Sachleistungsanspruch für eine stationär durchgeführte Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems an beiden Oberschenkeln in
der gesetzlichen Krankenversicherung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine stationär durchgeführte Liposuktion (Fettabsaugung) zur
Behandlung eines Lipödems (einer übermäßigen Vermehrung des Fettgewebes) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die am 1932 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Bereits vom 09. Juni bis 13. Juni 1998
war bei der Klägerin aufgrund der Diagnose einer Lipodystrophie und Störung des Lipidstoffwechsels eine Liposuktion an den
Oberschenkeln stationär durchgeführt worden (vgl. dazu einen in der Verwaltungsakte befindlichen Ausdruck aller bei der Klägerin
zulasten der Beklagten bereits durchgeführten Krankenhausbehandlungen).
Am 20. Juni 2008 wandte sich Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie Dr. S. für die Klägerin an die Beklagte und
teilte mit, die Klägerin habe sich an ihn mit dem Wunsch einer Liposuktion der Beine gewandt. Bereits 1993 (richtig wohl:
1998) sei eine solche Behandlung schon einmal von der Beklagten übernommen worden. Mit weiterem Schriftsatz vom 16. Juli 2008
berichtete Dr. S. vom Vorliegen einer Lipodystrophie, Adipositas und Varikosis beider Beine bei der Klägerin. Die frühere
Oberschenkelstraffung beidseitig mit Liposuktion sei damals im S. J.-krankenhaus erfolgt. Jetzt sei es im Rahmen einer allgemeinen
Adipositas erneut zur erheblichen Vermehrung des Oberschenkelumfangs beidseitig (Oberschenkelmitte 70 cm, hüftnah knapp 100
cm und am Knie 51 cm Umfang) gekommen. Die Oberschenkelinnenseiten lägen aneinander. Die Klägerin wünsche die erneute Korrektur.
Die gewünschte Operation sei sicher möglich, allerdings bedingt durch das Alter und die Voroperation mit deutlich erhöhtem
Risiko. Die gesetzlich erforderliche zwingende medizinische Notwendigkeit, dies ohne Genehmigung der Beklagten durchzuführen,
sehe er nicht. Eine Kostenerstattung sei eine Ermessensentscheidung von Seiten der Beklagten.
Die Beklagte holte eine sozialmedizinische Stellungnahme bei Dr. B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg
(MDK) ein (Stellungnahme vom 25. Juli 2008), die zu dem Ergebnis gelangte, die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte
Liposuktion seien nicht erfüllt. Ursächlich für eine Fettschürze oder für eine erschlaffende Bauchdecke sei in aller Regel
eine Adipositas per magna bzw. ein Zustand nach Gewichtsabnahme bei Adipositas. Das Übergewicht sei in der Regel die Folge
eines Missverhältnisses zwischen aufgenommener Nahrung und Energieverbrauch. Die sich danach ergebende Veränderung der Körperform
stelle isoliert betrachtet in der Regel keine wesentliche Gesundheitsstörung dar, bedinge meist keine Funktionsstörung und
sei damit nicht als behandlungsbedürftige Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne anzusehen. Es handle sich um einen Schönheitsfehler,
welcher durch kosmetische Eingriffe angegangen werden könne. Nachdem gestützt hierauf die Beklagte - von der Beklagten als
Anhörung angesehen - die Klägerin unter dem 29. Juli 2008 unterrichtete, Kosten für eine Liposuktion der Beine könnten nicht
übernommen werden legte die Klägerin der Beklagten den Befundbericht des Facharztes für plastische und ästhetische Chirurgie
Priv. Doz. Dr. V. vom 09. September 2008 vor. Dieser diagnostizierte bei der Klägerin ein Lipödem (R 60.9). Bei der Klägerin
sei schon vor zehn Jahren eine Dermolipektomie an den Beinen durchgeführt worden. Jetzt sei das Gewebe wieder nachgewachsen
bzw. die Gewebespannung habe nachgelassen. Der Untersuchungsbefund habe ein femorales Lipödem mit Fett-Hautschürze ergeben,
die schon beim normalen Stehen aneinander gepresst werde. Die Klägerin habe extreme Probleme mit dem Laufen, da das Haut-Fett-Gewebe
aneinander reibe und sie störe; sie werde beim Gehen durch die mechanische Beeinträchtigung nahezu aus dem Gleichgewicht gebracht.
Als Behandlung werde eine erneute Dermolipektomie an den Oberschenkeln und dem Kniebereich vorgeschlagen; eine stationäre
Behandlung sei notwendig.
Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin durch Ärztin S. vom MDK sozialmedizinisch begutachten (Gutachten vom 26. November
2008). Ärztin S. berichtete im Befund von einer extremen valgischen Beinachse im Stand ohne Handstock, einem Körpergewicht
von 106 kg bei einer Körpergröße von 167 cm und Oberschenkelumfängen rechts von 62 cm und links von 65 cm sowie über der Patellamitte
rechts von 50 cm und links von 45 cm. Es bestehe eine Gangstörung bei extremer Valgus- und Senk-Spreiz-Knickfußbildung beidseits.
Ärztin S. diagnostizierte ein Lipödem bei Adipositas per magna (E 66) und führte hierzu aus: Im Falle der Klägerin handle
es sich um eine Adipositas per magna mit einem BMI von 37,8 kg/m². Übergewicht sei die Folge eines Missverhältnisses zwischen
aufgenommener Nahrung und Energieverbrauch. Im Vordergrund stehe daher hier eine Gewichtsreduktion. Die extremen Probleme,
die die Klägerin beim Gehen geschildert habe, hätten gegebenenfalls eine orthopädische Ursache. Im Bereich der Oberschenkelinnenseiten
fänden sich keine ekzematösen oder sonstigen Veränderungen, die auf einen mechanischen Reiz zurückzuführen wären. Die Kostenübernahme
könne der Krankenkasse nicht empfohlen werden.
