Gründe
I.
Streitig ist eine monatliche Aufrechnung eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld
II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) mit einer Darlehensrückforderung sowie die einstweilige Einstellung einer Vollstreckung.
Der Antragsteller (ASt) bezieht seit 01.01.2005 Alg II vom Antragsgegner (Ag). Im Hinblick auf 17 landwirtschaftliche Grundstücke
in A-Stadt und B-Stadt, die der Ag mit einem Gesamtwert von 19.622,50 EUR veranschlagte, wurden dem ASt für die Zeit vom 01.01.2009
bis 31.12.2010 darlehensweise Alg II gewährt (Bescheid vom 18.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2009,
Bescheid vom 04.06.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
29.10.2009, Bescheid vom 07.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2010 und Bescheid vom 14.06.2010 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011). Die Klage gegen die Bewilligung als Darlehen hat das Sozialgericht
Würzburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2011 abgewiesen (S 9 AS 195/09). Sowohl das dagegen gerichtete Berufungsverfahren beim Bayerischen Landessozialgericht (Urteil vom 02.02.2012 - L 11 AS 162/11) als auch die anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundessozialgericht (Beschluss vom 10.05.2012
- B 4 AS 64/12 B) waren ohne Erfolg.
Am 03.12.2010 verkaufte der ASt acht seiner Grundstücke (Wald- und Landwirtschaftsflächen) für insgesamt 6.224,09 EUR. Mit
"Zahlungsaufforderung" vom 05.07.2012 stellte der Ag die Darlehenssumme aus der Leistungsbewilligung für die Zeit von Januar
2009 bis einschließlich Dezember 2010 iHv 11.870,04 EUR gegenüber dem ASt fällig und verfügte mit Bescheid vom 23.07.2012
eine monatliche Aufrechnung der Forderung mit dem laufenden Alg II im Umfang von 10% des jeweils maßgebenden Regelbedarfs.
Mit Schreiben vom 07.08.2012 erhob der ASt bei der Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Bayern - Forderungsmanagement
in Bogen (BA) Widerspruch "gegen diesen Bescheid" und beantragte die Niederschlagung der gesamten Darlehensforderung. Der
Ag wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 zurück. Die dagegen vom ASt erhobene Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2013 (S 18 AS 665/12) abgewiesen. Über die dagegen beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegte Berufung (L 11 AS 152/14) ist bislang nicht entschieden.
Nachdem der Ag zwischenzeitlich die Aufrechnung ausgesetzt hatte, teilte er mit Schreiben vom 09.01.2014 mit, dass ab Februar
2014 wieder in monatlichen Raten zu 39,10 EUR (10% des maßgebenden Regelbedarfs) aufgerechnet werde. Den dagegen eingelegten
Widerspruch wies der Ag mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2014 zurück. Es handele sich bei dem angefochtenen Bescheid nicht
um einen Verwaltungsakt, da im Hinblick auf den Bescheid vom 23.07.2012 keine neue Entscheidung getroffen worden sei. Wegen
des diesbezüglichen Klageverfahrens sei nur der Vollzug der Aufrechnung durch die aufschiebende Wirkung ausgesetzt gewesen.
Mit Abschluss des Gerichtsverfahrens (S 18 AS 665/12) sei die aufschiebende Wirkung entfallen und die Aufrechnung ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt fortzusetzen.
Nachdem das B. - Vollstreckungsstelle - (HZA) die Vollstreckung der Forderungen aus dem Darlehen für die BA mit Schreiben
vom 29.10.2013 angekündigt hatte, erlies dieses am 02.01.2014 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die der V-Bank als
Drittschuldner am 08.01.2014 zugestellt wurde. Über den dagegen vom ASt eingelegten Einspruch ist bislang nicht entschieden.
