Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte; Nebeneinander der Versicherungs- und Beitragspflicht als Bezieher
von Arbeitslosengeld II und als landwirtschaftlicher Unternehmer
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger für die Dauer des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II auch als Landwirt der Beitragspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte (KVdL) unterlag.
Der Kläger betreibt seit 1.8.2000 ein landwirtschaftliches Unternehmen und war deshalb bei der beklagten Landwirtschaftlichen
Krankenkasse (LKK) versichert. Seit 18.1.2005 bezog er für sich und seine vierköpfige Familie - bis 31.10.2009 - Arbeitslosengeld
II (Alg II) sowie Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (zB im Jahr 2007 insgesamt 911,16 Euro monatlich). Mit
Beginn des Alg II-Bezuges wurde er von der Beklagten als allein deswegen versicherungspflichtig behandelt; der Grundsicherungsträger
führte insoweit - wie auch in der Folgezeit - Beiträge zur Beklagten ab.
Nach Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) entschied die Beklagte, dass der Kläger aufgrund eingetretener Rechtsänderungen nun neben der
aus dem Alg II-Bezug folgenden Versicherungspflicht rückwirkend ab 1.4.2007 zusätzlich auch als landwirtschaftlicher Unternehmer
in der KVdL (und in der Pflegeversicherung) versicherungs- und beitragspflichtig sei; insoweit müsse er nun 282 Euro monatlich
Krankenversicherungsbeiträge und 31,36 Euro Pflegeversicherungsbeiträge zahlen (Bescheid vom 12.4.2007; Widerspruchsbescheid
vom 29.8.2007).
Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben, weil der Kläger zwar auch als landwirtschaftlicher Unternehmer versicherungspflichtig
in der KVdL sei, jedoch Beiträge dafür nicht entrichten müsse, weil seine Versicherungspflicht als Alg II-Bezieher - wie schon
vor dem 1.4.2007 - vorrangig sei (Urteil vom 26.11.2008).
Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass während des Alg II-Bezuges keine Beitragspflicht
als landwirtschaftlicher Unternehmer bestanden habe. Zwar habe ab 1.4.2007 Versicherungspflicht sowohl wegen des Alg II-Bezuges
(§ 2 Abs 1 Nr 6 KVLG 1989 nF iVm §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V) als auch als Landwirt (§ 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989) bestanden; § 3 Abs 2 Nr 6 KVLG 1989 durchbreche den an sich bestehenden Nachrang der KVdL für Alg II-Bezieher ua, wenn sie bei Arbeitslosmeldung einer LKK angehörten.
Die Versicherungspflicht als Landwirt habe aber keine Beitragspflicht ausgelöst; denn nach § 20 KVLG 1989 nF seien auch für versicherungspflichtige Alg II-Bezieher grundsätzlich die
SGB V-Vorschriften über Versicherung, Mitgliedschaft, Meldungen und Beiträge entsprechend anzuwenden. Daraus folge bei einer gebotenen
verfassungskonformen Auslegung, dass Alg II-Bezieher mit landwirtschaftlichem Betrieb nur nach den beitragsrechtlichen Vorschriften
des
SGB V behandelt werden dürften und für eine daneben bestehende Beitragspflicht nach dem KVLG 1989 als Landwirt kein Raum sei. Die SGB II-Leistungen müssten dem Kläger zur Gewährleistung seines verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimums verbleiben; die
Annahme einer doppelten Beitragspflicht (mit der Folge, dass er die Hälfte seiner Einkünfte für Beiträge aufwenden müsste)
sei nicht gewollt, zumal das SGB II keinen Mehrbedarfstatbestand für diese Beitragsbelastung enthalte. Nach dem
SGB V seien Beiträge für die Eigenschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer - entsprechend der schon vor dem 1.4.2007 bestehenden
Rechtslage - nicht zu zahlen (Urteil vom 25.3.2010).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte - die ihre Revision in der mündlichen Verhandlung auf die Beiträge zur Krankenversicherung
beschränkt hat - sinngemäß die Verletzung von § 2 Abs 1 Nr 6 und § 3 Abs 2 Nr 6 KVLG 1989 in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung. Das GKV-WSG begründe für den Personenkreis, zu dem der Kläger gehöre, eine Mehrfachversicherung in der KVdL mit gleichzeitiger doppelter