Mit Bescheid vom 28. November 2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme einer Liposuktion ab. Mit Urteil vom
24. September 1996 (keine Angabe eines Aktenzeichens) habe das Bundessozialgericht (BSG) bestätigt, dass die Kosten für plastische Operationen nur dann von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden
dürften, wenn der Eingriff medizinisch notwendig sei. Das Lipödem stelle für sich alleine gesehen keinen behandlungsbedürftigen
Krankheitsbefund dar. Selbst wenn eine behandlungsbedürftige Erkrankung vorliege, könne diese oftmals durch nicht-operative
Maßnahmen therapiert werden. Im Falle der Klägerin stehe laut Gutachten des MDK eine Gewichtsreduktion im Vordergrund. Gegebenenfalls
sei eine orthopädische Abklärung über die Schwierigkeiten vorzunehmen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 29. Dezember 2008 Widerspruch ein. Im Rahmen der Begutachtung sei trotz mehrmaliger
Hinweise eine Untersuchung der Lipödeme nicht erfolgt. Man habe sich auf eine Vermessung ihrer Kniegelenke beschränkt, die
Lipödeme jedoch weder angeschaut noch vermessen o.ä. Die Ablehnung der begehrten Operation sei daher auf der Grundlage einer
Untersuchung erfolgt, die sich mit dem eigentlichen Grund ihres Vorsprechens gar nicht befasse. Die Operation sei für sie
sehr wichtig, da die Lipödeme ihre Bewegungsfreiheit erheblich beeinträchtigten und sie vom Erfolg der Operation durch ihre
vorherigen Erfahrungen wisse. Die Klägerin legte zudem den Arztbrief des Internisten Dr. M. vom 20. Dezember 2007 vor. Er
habe bei der Klägerin ein initiales beidseitiges Beinlymphödem (I 89.0), ein Lipödem-Syndrom (R 60.9), eine grenzwertige Schilddrüsengröße
(E 04.9) sowie eine arterielle Hypertonie (I 10.90) diagnostiziert. Bereits im Jahr 1984 sei in der F.-klinik die Diagnose
eines initialen Beinlymphödems sowie Lipödems bei der Klägerin gestellt worden. Das Beinlymphödem sei erfreulicherweise unter
ambulanter Therapie bis heute stabil gewesen sei. Die Klägerin habe Lymphdrainagen im Durchschnitt einmal pro Woche erhalten,
eine Kompressionsstrumpfversorgung habe sie zuletzt wegen Passformproblemen nicht mehr getragen. Im Jahr 2002 (richtig wohl:
1998) sei eine Fettabsaugung medial an beiden Oberschenkeln durchgeführt worden. Inzwischen sei es wieder zu einer Volumenvermehrung
mit Erreichen des Ausgangsbefundes gekommen; die Liposuktion habe nur zu einer passageren Verbesserung der Gewebevermehrung
geführt Die Klägerin befinde sich in mäßigem Allgemein- und stark adipösem Ernährungszustand. Die lipödematöse Gewebevermehrung
wäre durch konsequente Kompressionstherapie sowie regelmäßig körperliche Aktivität und eine Gewichtsreduktion mit der Kompression
zu bessern. Dies sei der Klägerin allerdings auch aufgrund ihres Alters sicherlich nur beschränkt möglich. Eine medikamentöse
Therapie habe man der Klägerin nicht verordnet. Im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens legte die Klägerin zudem die
Arztbriefe des Oberarztes Dr. F. der Abteilung für Plastische- und Handchirurgie des Universitätsklinikums F. vom 15. Januar
2009 und vom 18. März 2009 vor. Bei der Untersuchung habe sich ein ausgeprägtes Lipödem beider Oberschenkel und Unterschenkelvorderseiten
gezeigt. Insbesondere medial fänden sich große Hautsäcke mit Fettgewebswucherungen. Auf diätetische Maßnahmen bildeten sich
diese Fettgewebe nicht zurück. Es bestehe ferner eine ausgeprägte dünne Haut, welche bei stärkerer Berührung zu Hämatomen
neige, ein typisches Lipödem-Syndrom. Die Narben der Reduktionsplastik im Oberschenkelbereich seien zart und reizlos. Es bestehe
eine Druckdolenz des Fettgewebes. Aufgrund des ausgeprägten Befundes werde die Liposuktion an beiden Oberschenkeln sowie Unterschenkelvorderseiten
empfohlen. Seines Erachtens handle es sich hierbei um eine medizinische Indikation. Die Klägerin sei durch die Druckschmerzhaftigkeit
des Fettgewebes mit Gangbeeinträchtigung stark eingeschränkt. Überdies legte die Klägerin Fotos ihrer Beine mit Stand vom
07. Januar 2009 vor.
Die Beklagte holte bei Dr. N. vom MDK ein sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage ein (Gutachten vom 19. Februar 2009).
Dr. N. kam zu der Auffassung, auch aus zweitgutachterlicher sozialmedizinischer Sicht sowie in Kenntnis der inzwischen eingetroffenen
Bilder der Klägerin stehe die Adipositas deutlich im Vordergrund vor funktioneller Behinderung durch Lipödeme. Die Beine seien
symmetrisch verdickt sowohl im Oberschenkel- wie im Unterschenkelbereich. Primär sollten Maßnahmen der Ernährungsberatung
und -umstellung, der Krankengymnastik, ggf. im Wasser und ggf. doch noch Kompressionsmaßnahmen in Angriff genommen werden.
Mit erneutem Bescheid vom 24. Februar 2009 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme der beantragten Liposuktion nochmals mit
im Wesentlichen gleicher Begründung wie im Bescheid vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin erhob erneut Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid
vom 22. Juni 2009 wies sodann die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den Widerspruch der Klägerin als unbegründet
zurück. Es bestehe kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine operative Liposuktion der Beine im Rahmen einer stationären
Krankenhausbehandlung. Die Beklagte folgte den Ergebnissen der Gutachten des MDK.
Am 26. Juni 2009 erhob die Klägerin zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage. Sämtliche Gutachten des Universitätsklinikums F. und eine Kopie ihres Schwerbehindertenausweises mit einem Grad der
Behinderung (GdB) von 100 sowie den Merkzeichen G, RF, Bl und H lägen der Beklagten vor. Es gehe in ihrem Fall nicht um Gewicht
oder Größe, sondern um Lipödeme. Sie sei zur Behandlung in die F.-klinik zu Dr. M. gegangen, der zu der Auffassung gelangt
sei, bei ihr lägen "dicke fette Lipödeme" vor, die nur operativ entfernt werden können. Er habe ihr auch die Adresse von Dr.
F. gegeben. Soweit Dr. M. sich nunmehr hiervon abweichend geäußert habe (dazu im Folgenden) handele es sich hierbei um ein
falsches Attest. Er sei im Übrigen der einzige von vier Ärzten, der die Operation nicht für nötig halte. Auf das durch das
SG eingeholte Gutachten des Dr. S. vom 29. September 2010 (dazu sogleich) hin wandte die Klägerin ein, die Hinweise des Sachverständigen
auf eine fehlende Ernährungsberatung lägen neben der Sache. Die Lymphdrainagen-Behandlung habe nach rund 30 Jahren aufgegeben
werden müssen, weil die Beklagte die Taxikosten zur Massagepraxis nicht bezahlt habe. Sie habe durchaus Kompressionsstrümpfe,
müsse diese aber nach einiger Zeit regelmäßig wieder ausziehen, weil sie die Blutzufuhr einschränkten, in die Kniekehle rutschten
und dort einen Wulst bildeten. Im Übrigen sei ihre rechte Kniekehle nach durchgeführter Operation am rechten Knie am 27. Januar
2010 zusätzlich empfindlich. Soweit sie in der Stadt Besorgungen mache, sei sie nach einer Stunde völlig erschöpft. Es sehr
konkret zu erwarten, dass sie (die Klägerin) in absehbarer Zeit auf den Rollstuhl angewiesen sei und zum Pflegefall werde.
Aufgrund ihrer derzeitigen Bewegungsunfähigkeit sei sie in hohem Maße in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Die Klägerin
legte den Arztbrief des Orthopäden Dr. M. vom 24. August 2009 sowie den Befundbericht des Chefarztes Dr. R., Abteilung für
Orthopädische Chirurgie des L.-Krankenhauses F., vom 06. Dezember 2010 vor, ausweislich dessen bei der Klägerin am 27. Januar
2010 eine Knietotalendoprothese rechts implantiert worden sei. Hier habe sich ein komplikationsloser Verlauf gezeigt. Auch
am linken Knie sei mittelfristig eine Knietotalendoprothese zu implantieren. Zwar liege keine absolute Indikation für eine
operative Liposuktion vor, jedoch sei aus orthopädischer Sicht eine deutliche Reduktion des Fettgewebes zum Erreichen eines
möglichst optimalen operativen sowie postoperativen Ergebnisses sinnvoll.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Im Verlauf des Verfahrens legte sie das sozialmedizinische Gutachten des Dr. F. (MDK)
vom 18. Januar 2010 vor. Dieser führte darin aus, in der Gesamtschau der vorliegenden Unterlagen sei festzustellen, dass bei
der Klägerin sowohl ein ernährungsbedingtes Übergewicht (Adipositas) als auch ein beinbetontes Lipödem-Syndrom vorlägen. Beide
Krankheitsbilder seien selbstverständlich nicht deckungsgleich, überlappten sich jedoch in ihren Auswirkungen auch hinsichtlich
des Beinumfangs. Es sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich, dass die Klägerin bisher an qualitätsgesicherten
und wissenschaftlich basierten Bemühungen zu einer langfristigen Ernährungsumstellung teilgenommen habe. Insofern sei nicht
nachvollziehbar, worauf Dr. F. seine Feststellung, das Fettgewebe bilde sich durch diätetische Maßnahmen nicht zurück, zuverlässig
stützen wolle. Im Übrigen sei das Vorhandensein Lipödem-typischer Blutergüsse in keiner Untersuchung dokumentiert worden.
