Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung; Verwertbarkeit eines Gutachtens über eine Erwerbsminderung in rentenberichtigendem
Ausmaß
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1967 geborene Kläger stammt aus Syrien und ist deutscher Staatsangehöriger. Er absolvierte von 1987 bis 1994 ein Studium
an der TU A-Stadt im Fach Maschinenbau für Luft- und Raumfahrttechnik. Danach war er von 1996 bis 2002 als wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der B. tätig, anschließend war er von 01.07.2002 bis Januar 2007 als Sachbearbeiter Aerodynamik (Systemtechnik,
Forschungsabteilung) der D. AG versicherungspflichtig beschäftigt.
Ab 11.01.2005 war er mit der Diagnose einer Borreliose bzw. postinfektiösen Erschöpfung arbeitsunfähig und bezog bis 11.07.2006
Krankengeld sowie vom 12.07.2006 bis 29.04.2007 Arbeitslosengeld. Er ist weiterhin arbeitslos gemeldet.
Von 28.03. bis 11.05.2006 befand er sich auf einer psychosomatischen Reha in Bad S ... Im Entlassungsbericht ist die Diagnose
einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom angegeben. Der Kläger habe über Schmerzen am ganzen Körper
seit einer Borrelieninfektion 2004 sowie über starke Müdigkeit und Antriebslosigkeit berichtet. Psychische Symptome stünden
auch im Zusammenhang mit Druck und Zeitmangel im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit.
Es wurde von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit - nach einer stufenweisen Wiedereingliederung - ausgegangen. Der Kläger
habe sich durchgängig motiviert und kooperativ gezeigt und habe zuverlässig an Therapien, Schulungsprogramm und Gesundheitstraining
teilgenommen. Mit dem Kläger sei die Notwendigkeit einer weiterführenden ambulanten Psychotherapie besprochen worden, wozu
sich der Kläger motiviert gezeigt habe. Es habe sich eine Verbesserung von Stimmung und Antrieb ergeben, kurz vor Entlassung
habe der Kläger wieder über verstärkte Müdigkeit berichtet.
Der Kläger beantragte am 12.09.2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er halte sich seit 11.01.2005 wegen eines chronischen
Erschöpfungssyndroms, Borreliose, Depressionen und Gelenkschmerzen für erwerbsgemindert. Dazu reichte er ärztliche Unterlagen
u.a. des Dr. J. vom 05.10.2006 mit zahlreichen Labordaten ein.
Die Beklagte holte ein Gutachten bei dem Psychiater W. mit Untersuchung am 20.12.2006 ein. Dieser stellte eine Neurasthenie
im Sinne einer neurotischen Störung - aufgetreten nach Behandlung einer Borrelieninfektion 2004 - Angst und Depression gemischt,
jeweils leichtgradig, fest. Der Kläger erklärte, dass er eine Psychotherapie nicht aufgenommen habe. Er suche nach einer körperlichen
Erklärung für seine Schwäche. Der Gutachter berichtete über eine Fixierung des Klägers auf das Erleben der Leistungsunfähigkeit.
Die beschriebene Verschlechterung zum Ende der Reha lasse sich mit dem ausgeprägten Vermeidungsverhalten des Klägers erklären.
Nach einer psychotherapeutischen Behandlung könne eine Stabilisierung und Leistungsfähigkeit im alten Beruf erwartet werden;
für leichte körperliche Arbeit ohne besondere Ansprüche, Zeitdruck und erhöhte Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit bestünde
schon jetzt ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Die Einschätzung stütze sich auf die Anamnese, das Verhalten in der Begutachtung
und auch auf den Reha-Entlassungsbericht, wonach der Kläger ohne größere Schwierigkeiten in der Lage gewesen sei, an dem Tages-
und Therapieangebot teilzunehmen.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 13.02.2007 ab.
Mit dem Widerspruch vom 26.02.2007 erklärte der Kläger, dass sehr wichtige Aspekte seines Krankheitsbilds außer Acht gelassen
worden seien. Im Befundbericht des Nervenarztes Dr. R. vom 02.04.2007 heißt es, der Kläger sei während der stationären Behandlung
völlig überfordert gewesen. Es liege ein chronisches Erschöpfungssyndrom mit Aufhebung der beruflichen Leistungsfähigkeit
vor. Eine antidepressive Behandlung habe die Erschöpfung nicht bessern können.
