Anerkennung von Hüftprotektoren als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung; Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis
Gründe:
I
Die klagende Gesellschaft vertreibt in Deutschland Hüftprotektoren der Marke "Safehip®" eines dänischen Herstellers. Sie dienen
dazu, bei einem Sturz auf die Hüfte das Risiko einer Fraktur des Oberschenkelhalsknochens zu verringern. Der Safehip-Hüftprotektor
besteht aus zwei anatomisch geformten Schalen, die in eine Fixationshose integriert sind. Die ovalen Schalen sind konvex geformt
und bestehen aus elastischem, energieabsorbierendem Polypropylen-Kunststoff. Aufgrund der konvexen Wölbung liegt die Protektorschale
eng, aber nicht direkt auf dem Trochanter major (Oberschenkelhalsknochen) auf; es bleibt ein kleiner Zwischenraum, der so
groß ist, dass bei einem Sturz kaum Druck auf den Femurkopf entsteht. Das wichtigste Wirkprinzip der Schutzschalen ist die
Umverteilung der Sturzenergie vom Oberschenkelhalsknochen weg in das umliegende Weichteilgewebe. Zusätzlich wird durch die
Schutzschalen eine Vergrößerung des Aufprallareals erreicht, wobei die Energie in den Schutzschalen, ähnlich wie bei einem
Schaumstoff, weitgehend absorbiert wird.
Safehip-Hüftprotektoren gibt es in verschiedenen Ausführungen. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Produkte Safehip
Kompakt (mit fest in die Hose eingenähten Schutzschalen) und Safehip Top (mit aus der Hose herausnehmbaren Schutzschalen).
In Deutschland erleiden jährlich rund 150.000 Menschen eine Hüftfraktur, wobei weit mehr als 90 % dieser Frakturen durch einen
Sturz verursacht werden. Besonders betroffen sind ältere Menschen. Mehr als 90 % aller Hüftfrakturen treten nach dem 65. Lebensjahr
auf, wobei das Risiko eines Sturzes mit zunehmendem Alter noch deutlich ansteigt. Ein Drittel aller Menschen über 65 Jahre
stürzt mindestens einmal im Jahr. Die jährliche Sturzquote bei über 80 Jahre alten Menschen liegt schon bei 50 %. In Alten-
und Pflegeheimen sind sogar durchschnittlich 1,5 Stürze pro Bett und Jahr zu verzeichnen (vgl Bewertung von Hüftprotektoren
als Hilfsmittel nach §
139 SGB V des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen vom
15.7.2003, S 23 bis 25 mwN).
Die früher beklagten Spitzenverbände der Krankenkassen, seit dem 1.7.2008 abgelöst durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen
als Funktionsnachfolger, lehnten den Antrag der Klägerin vom 1.12.1997 auf Aufnahme der Safehip-Hüftprotektoren in das Hilfsmittelverzeichnis
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab (Bescheid vom 15.9.1998). Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 8.11.1999). Das Landessozialgericht (LSG) hat die erstinstanzliche
Entscheidung nach Beweisaufnahme geändert und der Klage stattgegeben (Urteil vom 31.5.2007): Es spreche schon viel dafür,
dass Hüftprotektoren der Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung dienten; dies brauche indes nicht vertieft zu werden,
weil sie auf jeden Fall dazu geeignet seien, einer drohenden Behinderung vorzubeugen. Hüftprotektoren seien gerade für den
Personenkreis vorgesehen, bei dem ein erhöhtes Sturzrisiko mit der potenziellen Folge eines Oberschenkelhalsbruches bestehe.
Bei dieser Form der medizinischen Prophylaxe handele es sich auch nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode,
sodass es auf die verschärften Beweisanforderungen des §
135 SGB V nicht ankomme.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen als nunmehr alleiniger Beklagter die
Verletzung der §§
33 und
139 SGB V. Hüftprotektoren dienten nicht der Sturzprophylaxe, sondern allein der Sturzfolgenprophylaxe; dieser Zweck werde von §
33 SGB V nicht erfasst. Zudem hätten neuere Studien keine signifikante Senkung von Oberschenkelhalsfrakturen bei Verwendung von Hüftprotektoren
gezeigt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31.5.2007 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil
des Sozialgerichts Köln vom 8.11.1999 zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die früheren Beklagten und der seit dem 1.7.2008 hierfür zuständige jetzige Beklagte
haben zu Recht die Eintragung der Hüftprotektoren in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV abgelehnt. Hüftprotektoren sind keine
in die Zuständigkeit der Krankenkassen fallende Hilfsmittel. Zudem fehlt der Klägerin als Vertriebsunternehmen die rechtliche
Befugnis, die Eintragung in das Hilfsmittelverzeichnis zu beantragen. Schon deshalb konnte auch das Hilfsbegehren auf Eintragung
der Hüftprotektoren in das Hilfsmittelverzeichnis der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) keinen Erfolg haben. Daher war das
die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil wieder herzustellen.
A) Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist nicht allein die Eintragung der Hüftprotektoren Safehip Kompakt und
Safehip Top in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV nach §
139 SGB V, womit sich die Beteiligten und die Gerichte in erster und zweiter Instanz ausschließlich beschäftigt haben. Zum Streitgegenstand
gehört vielmehr ebenfalls - in Form eines Hilfsbegehrens - die Frage der Aufnahme dieser Hüftprotektoren in das Pflegehilfsmittelverzeichnis
nach §
78 Abs
2 SGB XI, weil es auch insoweit um - allerdings mit anderen Funktionen versehene - Hilfsmittel geht und der beklagte Spitzenverband
Bund der Krankenkassen zugleich die Funktion des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen wahrnimmt (§
53 SGB XI), der das Pflegehilfsmittelverzeichnis erstellt. Auch bei den früheren Spitzenverbänden gab es insoweit Funktionenidentität;
denn die Spitzenverbände der Krankenkassen fungierten bis zum 30.6.2008 zugleich als Spitzenverbände der Pflegekassen.