Es spreche vieles dafür, dass in Übereinstimmung mit den einschlägigen lymphologischen Leitlinien sehr wohl die positive Wirkung
einer konsequenten Kompressionsbehandlung erwartet werden könne. Auch sei durch eine Gewichtsreduktion aufgrund von Ernährungsumstellung
ein positiver Einfluss zu erwarten, selbst wenn diese in höherem Lebensalter nicht einfach durchzuführen sein möge. Im Übrigen
sei bislang nicht hinreichend gewürdigt worden, dass schon die früher durchgeführte operative Behandlung nur einen sehr vorübergehenden
Effekt gehabt habe.
Das SG erhob Beweis durch Vernehmung der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Ärztin für Allgemeinmedizin
Dr. T. (Auskunft vom 14. Oktober 2009) gab an, die Klägerin werde von ihr seit August 2005 ca. einmal monatlich behandelt.
Es lägen bei ihr eine schwere Sehbehinderung mit kontinuierlicher Verschlechterung, chronische Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule,
überwiegend lumbal mit zwischenzeitlicher Exercerbation, Schmerzen beider Kniegelenke, nächtliche Schmerzen beider Beine,
eine Hyperalgesie im Bereich der Lipödeme der Beine, Schmerzen im Oberbauch bei bekannter Refluxösophagitis, eine nachlassende
Gehfähigkeit bedingt durch Schmerzen im Rücken und in den Knien, seit 2007 auch wegen weiterer Zunahme des Oberschenkelumfangs,
was zur Verstärkung der durch die Sehbehinderung schon vorhandenen Gangunsicherheit führe, sowie Schmerzen im linken Gesäß
mit Ausstrahlung in die Lendenwirbelsäule, eine ausgeprägte Valgusfehlstellung beider Knie bei erheblicher Adipositas sowie
Lipödeme der Arme und Beine mit typischen schmalen Handgelenken und Knöcheln vor. Zusätzlich habe sich bei der Klägerin eine
depressive Symptomatik bei chronischem Schmerzzustand und sinkender Hoffnung auf Besserung der gesundheitlichen Situation
ergeben. Diese Befunde wichen im Wesentlichen nicht von denen in den Gutachten des MDK ab. Die Schlussfolgerung, dass ausschließlich
eine Gewichtsreduktion die Probleme lösen würde, könne sie dagegen nicht teilen. Das Lipödem lasse sich nicht durch diätetische
Maßnahmen beeinflussen. Hinreichende körperliche Bewegung zu effektiver Gewichtsabnahme könne die Klägerin aufgrund ihrer
weiteren Erkrankungen nicht durchführen. Sicherlich könne die von der Klägerin gewünschte Liposuktion nicht alle vorhandenen
Probleme lösen. Eine Verbesserung der Mobilität im Sinne der Besserung der bestehenden Gangunsicherheit mit der daraus resultierenden
Sturzgefahr lasse sich aber sicher erreichen. Dr. F. (Auskunft vom 14. Oktober 2009) gab an, bei der einmaligen Untersuchung
der Klägerin am 07. Januar 2009 habe sich eine erhebliche Fettgewebsvermehrung im Bereich beider Ober- und Unterschenkel gezeigt.
Er wiederholte die Ausführungen aus seinen Arztbriefen und fügte hinzu, eine Kalorienreduktion mit erheblicher Diät sei bei
der Klägerin sehr schwierig zu erreichen. Im Gegensatz zum Gutachten des MDK vom 26. November 2008 werde eine operative Liposuktion
für medizinisch sinnvoll und notwendig gehalten. Kompressionsmaßnahmen und weitere konservative Therapien seien wirkungslos.
Dr. M. (Auskunft vom 06. November 2009) berichtete von der Klägerin als Patientin mit adipösem Habitus. Bereits seit langem
bestünden beidseits Gonalgien. Klinisch liege eine deutliche Valgusfehlstellung mit massiven Lipödemen an beiden Beinen vor.
Als Diagnose stellte er eine Valgus-Gonarthrose bei Lipödem beidseits (M 19.9 BG) fest. Im Verlaufe des letzten Jahres sei
eine stetige Beschwerdeverstärkung erfolgt. Aufgrund der bestehenden Gonarthrose und der weiteren orthopädischen Therapieoptionen
sei eine operative Reduktion der Lipödeme zu begrüßen. Dr. M. (Auskunft vom 14. April 2010) gab an, zwischen 1984 und 2007
sei es wohl zu einer leichten Zunahme der Oberschenkelvolumina im Rahmen eines Gewichtsgewinnes gekommen. Bezüglich des Lymphödems
sei keine wesentliche Verschlechterung eingetreten. Im Dezember 2007 hätten keine Hautveränderungen vorgelegen, die auf ein
häufiges Aneinanderreiben der Oberschenkel mit Entzündung und Abszessbildungen hindeuteten. Da bei der Klägerin zusätzlich
eine Adipositas II. Grades bestehe, wären zunächst eine komplexe physikalische Entstauungstherapie mit vor allem konsequentem
Tragen der Kompressionsstrumpfversorgung, entstauenden Bewegungsübungen und eine letztlich deutliche Gewichtsreduktion durch
Ernährungsumstellung und vermehrte Aktivität durchzuführen.
Im Auftrag des SG erstattete sodann Internist Dr. S. sein fachinternistisches Sachverständigengutachten vom 29. September 2010. Dieser gab
an, die Klägerin habe ihm gegenüber berichtet, das Problem seien ausschließlich ihre Beine. Wenn sie breitbeinig gehe, habe
sie keine Probleme mit dem Gehen. Sie leide unter dem Druck in den Kniekehlen. Ihre Gehstrecke betrage eine Stunde, wenn sie
sich bei einer Begleitperson einhänge. Sie habe 30 Jahre lang zwei- bis dreimal pro Woche Lymphdrainagen bekommen. Sie habe
jedoch keinen Erfolg gespürt und diese Art der Behandlung vor zwei Jahren beendet. Im letzten Jahr habe sie erheblich zugenommen,
das merke sie an ihren Kleidern. Der Sachverständige diagnostizierte eine mäßige Adipositas und ein mäßiges Lip-/Lymphödem
beider Beine. Relevante Versuche, das Körpergewicht mittels einer Gewichtsabnahme zu beeinflussen und dabei eine Institution
aufzusuchen, die der Klägerin Hilfestellung im Sinne einer Ernährungsberatung gegeben hätte, seien aktenkundig nicht dokumentiert
und würden von der Klägerin auch nicht angegeben. Trotz des Alters sowie der Bewegungseinschränkung könnten Versuche unternommen
werden, das Gewicht durch eine entsprechende Ernährungsberatung günstig zu beeinflussen. Das bei der Klägerin vorliegende
Lip-/Lymphödem beider Beine werde weder durch eine relevante Lymphdrainagen-Behandlung noch durch eine adäquate Kompressionsstrumpfbehandlung
der Klasse 3 therapiert. Insofern seien die konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Die medizinische Erforderlichkeit
für eine operative Liposuktion bestehe (unter Verweis auf das Urteil des BSG vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 19) nicht.
