Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter
Gründe:
I
Umstritten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) beim Kläger, die die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) ablehnte.
Das angerufene Sozialgericht (SG) wies die Klage ab (Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2009). Das Landessozialgericht (LSG) hat in der Besetzung mit einem Berufsrichter
und zwei ehrenamtlichen Richtern die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 30. September 2009).
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger einen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters, weil das
LSG nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei.
II
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des Sächsischen LSG vom 30. September 2009 ist aufzuheben
und die Sache an das LSG gemäß §
160a Abs
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zurückzuverweisen, weil das Urteil auf einem Verfahrensmangel nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG beruht.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ua begründet, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die
angefochtene Entscheidung beruhen kann (§§ 160a, 160 Abs 2 Nr 3
SGG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil das angefochtene Urteil des LSG unter Verletzung des Grundsatzes des
gesetzlichen Richters (Art
101 Abs
1 Satz 2
Grundgesetz [GG]) ergangen ist.
Gesetzlicher Richter für die Entscheidung von Verfahren vor dem LSG ist ein Senat in der Besetzung mit einem Vorsitzenden,
zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§
33 Satz 1
SGG). In dieser Besetzung hat das LSG vorliegend nicht über die Berufung des Klägers entschieden, weil der Senat des LSG in der
Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern die Berufung des Klägers nach mündlicher Verhandlung zurückgewiesen
hat.
Die vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmen von der in §
33 Satz 1
SGG vorgeschriebenen Besetzung sind nicht erfüllt. Eine ggf zu erörternde Befugnis des Vorsitzenden oder an dessen Stelle des
Berichterstatters zu einer Entscheidung nach §
155 Abs
3,
4 SGG scheitert schon daran, dass das notwendige Einverständnis der Beteiligten hierfür fehlt.
Soweit §
153 Abs
5 SGG die Möglichkeit vorsieht, dass der Senat des LSG in den Fällen des §
105 Abs
2 Satz 1
SGG durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen kann, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet,
sind diese Voraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt. Es mangelt insbesondere an einem Beschluss des Senats, durch den die Berufung
dem Berichterstatter zusammen mit zwei ehrenamtlichen Richtern zur Entscheidung übertragen wird.
Das LSG hat in seinem Urteil vom 30. September 2009 auf keinen derartigen Beschluss Bezug genommen. Der vorliegenden Akte
des LSG ist ein derartiger Beschluss nicht zu entnehmen. Ein solcher Beschluss müsste jedoch Gegenstand der Akte sein, weil
er nach §
153 Abs
1, §
142 Abs
1, §
134 SGG zu unterschreiben, damit schriftlich abgefasst werden muss sowie an die Geschäftsstelle zu übergeben ist. Zudem müsste der
Beschluss den Beteiligten bekannt sein, weil Beschlüsse, die nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, ihnen zuzustellen
sind (§
153 Abs
1, §
133 SGG). Der Kläger hat jedoch mitgeteilt, dass ihm ein derartiger Beschluss nicht bekannt ist, und in der Akte des LSG sind auch
keine Zustellnachweise zu finden.
Dieser Verfahrensmangel ist nicht dadurch geheilt, dass der Entscheidung des LSG eine mündliche Verhandlung vorausgegangen
ist, in der der Kläger anwaltlich vertreten war und die Besetzung des LSG erkennen konnte. Zwar gelten die Vorschriften der
Zivilprozessordnung (
ZPO) über die Rüge von Verfahrensmängeln der Berufungsinstanz im Revisionsverfahren und die Heilung von Verfahrensmängel (§§
556,
295 ZPO) nach §
202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend (BSG SozR 1500 §
160a Nr 61 mwN). Eine Heilung ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung ein Beteiligter
nicht wirksam verzichten kann (§
295 Abs
2 ZPO). Zu diesen Vorschriften gehören die von Amts wegen zu beachtenden Grundlagen des Prozessrechts, wie die Prozessvoraussetzungen
und die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts aufgrund des Verfassungsgebots des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG (vgl nur Greger in Zöller,
ZPO, §
295 RdNr
4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, §
295 RdNr 16, 25, 29; jeweils mwN). Gegen die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts wurde vorliegend verstoßen.
Der Senat hat von der durch §
160a Abs
5 SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufzuheben und
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, weil ein nicht heilbarer Verfahrensmangel
vorliegt.
Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.