1) Ein Eintragungsantrag nach §
139 SGB V enthält für den Fall seiner Ablehnung stets zugleich einen Eintragungsantrag nach §
78 Abs
2 SGB XI, sofern der Pflegeaspekt bei einem bestimmten Produkt überhaupt eine Rolle spielen kann und der Antrag nicht ausdrücklich
auf das Hilfsmittelverzeichnis der GKV beschränkt wird. Die doppelte Funktion eines Eintragungsantrages als Hauptantrag (nach
§
139 SGB V) und Hilfsantrag (nach §
78 Abs
2 SGB XI) ergibt sich aus der grundsätzlich gleichgerichteten Interessenlage der Antragsteller, aus der doppelten Funktion des Spitzenverbandes
Bund der Krankenkassen zur Führung beider Verzeichnisse sowie aus der Stellung des Pflegehilfsmittelverzeichnisses als "Anlage"
zum Hilfsmittelverzeichnis der GKV (§
78 Abs
2 Satz 2
SGB XI). Die Aufnahme eines Produktes in das Pflegehilfsmittelverzeichnis setzt dabei voraus, dass die Pflege erleichtert, zur Linderung
der Beschwerden des Pflegebedürftigen beigetragen oder eine selbstständigere Lebensführung ermöglicht wird (§
40 Abs
1 SGB XI). Dementsprechend hätten die früher beklagten Spitzenverbände der Krankenkassen den Antrag der Klägerin vom 1.12.1997 nach
Ablehnung der Eintragung der Hüftprotektoren in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV auch darauf hin prüfen müssen, ob hilfsweise
eine Eintragung in das Pflegehilfsmittelverzeichnis in Betracht kommt; denn die Klägerin hatte zwar ihren Eintragungsantrag
ausschließlich anhand des §
33 SGB V und des damaligen §
128 SGB V (jetzt §
139 SGB V) begründet, diesen aber nicht ausdrücklich auf das Hilfsmittelverzeichnis der GKV beschränkt. Außerdem liegt es auf der Hand,
dass beim Tragen von Hüftprotektoren pflegerische Aspekte eine Rolle spielen können, nämlich die Ermöglichung einer selbstständigeren
Lebensführung (3. Variante des §
40 Abs
1 Satz 1
SGB XI) und möglicherweise auch die Erleichterung der Pflege (1. Variante des §
40 Abs
1 Satz 1
SGB XI). Eine solche Prüfung ist seinerzeit unterblieben. Offenbar hatten die damals zuständigen Spitzenverbände der Krankenkassen
die Frage der Aufnahme der Hüftprotektoren in das Pflegehilfsmittelverzeichnis übersehen. Die Klägerin hatte die Erfüllung
der Tatbestandsvoraussetzungen für die Aufnahme der Hüftprotektoren in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV seinerzeit wohl
als selbstverständlich vorausgesetzt und deshalb auf hilfsweise Ausführungen zur Aufnahme in das Pflegehilfsmittelverzeichnis
verzichtet.
2) Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich über die Frage der Eintragung der Hüftprotektoren
in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV zu entscheiden ist. Das Verwaltungsverfahren zu dem sich auf beide Gesichtspunkte erstreckenden
Eintragungsantrag ist abgeschlossen, weil die Spitzenverbände der Krankenkassen das Begehren umfassend hätten prüfen müssen
und die Ablehnungsentscheidung vom 15.9.1998 deshalb die hilfsweise beantragte Aufnahme in das Pflegehilfsmittelverzeichnis
nach §
78 Abs
2 SGB XI mitumfasst. Dem steht nicht entgegen, dass dieser Aspekt in dem Bescheid vom 15.9.1998 nicht ausdrücklich erwähnt wird. Aus
dem maßgeblichen Empfängerhorizont ist das Begehren auf Eintragung der Hüftprotektoren in das Hilfsmittelverzeichnis in seinem
die GKV betreffenden Hauptteil (§
139 SGB V) und in seiner die SPV betreffenden Anlage (§
78 Abs
2 SGB XI) insgesamt abgelehnt worden. Der Rechtsstreit betrifft somit nicht nur die Aufnahme der Hüftprotektoren in das Hilfsmittelverzeichnis
der GKV, sondern - hilfsweise - auch die Eintragung in das Pflegehilfsmittelverzeichnis.
B) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.
1) Statthafte Klageart ist die - hier auch so erhobene - Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
4 SGG). Die - positive oder negative - Entscheidung über den Antrag auf Eintragung eines Produkts in das Hilfsmittelverzeichnis
stellt einen Verwaltungsakt dar. Dies ergibt sich für die Zeit ab 1.1.2004 aus §
139 Abs
2 Satz 5
SGB V in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) und für die Zeit ab 1.4.2007 aus §
139 Abs
6 Satz 3
SGB V in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Für die Zeit vor dem 1.1.2004 hatte bereits die Rechtsprechung des erkennenden Senats die Entscheidung
der damals zuständigen Spitzenverbände der Krankenkassen als Verwaltungsakt qualifiziert (BSGE 87, 105, 106 = SozR 3-2500 §
139 Nr 1). Da bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des §
139 SGB V auf die Eintragung in das Hilfsmittelverzeichnis ein Rechtsanspruch besteht, dem Beklagten bei der Entscheidung also kein
Ermessen zusteht, konnte die Klage unmittelbar auf die Verpflichtung zur Eintragung gerichtet werden (BSGE 87, 105, 107 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1). Entsprechendes gilt für die Eintragung eines Pflegehilfsmittels in das Pflegehilfsmittelverzeichnis