Mit Urteil vom 14. Dezember 2010 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen des §
39 Abs.
1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) lägen nicht vor. Es bestünden eine mäßige Adipositas und ein mäßiges Lip-/Lymphödem der Beine. Wie der Sachverständige Dr.
S. festgestellt habe, hätten relevante Versuche, das Körpergewicht mittels einer Gewichtsabnahme zu beeinflussen, nicht stattgefunden.
Ernährungsberatung sei nicht durchgeführt worden. Außerdem würden die Lip-/Lymphödeme weder durch eine mögliche Lymphdrainage-Behandlung
noch durch eine Kompressionsstrumpfbehandlung therapiert. Die ambulant möglichen Behandlungsmöglichkeiten seien deshalb nicht
ausgeschöpft. Aus medizinischen Gründen sei die stationäre Krankenhausbehandlung damit nicht erforderlich.
Gegen dieses ihr am 01. März 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin bereits am 10. Februar 2011 beim Landessozialgericht
Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Sie könne der Empfehlung der Gewichtsreduzierung durch Diät schon deshalb nicht
folgen, weil sie über "Essen auf Rädern" versorgt werde. Eine Gewichtsreduzierung durch Bewegung sei ebenfalls nicht möglich,
da sie durch ihre Lipodystrophie kaum Bewegungsmöglichkeiten habe. Der Sachverständige Dr. S. sei ein Facharzt für Innere
Krankheiten. Zur Relevanz der bei ihr bestehenden Lipödeme könne er folglich nichts Fachgerechtes sagen. Die Klägerin hat
den Arztbrief des Dermatologen und Venerologen Dr. St. vom 25. Januar 2011 vorgelegt. Dieser hat eine schwere Lipodystrophie
vom Reithosen-Typ an beiden Beinen und eine beginnende Lipodystrophie an den Armen diagnostiziert. Ein freier Gang sei nicht
mehr möglich, weil die Fettmassen im medialen Oberschenkelbereich beidseits so aneinander rieben, dass der Gang höchst unsicher
sei. Hinzu komme das Bestehen einer Makula-Degeneration. Offenbar habe die Krankenkasse der Klägerin eine Ernährungsberatung
empfohlen. Es sei jedoch absolut unmöglich, die Lipodystrophie durch Ernährung zu verändern. Insofern bestehe seiner Ansicht
nach die dringende Indikation für die begehrte Operation. Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zudem
den Arztbrief der Prof. Dr. B.-T., Ärztliche Direktorin der Hautklinik des Universitätsklinikums F., vom 10. Juni 2011 vorgelegt.
Diese hat einen Verdacht auf Lipödeme, differentialdiagnostisch Lymphödeme diagnostiziert, zudem eine arterielle Hypertonie
und eine Hypothyreose bei Struma. Im dermatologischen Befund habe sich an beiden Ober- und Unterschenkeln bis in den Knöchelbereich
eine symmetrische, schmerzlos eindrückbare, massive ödematöse Schwellung mit Bildung von Hautfalten gezeigt, die sich überlappten.
Aufgrund des ausgeprägten klinischen Bildes sei eine operative Sanierung aus dermatologischer und phlebologischer Sicht indiziert.
Es werde zudem eine phlebologische Diagnostik zum Ausschluss einer venösen Komponente der Ödeme für erforderlich gehalten.
Die Lipödeme führten bei der Klägerin zu einer starken Bewegungseinschränkung und aufgrund der Belastung zu bewegungsabhängigen
Gelenkschmerzen. Bei Persistenz seien Folgeerkrankungen im Bewegungsapparat und an der Haut zu befürchten. Die Operation solle
in einer spezialisierten Abteilung erfolgen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14. Dezember 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. November 2008 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre Krankenhausbehandlung
zur Liposuktion der Beine zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat sie die sozialmedizinische Fallberatung des Dr. F. vom 21. Juli 2011
sowie das sozialmedizinische Gutachten des Dr. F. vom 29. Dezember 2011 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dass die Symptomatik
und Befundausprägung offensichtlich erheblichen Schwankungen unterliege, deren Ursache noch ungeklärt sei. Bemerkenswert bleibe,
dass bislang keiner der die Liposuktion befürwortenden Ärzte berücksichtige, dass eine frühere operative Fettgewebsentfernung
bereits als langfristig erfolglos betrachtet werden müsse. Die Notwendigkeit einer erneuten Liposuktion und einer erneuten
Dermo-Lipektomie bestehe somit in der Gesamtschau weiterhin nicht. In Antwort auf das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten
des Dr. R. vom 24. November 2011 (dazu im Folgenden) hat Dr. F. ausgeführt, die Informationsgrundlagen aus der Gerichtsakte
seien von Dr. R. unvollständig und teils unrichtig wiedergegeben worden. Weder das von Dr. S. erstattete Gutachten vom 29.
September 2010 bzw. seine ergänzende Stellungnahme vom 04. April 2011 noch die vom MDK erhobenen Befunde seien darin einbezogen
worden. Tatsächlich zeigten die von Dr. R. herangezogenen Fotos gerade keine disproportionale Fettgewebsvermehrung. Alleine
aus ihnen könne nicht darauf geschlossen werden, ob und ggf. zu welchem Anteil das Fettgewebe im Sinne einer allgemeinen Adipositas
oder eines Lymphödems, eines Lipödem, eines venösen Stauungsödems oder auch durch Schilddrüsenunterfunktion verursachten Myxödems
ursächlich beteiligt sei. Unklar bleibe auch, auf welcher Basis Dr. R. die Diagnose einer Hypothyreose stelle. Ggf. wäre diese
zunächst medikamentös zu behandeln. Der Versuch einer operativen Beseitigung der Schwellung wäre dann verfehlt. Aktuell habe
Prof. Dr. B.-T. eine schmerzlose Eindrückbarkeit der Ödemzonen berichtet. Dieser Befund sei mit einem Lipödem kaum vereinbar.
Aus diesem Grund habe sie auch zunächst eine Untersuchung des Venensystems empfohlen Auch Blutergüsse, die als Ausdruck einer
Hämatomneigung gewertet werden könnten, seien tatsächlich von keinem der zahlreichen Untersucher dokumentiert worden. Anstatt
auf diese offenkundig bestehenden Unklarheiten einzugehen, seien von Dr. R. die lehrbuchmäßig für ein Lip-/Lymphödem typischen
Merkmale unterstellt worden. Vor dem Hintergrund dieser Unstimmigkeiten könne der Beurteilung Dr. R. im Ergebnis nicht gefolgt
werden. Vorrangig sei weiterhin eine deutliche Reduktion des zuletzt mit immer noch über 100 kg gemessenen Körpergewichts.
Der Senat hat zunächst den Sachverständigen Dr. S. ergänzend befragt. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 04. April 2011
ausgeführt, aufgrund der erhobenen Befunde ergebe sich aus medizinischer Sicht kein Erfordernis für eine operative Liposuktion.
Dies gelte unabhängig davon, ob eine derartige Liposuktion unter ambulanten oder stationären Bedingungen erfolge. Relevante
konservative Maßnahmen zur Reduktion der ohnehin vorliegenden lediglich mäßigen, keinesfalls ausgeprägten oder gar massiven
Adipositas seien bisher nicht ausgeschöpft worden.
