Anspruch auf sofortige Auszahlung einer Rentennachzahlung; kein Anordnungsgrund im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe
I.
In dem Beschwerdeverfahren ist die sofortige Auszahlung einer Rentennachzahlung streitig.
Mit Bescheid vom 06.02.2013 bewilligte die Beschwerdegegnerin (Bg) dem Beschwerdeführer (Bf) Altersrente für schwerbehinderte
Menschen ab 01.10.2012 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 697,00 EUR. Der Bescheid wurde mit Widerspruch vom 01.03.2013
angefochten.
Wegen der Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten stellte die Bg die Rente mit Bescheid vom 05.03.2014 neu fest. Der monatliche
Auszahlbetrag der Rente betrage nunmehr 799,11 EUR. Für die Zeit vom 01.10.2012 bis zum 30.04.2014 ergebe sich eine Nachzahlung
von 1.907,11 EUR. Die Nachzahlung werde vorläufig nicht ausgezahlt. Zunächst seien Erstattungsansprüche anderer Stellen zu
klären. Sobald die Höhe der Ansprüche bekannt sei, werde die Nachzahlung abgerechnet. In der Rechtsmittelbelehrung wies die
Bg darauf hin, dass der Bescheid aufgrund des Widerspruchs vom 01.03.2013 ergangen und nach §
86 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 06.02.2013 geworden sei.
Am 04.04.2014 hat der Bf beim Sozialgericht (SG) Würzburg beantragt, die Bg im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm die Rentennachzahlung in Höhe von
1.907,11 Euro sofort auszuzahlen. Diese Nachzahlung werde von ihm benötigt, da er Zusatzkosten für seine ärztliche Behandlung
zu zahlen habe. Seit Januar 2014 seien es Zusatzkosten in Höhe von 800,00 EUR gewesen. Es sei ihm nicht möglich, diese ständig
entstehenden Kosten aus seiner Rente zu bezahlen.
Die Bg hat dem SG ein Schreiben des Jobcenters Landkreis Würzburg vom 10.04.2014 zugeleitet, mit dem das Jobcenter einen Erstattungsanspruch
in Höhe von insgesamt 1.278,04 EUR gegenüber der Bg geltend macht, sowie ein Schreiben der Sozialhilfeverwaltung des Landkreises
Würzburg vom 22.04.2014, in dem eine Erstattung in voller Höhe des Nachzahlungsbetrages beansprucht wird.
Am 28.04.2014 hat die Bg dem SG einen Aktenauszug (Verfügung) vom 28.04.2014 über eine an den Bf gerichtete Abrechnung übersandt. Danach stehe von der einbehaltenen
Rentennachzahlung kein Nachzahlungsbetrag mehr zur Verfügung. Ein Betrag von 501,43 EUR sei zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs
des Jobcenters für die Zeit 01.10.2012 bis 28.02.2013 sowie ein Betrag von 1.405,68 Euro sei zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs
der Sozialhilfeverwaltung des Landkreises Würzburg für die Zeit 01.03.2013 bis 30.04.2014 verrechnet bzw. überwiesen worden.
Der geltend gemachte Erstattungsanspruch des Jobcenters bedürfe noch einer weiteren eingehenden Prüfung; der Erstattungsbetrag
von 501,43 Euro sei deshalb an das Jobcenter noch nicht ausgezahlt worden; zu gegebener Zeit ergehe hierzu eine weitere Nachricht.
Mit Beschluss vom 02.05.2014 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsanspruches
und eines Anordnungsgrundes seien nicht erfüllt. Nach den Erstattungsbegehren des Jobcenters und der Sozialhilfeverwaltung
des Landkreises Würzburg stehe aufgrund der Regelung des § 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) fest, dass der Bf keinen Anspruch mehr auf Auszahlung der begehrten 1.907,11 EUR oder eines Teilbetrags hiervon habe. Aber
auch ein Anordnungsgrund zur Abwendung wesentlicher Nachteile liege nicht vor. Der Bf begehre die sofortige Auszahlung einer
Rentennachzahlung für die Vergangenheit. Eine Leistungsverpflichtung im Wege der einstweiligen Anordnung komme für in der
Vergangenheit liegende Zeiträume nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Nichtgewährung in der Vergangenheit in die Gegenwart
fortwirke und eine gegenwärtige Notlage bewirke. Vorliegend bewirke aber die zu niedrige Rentenauszahlung in der Vergangenheit
eine - rückblickend betrachtet - umgekehrt zu hohe Auszahlung von Arbeitslosengeld II bzw. Sozialhilfe. Damit sei ein Anordnungsgrund
zu verneinen.
Hiergegen hat der Bf am 05.06.2014 Beschwerde zu Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Beschwerde diene zunächst zur Fristwahrung,
da er von den Leistungsträgern bisher keine Nachricht erhalten habe und die Angelegenheit ungeklärt sei.
Die Bg verweist unter dem 09.07.2014 auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss. Änderungen der Sach- oder Rechtslage hätten sich nicht ergeben.
Zur Ergänzung wird auf die beigezogene Akte der Bg und auf die Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zutreffend die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung verneint.
Nach §
86b Abs
2 S 2
SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dies setzt einen Anordnungsanspruch voraus,
also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Leistungen, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet.
Der Senat kann es für das Beschwerdeverfahren dahinstehen lassen, ob mit dem SG davon auszugehen ist, dass der Bf die Auszahlung der mit Bescheid vom 05.03.2014 festgestellten Nachzahlung nicht beanspruchen
kann.
Jedenfalls ist mit dem SG davon auszugehen, dass der Bf das Bestehen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht (vgl. §
920 Abs
2 Zivilprozessordnung i.V.m. §
86b Abs
2 S 4
SGG). Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ihm ein Abwarten der Entscheidung der Bg, ob und in welcher Höhe der Nachzahlungsbetrag
an ihn ausgezahlt wird, nicht zugemutet werden kann und ihm durch ein Abwarten wesentliche Nachteile entstehen könnten.
Zu berücksichtigen ist, dass die Bg noch über den Widerspruch vom 01.03.2013 entscheiden und hierbei auch über die Regelung
vom 05.03.2014 über den vorläufigen Einbehalt der Nachzahlung befinden wird. Aus der dem SG übersandten internen Verfügung vom 28.04.2014 ergibt sich für den Senat nicht, dass die Regelung über den vorläufigen Einbehalt
durch eine endgültige Abrechnung der Rentennachzahlung ersetzt wurde (zum VA-Erfordernis vgl. BSG Urteil vom 24.10.2013 - B 13 R 31/12 R).
Vorliegend ist nicht ersichtlich, inwieweit sich der Beschwerdeführer durch ein Abwarten hinsichtlich der Entscheidung über
die Nachzahlung überhaupt in einer Notlage befindet. Der pauschale Hinweis auf entstandene oder laufend entstehende Zusatzkosten
für ärztliche Behandlungen reicht nicht aus. Zudem bezog sich die Rentennachzahlung auf Zeiträume in der Vergangenheit. Für
Geldleistungen die Vergangenheit betreffend besteht in der Regel ohnehin kein Anordnungsgrund (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl., §
86b Rdnr 29a mwN).
Die Entscheidung über die Kosten ergeht entsprechend §
193 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).