(§
78 Abs
2 Satz 5
SGB XI iVm §
139 SGB V).
2) Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass das vor Erhebung einer Anfechtungs- und Leistungsklage grundsätzlich
erforderliche Vorverfahren (§
78 SGG) nicht stattgefunden hat. In Fällen, in denen die früheren Spitzenverbände der Krankenkassen einen Verwaltungsakt gemeinsam
zu erlassen hatten, eine Widerspruchsstelle nicht bestimmt war und als nächsthöhere Behörde gemäß §
85 Abs
2 Satz 1 Nr
1 SGG nur die oberste Bundesbehörde als Aufsichtsbehörde der betroffenen Kassenverbände in Betracht kam, war auch der Widerspruchsbescheid
von den Spitzenverbänden zu erteilen. Der erstinstanzlich gestellte Antrag auf Abweisung der Klage genügt dann dem Vorverfahrenserfordernis,
wenn - wie hier - Klagegegner und Widerspruchsstelle identisch sind (BSGE 78, 243, 248 = SozR 3-2500 § 109 Nr 2; BSGE 87, 105, 108 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 mwN). Wegen der unterbliebenen Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 15.9.1998 hat die Klägerin
auch die Widerspruchsfrist eingehalten (§
84 Abs
2 Satz 3 iVm §
66 Abs
2 Satz 1
SGG), weil der Widerspruch (in Form der Klageerhebung) innerhalb eines Jahres erfolgt ist.
3) Zu Recht sind von den Vorinstanzen die zuvor ergangenen Ablehnungsbescheide vom 4.7.1996 und 20.1.1997 nicht mit in den
Klageantrag aufgenommen worden. Es geht nicht um ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Diese Ablehnungsbescheide sind gegenüber der Firma E., erlassen worden, die bis zum 30.9.1997 den Vertrieb der Hüftprotektoren
in Deutschland durchführte und seinerzeit einen ersten Aufnahmeantrag nach §
128 SGB V gestellt hatte. Die Bindungswirkung dieser ablehnenden Verwaltungsakte besteht allein im Verhältnis der damals zuständigen
Spitzenverbände der Krankenkassen zu der Firma E., nicht aber gegenüber der jetzigen Klägerin, die seit dem 1.10.1997 als
Vertriebsunternehmen fungiert, ohne selbst Rechtsnachfolgerin der Firma E. zu sein. Die Klägerin hat im Übrigen ihr Begehren
auch allein auf die zukünftige, nicht aber auf die rückwirkende Aufnahme der Hüftprotektoren in das Hilfsmittelverzeichnis
gerichtet.
4) Der Klägerin steht die Klagebefugnis zu. Ihr gegenüber ist der ablehnende Verwaltungsakt ergangen. Sie ist dadurch formell
beschwert. Auch materiell ist sie beschwert, weil die Vertriebsmöglichkeiten im Verhältnis zu den Krankenkassen bzw Pflegekassen
als Kostenträger durch die Ablehnung der Eintragung der Hüftprotektoren in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV und das Pflegehilfsmittelverzeichnis
praktisch ausgeschlossen sind, auch wenn diese Verzeichnisse keine abschließende Regelung im Sinne einer "Positivliste" für
Hilfsmittel darstellen, sondern nur als Entscheidungs- und Auslegungshilfe für die Krankenkassen, die Pflegekassen, die Vertragsärzte
und die Gerichte dienen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 17 und 27, stRspr; so auch die Begründung zum Gesetzentwurf des GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100, S 150 zu Nr 116, §
139 SGB V).
5) Nicht zum Verfahren beizuladen (§
75 SGG) war der Gemeinsame Bundesausschuss. Deshalb hat der erkennende Senat die vom LSG ausgesprochene notwendige Beiladung des
Gemeinsamen Bundesausschusses wieder aufgehoben (Beschluss vom 22.4.2009). Der Gemeinsame Bundesausschuss ist zu Verfahren
über die Eintragung eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV nach §
75 Abs
2 SGG nur dann notwendig beizuladen, wenn das Hilfsmittel im Rahmen einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode eingesetzt
werden soll, zu der sich der Ausschuss bisher nicht positiv geäußert hat (§
135 SGB V) und deshalb auch ihm gegenüber die Bindungswirkung einer einheitlichen Entscheidung herbeizuführen ist (vgl BSGE 87, 105, 111 f = SozR 3-2500 § 139 Nr 1). Geht es hingegen wie im Regelfall - und so auch hier - um ein Hilfsmittel, das im Rahmen
herkömmlicher ärztlicher Behandlungsmethoden eingesetzt werden soll, ist der Gemeinsame Bundesausschuss in seinem speziellen
Zuständigkeitsbereich der Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§
135 SGB V) und des Erlasses einschlägiger Richtlinien (§
92 Abs
1 Satz 2 Nr
5 SGB V) nicht berührt. Daher scheidet in solchen Fällen regelmäßig auch eine einfache Beiladung des Gemeinsamen Bundesausschusses
aus (§
75 Abs
1 SGG).
Im Bereich der Versorgung pflegebedürftiger Versicherter mit Pflegehilfsmitteln (§
40 Abs
1 SGB XI) hat der Gemeinsame Bundesausschuss ohnehin keine Funktion, sodass auch insoweit eine Beiladung nicht in Betracht kam.
