiedet wurde und mit Wirkung ab 1. Januar 1991 in Kraft trat,
vgl. die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach § 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) vom 25.10.1990, BT. -Drucks.
11/8209, S. 2.
Der zuständige Berichterstatter im Bundestag, der Abgeordnete Dr. Hüsch (CDU/CSU), führte dabei im Rahmen der Gesetzesberatungen
im Deutschen Bundestag aus, hinsichtlich der zu § 88 Abs. 2 Nr. 7 des Bundessozialhilfegesetzes vorgeschlagenen Regelung folge
der Vorschlag des Vermittlungsausschusses "dem in Bezug auf den geschützten Personenkreis gegenüber dem jetzigen Gesetzeswortlaut
weitergehenden Anrufungsbegehren des Bundesrates, um dem Schutzzweck der Vorschrift gerecht zu werden." Hinsichtlich der "Angemessenheit
eines nicht zu verwertenden Hausgrundstückes" solle jedoch künftig - anders als im Bundesratsantrag - "nicht nur auf ein Merkmal,
nämlich die Größe", abgestellt werden. Der Vermittlungsausschuß schlage daher vor,
"entsprechend der von der Rechtsprechung entwickelten Kombinationstheorie, die Frage der Angemessenheit anhand verschiedener
Merkmale zu beurteilen, um der Sozialhilfepraxis ein flexibleres Reagieren auf die jeweiligen tatsächlichen Umstände durch
Abwägung der verschiedenen Merkmale zu ermöglichen. Erst eine solche Abwägung verschiedener Merkmale schafft den Raum dafür,
dem Einzelfall gerecht zu werden."
Vgl. Deutscher Bundestag, 11. Wahlperiode, 234. Sitzung vom 31.10.1990, S. 18.691 B und C.
Diese Formulierungen legen die Schlußfolgerung nahe, nach Auffassung des zuständigen Berichterstatters im Bundestag solle
- im Gegensatz zum Vorschlag des Bundesrates - auch künftig stets entsprechend der von der Rechtsprechung entwickelten sog.
Kombinationsmethode die Frage der Angemessenheit in jedem Einzelfall umfassend anhand der verschiedenen in § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG genannten Merkmale beurteilt werden. Dagegen sprechen aber die anschließenden Darlegungen des Berichterstatters und der weitere
Fortgang der Beratungen. Der Berichterstatter Dr. Hüsch führte nämlich ergänzend aus:
"Um mehr Rechtssicherheit zu schaffen, hält es der Vermittlungsausschuß jedoch für erforderlich, hinsichtlich der Größe auf
Vorschriften des Zweiten Wohnungsbaugesetzes Bezug zu nehmen. Diese Festschreibung sollte allerdings nicht in Form absolut
feststehender Grenzwerte, sondern nur für den Regelfall erfolgen, um auch künftig der Sozialhilfepraxis die Möglichkeit zu
belassen, auf außergewöhnliche Fälle, wie etwa unverhältnismäßig hohe Wertsteigerung eines Hausgrundstückes, zu reagieren."
Vgl. Deutscher Bundestag, 11. Wahlperiode, 234. Sitzung vom 31.10.1990, S. 18.691 C.
Danach sollte also - ungeachtet der den Kompromißcharakter der Regelung offenbarenden teilweise widersprüchlichen Formulierungen
- "hinsichtlich der Angemessenheit eines nicht zu verwertenden Hausgrundstückes" insgesamt zwar nicht allein und ausschließlich
auf die Größe der Wohnfläche abgestellt werden; in "außergewöhnlichen Fällen" (z.B. bei unverhältnismäßig hoher Wertsteigerung
des Hausgrundstückes) sollten auch die anderen in § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG genannten Kriterien maßgebliches Gewicht haben (können).
Der Abgeordnete Jaunich sah für die Fraktion der SPD dagegen durch den Vorschlag des Vermittlungsausschusses insgesamt die
frühere "Bundesratsfassung im Prinzip wiederhergestellt",
vgl. ebenda, S. 18.691 f.
Auf Widerspruch ist diese letztere Darstellung der Zielsetzung des Kompromißvorschlages des Vermittlungsausschusses im weiteren
Gesetzgebungsverfahren nicht gestoßen.
