Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers einer GmbH
Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit
Keine Auswirkungen eines Treuhandvertrages mit schuldrechtlicher Wirkung auf die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung
Keine Rechtssicherheit durch fehlende Publizität von Treuhandabreden im Handelsregister
Keine Einbüßung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsmacht durch eine Herausgabepflicht von Geschäftsanteilen auf die Treugeber
in Fällen der Beendigung des Treuhandverhältnisses
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Gesellschafterin-Geschäftsführerin einer GmbH
in der Zeit vom 17.12.2008 bis zum 31.3.2011 aufgrund Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.
Die Klägerin war im streitigen Zeitraum Geschäftsführerin einer GmbH, die am 28.11.2017 aus dem Handelsregister (HR) gelöscht
wurde. Der Gesellschaftsvertrag sah grundsätzlich eine Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen vor.
In dem am 1.6.2007 geschlossenen Geschäftsführerdienstvertrag war ua geregelt, dass die Klägerin den von der Gesellschafterversammlung
erteilten Weisungen zu folgen, im Rahmen ihrer Tätigkeit jederzeit zur Verfügung zu stehen und ihre gesamte Arbeitskraft einzubringen
habe. Sie hatte Anspruch auf ein Jahresgehalt von 33 600 Euro brutto, zahlbar in zwölf monatlichen Teilraten, eine auf maximal
25 vH ihres festen Jahresgehalts beschränkte Gewinntantieme, Jahresurlaub von 20 Arbeitstagen sowie auf Fortzahlung ihrer
Vergütung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen. Gemäß § 6 Abs 7 des Vertrags sollte die Geschäftsführerin sozialversicherungspflichtig
sein.
Nachdem die Klägerin am Stammkapital der GmbH (25 000 Euro) zunächst zu 10 vH beteiligt war, erwarb sie durch notariellen
Vertrag vom 16.12.2008 einen weiteren Geschäftsanteil in Höhe von 22 500 Euro (90 vH). Am selben Tag schloss die Klägerin
als Treuhänderin mit drei Personen als Treugeber einen notariellen Treuhandvertrag. Danach hielt die Klägerin den Gesellschaftsanteil
in Höhe von 22 500 Euro zu jeweils gleichen Teilen für die Treugeber bis auf deren einstimmigen Widerruf. Ferner war geregelt,
dass die Klägerin bei den Gesellschafterversammlungen und den Gesellschafterbeschlüssen an die Weisungen der Treugeber zwingend
gebunden sei und das Treuhandverhältnis von den Treugebern (einstimmig) sowie der Treuhänderin nur aus wichtigem Grund gekündigt
werden könne.
Die Klägerin wurde am 28.4.2011 als Geschäftsführerin abberufen und veräußerte ihre Geschäftsanteile. Auf ihren Statusfeststellungsantrag
stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund fest, dass sie in ihrer Tätigkeit als Gesellschafterin-Geschäftsführerin
in der Zeit vom 1.6.2007 bis zum 31.3.2011 nicht abhängig beschäftigt gewesen sei und daher in allen Zweigen der Sozialversicherung
keine Versicherungspflicht bestanden habe (Bescheid vom 30.8.2012; Widerspruchsbescheid vom 27.3.2013).
Das SG Stuttgart hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung
festgestellt (Urteil vom 29.9.2014). Die auf die Zeit vom 17.12.2008 bis zum 31.3.2011 beschränkte Berufung der Beklagten
hat das LSG Baden-Württemberg zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Geschäftsführerdienstvertrag
spreche für eine abhängige Beschäftigung. Ihren beherrschenden Einfluss auf die GmbH als Alleingesellschafterin habe die Klägerin
durch den Treuhandvertrag eingebüßt. Es bestehe ein erheblicher Unterschied zwischen einer schuldrechtlichen Stimmbindungsvereinbarung
und einem Treuhandverhältnis. Im Fall der Kündigung des Treuhandverhältnisses wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, die
treuhänderisch gehaltenen Gesellschaftsanteile an die Treugeber herauszugeben (Urteil vom 13.3.2018).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des §
7 Abs
1 SGB IV. Maßgebend für die Statusbeurteilung seien die Rechtsmachtverhältnisse, wie sie sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben
würden. Der aus wichtigem Grund kündbare Treuhandvertrag könne daran nichts ändern. Zudem habe die Anteilsübertragung auf
die Klägerin am 16.12.2008 vor der Eintragung in das HR noch keine rechtliche Wirkung gehabt. Erst ab dem - nicht bekannten
- Zeitpunkt dieser Eintragung liege ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht mehr vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. März 2018 und hinsichtlich der Zeit vom 17. Dezember 2008 bis
zum 31. März 2011 das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. September 2014 aufzuheben und insoweit die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt
(§
124 Abs
2 SGG).
II
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Ob und inwieweit der Bescheid der Beklagten vom 30.8.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.3.2013 rechtmäßig
ist, vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Nach den für die Statusbeurteilung geltenden Maßstäben (dazu 1.)
war die Klägerin als Minderheitsgesellschafterin zunächst abhängig beschäftigt und damit in allen Zweigen der Sozialversicherung
versicherungspflichtig (dazu 2.). Erst aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Rechtsmacht als Alleingesellschafterin der
GmbH unterlag sie nicht mehr infolge Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht. Dem steht der Treuhandvertrag nicht entgegen
(dazu 3.). Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen kann der Senat jedoch nicht beurteilen, ab welchem Zeitpunkt der
Klägerin als Alleingesellschafterin die eine abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht zustand (dazu 4.).
1. Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV), sozialen Pflegeversicherung (sPV), gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung der
Versicherungspflicht (§
5 Abs
1 Nr
1 SGB V, §
20 Abs
1 Satz 1 und
2 Nr
1 SGB XI in der Fassung [idF] des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006 [BGBl I 926], §
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI idF des Gesetzes vom 24.4.2006 aaO, §
25 Abs
1 Satz 1
SGB III). Beschäftigung ist gemäß §
7 Abs
1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind
eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die hierfür vom
Senat entwickelten Abgrenzungsmaßstäbe (vgl zuletzt BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 14 f [Honorararzt]) gelten grundsätzlich auch für Geschäftsführer einer GmbH (BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 18). Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich bei dem Geschäftsführer einer GmbH
aber in erster Linie danach, ob er nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm
nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen (vgl zuletzt
BSG Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 14 f mwN).
Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung
und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung
von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner
Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine
Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke
der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 vH der
Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter
ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er
exakt 50 vH der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag
eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist.
Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen
haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte",
auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (BSG Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 15 mwN; BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 21 mwN).
2. Nach diesen Maßstäben war die Klägerin als Minderheitsgesellschafterin mit einer Kapitalbeteiligung von lediglich 10 vH
abhängig beschäftigt. Sie besaß damit keine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die sie in die Lage versetzte, eine
Einflussnahme auf ihre Tätigkeit, insbesondere durch ihr unangenehme Weisungen, jederzeit zu verhindern. Vielmehr unterlag
sie nach § 37 Abs 1 in Verbindung mit § 38 Abs 1 sowie § 46 Nr 5 und 6 GmbHG dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung der GmbH (vgl zum Weisungsrecht Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl 2019, § 37 RdNr 3; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHGesetz, 20. Aufl 2020, § 37 RdNr 1; Stephan/Tieves, MüKo GmbHG, 3. Aufl 2019, § 37 RdNr 107). Ungeachtet dessen regelt der Geschäftsführerdienstvertrag vom 1.6.2007 für eine abhängige Beschäftigung typische
Regelungen. Die Klägerin hatte den von der Gesellschafterversammlung erteilten Weisungen zu folgen und im Rahmen ihrer Tätigkeit
jederzeit zur Verfügung zu stehen. Sie erhielt ein in 12 Teilraten auszuzahlendes Jahresgehalt und hatte Anspruch auf bezahlten
Jahresurlaub von 20 Arbeitstagen sowie auf Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen.