C) Die Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage auf Eintragung der Hüftprotektoren in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV zu Recht abgewiesen. Die Berufung
der Klägerin gegen dieses Urteil war - entgegen der Auffassung des LSG - unbegründet.
Rechtsgrundlage des - in die Zukunft gerichteten - Klagebegehrens ist §
139 Abs
1 Satz 2
SGB V. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem bis zum 31.3.2007 geltenden §
128 Satz 2
SGB V aF. Nach §
139 Abs
1 Satz 2
SGB V sind in dem vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstellten und regelmäßig fortzuschreibenden (§
139 Abs
8 Satz 1
SGB V), systematisch strukturierten Hilfsmittelverzeichnis "von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen". Die Regelung
nimmt damit Bezug auf die Vorschriften des §
33 SGB V, des §
23 SGB V und des §
31 SGB IX, die den Leistungsanspruch eines Versicherten gegen die Krankenkassen auf die Versorgung mit Hilfsmitteln in der GKV sowie
bei der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen regeln. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind nicht erfüllt.
1) Dem Anspruch steht allerdings nicht bereits entgegen, dass nach diesen Vorschriften allgemeine Gebrauchsgegenstände des
täglichen Lebens nicht als Hilfsmittel einzustufen sind (vgl §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V). Hüftprotektoren werden von Menschen, die kein krankheitsbedingt erhöhtes Sturz- und Verletzungsrisiko haben, nicht getragen
und werden auch nicht für den Alltagsgebrauch gesunder Menschen produziert. Sie unterscheiden sich dadurch von anderen Formen
von "Schutzkleidung", die von einer Vielzahl von Menschen unabhängig von ihrem aktuellen Gesundheitszustand in Situationen
getragen werden, die erfahrungsgemäß mit erhöhten Unfall- und Verletzungsgefahren verbunden sein können. Dazu gehören zB Schutzhelme
für Rad-, Motorrad- und Skifahrer, Knie-, Ellenbogen-, Hüft- und Schienbeinschutz für Sportler sowie Arbeitsschutzkleidung.
Diese Produkte gelten krankenversicherungsrechtlich in aller Regel als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens,
weil sie nicht nur für gesundheitlich beeinträchtigte Menschen hergestellt und von gesunden wie gesundheitlich beeinträchtigten
Menschen gleichermaßen im Alltag zur allgemeinen Unfall- und Verletzungsprophylaxe getragen werden.
2) Es fehlt bei den Hüftprotektoren aber an der für die Leistungspflicht der Krankenkassen maßgeblichen Zweckbestimmung von
Hilfsmitteln iS des §
33 SGB V, des §
23 SGB V und des §
31 SGB IX. Die Krankenkassen haben ihren Versicherten Hüftprotektoren weder zur Krankenbehandlung (§
27 Abs
1 Satz 2 Nr
3 iVm §
33 SGB V) oder zur medizinischen Vorsorge (§
23 Abs
1 SGB V) noch zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen (§
31 SGB IX) zur Verfügung zu stellen.
a) Das Tragen von Hüftprotektoren dient nicht der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (1. Alternative des §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V) bzw der Sicherung des Erfolges einer Heilbehandlung (Nr
2 des §
31 Abs
1 SGB IX). Das LSG hat die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen zwar erwogen, sich insoweit aber letztlich nicht festgelegt.
Nach den vom LSG getroffenen Feststellungen, die von den Beteiligten nicht mit Verfahrensrügen angegriffen und daher für den
erkennenden Senat verbindlich sind (§
163 SGG), scheiden diese Varianten jedoch aus. Hüftprotektoren dienen im Falle eines Sturzes der Vorbeugung gegen Knochenbrüche an
den Hüften, also vor allem der Vermeidung eines Oberschenkelhalsbruches, wobei die Sturzgefahr ein allgemeines, jeden Menschen
betreffendes Lebensrisiko darstellt, das im Einzelfall aber krankheitsbedingt erhöht (zB bei Mobilitätseinschränkungen, Gangunsicherheiten,
Sehschwächen) oder mit einem erhöhten Verletzungsrisiko am Knochengerüst verbunden sein kann (zB bei Osteoporose). Die Sturzgefahr
selbst wird aber nicht verringert, wie es zB bei der Versorgung mit Gehhilfen der Fall ist. Es handelt sich vielmehr um eine
reine Sturzfolgenprophylaxe bzw Frakturprophylaxe. Aus dem Blickwinkel einer vorhandenen, mit Gangunsicherheiten verbundenen
oder zu einem verletzungsanfälligen Knochengerüst führenden Krankheit, derentwegen sich der Versicherte in ärztlicher Behandlung
befunden hat oder noch befindet, geht es nicht um die Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung oder der Heilbehandlung,
weil der Krankheits- bzw Heilungsverlauf (zB nach einer Fraktur) durch die Hüftprotektoren nicht positiv beeinflusst werden
kann und die im Einzelfall denkbare Verringerung der Angst vor einem Sturz und seinen Folgen lediglich eine psychisch wirkende
Nebenfolge der Sturzfolgenprophylaxe darstellt. Ihrer Zweckbestimmung nach dienen Hüftprotektoren nicht dem Abfedern der Hüfte
gegen unmittelbare Stöße beim Gehen (zB Anstoßen gegen ein Möbelstück oder ein anderes Hindernis), sondern im Falle eines
Sturzes der Verringerung des Risikos einer von der Grunderkrankung unabhängigen neuen "Krankheit", zu der auch alle Arten
von Frakturen und sonstigen Verletzungen gehören, weil unter "Krankheit" iS der §§
23 Abs
1 und
27 Abs
1 SGB V ganz allgemein ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand verstanden wird, der die Notwendigkeit ärztlicher Heilbehandlung
oder (zugleich oder allein) Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (BSG SozR 4-2500 § 137c Nr 1 mwN, stRspr). Der Sache nach bezwecken
Hüftprotektoren also die Vorbeugung gegen eine neue Krankheit und sind unter diesem Aspekt Mittel der gesundheitlichen Prävention
und Selbsthilfe (§
20 SGB V). Das Gesetz sieht in diesem Bereich die Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln zu Lasten der Krankenkassen aber nicht
vor. Insoweit ist die Eigenverantwortung der Versicherten gefragt.
