Kein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Umschulung zum Heilerziehungspfleger bei Unvereinbarkeit
mit dem Leistungsvermögen
1. In einem Eilverfahren hat der Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) sowie
die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung (Anordnungsgrund) glaubhaft zumachen.
2. Hinsichtlich der Frage, "wie" die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen ist, bestimmt der Rentenversicherungsträger
gem. §
13 Abs.
1 S. 1
SGB VI im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung
dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen.
Gründe
I. Streitig ist die Gewährung einer Umschulung zum Heilerziehungspfleger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Der 1965
geborene Antragsteller beantragte am 31.01.2013 Leistungen auf Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Umschulung zum Heilerziehungspfleger.
Wegen Beschwerden im Sprunggelenk und den Knien könne er die von ihm ausgeübte Tätigkeit als Saugwagenfahrer und Kanalreiniger
nicht mehr ausüben. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 13.05.2013 ab. Sie bewilligte aber auf den Widerspruch
hin mit Bescheid vom 25.09.2013 Leistungen zur Teilhabe dem Grund nach. Die Umschulung zum Heilerziehungspfleger lehnte sie
ab, weil bei der vorliegenden Minderbelastbarkeit des Stütz- und Bewegungsapparates des Antragstellers das Leistungsbild des
Heilerziehungspflegers nicht eingehalten werden könne. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid
vom 13.01.2014 zurück. Dagegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben (S 9 R 104/14). Am 01.07.2014 hat der Antragsteller beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die begehrten Leistungen für die
Umschulung zum Heilerziehungspfleger ab dem 01.09.2014 (Ausbildungsbeginn) zu gewähren. Mit den bei ihm bestehenden Leiden
könne er ohne weiteres die konkret zu erwartenden Tätigkeiten als Heilerziehungspfleger im Raum A./W. bei den potentiellen
Arbeitgebern AWO Kreisverband F. e.V., Diakonie N. und der Lebenshilfe A. bewältigen. Aus der Tätigkeitsbeschreibung Heilerziehungspfleger
des AWO-Therapiezentrums C. vom 22.04.2014 werde deutlich, dass die für ihn konkret in Aussicht stehende längerfristige Anstellung
als Heilerziehungspfleger einen sehr geringen Grad an körperlicher Arbeit erfordere und somit als leidensgerecht anzusehen
sei. Nach Bescheinigungen der Gemeinschaftspraxis M. seien erhöhte Anforderungen an die Belastbarkeit des Stütz- und Bewegungsapparates
bei der konkret beabsichtigten Ausbildung und Tätigkeit als Heilerziehungspfleger im AWO-Therapiezentrum C. nicht zu erwarten.
Die Antragsgegnerin hat unter dem 08.07.2014 ausgeführt, der Beruf des Heilerziehungspflegers sei für den Antragsteller nicht
leidensgerecht, da ihm aufgrund der Minderbelastbarkeit seines Stütz- und Bewegungsapparates schweres Heben, Tragen und Stützen
von behinderten Menschen nicht uneingeschränkt möglich sei. Damit stehe er einer Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt im angestrebten
Beruf nicht vollumfänglich zur Verfügung und ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Mit Beschluss vom 05.08.2014 hat das
SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch auf Gewährung der Umschulung zum Heilerziehungspfleger
würde nur bestehen, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegen würde, d.h. die Umschulung zum Heilerziehungspfleger
die einzige rechtlich vertretbare Entscheidung der Antragsgegnerin sei. Nach summarischer Prüfung sei nicht von einer Ermessensreduzierung
auf Null auszugehen. Denn das Leistungsbild des Heilerziehungspflegers sehe laut Berufenet schweres Heben und Tragen (z.B.
Menschen mit Behinderung heben, stützen oder umbetten) vor, da Heilerziehungspfleger bettlägerigen oder kranken Menschen bei
der Körperpflege sowie beim An- und Auskleiden (Grundpflege) helfen würden. Aus diesem Grund erfordere die Arbeit mit Menschen
mit schwerer Behinderung häufig hohen Körpereinsatz, der sehr mühsam und körperlich anstrengend sein könne. Beim Antragsteller
bestünden Probleme beim Sprunggelenk und den Knien sowie bei der Halswirbelsäule. Aus diesem Grunde habe Dr. E. in seiner
arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 08.03.2013 eine negative Prognose für die körperlich schwere Tätigkeit als Saugwagenfahrer
und Kanalreiniger abgegeben. Die Ärztinnen der Antragsgegnerin hätten jedoch in ihren Stellungnahmen vom 05.08.2013 und 06.08.2013
sowie 13.09.2013 festgestellt, dass eine Umschulung zum Heilerziehungspfleger aus somatischer Sicht bei der vorliegenden Minderbelastbarkeit
des Stütz- und Bewegungsapparates nicht leidensgerecht sei. Zwar habe der Antragsteller vorgebracht, es gebe vielfältige Einsatzmöglichkeiten
für den Heilerziehungspfleger, die mit äußerst geringer körperlicher Belastung verbunden wären. Da das Leistungsbild des Heilerziehungspflegers
jedoch auch schwere Arbeiten beinhalte, könne jedenfalls nicht daraus geschlossen werden, der Beruf des Heilerziehungspflegers
sei der einzig richtige Umschulungsberuf. Hiergegen richtet sich die am 19.08.2014 erhobene Beschwerde des Antragstellers
zum Bayer. Landessozialgericht. Nochmals werde hervorgehoben, dass trotz der vorhandenen Leiden ohne weiteres die zu erwartenden
Tätigkeiten als Heilerziehungspfleger bewältigt werden könne. Insbesondere stelle nach ärztlicher Bescheinigung die Ausbildung
als Heilerziehungspfleger im AWO-Therapiezentrum C. keine erhöhten Anforderungen an den Stütz- und Bewegungsapparat. Die Antragsgegnerin
hat am 27.08.2014 die Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Auf die Akte der ersten Instanz und auf die Akte des Beschwerdeverfahrens
wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Einstweilige Anordnungen sind nach §
86 b Abs
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden
materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung
(Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass bereits ein Anordnungsanspruch nicht besteht. Auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses wird Bezug
genommen. Ein Anspruch auf Förderung einer Ausbildung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben richtet sich nach §§
9 ff., 16 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB VI) in Verbindung mit §§
33 bis
38 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB IX). Die Voraussetzungen für diesen Anspruch liegen nach der im Eilverfahren gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung
nicht vor und ergeben sich auch nicht unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung. Hinsichtlich der Frage, "wie" die Leistung
zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen ist, bestimmt der Rentenversicherungsträger gem. §
13 Abs
1 S 1
SGB VI im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung
dieser Leistungen - hier: Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Ausbildung zum Heilerziehungspfleger - sowie
die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Diese Ermessensentscheidung bezüglich des "wie" unterliegt im
Rechtsstreit nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung, soweit nicht ein Fall der "Reduzierung des Ermessens auf
Null" vorliegt, d.h. das Ermessen nur in einem bestimmten Sinne ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung des Rentenversicherungsträgers
fehlerhaft wäre. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können nur gewährt werden können, wenn diese erfolgversprechend sind
und eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben auf Dauer möglich ist. Soweit jedoch - wie vorliegend das SG zutreffend herausgestellt hat - der angestrebte Umschulungsberuf längerfristig mit dem Leistungsvermögen des Bf nicht vollständig
vereinbar ist, ist es keinesfalls so, dass die beantragte Umschulung als die einzige denkbare Entscheidung der Antragsgegnerin
anzusehen ist. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist nicht gegeben. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
193 SGG.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).