Beitragspflicht. Dies folge aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Zweck sowie Gesetzessystematik der Reglungen. Eine Konkurrenzregelung
- wie § 3 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 - existiere nicht. Die Mehrfachversicherung sei aus Gründen der Gleichbehandlung der Mitglieder der KVdL mit den Mitgliedern
der allgemeinen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eingeführt worden, weil zuvor eine klare Vorschrift über die Versicherungspflicht
von SGB II- und
SGB III-Leistungsempfängern in der KVdL gefehlt habe. Auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
teile die Ansicht des Nebeneinanders der Beitragspflicht. Jeder Versicherungspflichttatbestand löse eine eigene Beitragspflicht
aus. Die Beitragspflicht als Alg II-Bezieher führe für die betroffenen Landwirte nicht zu einer zusätzlichen finanziellen
Belastung, weil der Krankenversicherungsbeitrag der Alg II-Bezieher - ebenso wie in der allgemeinen Krankenversicherung -
im Rahmen der Grundsicherung übernommen werde und der Betroffene Pflichtbeiträge zur KVdL gemäß § 11 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB II vom Einkommen absetzen könne; der Kläger müsse daher im Ergebnis nur den sich aus seiner Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 ergebenden Beitrag zahlen. Darüber hinaus erlangten landwirtschaftliche Unternehmer durch ihre Beitragspflicht Vorteile in
Gestalt eines speziellen, insbesondere Betriebshilfe umfassenden Versicherungsschutzes.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. März 2010 sowie des Sozialgerichts Itzehoe vom 26. November
2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit es die Beiträge zur Krankenversicherung anbelangt.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, festzustellen, dass in der Zeit vom 1. April 2007 bis 31. Oktober
2009 keine Beitragspflicht bei der Beklagten als landwirtschaftlicher Unternehmer bestand.
Er hält das LSG-Urteil für zutreffend. Aus dem KVLG 1989 in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung lasse sich eine Mehrfachversicherung für SGB II-Leistungen beziehende Landwirte mit doppelter Beitragspflicht nicht herleiten. Eine zusätzliche Beitragspflicht als landwirtschaftlicher
Unternehmer würde bei Alg II-Empfängern zu einem verfassungswidrigen Unterschreiten des Existenzminimums führen.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.
Die angefochtenen vorinstanzlichen Urteile sind aufzuheben und die Klage ist abzuweisen, weil die Bescheide der beklagten
LKK nicht zu beanstanden sind, soweit es die im Revisionsverfahren nach entsprechender Antragsbeschränkung in der mündlichen
Verhandlung nur noch streitigen Beiträge zur Krankenversicherung anbelangt. Der Kläger unterlag für die Dauer seines Alg II-Bezuges
vom 1.4.2007 bis 31.10.2009 sowohl aus diesem Grunde wie auch als landwirtschaftlicher Unternehmer der Beitragspflicht in
der KVdL.
1. In der Zeit vom 1.4.2007 bis 31.10.2009 erfüllte der Kläger zwei Tatbestände der Versicherungspflicht in der KVdL.
a) Die Versicherungspflicht des Klägers - eines Landwirts - unterliegt nach §
5 Abs
1 Nr
3 SGB V der näheren Bestimmung des Zweiten Gesetzes über die KVdL (KVLG 1989). Nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 idF des am 1.4.2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) sind ua Unternehmer der Landwirtschaft in der KVdL versicherungspflichtig, deren Unternehmen,
unabhängig vom jeweiligen Unternehmer, auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße iS des § 1 Abs 5 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte erreicht. Wie zwischen den Beteiligten außer Streit ist, erreicht das Unternehmen des Klägers - der auch nach wie vor als
Landwirt selbstständig erwerbstätig ist - diese Mindestgröße.