Nach sozialmedizinischer Stellungnahme durch Dr. K. vom 10.05.2007 wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2007
zurückgewiesen. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Gutachter einen dringenden Bedarf für eine intensive psychotherapeutische
Behandlung gesehen habe. Besonderer Zeitdruck, Nachtschicht und hohe Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit und das Umstellungsvermögen
sollten vermieden werden, ansonsten sei der Kläger noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
6 Stunden und mehr zu verrichten.
Dagegen hat der Kläger am 21.06.2007 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und die Bewertung durch einen unabhängigen Gutachter gefordert.
Das SG hat Befund- bzw. Arztberichte u.a. des Nervenarztes Dr. R. vom 08.11.2007, der Ärztin Z. vom 16.11.2007, des Internisten
Dr. S. vom 28.11.2007, des Krankenhauses A-Stadt über eine stationäre Behandlung vom 02.01.2003 bis 03.10.2003 zum Ausschluss
einer Neuroborreliose, des Kardiologen Dr. C. 10.01.2003 und des Pneumologen Dr. B. 30.07.2001 erhalten.
Es hat ein Gutachten bei dem Nervenarzt Dr. I. in Auftrag gegeben. Bei der Untersuchung am 17.12.2007 hat der Kläger berichtet,
dass es ihm nach einer Antibiotika-Behandlung wegen Borreliose deutlich schlechter gegangen sei. Im März 2006 habe er eine
Wiedereingliederung versucht, durch die Reha habe sich sein Zustand aber wieder verschlechtert. Durch eine Hydrocortison-Gabe
während der Reha sei sein Immunstatus schlechter geworden. Zu einer weiteren beruflichen Wiedereingliederung habe er sich
nicht in der Lage gesehen; daraufhin sei der Arbeitsvertrag zum Ende des Jahres 2006 gekündigt worden.
Er leide unter einer massiven Erschöpfung und einem multilokalen Schmerzsyndrom. Er könne nur 1-2 Minuten stehen und habe
u.a. eine extreme Muskelschwäche, Konzentrationsschwäche, Taubheitsgefühle an den Füßen. Depressionsgefühle würden immer wieder
auftreten, aktuell sei er frei davon. Er mache keine Psychotherapie, da er eigentlich keine psychischen Probleme habe.
Der Gutachter hat folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert:
Undifferenzierte Somatisierungsstörung,NeurastheniePolyneuropathie (PNP) leichter Ausprägung.
Die körperliche Untersuchung habe einen weitgehend unauffälligen Befund erbracht. Es ergebe sich kein Hinweis auf eine tatsächlich
vorhandene Kraftminderung. Der Befund im EMG/NLG sei vereinbar mit einer Polyneuropathie. Hinsichtlich der Gedächtnisleistungen
habe der Kläger einen Normalbefund gezeigt; auch Konzentration und Auffassungsfähigkeit seien nicht erkennbar gestört. Der
Sachverständige ordnete den Kläger als hochgradig asthenisch geprägte Persönlichkeit mit hypochondrischer Ausgestaltung und
zwanghaften Zügen ein. Dadurch sei eine somatoforme Störung befördert worden.
Der Laborbefund habe ergeben, dass der Kläger seine Medikation nicht eingenommen habe. Eine depressive Verstimmung im eigentlichen
Sinn liege nicht vor, wenngleich ein Leidensdruck durchaus erkennbar sei. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei nicht wesentlich
eingeschränkt; auch eine Antriebsstörung sei nicht zu eruieren.
Anhaltspunkte für eine Störung der kognitiven Leistungsfähigkeit hätten sich nicht gezeigt; der Kläger sei durchaus noch in
der Lage, seine Zeit mit Lesen zu verbringen. Eine angemessene Therapie werde derzeit nicht durchgeführt; dies liege besonders
an der Abwehr des Klägers hinsichtlich der psychischen Ursachen seiner Beschwerden.
Der Kläger könne leichte und mittelschwere Tätigkeiten und grundsätzlich auch seinen Beruf als Ingenieur vollschichtig ausüben.
Der Kläger könne keine Tätigkeiten unter Zeitdruck und keine Nachtschichttätigkeiten mehr ausüben. Auch Arbeiten auf Leitern
und Gerüsten sollten möglichst nicht zugemutet werden.
Der Klägerbevollmächtigte hat dazu ausgeführt, dass Dr. I. das von Dr. R. diagnostizierte chronische Erschöpfungssyndrom und
die Störung der Nebennierenrinde des Klägers unzureichend erwähne. Die Polyneuropathie sei nicht nur leichtgradig. Auch die
laut Befundbericht der Ärztin Z. vorliegende subakute Borreliose sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es sei daher
eine Begutachtung auf internistisch-endokrinologischem Fachgebiet erforderlich.