3. Erst als Alleingesellschafterin unterlag sie nicht mehr dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung der GmbH, denn
sie selbst bestimmte nunmehr ihre Geschäftsführertätigkeit und damit die Geschicke des Unternehmens. Der ihr zukommende, die
abhängige Beschäftigung ausschließende beherrschende Einfluss auf die Gesellschaft wurde der Klägerin nicht durch den notariellen
Treuhandvertrag vom 16.12.2008 (dazu a) genommen. Ein Treuhandvertrag ist wegen seiner schuldrechtlichen Wirkung für die sozialversicherungsrechtliche
Statusbeurteilung ohne Bedeutung (dazu b). Dieses Ergebnis wird durch die fehlende Publizität von Treuhandabreden im HR untermauert
(dazu c). Etwas anderes folgt nicht aus der Pflicht der Treuhänderin zur Übertragung von Geschäftsanteilen auf die Treugeber
(dazu d). Schließlich steht eine frühere Rechtsprechung des BSG dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen (dazu e).
a) Nach dem Treuhandvertrag vom 16.12.2008 hielt die Klägerin als Alleingesellschafterin 90 vH der Gesellschaftsanteile treuhänderisch
für drei Treugeber. Ein solches Treuhandverhältnis ist zivil- und steuerrechtlich zulässig (BGH Urteil vom 19.4.1999 - II ZR 365/97 - juris RdNr 17; BFH Urteil vom 20.1.1999 - I R 69/97 - BFHE 188, 254). Es ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensgegenstände überträgt oder belässt oder ihm eine
Rechtsmacht einräumt, ihn aber in der Ausübung der sich daraus im Außenverhältnis (des Treuhänders zu Dritten) ergebenden
Rechtsmacht im Innenverhältnis (des Treuhänders zum Treugeber) nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt
(BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - GmbHR 2006, 645, 647 f mwN, juris RdNr 25).
b) Für einen Gesellschafter-Geschäftsführer hat der Senat bereits entschieden, dass die für die Annahme einer selbstständigen
Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft bestimmen oder zumindest nicht
genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein muss. Außerhalb
des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen
einem Gesellschafter-Geschäftsführer und einem Dritten sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH sind nicht zu berücksichtigen.
Sie vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher
Wirkung zu verschieben. Unabhängig von ihrer Kündbarkeit genügen die das Stimmverhalten regelnden Vereinbarungen nicht dem
Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände. Im Interesse sowohl der Versicherten
als auch der Versicherungsträger ist die Frage der (fehlenden) Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit oder abhängiger
Beschäftigung schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil es darauf nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern
auch für die Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger und die Leistungsansprüche des Betroffenen ankommt (BSG Urteil vom 10.12.2019 - B 12 KR 9/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 46 RdNr 19 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Der Treuhandvertrag vom 16.12.2008 entfaltet aber keine gesellschaftsrechtliche, sondern eine schuldrechtliche Wirkung zwischen
den Vertragsparteien. Die klagende Treuhänderin ist als Alleingesellschafterin Inhaberin aller mit dem Geschäftsanteil verbundenen
Rechte und Pflichten. Insbesondere das Stimmrecht als das wichtigste Verwaltungsrecht steht grundsätzlich ihr allein und nicht
den Treugebern zu. Die Vollrechtsstellung der Treuhänderin hat zur Folge, dass die Treugeber der Gesellschaft oder der Klägerin
gegenüber Gesellschafterrechte nicht aus eigenem Recht geltend machen können. Sie sind vielmehr stets auf die Wahrnehmung
dieser Rechte durch die Treuhänderin angewiesen. Die Einwirkungsmacht der Treugeber auf das Gesellschaftsgeschehen ist demnach
lediglich mittelbar und gründet sich auf das ihnen gegenüber der Treuhänderin zustehende Weisungsrecht, das sich insbesondere
auf die Ausübung des Stimmrechts erstreckt.
Diesem Weisungsrecht, das § 2 Abs 2 des Treuhandvertrags vom 16.12.2008 ausdrücklich vorsieht, kommt aber ebenso eine schuldrechtliche
und keine unmittelbar gesellschaftsrechtliche Wirkung zu. Es liegt in der Hand der Treuhänderin, ob sie die Weisungen befolgt.