b) Darüber hinaus erfüllte der Kläger ab 1.4.2007 den zu diesem Zeitpunkt in der KVdL neu eingeführten Tatbestand der Versicherungspflicht
als Bezieher von Alg II-Leistungen nach § 2 Abs 1 Nr 6 KVLG 1989 idF des GKV-WSG. Danach sind ua Personen in der KVdL versicherungspflichtig, die die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V (hier anzuwenden idF des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954) erfüllen. Diese Versicherungspflicht besteht wiederum bei
Personen in Zeiten, für die sie Alg II nach dem SGB II beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder
nur Leistungen nach § 23 Abs 3 S 1 SGB II bezogen werden. Nach den Feststellungen des LSG in Verbindung mit dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten im Revisionsverfahren
lagen die beschriebenen Voraussetzungen bei dem Kläger in der Zeit vom 1.4.2007 bis 31.10.2009 vor.
c) Der Versicherungspflicht des Klägers wegen des Bezuges von Alg II in der KVdL stand der Versicherungspflichttatbestand
des Bezuges von Alg II in der allgemeinen GKV nicht entgegen, weil dieser seit 1.4.2007 durch die Versicherungspflicht in
der KVdL verdrängt wird.
Zwar bestimmt § 3 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989, dass nach dem KVLG 1989 nicht versichert ist, wer "nach anderen gesetzlichen Vorschriften versicherungspflichtig ist". Der darin ausgesprochene Grundsatz
des Nachrangs der KVdL gegenüber anderen Versicherungspflichttatbeständen außerhalb dieses Gesetzes wird allerdings durch
§ 3 Abs 2 KVLG 1989 in bestimmten, dort näher geregelten Fällen - so auch bei dem Kläger - durchbrochen. Der "Vorrang der Versicherungspflicht
nach diesem Gesetz" (dh nach dem KVLG 1989) besteht danach nämlich seit 1.4.2007 - infolge der Änderungen durch das GKV-WSG (aaO) - gemäß § 3 Abs 2 Nr 6 KVLG nF ua für die in §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V genannten Personen, "wenn sie im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung oder vor dem Beginn des Bezugs von Unterhaltsgeld einer
LKK angehören oder angehört haben". Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger erfüllt. Er gehörte ab 1.8.2000 als landwirtschaftlicher
Unternehmer der beklagten LKK an und war mit Blick auf § 19 Abs 2 S 1 KVLG 1989 aF (in der bis 31.3.2007 geltenden Fassung) - von den Beteiligten unbeanstandet - deren Mitglied auch bei "Arbeitslosmeldung";
dieses Merkmal muss für die Versicherungspflicht aufgrund des Bezuges von Alg II, für den anders als nach §
118 Abs
1 Nr
2 SGB III für den Bezug von Alg keine Arbeitslosmeldung, sondern ein Antrag (§ 37 Abs 1 S 1 SGB II) notwendig ist, so verstanden werden, dass der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist. Auch in der Folgezeit - dh im
Zusammenhang mit neuen Bewilligungsabschnitten - gehörte der Kläger durchgehend der Beklagten an.
2. Beide Versicherungspflichttatbestände bestehen nebeneinander, weshalb eine zweifache Versicherungspflicht des Klägers vorliegt.
Eine Konkurrenzregelung, wonach einem der beiden unter 1. erörterten Versicherungspflichttatbestände der Vorrang gegenüber
dem anderen zukommt, existiert nicht.
a) Die zweifache Versicherungspflicht in der KVdL als landwirtschaftlicher Unternehmer einerseits und wegen des Bezuges von
Alg II andererseits ist Folge der Aufnahme der Versicherungspflicht für Alg II beziehende Landwirte als neue Nr 6 in § 2 Abs 1 KVLG 1989 zum 1.4.2007 durch das GKV-WSG. Nach der bis 31.3.2007 geltenden Rechtslage trat die Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 in der KVdL aufgrund von § 3 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 hinter eine Versicherungspflicht nach einer "anderen gesetzlichen Vorschrift" - nämlich derjenigen wegen Alg II-Bezuges in
der unmittelbar geltenden allgemeinen krankenversicherungsrechtlichen Regelung des §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V - zurück (vgl insoweit Müller in Hennig, Handbuch zum Sozialrecht, Gruppe 3a, RdNr 343, Stand der Einzelkommentierung 2/2010).