b) Es geht auch nicht um die Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung (2. Alternative des §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V, Nr
1 des §
31 Abs
1 SGB IX). Das LSG hat die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Alternative zu Unrecht angenommen.
Es reicht zur Erfüllung der Voraussetzungen dieser Alternative nicht aus, dass aus einer vorhandenen Krankheit irgendwann
einmal in der Zukunft möglicherweise eine Behinderung erwachsen, sich also ein abstrakt-theoretisches Behinderungsrisiko verwirklichen
könnte. Vielmehr muss hierbei ein konkretes Behinderungsrisiko bestehen. Dies setzt voraus, dass nicht irgendeine Form einer
Behinderung denkbar erscheint, sondern eine ganz bestimmte Art der Behinderung zu erwarten ist, die bei einer bestimmten Erkrankung
typischerweise als Folge eintreten kann (sachliche Komponente). Diese Folge muss auch "drohen" (zeitliche Komponente). Eine
Behinderung "droht" erst, wenn aus einem bestimmten Krankheitsbild bei natürlichem Verlauf in absehbarer Zeit unter den Gegebenheiten
des Einzelfalls mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Dauerzustand in Form einer sonst nicht mehr behebbaren konkreten Funktionseinschränkung
erwachsen kann. Ärztliche Maßnahmen jeder Art, die diesen natürlichen Verlauf verhindern können, dienen der Vorbeugung gegen
eine drohende Behinderung. Davon ist die reine Sturzfolgenprophylaxe bzw Frakturprophylaxe sachlich und zeitlich zu weit entfernt.
Zunächst müsste sich die krankheitsbedingt erhöhte Sturzgefahr in der Zukunft tatsächlich realisieren - ein ungewisses, wenn
auch mit zunehmendem Alter wahrscheinlicher werdendes Ereignis. Bei diesem Sturz müsste die Hüfte betroffen sein. Es reicht
nicht aus, dass irgendein anderer Körperteil verletzt wird, weil Hüftprotektoren die Frakturgefahr nur im Bereich der Hüfte
verringern. Der Sturz auf die Hüfte müsste zudem zu einer Oberschenkelhalsfraktur führen. Aus dieser Fraktur müsste dann auch
noch eine Behinderung in Form einer dauerhaften, spürbaren Mobilitätseinschränkung folgen. Dies kann zwar unter ungünstigen
Umständen der Fall sein, ist aber keineswegs zwangsläufig. Eine solche Behinderung kann daher zwar am Ende einer derartigen
Verursachungskette im Einzelfall eintreten, aber nicht als in absehbarer Zeit konkret "drohend" eingestuft werden. Das Tragen
von Hüftprotektoren dient somit der Vorbeugung gegen eine zwar denkbare, aber nicht bereits drohende Verletzung (in Form einer
Fraktur) und nicht der Vorbeugung gegen eine schon drohende Behinderung.
c) Die Versorgung mit Hüftprotektoren betrifft dementsprechend auch nicht den Ausgleich einer Behinderung (3. Alternative
des §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V und Nr
3 des §
31 Abs
1 SGB IX). Das Anlegen von Hüftprotektoren dient nicht der - vollständigen oder teilweisen - Beseitigung einer körperlichen Funktionseinschränkung,
die aus einer Behinderung resultiert.
d) Ferner geht es auch nicht um die Verhütung der Verschlimmerung einer Krankheit (§
27 Abs
1 Satz 1 3. Alternative
SGB V). Eine Verschlimmerung wird verhütet, wenn der bestehende Krankheitszustand zwar nicht gebessert, aber auf dem derzeitigen
Stand gehalten wird. Dabei reicht es aus, dass die Krankheit sich, unbehandelt, wahrscheinlich verschlimmern würde und dem
Eintritt einer solchen Verschlimmerung am besten durch eine frühzeitige Behandlung entgegengewirkt wird (vgl Follmann in:
jurisPK-
SGB V, §
27 RdNr 64 mwN). Diese Alternative scheidet aus, weil durch das Tragen der Hüftprotektoren das Fortschreiten der vorhandenen
Krankheit, zB der Osteoporose, nicht verhindert wird. Die eine erhöhte Sturzgefahr bedingenden Krankheiten werden in ihrem
Verlauf nicht positiv beeinflusst. Die mögliche Fraktur stellt selbst keine Verschlimmerung der vorhandenen Krankheit dar,
weil es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um eine von der Grunderkrankung, zB der Osteoporose, zu unterscheidende neue
Krankheit handelt, nicht aber um eine direkte Folgeerkrankung. Da hier kein Fall der Verhütung einer Verschlimmerung vorliegt,