Der vom Senat zunächst zum Sachverständigen ernannte Hautarzt Prof. Dr. Mö., der sich zeitlich und fachlich nicht zur Erstattung
des Gutachtens in der Lage gesehen hat, hat wissenschaftliche Publikationen zum Lipödem übersandt.
Sodann hat der Leitende Oberarzt Dr. R., Hautklinik des Klinikums D., über die Klägerin sein dermatologisches Gutachten nach
Aktenlage vom 24. November 2011 erstattet. Dieser hat von einer disproportionierten Vermehrung des subkutanen Fettgewebes
beider Arme und Beine im Sinne eines Lipo-Lymphödems vom Ganzbein-Typ berichtet. Wie in der Fotodokumentation zu erkennen
sei, bestehe ferner eine Adipositas. An inneren Erkrankungen lägen zudem eine arterielle Hypertonie und eine Hypothyreose
vor. Es würden die Lipödem-typischen Beschwerden, insbesondere Ruheschmerz und Druckschmerzhaftigkeit an den Beinen, beschrieben.
Das Beschwerdeprofil sei typisch für das Lipo-Lymphödem. Es umfasse u.a. Schweregefühl, Schmerzhaftigkeit, Hämatomneigung
und Einschränkung der Lebensqualität. Für die Durchführung einer Liposuktion bestehe eindeutig eine medizinische Indikation.
Es handle sich um eine Krankheit im Sinne des
SGB V. Die Liposuktion sei geeignet, die Krankheitsbeschwerden wesentlich zu lindern und eine Verschlimmerung derselben zu verhüten.
Durch die Vermehrung des Unterhautfettgewebes bestehe nicht nur eine Disproportion des Körpers, sondern die Patienten hätten
Beschwerden in Form von Schmerzen, Schwellungen, Hautkomplikationen bis hin zu Einschränkungen beim Laufen. Letzteres sei
bei der Klägerin besonders schwerwiegend. Unbehandelt schreite das Krankheitsbild weiter fort. Eine Spontanheilung sei bisher
in der Literatur noch nicht beschrieben worden. Nach dem aktuellen Stand der Literatur sei die Liposuktion durchweg geeignet,
die angegebenen Beschwerden der Klägerin zumindest zu lindern. Des Weiteren diene sie bei der Klägerin der Beseitigung der
Fettpolster im Kniebereich und damit der Verbesserung der Gehfähigkeit und Vorbeugung weiterer Gelenkschäden. Die inzwischen
vorhandenen Langzeitdaten bezüglich des Operationserfolgs an Patientinnen, die vor ca. zehn Jahren einer solchen Operation
unterzogen worden seien, seien als durchweg gut einzustufen (unter Verweis auf eine in eigener Autorenschaft erfolgte Veröffentlichung
von Studienergebnissen). Weder zeige sich eine erneute Progredienz der Erkrankung, noch eine erneute Schwellneigung der Beine.
Die Kosten-Nutzen-Relation sei demnach als sehr gut anzusehen. Anhand dieser Betrachtungen und der Tatsache, dass bei der
Klägerin die konservative Therapie versagt habe bzw. praktisch gar nicht durchführbar sei, sei es ihm nicht möglich, Argumente
gegen die Liposuktion zu finden. Nach der Anamnese seien bei der Klägerin konservative Verfahren, insbesondere die komplexe
physikalische Entstauungstherapie, aufgrund ihrer Behinderungen nicht durchführbar. Durch eine ca. drei bis vier Wochen dauernde
stationärer Behandlung in einer lymphologischen Fachklinik sei wenn überhaupt nur ein temporärer Erfolg zu erzielen. In der
Regel werde die Liposuktion beim Lipödem in Tumeszenz-Lokalanästhesie mittels Vibrationsmikrokanülen durchgeführt. Diese Methode
habe sich als die schonenste Art der Fettabsaugung etabliert. Diese werde regelmäßig ambulant durchgeführt. Im Falle der Klägerin
sei jedoch die stationäre Behandlung aufgrund der Sehbehinderung, der Gehbehinderung und des Alters erforderlich. Die GAEP-Kriterien
(German Appropriateness Evaluation Protocols) zur Durchführung einer stationären Behandlung seien damit erfüllt. Dr. R. hat
in Anlage die von ihm angegebene Veröffentlichung beigefügt. Auf die von Dr. F. unter dem 29. Dezember 2011 erhobenen Einwände
hat der Senat bei Dr. R. die ergänzende Stellungnahme vom 24. Januar 2012 eingeholt. Auch anhand der nun vorliegenden aktuelleren
Fotodokumentation des Dr. St. vom 18. Januar und 30. Juni 2011 ergebe sich ein Fortschreiten der Lipödem-Erkrankung. Deutlicher
erkennbar werde nun die disproportionale Verteilung, wie sie für das Lipödem typisch sei. Dr. F. sehe diese Verteilung nicht.
Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin schon 1997 (gemeint wohl: 1998) eine Oberschenkelstraffung durchgeführt
worden sei. Dabei sei sicherlich eine nicht unerhebliche Menge Fettgewebe mit entfernt und das Fettverteilungsmuster verändert
worden. Die Diagnose einer Hypothyreose sei in der Akte dokumentiert. Das von Dr. F. differentialdiagnostisch erwähnte Myxödem
sei extrem unwahrscheinlich und wäre mit Sicherheit von den Vorgutachtern erkannt worden. Er bleibe daher bei seiner Darstellung,
dass nur eine Liposuktion an den Oberschenkel- und Knieinnenseiten das Leiden der Klägerin nachhaltig vermindern könne. Sicherlich
bestehe zudem in dem Lipödem eine Adipositas am Stamm, die mit diätetischen Maßnahmen zu behandeln sei.
Im Nachgang hierzu hat die Beklagte das Gutachten "Liposuktion bei Lip- und Lymphödem vom 06. Oktober 2011 der Sozialmedizinischen
Expertengruppe 7", welches im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes unter Federführung des Medizinischen Fachbereichs Methodenbewertung
des MDK Nordrhein unter Hinzuziehung des Ergebnisses einer interdisziplinären Arbeitsgruppe erstellt wurde, vorgelegt. Die
dortigen Autoren Dr. David (Facharzt für Chirurgie und Phlebologie) sowie Dr. Weingart (Facharzt für Allgemeinmedizin) gelangen
unter Mitwirkung weiterer Ärzte, insbesondere des Dermatologen Dr. Dittberner, nach Auswertung der bislang über die - zur
Behandlung von Lipödemen durch Liposuktion vorhandenen - Studien zu der Auffassung, dass die grundsätzlichen Anforderungen
für die Erbringung einer Liposuktion zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß §§
2 und
12 SGB V nicht erfüllt seien. In der durchgeführten systematischen Recherche hätten nur zwei kontrollierte Studien (eine zum Krankheitsbilder
der Lipomatosis dolorosa von Hansson - veröffentlicht 2011 und eine zum sekundären Lymphödem nach Therapie des Mammakarzinoms)
identifiziert werden können. Die Ergebnisse dieser Studien seien in keiner Weise geeignet, eine für eine Therapieempfehlung
ausreichenden Nutzen-Risiko-Bewertung zu bejahen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Liposuktion zur Therapie des Lipödems
noch Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion und weitere (randomisierte) Studien erforderlich seien. Die Aussagen zur
Liposuktion in den nicht evident basierten Leitlinien seien als Beleg einer etablierten Standardtherapie im Sinne der Verfahrensordnung
des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) ungeeignet und begründeten auch kein Systemversagen, sodass unabhängig vom Leistungssektor
nicht von einer generellen Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auszugehen sei. Es fehlten daher Belege für
den Patientennutzen aus klinischen Studien. Der Senat nimmt auf den Inhalt dieses Gutachtens im Einzelnen ausdrücklich Bezug.