Ein weisungswidriges Abstimmungsverhalten in der Gesellschafterversammlung oder - wie hier - durch die Alleingesellschafterin
führt grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit gefasster Beschlüsse, sondern zu einer Schadensersatzpflicht des Treuhänders im
Innenverhältnis zum Treugeber. Die schuldrechtliche Treuhandvereinbarung hindert die Treuhänderin selbst nicht daran, wirksam
über das Treugut zu verfügen und damit Rechte des Treugebers zu vereiteln. Im Übrigen könnten die Treugeber einen Gesellschafterbeschluss
auch nicht anfechten. Bei treuhänderischer Anteilsberechtigung steht das Recht zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen
dem Treuhänder und nicht dem Treugeber zu, weil sich die Befugnis zur Beseitigung von Gesellschafterbeschlüssen nicht nach
wirtschaftlichen, sondern allein nach den rechtlichen Verhältnissen bestimmt (BSG Urteil vom 10.12.2019 - B 12 KR 9/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 46 RdNr 20 ff mwN aus Rspr und Literatur, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
c) Hinzu kommt, dass schuldrechtliche Treuhandverträge - anders als der Gesellschaftsvertrag und dessen spätere Änderungen
(§ 8 Abs 1 Nr 1, § 54 Abs 1 Satz 1 GmbHG) - nicht in das HR eingetragen werden. Die Rechtssicherheit, die mit dem nach § 9 Abs 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) jedem zu Informationszwecken eingeräumten Recht auf Einsichtnahme in das HR sowie in die zum HR eingereichten Dokumente
für den Rechtsverkehr im Außenverhältnis der Gesellschaft verbunden ist, erstreckt sich daher nicht auf ein Treuhandverhältnis.
Dieser Rechtssicherheit dient § 16 Abs 1 Satz 1 GmbHG idF des Gesetzes zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl I 2026),
wonach - unabhängig von der materiellen Rechtslage - im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen
der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur gilt, wer als solcher in der
im HR aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) eingetragen ist. Die mit der Aufnahme der Gesellschafterliste in das HR einhergehende Fiktion der Gesellschafterstellung
schafft eine klare Zäsur, nach der sich die Rechte und Pflichten zwischen einer GmbH einerseits und Veräußerer sowie Erwerber
des Gesellschaftsanteils andererseits bestimmen. Die in § 16 Abs 1 GmbHG verankerte unwiderlegbare Vermutung der Gesellschafterstellung dient sowohl dem Schutz der Gesellschaft vor Unsicherheit
im Hinblick auf die Person des neuen Gesellschafters als auch dem Schutz der an dem Gesellschafterwechsel Beteiligten (Heidinger
in MüKo GmbHG, 3. Aufl 2018, § 16 RdNr 13). In die Gesellschafterliste eingetragen werden aber nur die Gesellschafter, während eine mittelbare Einflussnahme
auf die Gesellschaft, insbesondere durch Treuhandverhältnisse, wegen des Gebots der Registerklarheit nicht offengelegt werden
kann (BSG Urteil vom 10.12.2019 - B 12 KR 9/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 46 RdNr 24 ff mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Eine die Rechtsmacht begründende Publizität wird auch nicht durch das nach § 18 des Gesetzes über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz) vom 23.6.2017 (BGBl I 1822) eingerichtete Transparenzregister vermittelt. Unabhängig davon, ob im Transparenzregister überhaupt
Treuhandstrukturen offenzulegen sind (sowohl BT-Drucks 18/11555 S 129 zu § 20 Abs 2; zum Streitstand in der zivilrechtlichen
Literatur vgl Bochmann, DB 2017, 1310, 1316; Rieg, BB 2017, 2310, 2319; Kotzenberg/Lorenz, NJW 2017, 2433), wird die Fiktion des § 16 Abs 1 Satz 1 GmbHG durch Mitteilungen an das Transparenzregister nicht verdrängt.
d) Die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht hat die Klägerin durch den Treuhandvertrag auch nicht deshalb eingebüßt, weil sie
in Fällen der Beendigung des Treuhandverhältnisses verpflichtet ist, Geschäftsanteile auf die Treugeber zu übertragen. Eine
solche Herausgabepflicht ergibt sich auch ohne ausdrückliche Regelung im Treuhandvertrag kraft Gesetzes aus §
667 BGB (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - GmbHR 2006, 645, 648, juris RdNr 27 mwN) oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung. Aufgrund der beiderseitigen Interessenlage ist davon
auszugehen, dass der Geschäftsanteil mit Wegfall des treuhänderischen Zwecks dem Treugeber zustehen soll (Lieder/Villegas,
GmbHR 2018, 169, 170).