kann offenbleiben, ob diese Alternative bewusst oder nur versehentlich in §
33 SGB V und §
31 SGB IX nicht aufgeführt worden ist.
e) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten mit Hüftprotektoren auch nicht im Rahmen ambulanter medizinischer Vorsorgeleistungen
zu versorgen. Nach §
23 Abs
1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese
notwendig sind, um eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde,
zu beseitigen (Nr 1) einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken (Nr 2), Krankheiten zu
verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden (Nr 3) oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden (Nr 4). Gemeinsam ist diesen
Tatbeständen, dass die Leistungspflicht der Krankenkassen auch schon zu einem Zeitpunkt einsetzt, in dem eine iS des §
27 SGB V behandlungsbedürftige Krankheit noch nicht eingetreten ist, sie aber einzutreten droht, und es bei wertender Betrachtung
nicht um die Aufnahme oder Fortsetzung der Behandlung einer schon bestehenden Krankheit geht (Schütze in: jurisPK-
SGB V, §
23 RdNr 14, 15 und 17). Beurteilungsmaßstab ist daher unter dem Aspekt der Versorgung mit Hüftprotektoren als Vorsorgeleistung
nicht die Krankheit, die zu der erhöhten Sturzgefahr oder zu dem verletzungsanfälligen Knochengerüst geführt hat (insoweit
Krankenbehandlung und medizinische Rehabilitation gemäß §
33 SGB V und §
31 SGB IX), sondern die zu verhindernde Oberschenkelhalsfraktur als davon zu unterscheidende neue Krankheit. Eine Leistungspflicht
der Krankenkassen für Hüftprotektoren ist also auch unter diesem Blickwinkel zu verneinen.
aa) Es geht hier nicht um die Beseitigung einer Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer
Krankheit führen würde (§
23 Abs
1 Nr
1 SGB V).
Geschwächt ist die Gesundheit, wenn sie im Hinblick auf die drohende Erkrankung so angegriffen ist, dass sie alltäglichen
gesundheitlichen Belastungen nicht mehr standzuhalten vermag. Kennzeichnend ist eine Abweichung vom Normalzustand des altersgerecht
gesunden Menschen mit einer Minderung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die aber noch keinen Krankheitswert hat und deshalb
noch keine Behandlungsbedürftigkeit iS des §
27 SGB V auslöst (Schütze, aaO, RdNr 32 mwN). Davon ist auszugehen, wenn der Allgemeinzustand des Versicherten so labil ist, dass
bei gleich bleibender Belastung - außerberuflich und beruflich - mit dem Ausbruch einer Krankheit zu rechnen ist (so auch
die Gesetzesmaterialien, vgl BT-Drucks 11/2237, S 168). In absehbarer Zeit ist mit dem Eintritt einer schwächebedingten Erkrankung
zu rechnen, wenn der Gesundheitszustand ohne Intervention innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in einen behandlungsbedürftigen
Krankheitszustand überzugehen droht (Schütze, aaO, RdNr 33).
Prägend für diesen Tatbestand ist die Verhinderung der ohne Vorsorgeleistungen drohenden Gefahr eines gleitenden Übergangs
von einem zwar schon regelwidrigen, aber noch nicht behandlungsbedürftigen Gesundheitszustand in einen behandlungsbedürftigen
Krankheitszustand. Dies betrifft alle über einen gewissen Zeitraum sich erstreckenden Veränderungen des körperlichen oder
geistigen Zustands eines Menschen und passt von vornherein nicht auf plötzlich eintretende, auf äußeren Umständen (hier: Stürze)
beruhenden Krankheiten wie Frakturen und sonstige Verletzungen.
Aber selbst wenn man den Tatbestand erweiternd auslegt und auch auf das Risiko von Sturzverletzungen ausdehnt, fehlt es an
einer - noch nicht behandlungsbedürftigen - Schwächung der Gesundheit, weil die erhöhte Sturzgefahr und das verletzungsauffällige
Knochengerüst auf Krankheiten beruhen, die ihrerseits behandlungsbedürftig sind (§
27 SGB V). Zudem ist völlig ungewiss, ob sich die Sturzgefahr jemals realisiert und zu einer Oberschenkelhalsfraktur führt (sachliche
Komponente) und ob dies in absehbarer Zeit, also innerhalb eines überschaubaren Zeitraums geschehen wird (zeitliche Komponente).
Insoweit kann auf die Ausführungen zum Tatbestand der Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung (§
33 Abs
1 Satz 1
SGB V) verwiesen werden (s. oben C 2b).
bb) Die Versorgung mit Hüftprotektoren dient auch nicht dem Zweck, einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines
Kindes entgegenzuwirken (§
23 Abs
1 Nr
2 SGB V).
cc) Ferner geht es nicht um die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit nach §
23 Abs
1 Nr
4 SGB V. Pflegebedürftigkeit droht, wenn die möglicherweise zur Pflegebedürftigkeit (§
14 SGB XI) führenden Erkrankungen ein solches Gewicht angenommen haben, dass bei weiterem Fortschreiten mit dem Übergang zur Pflegebedürftigkeit
gerechnet werden muss. Die Schwelle des Pflegerisikos ist erreicht, wenn der Gesundheitszustand des Versicherten so angegriffen
ist, dass der Eintritt von Pflegebedürftigkeit ohne zeitnahe Intervention nach ärztlicher Erfahrung auf Dauer nicht auszuschließen
ist (Schütze, aaO, RdNr 39).