Dass - ohne aktuelle Versicherungspflicht in der KVdL - auch während des Alg II-Bezuges die Mitgliedschaft bei der LKK nach
§ 19 Abs 2 KVLG 1989 in der bis zum 31.3.2007 geltenden Fassung fortbestand, wenn eine Mitgliedschaft dort schon zuvor bestanden hatte, war für
das Entfallen der Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer ohne Belang.
Dass die eine Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer in der KVdL verdrängende Wirkung der Versicherungspflicht
als Alg II-Bezieher mit Aufnahme der Alg II beziehenden Landwirte in die Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 6 KVLG 1989 zum 1.4.2007 entfiel, beruht nicht etwa auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers, sondern ist dessen bewusste Entscheidung.
Dies belegen die Gesetzesmaterialien. So sollten mit den Neuregelungen die schon in der allgemeinen Krankenversicherung getroffenen
Maßnahmen "grundsätzlich wirkungsgleich" auf die KVdL übertragen werden (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 190 zu Art 15). Speziell mit der Erfassung der SGB II-Leistungsempfänger in der KVdL mittels der Neuregelung in § 2 Abs 1 Nr 6 wurde nach den Vorstellungen des Gesetzgebers "auch bewirkt, dass eine Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 6 (neu) neben
einem anderen Versicherungspflichttatbestand - zB als Landwirt nach Nummer 1 - entstehen kann", was den geltenden Regelungen
zur Versicherungspflicht im
SGB V entspreche (so ausdrücklich Gesetzentwurf, aaO, S 190 zu Art 15 Nr 2 Buchst a). § 3 KVLG 1989 wurde in diesem Zusammenhang in Bezug auf die Personengruppe des § 2 Abs 1 Nr 6 KVLG 1989 dahin verstanden, dass er für die betroffenen Personen "die notwendigen Konkurrenzregelungen zur Versicherungspflicht nach
dem
SGB V" enthalte (Gesetzentwurf, aaO, S 190 zu Art 15 Nr 3). Die gleiche Auffassung einer "doppelten Versicherungspflicht" hat zB auch das zuständige Fachministerium in einer
von der Beklagten zum Verfahren eingereichten schriftlichen Stellungnahme vertreten (Schreiben des Bundesministeriums für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 18.7.2007, ergangen auf Anfrage der Abgeordneten Mortler; ebenso Müller
in Hennig, aaO, Gruppe 3a RdNr 344/1 sowie RdNr 130/4).
b) Der Umstand, dass konkurrierende Versicherungspflichttatbestände zu einer mehrfach begründeten Versicherungspflicht führen
können, widerspricht auch nicht etwa allgemeinen Grundsätzen des Sozialversicherungsrechts. Auch in der allgemeinen Krankenversicherung
kann - außerhalb der getroffenen Regelungen über die Rangfolge verschiedener gesetzlicher Versicherungspflichttatbestände
(zB in §
5 Abs
6 bis
8a SGB V) - durchaus die Situation eintreten, dass mehrfach Versicherungspflicht nebeneinander besteht, mit der Folge, dass dann unterschiedliche
Regelungen für Beginn und Ende der Mitgliedschaft, beitragspflichtige Einnahmen sowie Beitragstragung und Beitragszahlung
gelten (so zB K. Peters in KasselerKomm,
SGB V, §
5 RdNr 196, 199, Stand Einzelkommentierung April 2008; Felix in JurisPK-
SGB V, 2. Aufl 2012, § 5 RdNr 103 aE; zu einem Fall der Mehrfachversicherung vgl zB auch BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 13 RdNr 19 mwN).
3. Abweichend von der Ansicht des LSG hat die zweifache Versicherungspflicht auch eine zweifache Beitragspflicht zur Folge
(dazu im Folgenden a). Gegenteiliges kann hier insbesondere nicht mit der Vorinstanz aus § 20 KVLG 1989 hergeleitet werden (dazu b). Auch verfassungsrechtliche Erwägungen gebieten eine solche Auslegung nicht (dazu c).