Am 29.01.2014 hat sich der ASt mit einer "Eil Antrags Klage" gegen die Aufrechnung ab 01.02.2014 und die Pfändung ab 08.01.2014
an das SG gewandt. Das SG hat mit Beschluss vom 22.02.2014 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Ag abgelehnt. Dem Antrag
hinsichtlich der Aufrechnung fehle ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Ag werde die aufschiebende Wirkung der dagegen eingelegten
Klage nach eigenen Angaben von Amts wegen berücksichtigen. Auch hinsichtlich des Antrages bezüglich der einstweiligen Einstellung
der Vollstreckung fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Vor der Inanspruchnahme des Gerichts hätte der Ag einen entsprechenden
einstweiligen Aussetzungsantrag beim HZA stellen müssen.
Dagegen hat der ASt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Es sei bislang keine ordnungsgemäße Vermögensprüfung
bei ihm vorgenommen worden. Ein erlösbares Vermögen sei Ende 2008 nicht vorhanden gewesen. Die Beweislast treffe insofern
den Ag. Der Ag hat mitgeteilt, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Aufrechnung im Hinblick auf das noch anhängige
Berufungsverfahren (L 11 AS 152/14) von Amts wegen beachtet werde.
Einen Befangenheitsantrag gegen den Berichterstatter hat der Senat ohne Mitwirkung des Berichterstatters mit Beschluss vom
10.06.2014 abgelehnt (L 11 SF 132/14 AB).
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Ag und des HZA sowie die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§
172 Abs
1,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht den Antrag des ASt auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.
Gegenstand des Verfahrens ist zunächst die vom Ag mit Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
18.09.2012 erklärte monatliche Aufrechnung der Darlehensforderung mit dem laufenden Alg II im Umfang von 10% des jeweils maßgebenden
Regelbedarfs. Der diesbezügliche Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist bereits unzulässig, da es an dem hierfür notwendigen
Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Der Ag hat mitgeteilt, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Aufrechnung im Hinblick
auf das noch anhängige Berufungsverfahren (L 11 AS 152/14) von Amts wegen beachtet werde. Damit wird derzeit eine Aufrechnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens
nicht durchgeführt. Der diesbezügliche Antrag des ASt auf einstweiligen Rechtsschutz ist unzulässig.
Im Weiteren ist vorliegend ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Ag im Hinblick auf die Vollstreckung aus der
Darlehensforderung streitgegenständlich. Neben einem Rechtsschutz gegen die Aufrechnung kommt ein solcher in Bezug auf den
Ag allerdings allenfalls bezüglich der "Zahlungsaufforderung" vom 05.07.2012 in Betracht. Dabei handelt es sich nach Auffassung
des Senats bei dem Schreiben vom 05.07.2012 um einen Leistungsbescheid in Form eines Verwaltungsaktes iSv § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Dieser Leistungsbescheid ist nach § 40 Abs 6 SGB II iVm §
3 Abs
2 Buchst a
Verwaltungsvollstreckungsgesetz (
VwVG) auch Vollstreckungsvoraussetzung. Der Leistungsbescheid fungiert in der Verwaltungsvollstreckung wegen Geldforderungen als
Vollstreckungstitel und stellt den zu vollstreckenden Anspruch eindeutig fest (vgl Engelhardt/App in: Engelhardt/ App/Schlatmann/Glotzbach,
VwVG/VwZG, 9. Aufl, §
3 VwVG Rn 1). Er ist dabei von der bloßen Zahlungsaufforderung abzugrenzen, was ggf. durch Auslegung dahingehend zu ermitteln ist,
ob sich den gewählten Formulierungen unter Berücksichtigung des maßgebenden rechtlichen Gesichtspunktes des "Empfängerhorizonts"
eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen
hat, entnehmen lässt, dass eine verbindliche Regelung durch Verwaltungsakt getroffen werden sollte (vgl BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 4 R 75/06 R; Urteil vom 25.01.2011 - B 5 R 14/10 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.09.2012 - L 19 AS 1379/12 B - alle zitiert nach juris). Im Schreiben vom 05.07.2012 wird der ASt zur Zahlung des gesamten Darlehensbetrages von 11.870,04