Die Berichterstatterin hat das Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung vom 29. Juli 2011 erörtert. Auch auf den Inhalt der
Niederschrift wird Bezug genommen.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte
der Beklagten sowie die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §
153 Abs.
1 i.V.m. §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 14. Dezember 2010 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2009 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine stationär durchgeführte
Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems an beiden Oberschenkeln als Sachleistung.
1. Streitgegenständlich ist vorliegend nur der Bescheid vom 28. November 2008, dieser in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22. Juni 2009. Soweit die Beklagte im laufenden Widerspruchsverfahren den weiteren Bescheid vom 24. Februar 2009 erlassen
hat, handelt es sich lediglich um eine wiederholende Verfügung ohne eigenen Regelungsgehalt (vgl. hierzu Engelmann, in: von
Wulffen, SGB X, § 31 Rn. 32 mit weiteren Nachweisen). Die Beklagte hat hierin im Wortlaut weitgehend identisch ihre schon mit Bescheid vom 28.
November 2008 getroffene Entscheidung wiederholt, ohne hierin eine eigenständige (Neu-)Regelung zu treffen.
2. Die Klägerin begehrt ausdrücklich die Durchführung einer Liposuktion als stationäre Krankenhausbehandlung. Anspruchsgrundlage
für die begehrte Behandlung ist §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V. Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr. 5 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung
u.a. auch die Krankenhausbehandlung. Nach §
39 Abs.
2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung
durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder
ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung
nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V unterliegt den sich aus §
2 Abs.
1 und §
12 Abs.
1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und
Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankheit im Sinne des
SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung
bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 3/03 R - und vom 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R - in juris). Eine Krankenbehandlung ist hierbei notwendig, wenn durch sie der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand behoben,
gebessert, vor einer Verschlimmerung bewahrt wird oder Schmerzen und Beschwerden gelindert werden können (ständige Rechtsprechung
seit dem Urteil vom 28. April 1967 - 3 RK 12/65 - in juris). Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die
anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl. BSG, Urteil vom 09. Juni 1998 - B 1 KR 18/96 R -; Urteil vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 11/04 R -; zuletzt Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R -, alle in juris).
Ausgehend davon steht der Klägerin ein Anspruch auf eine stationär durchgeführte Liposuktion nicht zu. Zwar geht der Senat
davon aus, dass die Klägerin unter einem Lipödem leidet, welches als Krankheit zu qualifizieren ist (dazu a). Jedoch besteht
ein Anspruch auf Behandlung dieses Lipödems nicht mittels Durchführung einer Liposuktion (dazu b).
a) Der Senat geht zunächst nach Auswertung aller über die Klägerin vorhandenen medizinischen Unterlagen davon aus, dass die
Klägerin - neben einer Adipositas-Erkrankung - im Bereich beider Beine auch an einem Lipödem, also einer übermäßigen Vermehrung
des Fettgewebes, leidet. Zwar ist den Ausführungen des Dr. F. in seiner für die Beklagte erstellten sozialmedizinischen Stellungnahme
vom 21. Juli 2011 zuzugeben, dass die in den Akten befindlichen ärztlichen Äußerungen über die Klägerin insoweit teilweise
voneinander abweichen. Insbesondere besteht offensichtlich keine Einigkeit darüber, ob die Schwellungen im Bereich insbesondere
der Oberschenkel der Klägerin auf einem Lip- oder Lymphödem beruhen oder möglicherweise beides vorliegt. Eine solche Unsicherheit
ergibt sich insbesondere aus dem Arztbrief der Prof. B.-T. vom 10. Juni 2011, die in den Diagnosen nur einen Verdacht auf
Lipödeme, differentialdiagnostisch Lymphödeme aufführt und von einer massiv odematösen Schwellung berichtet, die schmerzlos
eindrückbar sei. Sie schlägt vor, zunächst noch phlebologische Untersuchungen durchzuführen, um venerologische Ursachen auszuschließen.
Dr. F. wendet weiter ein, auch Dr. St. stelle in seinem für die Klägerin erstellten Arztbrief vom 25. Januar 2011 die abweichende
Diagnose einer schweren Lipodystrophie (Veränderungen des Unterhautfettgewebes). Ob Dr. St. insoweit allerdings ein anderes
Krankheitsbild meint, erscheint wiederum fraglich, denn zugleich spricht er von einer Erkrankung im "Reithosentyp", eine Qualifizierung,
die umgangssprachlich der Diagnose eines Lipödems entspricht. Möglicherweise weichen - mit Blick auf die Diagnosen der Lipodystrophie
und des Lipödems - auch lediglich die Begrifflichkeiten voneinander ab, ohne dass hiermit ein jeweils anderes Krankheitsbild
gemeint sein soll. Dafür könnte auch sprechen, dass die bei der Klägerin im Jahr 1998 durchgeführte Fettabsaugung auf der
Grundlage der Diagnose einer Lipodystrophie/Störung im Fettstoffwechsel erfolgte, jedoch offenbar dasselbe Krankheitsbild
behandelt wurde. Trotz dieser Unklarheiten schon hinsichtlich der Diagnostik der bei der Klägerin im Beinbereich vorliegenden
Gesundheitsstörungen geht der Senat zugunsten der Klägerin von der Diagnose eines Lipödems aus. Diese Diagnose haben die meisten
die Klägerin behandelnden Ärzte, namentlich Dr. T. und Dr. M., aber insbesondere auch Dr. M., der von einem Lipödem neben
einem Lymphödem ausgeht, überdies beide gerichtlichen Sachverständigen (Dr. S. in der ersten Instanz sowie Dr. R. in der zweiten
Instanz) und schließlich auch Dr. S. (MDK) in ihrem nach Untersuchung der Klägerin für die Beklagte erstatteten Gutachten
vom 26. November 2008 gestellt. Angesichts dessen legt auch der Senat als jedenfalls teilweise Ursache der bei der Klägerin
im Beinbereich bestehenden Gesundheitsstörungen auch das Vorliegen eines Lipödems im Sinne einer übermäßigen Vermehrung des
Fettgewebes als Ursache zugrunde.
Dieses Beschwerdebild stellt nach Auffassung des Senats auch eine Krankheit gem. §
27 Abs.
1 SGB V dar, denn der insoweit bei der Klägerin vorliegende körperliche Zustand ist mit Blick auf die bestehenden Gangbeschwerden
und die geklagten Schmerzen, die eine Beeinträchtigung von Körperfunktionen darstellen, ein regelwidriger Zustand, der - darüber
sind sich im Übrigen alle über die Klägerin Auskunft erteilenden Ärzte einig - einer körperlichen Behandlung bedarf.
b) Jedoch besteht kein Anspruch der Klägerin auf Behandlung dieser Krankheit im Wege einer stationär durchgeführten Liposuktion.
