Hinterbliebenenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz
Grundsatzrüge
Genügen der Darlegungspflicht
Kostenentscheidung
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren
und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über
den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.
2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus
Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt.
3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage,
(2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung.
4. Das Rechtsmittelverfahren ist ausgeschlossen, wenn es allein auf die (allgemeine) Kostenentscheidung nach §
193 SGG oder die spezielle Kostenvorschrift des §
192 SGG gestützt wird.
Gründe:
I
In der Hauptsache begehren die Kläger wegen der Nichtversetzung nach der ersten Jahrgangsstufe 1979/80 ihrer im Jahr 2011
verstorbenen Mutter Hinterbliebenenversorgung nach dem
Opferentschädigungsgesetz. Der beklagte Freistaat lehnte den Antrag mangels tätlichen Angriffs ab (Bescheide vom 25.7.2013, Widerspruchsbescheide vom
21.1.2014). Die Klage war erfolglos (Urteil vom 9.9.2014). Das LSG hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen und zur Begründung
ua ausgeführt, die begehrte Feststellung der Nichtversetzung als Kindesmisshandlung sei mit Hilfe der isolierten Elementenfeststellungsklage
unzulässig. Im Übrigen fehle es nach der Rechtsprechung des Senats wie auch der des BSG an einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff, weil keine körperliche Gewalteinwirkung erkennbar sei (Urteil vom
5.7.2016).
Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und machen die grundsätzliche
Bedeutung der Sache und Verfahrensfehler geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da die
aufgeführten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensfehlers nicht ordnungsgemäß dargetan worden
sind (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich
sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb
eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren
eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen:
(1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4)
die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
Die Beschwerdebegründung formuliert als Fragen:
Liegt ein Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vor, wenn ein Berufungsgericht keine Entscheidung im Sinne einer eigenständigen Rechtsanwendung getroffen hat, sondern sich
lediglich auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG zur Auslegung einer Anspruchsnorm berufen hat, ohne sich zu äußern, ob und warum es dieser Rechtsprechung folgt?
Ist die Klage zulässig erhoben, wenn sie durch die Beklagtenpartei beim SG eingereicht wurde?
Unter welchen Voraussetzungen kann die Klagepartei zur Zahlung von Missbrauchskosten verurteilt werden, wenn das Klageverfahren
von der Beklagtenpartei eingeleitet wurde?
Es ist bereits zweifelhaft, ob es sich hierbei um über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen mit Breitenwirkung handelt
oder sich die Fragen auf die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall der Kläger beschränken (vgl BSG Beschluss vom 5.8.2014 - B 10 ÜG 32/13 B). Jedenfalls ist hinsichtlich der ersten aufgeworfenen Frage der Klärungsbedarf
nicht aufgezeigt. Will ein Beschwerdeführer aufzeigen, dass die aufgeworfene Rechtsfrage nicht geklärt ist, muss er sich mit
der Rechtsprechung und ggf auch mit dem vom LSG zitierten Schrifttum "auseinandersetzen". Denn eine Rechtsfrage ist auch dann
nicht klärungsbedürftig, wenn diese zwar noch nicht höchstrichterlich entschieden, die Antwort auf die Frage aber praktisch
von vornherein außer Zweifel steht (Beschluss vom 10.7.2013 - B 11 AL 59/13 B), etwa weil sich die Rechtsfrage unmittelbar und eindeutig anhand der gesetzlichen Vorschriften beantworten lässt (BSG Beschluss vom 12.6.2013 - B 3 KR 32/12 B). Die Beschwerdebegründung beschäftigt sich schon nicht damit, in welchen Fällen das Gesetz unmittelbar Auskunft über eine
rechtliche Bindungswirkung höchstrichterlicher Entscheidungen gibt und darüber hinaus faktische Bindungswirkungen bestehen,
die es ausschließen, eine auf höchstrichterliche Rechtsprechung gestützte Entscheidung eines Instanzgerichts allein deshalb
als verfahrensfehlerhaft anzusehen, weil sich daraus keine zusätzlichen Verlautbarungen darüber ergeben, ob und warum der
höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt wird.
Auf die hinsichtlich der auferlegten Verschuldenskosten gestellten weiteren Fragen kann die Zulassung der Revision ohnehin
nicht gestützt werden. Das Rechtsmittelverfahren ist ausgeschlossen, wenn es allein auf die (allgemeine) Kostenentscheidung
nach §
193 SGG oder die spezielle Kostenvorschrift des §
192 SGG gestützt wird (vgl BSG Beschluss vom 18.8.2015 - B 13 R 241/15 B RdNr 9). So liegt es hier. Denn die weiteren Verfahrensrügen greifen ebenfalls nicht durch (dazu unter II.2.).
2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Die Kläger führen an, das Urteil des LSG habe sich auf Rechtsprechung des BSG zum tätlichen Angriff gestützt, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass diese weder unumstritten noch unproblematisch sei. Das
LSG habe insoweit seine eigene Rechtsmeinung nicht erkennen lassen. Dadurch habe es den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Der behauptete Verfahrensmangel in Gestalt einer Gehörsverletzung (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) ist damit nicht hinreichend dargelegt. Ein solcher Verstoß liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen
der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN). Rechtliches Gehör gewährleistet deshalb von vornherein keine Aussage des Tatsachengerichts dazu, ob und
inwieweit höchstrichterliche Rechtsprechung, auf die es seine Entscheidung stützt, sich darüber hinaus mit seiner "eigenen
Rechtsauffassung" deckt. Auch der Umstand, dass das LSG dem Rechtsstandpunkt der Kläger zur psychischen Gewalteinwirkung nicht
gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass ein Kläger "gehört",
nicht jedoch "erhört" wird (BSG Beschluss vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris RdNr 8). Soweit die Kläger die Rechtsanwendung des LSG in der Hauptsache und zudem zu den Verschuldenskosten für
unzutreffend halten, begründet dies ebenfalls keinen Revisionszulassungsgrund (BSG SozR 1500 § 160a RdNr 7).
3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.