EUR aufgefordert und mitgeteilt, die Rückzahlung sei zum 25.07.2012 fällig. Letztlich hat der Ag damit insbesondere seine
Forderung fällig gestellt und den Rückzahlungsbetrag festgesetzt. Dies ist zuvor nur teilweise erfolgt. So enthält z.B. der
Bescheid vom 18.12.2008 den Hinweis, dass das Darlehen bei Verwertung der Grundstücke sofort in einem Gesamtbetrag zur Rückzahlung
fällig sei, in anderen Bewilligungsbescheiden, wie z.B. dem Änderungsbescheid vom 17.07.2009 oder dem Bescheid vom 17.03.2010
sind keine Angaben zur Fälligkeit enthalten. Im Übrigen hat der Ag auch mit der Fälligstellung der Beträge zum 25.07.2012
diesbezüglich ein anderes Datum festgesetzt, nämlich nicht den Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung sondern einen späteren
Zeitpunkt. Schließlich hat sich der Ag im Hinblick auf die Art der Vollstreckung nicht zu einem Vorgehen nach § 66 Abs 4 SGB X iVm den Vorschriften der
ZPO entschieden. Er wollte die Vollstreckung nach dem
VwVG einleiten (§ 66 Abs 1 SGB X), wofür es eines Leistungsbescheides bedurfte, für dessen Erlass der Ag als Gläubiger auch zuständig gewesen ist (vgl dazu
LSG Nordrhein-Westfalen aaO).
Die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz im Hinblick auf den Bescheid vom 05.07.2012 kommt jedoch nicht in Betracht. Der
ASt hat gegen den Bescheid vom 05.07.2012 keinen Widerspruch eingelegt. Auch wenn dem Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung
beigefügt gewesen ist, wäre der Widerspruch binnen Jahresfrist zu erheben gewesen (§
84 Abs
2 Satz 3
SGG iVm §
66 Abs
2 SGG). Dies ist nicht erfolgt. Der ASt hat sich alleine gegen die mit Bescheid vom 23.07.2012 erklärte monatliche Aufrechnung
gewandt und insofern Widerspruch eingelegt. Auch die Beantragung eines Erlasses oder einer Niederschlagung der Forderung können
nicht als Widerspruch ausgelegt werden, da diese eine zu vollstreckende Forderung voraussetzen und hierfür der Ag auch nicht
zuständig wäre. Damit ist aber die fällige Leistungsverpflichtung des ASt mit dem Bescheid vom 05.07.2012 für die Beteiligten
in der Sache bindend (§
77 SGG). Für die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz besteht dann kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.
Mangels einer (bislang ergangenen) Entscheidung des SG ist ein einstweiliger Rechtsschutz im Hinblick auf einen Erlass oder eine Niederschlagung nicht Gegenstand der Beschwerde.
Hier wäre ggf. - sofern die Auslegung der Schreiben des ASt ergeben würde, dass auch dies beantragt sein soll - zu prüfen,
welche Behörde hierfür zuständig wäre. Dies dürfte vorliegend auch die BA als Vollstreckungsanordnungsbehörde sein (vgl dazu
BayLSG, Beschluss vom 29.04.2014 - L 7 AS 260/14 B ER - juris).
Gleiches gilt für die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz im Hinblick auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des
HZA vom 02.01.2014. Hier hat das SG über einen etwaigen Antrag gegen das HZA nicht entschieden, sondern nur im Verhältnis zwischen ASt und Ag eine Entscheidung
getroffen. Für den Rechtsschutz gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung und die einstweilige Einstellung oder Beschränkung
der Vollstreckung (§
4 VwVG iVm §
258 Abgabenordnung -
AO-) wäre nach § 33 Abs 1 Nr 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auch die Finanzgerichtsbarkeit zuständig (vgl dazu BayLSG aaO). Dort besteht ebenfalls die Möglichkeit der Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes (§ 114 FGO).
Sofern das SG zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der ASt auch einstweiligen Rechtsschutz gegenüber der BA und dem HZA beantragt haben
sollte, wird es in den entsprechenden Verfahren - soweit noch nicht erfolgt - weitere Entscheidungen zu treffen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).