a) Schon nach der allgemeinen Systematik der Finanzierungsvorschriften im Achten Kapitel des
SGB V (dazu allgemein zB K. Peters in KasselerKomm, aaO, §
226 RdNr 2, Stand Einzelkommentierung April 2010) hat ein bestimmter Versicherungspflichttatbestand (§
5 SGB V) auch jeweils - nach näherer gesetzlicher Regelung der §§
226 ff
SGB V - die Beitragspflicht von darauf bezogenen Einnahmen zur Folge (vgl zB für Beschäftigte: Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
1 SGB V, beitragspflichtige Einnahmen nach §
226 SGB V). Auf diese Systematik verweist § 20 KVLG 1989 idF des GKV-WSG (aaO), indem er für Versicherungspflichtige nach § 2 Abs 1 Nr 6 KVLG 1989 - also Alg II-Bezieher wie den Kläger - bestimmt, dass die Vorschriften des
SGB V über die Versicherung, die Mitgliedschaft, die Meldungen und die Beiträge mit Ausnahme des §
173 SGB V entsprechend anzuwenden sind. Demzufolge sind - bezogen auf den vorliegenden Rechtsstreit - die in der KVdL beitragspflichtigen
Einnahmen der Alg II-Bezieher in §
232a Abs
1 S 1 Nr
2 SGB V iVm § 20 KVLG 1989 geregelt; die Beitragsberechnung der nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer hat demgegenüber in §§ 39 f KVLG 1989 eine gesonderte Regelung erfahren.
b) Aus § 20 KVLG 1989 idF des GKV-WSG lässt sich dagegen nicht mit dem LSG herleiten, dass die zweifache Versicherungspflicht des Klägers in der KVdL eine Beitragspflicht
nur wegen Alg II-Bezuges nach dem
SGB V und daher nicht auch als landwirtschaftlicher Unternehmer auslöse. Vielmehr ist - sofern nicht bereichsspezifische Sonderregelungen
geschaffen wurden - grundsätzlich davon auszugehen, dass eine zweifach begründete Versicherungspflicht beitragsrechtlich gleichermaßen
zu zweifachen - im Einzelnen nicht notwendig gleichen Regelungen unterliegenden - Beitragspflichten führt. Zu Recht hat das
LSG insoweit im Rahmen seiner Erörterungen darauf verwiesen, dass es dem Beitragsrecht der GKV entspricht, verschiedene Einkommensquellen
jeweils für sich genommen als beitragspflichtig anzusehen.
Dem Ergebnis der Auslegung des § 20 KVLG 1989 durch das LSG steht schon entgegen, dass mit der durch das GKV-WSG geschaffenen Regelung gar keine grundsätzlich neue Rechtslage geschaffen werden sollte, welche die Frage der Beitragspflicht
bei zweifach bestehender Versicherungspflicht regelte. Nach der Gesetzesbegründung entspricht die Vorschrift vielmehr "inhaltlich
weitgehend dem bisherigen § 19 Abs 2 Satz 2" (so Begründung zum GKV-WSG, aaO, BT-Drucks 16/3100 S 190 zu Nr 11); auch dieser bestimmte aber bereits, dass für die Versicherungspflichtigen nach §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V die Vorschriften des
SGB V über die Versicherung, die Mitgliedschaft, die Meldungen und die Aufbringung der Mittel mit Ausnahme des § 173 galten. Die
darin zum Ausdruck kommende - gewollte - Kontinuität in der Abwicklung der Versicherung der SGB II-Leistungsempfänger nach bestimmten Regelungen des
SGB V deutet nicht darauf hin, dass es bei einem Ausschluss der Beitragspflicht für Alg II beziehende Landwirte verbleiben sollte;
diese Frage stellte sich nämlich nach dem bis 31.3.2007 geltenden Recht gar nicht, weil - wie oben beschrieben - schon die
Versicherungspflicht dieses Personenkreises nach dem KVLG 1989 fehlte und sie nur nach dem
SGB V bestand. Mit der Verweisung kann daher nur im Wege einer Rechtsfolgenverweisung gemeint sein, dass sich die Abwicklung der
nunmehr aufgrund von Versicherungspflicht in der KVdL erfolgenden Versicherung der Alg II-Leistungsbezieher weiterhin inhaltlich
an den Regelungen des
SGB V ausrichtet.
c) Für die Auslegung des LSG, dass § 20 KVLG 1989 den Kläger als Versicherten beitragsrechtlich insgesamt erfasse, dh auch hinsichtlich der Beitragspflicht und -bemessung
als landwirtschaftlicher Unternehmer, und es daher wegen der Geltung der Vorschriften des
SGB V über die Beiträge nicht zu gesonderten Beitragspflichten wegen der Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer
kommen könne, lassen sich schließlich auch verfassungsrechtliche Gründe nicht mit Erfolg anführen.