Für die Statusbestimmung ist ausschließlich die im zu beurteilenden Zeitraum tatsächlich verteilte, nicht aber eine nur nach
weiteren Rechtshandlungen denkbare Rechtsmacht maßgebend. Darüber hinaus würden selbst bei einer Übertragung des treuhänderisch
gehaltenen Geschäftsanteils die Treugeber erst ab dem Tag der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) in das HR als Gesellschafter und damit als in der Gesellschafterversammlung stimmberechtigt gelten (§ 16 Abs 1 Satz 1 GmbHG). Bis zu diesem Zeitpunkt steht der Treuhänderin das aus dem Geschäftsanteil resultierende Stimmrecht zu (BSG Urteil vom 10.12.2019 - B 12 KR 9/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 46 RdNr 31 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Der in die Gesellschafterliste aufgenommene
Gesellschafter kann bis zur Eintragung einer Veränderung die Gesellschafterrechte wahrnehmen und haftet für die bis dahin
fällig werdenden Gesellschafterpflichten allein (Seibt in Scholz, GmbHG, Band 1, 12. Aufl 2018, § 16 RdNr 8 f auch zum Folgenden). Der (noch) nicht in der Gesellschafterliste Eingetragene, aber materiell Berechtigte ist demgegenüber
rechtlich gehindert, Gesellschafterrechte auszuüben und haftet grundsätzlich nicht für Pflichten aus dem Geschäftsanteil.
Er muss sämtliche Rechtshandlungen zwischen Gesellschaft und bisher Legitimierten bis zu seiner Eintragung in die Gesellschafterliste
gegen sich gelten lassen.
e) Die frühere Rechtsprechung des BSG steht dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Mit Urteil vom 8.12.1994 (11 RAr 49/94 - SozR 3-4100 § 168 Nr 18) hat der 11. Senat des BSG zum Begriff einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung nach § 168 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) entschieden, dass bei einem geschäftsführenden Treuhänder aufgrund dessen Stellung als Alleingesellschafter eine abhängige
Beschäftigung nicht ausscheide, wenn neben der schuldrechtlichen Weisungsgebundenheit und einer für den Fall der Beendigung
des Treuhandvertrags vorweggenommenen dinglichen Übertragung der Geschäfts- und Gesellschaftsanteile eine unwiderrufliche
Stimmrechtsvollmacht zugunsten des Treugebers bestehe. Diese Entscheidung wurde durch Urteil des 10. Senats des BSG vom 30.1.1997 (10 RAr 6/95 - SozR 3-4100 § 141b Nr 17) zum Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des § 141b Abs 1 AFG bestätigt. Beide Entscheidungen gehen aber nicht zwangsläufig von einer abhängigen Beschäftigung des Treuhänders aus. Die
Verfahren wurden vielmehr zur Aufklärung einer persönlichen Abhängigkeit an das LSG zurückverwiesen.
In seinem Urteil vom 25.1.2006 (B 12 KR 30/04 R - GmbHR 2006, 645) hat sich der erkennende Senat lediglich im Rahmen eines obiter dictum zu den möglichen Auswirkungen einer rechtlich wirksamen
treuhänderischen Bindung geäußert. Der Senat hat die beurteilte Treuhandvereinbarung als unwirksam angesehen.
4. Ab welchem Zeitpunkt die Klägerin als Alleingesellschafterin die eine abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht
innehatte, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Das LSG hat zwar festgestellt, dass ein Geschäftsanteil in Höhe
von 90 vH an die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 16.12.2008 verkauft sowie übertragen worden und sie ab diesem Zeitpunkt
Alleingesellschafterin gewesen sei. Es fehlt aber an Feststellungen dazu, dass die Klägerin in die Gesellschafterliste eingetragen
und wann die aktualisierte Gesellschafterliste in den für das entsprechende Registerblatt bestimmten Registerordner des HR
(vgl § 9 Abs 1 Verordnung über die Einrichtung und Führung des HR) aufgenommen worden ist. Denn nach § 16 Abs 1 Satz 1 GmbHG gilt - wie bereits ausgeführt wurde - im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter
oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im HR "aufgenommenen" Gesellschafterliste
eingetragen ist. Den Zeitpunkt der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das HR hat das LSG festzustellen.
5. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.