Daneben ist auch eine persönliche Stellungnahme des Klägers vorgelegt worden, wonach Dr. I. seine zahlreichen Beschwerden
nicht ernst genommen habe und nicht über die nötige Fachkompetenz verfüge.
Auf Antrag des Klägers ist daraufhin noch ein fachinternistisches Gutachten bei PD Dr. B. in Auftrag gegeben worden. Der Sachverständige
hat diagnostiziert:
Chronische Lyme-Borreliose, chronische Lyme-NeuroborrelioseHypertriglizeridämieHypercholesterinämieHypocortisolismus.
Erste Symptome einer Lyme-Borreliose seien bereits 2000 aufgetreten. Ab 2005 habe sich ein rasch ausgeprägtes Krankheitsbild
einer chronischen Lyme-Borreliose entwickelt. Zahlreiche Symptome des Klägers seien typisch für eine Lyme-Borreliose (Parese
beider Beine, Parese der oberen Extremitäten, Sensibilitätsstörungen, Fatigue, deutliche Überempfindlichkeiten bei Berührung).
Im Vordergrund der Beschwerden stehe die Schwäche im Bereich der Beine mit Begrenzung der Gehstrecke auf 1 km. Außerdem bestehe
auch eine Schwäche im Bereich der oberen Extremitäten und Koordinationsstörungen mit entsprechender Beeinträchtigung im Alltagsleben.
Besonders ausgeprägt seien auch die Symptome einer Encephalopathie, d.h. einer Erkrankung des Gehirns mit kognitiven und mentalen
Störungen.
Die Schwäche der unteren Extremitäten habe sich nicht objektivieren lassen, da die Störungen erst nach Gehen bestimmter Strecken
aufträten. Die Störungen der Hirnleistungen würden sich grundsätzlich der Objektivierung entziehen.
Der Kläger könne seit 2005 keine Tätigkeiten mehr ausüben. Durch eine antibiotische Langzeitbehandlung könne das Krankheitsbild
weitgehend gebessert werden.
Die Beklagte hat dazu eine ärztliche Stellungnahme vorgelegt, wonach die Bewertung des Sachverständigen jeder medizinischen
Grundlage entbehre. Der Sachverständige habe am Stütz- und Bewegungsapparat des Klägers praktisch keinen pathologischen Befund
erheben können; somit komme der Druck- und Berührungsempfindlichkeit allenfalls die Wertigkeit einer Befindlichkeitsstörung
zu, die keine rentenrelevante Auswirkung habe. Die mentalen Störungen seien nicht nachgewiesen; der Sachverständige habe nicht
einmal versucht, diese mit einfachen testpsychologischen Untersuchungen zu erfassen.
Der Klägerbevollmächtigte hat verschiedene Arztbriefe u.a. des Rheumatologen Dr. M. vom 30.07.2008, des Nervenarztes Dr. V.
vom 19.03.2009, des Internisten Dr. H. vom 27.03.2009 sowie einen aktuellen Befundbericht der Hausärztin Z. vom 10.04.2009
und eine Bescheinigung des Internisten Dr. S. vom 14.04.2009 mit einem niederländischen Laborbericht vom 09.04.2009 vorgelegt.
Das dafür spezialisierte Labor in den Niederlanden habe beim Kläger die genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung "Hämopyrrollaktamurie
(HPU) nachgewiesen
Außerdem ist eine auf Veranlassung des Klägers erfolgte Erwiderung des Dr. B. erfolgt; die PNP sei eine typische Manifestation
der Lyme-Neuroborreliose im Spätstadium.
Die Klage ist mit Urteil vom 28.04.2009 auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. I. abgewiesen worden. Das SG hat die Bedenken der Beklagten gegen das Gutachten des Dr. B. geteilt.
Gegen das am 28.05.2009 zugestellte Urteil ist am 26.06.2009 Berufung eingelegt worden. Zur Begründung ist ausgeführt worden,
das SG habe gegen die Amtsaufklärung sowie gegen die Beweiswürdigung verstoßen. Die durch Befundberichte und das Gutachten des Dr.
B. nachgewiesenen Gesundheitsstörungen seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Insbesondere seien das CFS, die Borrelien-Infektion,
die HPU und die Ursachen der PNP nicht ausreichend einbezogen worden. Weitere Aufklärung sei geboten.
Dr. I. hat in einer gerichtlich veranlassten ergänzenden Stellungnahme vom 22.09.2009 darauf hingewiesen, dass Dr. B. die
Diagnose der chronischen Lyme-Borreliose nicht hinreichend belege. Dieser habe keine aktuelle Laboruntersuchung durchgeführt.