Diese Maßnahme entspricht - schon ganz grundlegend - nicht den erforderlichen Qualitätsanforderungen, die an eine zulasten
der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen sind (dazu aa). Von diesem Einwand ist
auch nicht ausnahmsweise im spezifischen Fall der Klägerin abzuweichen (dazu bb).
aa) §
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V gibt vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden,
dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen
haben. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V umfasst daher nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit diesen wissenschaftlichen Anforderungen entspricht. Hierzu
genügt es nicht, dass eine Behandlungsmethode bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte positiv gewirkt haben soll
(vgl. entsprechend das BSG auch zur Frage der Erfüllung von Qualitätskriterien einer bestimmten Arzneimitteltherapie, Urteil vom 01. März 2011 - B 1 KR 7/10 R - SozR 4-2500 § 35 Nr. 5; Urteil vom 27. September 2005 - B 1 KR 6/04 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 3 m.w.N. - Wobe-Mugos). Neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind, oder Außenseitermethoden,
die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus. Es ist nicht Aufgabe
der Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren (so ausdrücklich BT-Drucks. 11/2237, S. 157). Die einzige Ausnahme
bilden nach §
137c Abs.
2 Satz 2
SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen
Fortschritts stets zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar.
Außerhalb klinischer Studien muss es jedoch zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich zuverlässige
wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Entsprechend der auch durch den GBA für seine Entscheidungen zugrunde gelegten
Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin ist dabei eine Sichtung und qualitative Bewertung der über eine Behandlungsmethode vorhandenen
wissenschaftlichen Publikationen und Expertisen vorzunehmen (vgl. dezidiert BSG, Urteile vom 01. März 2011 u.a. - B 1 KR 7/10 R - aaO.; ebenso BSG, Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 10/07 R - SozR 4-2500 § 139 Nr. 4). Erforderlich ist mithin, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer
ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 1 RdNr. 7 m.w.N.; vgl. dazu auch Wagner, in Krauskopf, Stand 2008, §
13 SGB V Rn. 19). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, also Studien der
Evidenzklasse I (vgl. entsprechend zur Arzneimitteltherapie BSG, Urteile vom 01. März 2011, u.a - B 1 KR 7/10 R - aaO.). Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige
Studien ausgewichen werden (vgl auch Flint in: Hauck/Noftz,
SGB V, Stand Februar 2011, K §
35 RdNr 64). Um der in §
137c SGB V grundsätzlich angelegten Innovationsmöglichkeit gerecht zu werden, schließt der Senat dabei nicht aus, dass auch Expertenmeinungen
zur Beurteilung des wissenschaftlichen Standards herangezogen werden können. Diese sind jedoch nicht geeignet, eine Leistungspflicht
der Krankenkasse auch dann zu begründen, wenn objektivierbare Erkenntnisse bereits in eine andere Richtung weisen. Expertenmeinungen
sind daher stets im Zusammenhang mit den vorhandenen objektivierbaren wissenschaftlichen Aussagen im Sinne einer maßgeblichen
Gesamtschau heranzuziehen (so der erkennende Senat in seinem Urteil vom 27. Januar 2012 - L 4 KR 2272/10 - juris).
Von Qualität und Wirksamkeit der begehrten Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems im Sinne der Kriterien des §
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V vermochte der Senat sich indes nicht zu überzeugen. Er legt insoweit ganz maßgeblich das von der Beklagten vorgelegte "Gutachten
Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 vom 06. Oktober 2011 zugrunde. Dieses Gutachten
nimmt eine umfassende Auswertung der über den Einsatz von Liposuktion als Methode zur Behandlung von Lipödemen veröffentlichten
Studien vor, wobei die Gutachter neben randomisiert kontrollierten auch nicht randomisiert kontrollierte Studien berücksichtigt
haben. Die im Mai 2011 insoweit durchgeführte Recherche der hierzu vorhandenen Publikationen ergab überhaupt nur zwei relevante,
diesen Qualitätsanforderungen entsprechende Studien. Für den konkreten Fall ist sogar nur eine der beiden Studien (nämlich
diejenige zum Krankheitsbild der Lipomatosis dolorosa von Hansson - veröffentlicht 2011) relevant, da sich die andere der
beiden Studien mit Liposuktion zur Behandlung eines Lymphödems nach Mammakarzinom befasst. In der Studie Hansson wurde (nicht
randomisiert kontrolliert) der Langzeiterfolg der Liposuktion bei 111 Frauen mit Lipimatosis dolorosa beobachtet. Dabei wurde
ein signifikanter Unterschied in der Schmerzreduktion beobachtet, ohne dass dies von den Autoren selbst als zureichendes Ergebnis
gewertet wurde, um einen langfristigen Nutzen ausreichend zu belegen. Vielmehr fordern auch die Autoren weitere randomisiert
kontrollierte Studien mit ausreichend validierten Ergebniskriterien. Alle übrigen seinerzeit zugänglichen Veröffentlichungen
erfüllen diese Qualitätsanforderungen nicht bzw. stellen Registernachbeobachtungen oder Ergebnisberichte kleiner Fallserien
dar. Für den Senat war daher das Fazit der Gutachter überzeugend, dass die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems
derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion ist und weitere randomisierte Studien erforderlich sind, um sie zu einer
den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechenden Behandlungsmethode qualifizieren zu können. Diesem Fazit schließt
sich der Senat an.
Die Nachvollziehbarkeit und Validität der Ergebnisse dieses Gutachtens vom 06. Oktober 2011 wird nicht dadurch verringert,
dass es die Publikation des - vom durch den Senat bezogen auf den konkreten Fall der Klägerin beauftragten - Sachverständigen
Dr. R. aus dem Jahr 2011 zu Erfolg und Wirksamkeit der Methode der Liposuktion bei Lipödemen nicht erwähnt. Zum Einen ließe
angesichts der bisherigen Studienlage auch eine einzige weitere Studie nach Auffassung des Senats noch nicht auf eine dem
allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode schließen; zum anderen erfüllt
die von Dr. R. vorgelegte Publikation auch nicht die Qualitätsanforderungen insoweit wissenschaftlich relevanter Aussagen,
da sie lediglich eine postoperative Nachbeobachtung mit Liposuktion behandelter Frauen darstellt, wobei von insgesamt 101
Patienten lediglich 25 nachbeobachtet werden konnten. Insgesamt ergibt sich anhand dieser Publikation noch kein Hinweis auf
eine geändert zu beurteilende Studienlage.
Dieses Ergebnis steht im Übrigen auch nicht im Widerspruch zum Urteil des BSG vom 16. Dezember 2008 (B 1 KR 11/08 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 19). Das BSG hatte sich dort mit der Frage zu befassen, ob die Behandlungsmethode der Liposuktion, die ambulant zu Lasten der gesetzlichen
Krankenkasse von vornherein mangels positiver Empfehlung des GBA nicht erbracht werden darf (§
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V; dazu auch Urteil des Senats vom 10. September 2010 - L 4 KR 3961/09 -, nicht veröffentlicht), gleichsam automatisch stationär zu erbringen ist, da im klinischen Bereich das Erfordernis einer
positiven Entscheidung durch den GBA nicht besteht. Dies hat das BSG im konkreten Fall unter Verweis auf das Fehlen schon der Voraussetzungen des §
39 Abs.
1 SGB V verneint, da die dort statuierten spezifischen Voraussetzungen für eine Krankenhausbehandlung nicht vorlagen. Mit der Frage,
ob die Methode der Liposuktion denn überhaupt den Maßstäben evidenzbasierter Medizin entspricht, hatte sich das BSG demgemäß gar nicht zu befassen. Aus der zitierten Entscheidung kann daher nicht abgeleitet werden, dass bei Vorliegen der
Voraussetzungen des Erfordernisses der Durchführung einer stationären Operation ohne weiteres ein Leistungsanspruch auf Durchführung
einer Liposuktion zu Lasten der Krankenkasse besteht. Anhand der jüngeren Rechtsprechung des BSG ergibt sich vielmehr gerade das Gegenteil. Das BSG hat darin (vgl. insoweit insbesondere das Urteil vom 17. Februar 2010 - B 1 KR 10/09 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 18 zum Anspruch einer Versicherten auf stationär durchgeführt Reimplantation nach Kryokonservierung
von Eierstockgewebe) ausdrücklich zum Maßstab gemacht, dass auch die stationäre Behandlung stets einer Überprüfung anhand
der Maßstäbe des §
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V zu unterziehen ist. Eine andere Auffassung führte im Übrigen zu dem auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten (Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz) nicht tragbaren Ergebnis, dass Patienten allein deshalb, weil sie bestimmte Risikofaktoren erfüllen, die einen Krankenhausaufenthalt
erforderlich machen, eine Behandlung in stationärem Rahmen erhielten, obwohl sich für die Wirksamkeit einer bestimmten Methode
keine bislang hinreichend wissenschaftlich gefestigten Anhaltspunkte ergeben.