Auch dieser Tatbestand ist nicht erfüllt. Es geht, ähnlich wie bei §
23 Abs
1 Nr
1 SGB V, um die Verhinderung der ohne Vorsorgeleistungen drohenden Gefahr eines gleitenden Übergangs von einem regelwidrigen Gesundheitszustands
in einen anderen, hier in Form des Übergangs von einem Schwäche- oder Krankheitszustand in den Zustand der Pflegebedürftigkeit
(§
14 SGB XI). Diese Konstellation passt wiederum nicht auf plötzlich eintretende, auf äußeren Umständen beruhende Krankheiten wie Frakturen
und sonstige Verletzungen. Zudem ist das Risiko der Pflegebedürftigkeit sachlich und zeitlich zu weit von der reinen Sturzfolgenprophylaxe
entfernt, dem die Versorgung mit Hüftprotektoren dient. Auch insoweit ist auf die Ausführungen zum Tatbestand der Vorbeugung
gegen eine drohende Behinderung (§
33 Abs
1 Satz 1
SGB V) zu verweisen.
dd) Es geht schließlich auch nicht um die Verhütung einer Krankheit (1. Alternative des §
23 Abs
1 Nr
3 SGB V).
Notwendig zur Krankheitsverhütung sind Leistungen, wenn die gesundheitliche Situation des Versicherten ohne die in Frage stehende
Leistung bei natürlichem Verlauf in einen nach §
27 Abs
1 SGB V behandlungsbedürftigen Zustand überzugehen droht, ohne dass schon die Schwelle der "Schwächung der Gesundheit" (§
23 Abs
1 Nr
1 SGB V) erreicht sein muss. Dabei muss die medizinische Intervention zur Abwendung dieses Übergangs in den Krankheitszustand schon
gegenwärtig erforderlich sein (Schütze, aaO, RdNr
35 f). In Abgrenzung zu §
23 Abs
1 Nr
1 SGB V sind hier auch solche ernsthaften gesundheitlichen Risiken betroffen, die noch nicht zugleich eine Gesundheitsschwäche darstellen.
Es geht insbesondere um Fälle, bei denen aufgrund konkreter Anhaltspunkte der ernstliche Verdacht einer künftig ausbrechenden
und durch Maßnahmen der Krankheitsvorbeugung, zB der Früherkennung, einzudämmenden oder aufzuhaltenden Krankheit besteht (Schütze,
aaO, RdNr 36).
Dieser Tatbestand erfasst das Risiko des zukünftigen Übergangs von einer - zB genetisch bedingten - Krankheitsanlage in eine
behandlungsbedürftige Krankheit. Er passt also schon im Ansatz nicht auf plötzlich eintretende, auf äußeren Umständen beruhende
Krankheiten wie Frakturen und sonstige Verletzungen. Zudem ist das Risiko des tatsächlichen Eintritts eines Oberschenkelhalsbruchs
in sachlicher und zeitlicher Hinsicht völlig ungewiss. Insoweit kann auf die Ausführungen zum Tatbestand des §
23 Abs
1 Nr
1 SGB V verwiesen werden (vgl oben C 2 e aa), der durch den - erst zum 1.1.2000 durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999
(BGBl I, 2626) in das Gesetz eingefügten - Tatbestand der 1. Alternative des §
23 Abs
1 Nr
3 SGB V wegen dessen weiter Fassung praktisch völlig überlagert wird und deshalb eigentlich funktionslos geworden ist (Schütze, aaO,
RdNr 36).
ee) Schließlich handelt es sich auch nicht um die Vermeidung der Verschlimmerung einer Krankheit (2. Alternative des §
23 Abs
1 Nr
3 SGB V). Dieser Tatbestand deckt sich weitestgehend mit demjenigen des §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V, soweit dieser den Anspruch auf Krankenbehandlung zur Verhütung der Verschlimmerung einer Krankheit betrifft. Unterschiedlich
sind lediglich die medizinischen Ansatzpunkte, nämlich einerseits die Leistungserbringung zwecks Krankenbehandlung (§
27 SGB V) und andererseits die Leistungserbringung zwecks gesundheitlicher Vorsorge (§
23 SGB V). Dass auch dieser Tatbestand nicht erfüllt ist, ist bereits zu §
27 SGB V ausgeführt worden (vgl oben C 2 d).
f) Eine Leistungspflicht der GKV für Hüftprotektoren als Hilfsmittel zur Gesundheitsvorsorge, zur Krankenbehandlung und zur
medizinischen Rehabilitation besteht nach alledem nicht. Das Beschaffen und Anlegen von Hüftprotektoren fällt als reine Prophylaxe
gegen Sturzfolgen in die Eigenverantwortung der Versicherten, soweit es um den Bereich der Krankenversicherung geht.
3) Da Hüftprotektoren keine Hilfsmittel iS des §
33 SGB V, des §
23 SGB V bzw des §
31 SGB IX darstellen, kam es für die begehrte Eintragung in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV nicht mehr darauf an, dass der Klägerin
insoweit auch die Antragsbefugnis fehlt (vgl dazu Näheres unten D 2).
D) Das im Antrag auf Eintragung der Hüftprotektoren in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV konkludent enthaltene Hilfsbegehren
auf Eintragung in das Pflegehilfsmittelverzeichnis (als Anlage zum Hilfsmittelverzeichnis, §
78 Abs
2 SGB XI) ist ebenfalls unbegründet.
1) Wie bereits ausgeführt, ist es durchaus vorstellbar, dass Hüftprotektoren bei pflegebedürftigen Versicherten eine selbstständigere
Lebensführung ermöglichen (3. Variante des §
40 Abs
1 Satz 1
SGB XI), und zwar durch eine Steigerung der Mobilität der Pflegebedürftigen infolge verminderter Sturzangst. Unter Umständen tragen
sie auch zur Erleichterung der Pflege bei (1. Variante des §
40 Abs
1 Satz 1
SGB XI), weil in der Zeit nach der stationären Behandlung wegen einer Oberschenkelhalsfraktur möglicherweise ein höherer Pflegeaufwand
anfällt. Es fehlt insoweit aber an Feststellungen des LSG, die eine abschließende Entscheidung der Frage tragen könnten, ob
diese Voraussetzungen erfüllt sind.