Die Borrelien-LLT (Lymphozytentransformationstest) vom 18.08.2005 und 13.01.2006 seien immerhin negativ gewesen. Die von Dr.
I. selbst durchgeführte Untersuchung habe bis auf Druckdolenzen und einen kraftgeminderten Faustschluss Normalbefunde erbracht.
Paresen hätten nicht nachgewiesen werden können. Auch Hinweise für eine Encephalopathie hätten sich nicht ergeben. Ein Erschöpfungssyndrom
sei völlig unspezifisch. Die PNP könne zwar bei einer Borreliose aber auch bei vielen anderen Erkrankungen auftreten; eine
Ursache könne in einer Vielzahl der Fälle nicht zugeordnet werden. Auch ein Zusammenhang der Beschwerden des Klägers mit einem
beschriebenen Hypokortisolismus und einer Nebenniereninsuffizienz sei unwahrscheinlich, da ein Hypokortisolismus durch Substitution
ausgeglichen werden könne. Im Übrigen sei selbst der Nachweis einer chronischen Borreliose kein Nachweis für eine Erwerbsunfähigkeit,
sondern allenfalls Grund für eine angemessene Behandlung.
Die Diagnose einer undifferenzierten Somatisierungsstörung und Neurasthenie nach der ICD bliebe so lange korrekt, so lange
keine organische Erkrankung nachgewiesen sei, die die Beschwerden ausreichend nachvollziehbar mache.
Die Diagnose einer leichten PNP sei weiterhin zutreffend; es seien für die Einordnung nicht die Daten der Nervenleitgeschwindigkeit,
sondern die klinische Untersuchung maßgebend.
Soweit Dr. V. in seinem Attest vom 19.03.2009 eine verschlimmerte Depression angebe, sei dies angesichts der insuffizienten
Behandlung und nicht eingenommener Medikamente allenfalls Grund für eine Intensivierung der psychiatrisch-psychotherapeutischen
Behandlung. Die von der Ärztin Z. angegebene Neuro-Borreliose sei nicht durch eine neurologische Defizit-Symptomatik und auch
nicht durch eine entsprechende Liquorserologie nachgewiesen. Die von Dr. S. angegebene HPU sei ein internistisches Krankheitsbild,
das laut Laborbericht relativ gut behandelbar sei.
Selbst wenn all die Erkrankungen vorlägen, sei dies allenfalls Grund für eine Behandlung. Er halte eine stationäre Diagnostik
für sinnvoll.
Der Klägerbevollmächtigte hat daraufhin eine Stellungnahme des Klägers sowie neue Berichte der Hausärztin Z. vom 05.10.2009
und vom 28.01.2010 vorgelegt, wonach weitere Diagnosen festgestellt worden seien. Eine sog. Mitochondriopathie rufe beim Kläger
ein extremes Energiedefizit hervor. Außerdem lägen eine Entgiftungsstörung der Leber sowie eine Erkrankung des zellulären
Immunsystems (TH1), ein chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) als Folge einer Borreliose (mit einem Behinderungsgrad von 50-70%
nach der Bellskala), chronische Virusinfektionen, Morbus-Addison (Cortison-Mangel), Serotonin-Mangel, Fibromyalgiesyndrom
und MCS vor.
Eine ärztliche Bescheinigung des Internisten Dr. S. vom 10.01.2010 bezieht sich erneut auf den Laborbefund zur HPU, aufgrund
der es zu schwerwiegenden Gesundheitsstörungen wie starker Müdigkeit, Muskelschwäche etc. sowie zu Folgeerkrankungen komme.
Daraufhin ist Dr. G. Chefärztin am Klinikum A-Stadt, mit der internistisch-rheumatologischen Begutachtung beauftragt worden.