Eine stationäre Behandlung von Lipödemen durch Liposuktion käme zulasten der Krankenkasse daher derzeit nur im Rahmen klinischer
Studien zu dieser Behandlungsmethode in Betracht. Darüber war indes vorliegend nicht zu entscheiden.
bb) Eine davon abweichende Betrachtung gebietet aber auch der konkrete Fall der Klägerin nicht. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte
dafür, dass trotz bislang nicht hinreichend erwiesener Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung von Lipödemen der Klägerin
eine Behandlung mittels Liposuktion aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls zu gewähren ist. Der anders lautenden Einschätzung
des Sachverständigen Dr. R. in seinem Gutachten vom 24. November 2011 vermag der Senat nicht zu folgen. Das Gutachten ist
aus Sicht des Senats nicht schlüssig und nachvollziehbar.
Problematisch ist aus Sicht des Senats insbesondere, dass der Sachverständige auf die bereits erfolgte Voroperation der Klägerin
im Jahr 1998 im Zusammenhang mit der Frage der Effizienz dieser Methode speziell bei der Klägerin an keiner Stelle Bezug nimmt.
Dr. R. führt - unter Verweis auf seine Veröffentlichung - aus, dass die inzwischen vorhandenen Langzeitdaten bei 19 Patientinnen,
die vor ca. zehn Jahren operiert worden seien, durchweg als gut einzustufen seien. Es habe sich eine erneute Schwellneigung
der Beine nicht gezeigt. Dies ist jedoch im Falle der Klägerin gerade nicht so. Die Klägerin hatte sich der von ihr begehrten
Operation an den Beinen (wie sich anhand der Unterlagen der Beklagten über die bei der Klägerin bislang durchgeführten Operationen
ergibt) schon einmal im Juni 1998 unterzogen. Im Dezember 2007, also keine zehn Jahre später, stellte sich die Klägerin bei
Dr. M. zur Einholung eines ärztlichen Konsils über die Frage der erneuten Durchführung einer Liposuktion im Beinbereich vor.
Dem Befundbericht des Dr. M. vom 20. Dezember 2007 lässt sich entnehmen, dass zu dem Zeitpunkt der voroperative Ausgangsbefund
wieder erreicht war. Auf diesen Befund geht Dr. R. in seinem Gutachten - wie Dr. F. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme
vom 29. Dezember 2011 zu Recht eingewandt hat - in diesem Zusammenhang nicht ein. Er äußert sich hierzu nicht einmal im Rahmen
der - auf diese Einwände hin eingeholten - ergänzenden Stellungnahme vom 24. Januar 2012. Ein dauerhafter Effekt der Liposuktion
ist mit Blick auf die durchgeführte Voroperation jedoch nach Auffassung des Senats sehr fraglich.
Überdies ergibt sich letztlich anhand der über die Klägerin vorhandenen Unterlagen nicht eindeutig, in welchem Ausmaß gerade
das bei der Klägerin vorhandene Lipödem Ursache für die bei der Klägerin bestehenden Schmerzen und Einschränkungen ist, nicht
dagegen etwa das bei der Klägerin ebenfalls diagnostizierte Lymphödem oder die Adipositas-Erkrankung. Die Klägerin selbst
hat - nach zunächst anders lautenden Angaben - zuletzt eingeräumt, die Lymphdrainagebehandlung vor etwa drei Jahren abgebrochen
zu haben, weil die Beklagte die Taxifahrten nicht mehr habe bezahlen wollen. Gegenüber Dr. S. hat sie angegeben, dass sie
gerade im letzten Jahr nochmals deutlich zugenommen habe. Dies lässt jedenfalls nicht abwegig erscheinen, dass zu einem ganz
wesentlichen Teil auch das Vorliegen eines - möglicherweise behandelbaren - Lymphödems Ursache für die Schmerzen und Geheinschränkungen
der Klägerin ist. Genaueres lässt sich hierzu auch dem Gutachten des Dr. R. nicht entnehmen. Dr. F. hat in seiner Stellungnahme
vom 29. Dezember 2011 in diesem Zusammenhang insbesondere darauf hingewiesen, dass das über die Klägerin vorhandene Bildmaterial
nicht eindeutig eine Gewebevermehrung nur aufgrund des Lipödems hergebe. Eine Fehlverteilung des Fettgewebes lasse sich auf
den vorgelegten Bildern gerade nicht erkennen. Dr. R. bringt zwar in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. Januar 2012
zum Ausdruck, dass er das vorhandene Bildmaterial anders auswertet, bietet jedoch gleichzeitig als mögliche Erklärung dafür,
dass keine typische Fettverteilung erkennbar sei, die erfolgte Voroperation mit entsprechender Gewebe- und Hautveränderung
an. Abgesehen davon, dass Dr. R. hierdurch inzidenter eine gewisse Stichhaltigkeit der Argumentation des Dr. F. einzuräumen
scheint, bleibt es aus Sicht des Senats jedenfalls insgesamt offen, in welchem Ausmaß tatsächlich das Lipödem maßgeblich die
bei der Klägerin bestehenden Alltagseinschränkungen verursacht.
Vor dem Hintergrund dessen und im Übrigen mit Blick darauf, dass die Lymphdrainagebehandlung nicht fortgeführt wurde, die
Klägerin eigenständig auch das Tragen von Kompressionsstrümpfen jedenfalls deutlich reduziert und offenbar auch eine konsequente
Diät nie in Erwägung gezogen hat, wie sich aus dem Einwand der Klägerin ergibt, sie könne sich aufgrund der Ernährung durch
"Essen auf Rädern" nicht kalorienreduziert ernähren (was der Senat im Übrigen aufgrund der vielfältigen Angebote auch von
Diät- oder Schonkost nicht nachzuvollziehen vermag), bleibt insgesamt auch unklar, inwiefern eine konsequente Fortführung
konventioneller Behandlungsmethoden wirksam gewesen wäre.
Aufgrund all dessen vermag der Senat dem Ergebnis des Gutachtens des Dr. R. vom 24. November 2011 nicht zu folgen. Es ist
nicht plausibel dargelegt, dass - jedenfalls im Falle der Klägerin - die Durchführung der Liposuktion eine einerseits erforderliche,
andererseits Erfolg versprechende Behandlungsmethode darstellt.
Im Hinblick auf das von der Beklagten vorgelegte "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen
Expertengruppe 7 vom 06. Oktober 2011 war es nicht erforderlich, ein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen. Für den
Senat ist nicht erkennbar, dass ein anderer Arzt oder eine andere Organisation über weitergehende Möglichkeiten verfügt, vorhandene
Studien oder Publikationen auszuwerten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.