2) Der Senat brauchte den Rechtsstreit jedoch gleichwohl nicht an das LSG zurückzuverweisen, weil der Klägerin die Antragsbefugnis
fehlt. Sie ist nicht Hersteller, sondern nur Vertreiber der Hüftprotektoren. Die Antragsbefugnis richtet sich nach der Verweisung
in §
78 Abs
2 Satz 5
SGB XI auf §
139 SGB V ebenfalls, wie beim Hilfsmittelverzeichnis der GKV, nach §
139 Abs
3 Satz 1
SGB V und ist damit auf den jeweiligen Hersteller beschränkt.
a) Nach §
139 Abs
3 Satz 1
SGB V erfolgt die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV "auf Antrag des Herstellers". Das Aufnahmeverfahren
wird danach durch einen Antrag des Herstellers eingeleitet und kann grundsätzlich auch nur vom Hersteller betrieben werden.
Reine Vertriebsunternehmen - wie die Klägerin - können hiernach weder selbst die Eintragung eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis
beantragen noch das Aufnahmeverfahren betreiben. Diese Bestimmung ist zwar erst zum 1.4.2007 in das Gesetz eingefügt worden,
hat aber auch schon für die davorliegenden Zeiträume Bedeutung, weil es sich nicht um eine konstitutiv wirkende, sondern um
eine klarstellende Regelung handelt, was auch die Gesetzesmaterialien zum Ausdruck bringen (vgl BT-Drucks 16/3100 S 150 zu
Nr 116, 3. Absatz). Der Charakter als klarstellende Regelung ergibt sich insbesondere aus der Regelung des §
139 Abs
4 SGB V (bis 31.3.2007: §
139 Abs
2 Satz 1
SGB V), wonach ein Hilfsmittel in das Verzeichnis aufzunehmen ist, wenn "der Hersteller" die Funktionstauglichkeit und Sicherheit,
die Erfüllung der gesetzlichen Qualitätsanforderungen (§
139 Abs
2 SGB V) und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen nachgewiesen hat und es mit den für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung
erforderlichen Informationen in deutscher Sprache versehen ist. Im Aufnahmeverfahren hat "der Hersteller" die zur Prüfung
dieser Voraussetzungen erforderlichen vollständigen Antragsunterlagen vorzulegen (§
139 Abs
6 Satz 1
SGB V). Aus dieser - seit jeher bestehenden - gesetzlichen Vorlage- und Nachweispflicht "des Herstellers" lässt sich ohne Weiteres
ableiten, dass auch schon vor dem 1.4.2007 nur der Hersteller einen Aufnahmeantrag stellen und das Aufnahmeverfahren betreiben
konnte. Die Klägerin war - als reines Vertriebsunternehmen - hiernach nicht antragsbefugt.
Ob ein Vertriebsunternehmen berechtigt sein kann, namens und im Auftrag eines Herstellers einen Aufnahmeantrag nach §
139 SGB V zu stellen, für diesen das Aufnahmeverfahren zu betreiben und in einem Rechtsstreit als gewillkürter Prozessstandschafter
aufzutreten, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil ein solches Handeln im fremden Namen vom LSG nicht festgestellt
und von der Klägerin auch nicht behauptet worden ist.
b) Die Klägerin kann sich zur Begründung ihrer Antragsbefugnis auch nicht darauf berufen, sie gelte nach dem Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz - ProdHaftG) vom 15.12.1989 (BGBl I 2198) im Verhältnis zu den Verbrauchern nicht lediglich als Vertreiber, sondern nach § 4 Abs 1 Satz 2 ProdHaftG selbst als Hersteller, weil sie sich durch Anbringen ihres Firmennamens an den Hüftprotektoren des dänischen Produzenten
in Deutschland als Hersteller ausgebe. Dieser für die Belange des Verbraucherschutzes entwickelte weite Begriff des Herstellers
gilt nur für den Anwendungsbereich des ProdHaftG, nicht aber darüber hinaus. Dies ergibt sich sowohl aus dem Zweck des Gesetzes, dem Verbraucher die Durchsetzung von Ersatzansprüchen
wegen fehlerhafter Produkte zu erleichtern, als auch aus dem Wortlaut des § 4 Abs 1 Satz 1 ProdHaftG, wonach "Hersteller im Sinne dieses Gesetzes" die in dieser Vorschrift genannten Produzenten, Importeure, Vertreiber und
Lieferanten sind. Im Anwendungsbereich des §
139 SGB V ist der Begriff des Herstellers eng zu verstehen und auf das eigentliche Herstellungsunternehmen beschränkt. Dies soll insbesondere
der Gefahr divergierender Entscheidungen vorbeugen. Dass der Gesetzgeber auch an Anträge ausländischer Hersteller gedacht
hat, ergibt sich vor allem aus der Verpflichtung zur Beifügung der für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen
Informationen in deutscher Sprache (§
139 Abs
4 SGB V).
E) Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG in der hier noch anwendbaren und bis zum 1.1.2002 gültigen Fassung (vgl §
197a SGG iVm Art 17 Abs 1 Satz 2 des 6.
SGG-Änderungsgesetzes vom 17.8.2001, BGBl I 2144), weil die Klage bereits im Jahre 1998 anhängig geworden ist.