Letztlich entscheidend für die Annahme einer gesetzlichen Regelvermutung spricht die erkennbare objektive Zielsetzung ("Sinn
und Zweck") der Vorschrift. Entschließt sich nämlich der Gesetzgeber dazu, eine gesetzliche Vermutungsregelung aufzustellen,
wonach bei Vorliegen gesetzlich bestimmter Voraussetzungen "für den Regelfall" eine normierte Rechtsfolge eintreten soll,
so ist damit eine höhere normative Regelungsdichte verbunden als bei Normierung eines an Einzelkriterien geknüpften allgemeinen
Abwägungsgebots. Denn die rechtsanwendenden Behörden und Gerichte haben dann im Regelfall, sofern keine Anhaltspunkte für
eine atypische Fallgestaltung vorliegen, grundsätzlich die gesetzliche Rechtsfolge ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Sowohl
für die Verwaltung und die Gerichte als auch für die Bürger ist damit ein größeres Maß an Rechtssicherheit verbunden. Genau
darauf zielt die Neuregelung der Vorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 7 Sätze 2 und 3 BSHG F. 1991 gegenüber der früheren Fassung des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG F. 1987. Sie soll Bürgern und Verwaltung klarere Beurteilungskriterien ("mehr Rechtssicherheit") gegenüber der früheren Vorschrift
des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG F. 1987 an die Hand geben,
vgl. dazu u.a. Nees, ZfSH/SGB 1987, S. 1 ff., 2 ff.; BT. -Drucks. 11/391, S. 5; Abgeordnete Hüsch und Jaunich, 234. Sitzung des Deutschen Bundestages, aaO., S. 18.691,
18.692.
Die Erreichung des gesetzgeberischen Ziels einer größeren Rechtssicherheit als bei der früheren Regelung würde zwar auch schon
gefördert, wenn die Vorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 3 BSHG dahin verstanden würde, daß sie nur eine nähere Regelung hinsichtlich des in § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG F. 1991 genannten Kriteriums der "Hausgröße" enthalten würde. Am ehesten wird das gesetzgeberische Ziel, "mehr Rechtssicherheit
zu schaffen", jedoch bei der hier dargelegten Auslegung erreicht, wonach im Regelfall die Angemessenheit eines nicht zu verwertenden
Hausgrundstückes im Sinne der Sätze 1 und 2 des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG zu bejahen ist, wenn die im Satz 3 genannten Wohnflächengrenzen nicht überschritten sind und sich im Hinblick auf die in
Satz 2 aufgeführten Einzelkriterien keine Anhaltspunkte für eine "atypische Fallgestaltung" ergeben.
Diese Auslegung entspricht zudem am besten dem weiteren Ziel der gesetzlichen Neuregelung, den Schutz eines Familienheimes
(und einer Eigentumswohnung), das vom Hilfesuchenden oder einer der in den §§ 11 und 28 BSHG genannten Personen allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach seinem Tod bewohnt werden
soll, zu verbessern. Denn nach Auffassung des Gesetzgebers hatte die frühere Gesetzesfassung, die bei der Beurteilung der
Nicht-Verwertbarkeit eines Hausgrundstückes allein auf die sogenannte Kombinationsmethode, also auf eine umfassende Bewertung
der Einzelkriterien (der Zahl der Bewohner, des Wohnbedarfs, die Grundstücksgröße, der Hausgröße, des Zuschnitts und der Ausstattung
der Wohnung sowie des Wertes des Grundstücks) abstellte, keinen "ausreichenden sozialhilferechtlichen Schutz des Familienheimes"
geboten und keine bundeseinheitliche Gesetzesanwendung gewährleistet,
vgl. BT.-Drucks. 11/391, S. 5; Bericht der Abgeordneten Hüsch und Jaunich, Deutscher Bundestag, 234. Sitzung, aaO., S. 18.691
f.; vgl. dazu auch OVG NW, Urteil vom 25.8.1994 - 24 A 1895/92 -; Wendt, Zur gesetzlichen Neuregelung des Vermögensschutzes in § 88 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz, NDV 1991, S. 93, 95.
Wird nun aber die Angemessenheit eines nicht zu verwertenden Hausgrundstücks "im Regelfall" gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 3 BSHG F. 1991 nach der relativ leicht zu ermittelnden Größe der Wohnfläche beurteilt - sofern im Hinblick auf die anderen in §
88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG F. 1991 genannten Kriterien keine Anhaltspunkte für die Annahme eines atypischen Falles vorliegen -, so steht der Verwaltung
und den Gerichten ein Maßstab zur Verfügung, der nicht nur eine einheitlichere Praxis im Vollzug des Gesetzes und damit letztlich
den betroffenen Bürgern größere Rechtssicherheit zu gewährleisten vermag. Zugleich wird damit auch der sozialhilferechtliche
Schutz von Familienheimen und Eigentumswohnungen (im Sinne der §§ 7 und 12 II. WoBauG) erweitert. Wenn nämlich deren Wohnfläche die in der Vorschrift genannten Grenzwerte nicht überschreitet, sind sie grundsätzlich
- von atypischen Fallgestaltungen abgesehen - als im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 1 BSHG F. 1991 "angemessene" Hausgrundstücke anzusehen.
Unter Zugrundelegung dieser Auslegung ist das Familienheim der Eltern der Klägerin nicht unangemessen groß im Sinne des §
88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 3 BSHG F. 1991. ...
Anhaltspunkte dafür, daß vorliegend ein "atypischer Fall" in Rede stünde, sind hier nicht ersichtlich. Solche Anhaltspunkte
sind weder von den Beteiligten vorgetragen worden noch sonst erkennbar.