Das LSG hat insoweit darauf abgestellt, dass die Auslegung der versicherungs- und beitragsrechtlichen Vorschriften des KVLG 1989 berücksichtigen müsse, dass dem Kläger und seiner Familie als Bezieher von SGB II-Leistungen vor dem Hintergrund des Urteils des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) das grundgesetzlich garantierte Existenzminimum verbleiben müsse; dieses sei aber nicht gewährleistet,
wenn er gehalten wäre, aus den Grundsicherungsleistungen als Landwirt Beiträge zur KVdL (und Pflegeversicherung) zu entrichten,
obwohl das SGB II insoweit keinen Mehrbedarfstatbestand vorsehe, der die Beitragsbelastung in der KVdL berücksichtige.
Einer solchen verfassungskonformen Auslegung des § 20 KVLG 1989 mit der Folge, dass der Kläger als Alg II-Leistungsbezieher trotz angeordneter Versicherungspflicht - wie noch nach der Rechtslage
vor dem 1.4.2007 - keine Beiträge für seine fortbestehende Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer zu zahlen hätte,
bedarf es nicht.
Insoweit ist - abgesehen von dem Umstand, dass die Pflichtbeiträge eines Alg II begehrenden selbstständigen Landwirts zur
KVdL gemäß § 11 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB II einkommensmindernd in Abzug zu bringen sind - zu berücksichtigen, dass Bedarfslagen, die sich durch das Versicherungs- und
Beitragsrecht der Sozialversicherung ergeben, nicht gebieten, dieses spezifische Recht nunmehr einschränkend im Lichte des
SGB II auszulegen. So verkennt das LSG, dass eine gesetzlich begründete Versicherungs- und Beitragspflicht nicht etwa deshalb entfällt,
weil der Beitragsschuldner zahlungsunfähig ist oder sich (aktuell) nicht oder nur unter Gefährdung seines Existenzminimums
in der Lage sieht, seinen beitragsrechtlichen Pflichten nachzukommen. Sofern im Zusammenhang mit beitragsrechtlichen Regelungen
im Übrigen Defizitlagen auftreten sollten, wären in erster Linie die Grundsicherungsträger berufen, diese auch unter dem Blickwinkel
des Verfassungsrechts in den Blick zu nehmen und ggf das Leistungsrecht des SGB II verfassungskonform auszulegen. So hat die höchstrichterliche Rechtsprechung zB auch das Leistungsrecht der GKV trotz Geltendmachung
der Gefährdung des Existenzminimums nicht zu Gunsten von SGB II-Leistungsempfängern erweiternd ausgelegt, sondern statt dessen auf die in Betracht kommende Zuständigkeit der Grundsicherungsträger
verwiesen (vgl zB BSGE 100, 221 = SozR 4-2500 § 62 Nr 6, RdNr 29 f [Zuzahlungen]; BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - BSGE 109, 218 = SozR 4-2500 § 31 Nr 20 [Diätnahrung]; Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 24/10 R - SozR 4-2500 § 34 Nr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen [nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel]; vgl
auch aus der Rspr der für das SGB II zuständigen Senate BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 [krankheitsbedingt nötige Lebensmittel]; BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1 sowie in Bezug auf das Sozialhilferecht BSG Urteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 21/10 R - SozR 4-3500 § 32 Nr 1, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen [Beiträge zur
privaten Krankenversicherung]).
d) Einwendungen gegen die Höhe der Beitragsforderung bzw insoweit untermauerte Gegenrügen hat der Kläger im Revisionsverfahren
nicht erhoben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Die Anordnung einer Kostenerstattung von 1/10 der außergerichtlichen Kosten berücksichtigt das Obsiegen des Klägers hinsichtlich
der ursprünglich durch die beklagte LKK ebenfalls festgestellten Versicherungs- und Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen
Pflegeversicherung und der diesbezüglichen Beitragsforderung sowie deren Wert im Verhältnis zu den Beiträgen zur KVdL.