Diese hat den Kläger am 24.08.2010 untersucht. Dort hat der Kläger an aktuellen Beschwerden massive Müdigkeit und Schlafstörungen
genannt sowie multilokale Schmerzen. Seit 2005 sei es zu einer Parese beider Beine gekommen, welche die Gehfähigkeit zeitweise
bis 1 km eingeschränkt habe. Aktuell seien klinisch keine gravierenden polyneuropathischen Beschwerden vorhanden. Die Sachverständige
hat insbesondere folgende Diagnosen gestellt:
1.Chronic Fatigue Syndrom (CFS)
2.Somatoforme Störung
3.Depression
4.Fibromyalgie
5. Nebennierenrindeninsuffizienz
6. Hyperlipidämie
7. Mitochondriopathie
Weitere Diagnosen (Nr. 8.- 16, u.a. Erkrankungen des zellulären Immunsystems, Serotonin-Mangel, HPU) seien nur der Vollständigkeit
halber aufgeführt und nicht relevant für die Beurteilung. Hinsichtlich der CFS führt sie aus, dass die Aussagekraft immunologischer
Befunde beschränkt sei; kein immunologischer Parameter korreliere mit der Schwere der Erkrankung. Das CFS sei eine Ausschlussdiagnose;
es liege hier aber zweifelsohne ein CFS vor, wobei dieses - wie häufig - eng mit dem Fibromyalgiesyndrom und der Depression
zusammenhänge. Eine klare Abgrenzung der somatoformen Störung zur CFS sei hier nahezu unmöglich. Die Behandlungsmethoden würden
sich überschneiden.
Hinsichtlich der depressiven Stimmungslage sei es noch nie zu einer konsequenten Behandlung gekommen.
Bei der Fibromyalgie stehe der weitgehende Mangel an objektiven Befunden im eklatanten Gegensatz zu der massiv gestörten Befindlichkeit.
Wie Dr. M. 07/2008 beschreibe, seien beim Kläger mindestens 11 von 18 Tenderpoints positiv. Die Wissenschaft beschreibe die
Fibromyalgie als eigenständiges Krankheitsbild, das nicht mehr der somatoformen Schmerzstörung zugeordnet werde und bei dem
physiologische Veränderungen vorlägen. Gerade die Kombination aus Schmerzsymptomatik mit psychischen Symptomen mache es den
Patienten unmöglich, einem geregelten Berufsleben nachzugehen.
Das Medikamentenregime (Antidepressiva) sei beim Kläger noch nicht vollends ausgeschöpft. Therapeutisch solle eine interdisziplinäre
Behandlung mit medikamentöser, physikalischer und psychosomatischer Therapie erfolgen.
Aktuell sei der Hormonstatus bezüglich Cortisol und ACTH im Normbereich.
Die Hyperlipidämie sei lediglich ein Symptom. Es handele sich um einen Gefäßrisikofaktor. Die Fettleber könne auch durch die
Cortisontherapie verursacht sein. Neben einer Ernährungsberatung könne evtl. auch eine medikamentöse Behandlung erfolgen.
Erkrankungen aus dem Formenkreis der Mitochondriopathien seien schwer objektivierbar und somit hier irrelevant. Eine gesicherte
Diagnose sei durch eine Muskelbiopsie möglich, aber bislang nicht erfolgt.
Seit der Begutachtung durch Dr. W. liege insoweit eine mittelgradige Verschlechterung vor, als sich der Leidensdruck verstärkt
habe. Der Kläger könne seit Antragstellung nur noch leichte und mittelschwere Arbeiten weniger als 3 Stunden täglich verrichten.
Zusätzliche Pausen könnten in ca. 1-2stündigem Abstand von jeweils 5 Minuten nötig werden. Die Anforderungen an Ausdauer,
nervliche Belastbarkeit, Merkfähigkeit (u.a.) seien in gewissem - jedoch sehr geringem Maß - eingeschränkt.
Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass die Gutachterin fachfremd gerade Diagnosen aus dem nervenärztlichen Fachgebiet für
ausschlaggebend halte.
Die Klägerseite hat dagegen betont, dass die Diagnosen durchaus dem internistischen Fachgebiet oblägen. Das Gutachten des
Dr. I. mit der Diagnose der Somatisierungsstörung sei bereits durch das Gutachten des Dr. B. widerlegt worden. Dr. B. habe
ausgeführt, dass die nach internationalem Konsens (DSM IV) geforderten Kriterien einer Somatisierung (u.a. Auftreten einer
Störung vor dem 30. Lebensjahr) nicht vorlägen. Das Regelwerk DMS IV sei für Deutschland bindend. Es bestehe daher die Befürchtung,
dass Dr. I. nicht objektiv beurteile. Es sind weitere Atteste von Dr. H. vom 25.05.2011 mit aktuellen endokrinologischen Werten,
der Ärztin Z. vom 23.05.2011 und des Dr. S. vom 30.05.2011 vorgelegt worden.
Dr. I. hat in einer ergänzenden Stellungnahme nach Aktenlage vom 03.08.2011 seine bisherigen Diagnosen und Bewertungen bestätigt.
Die von ihm und Dr. W. verwendete Diagnose der Neurasthenie werde mehr oder weniger synonym mit der Diagnose eines chronischen
Erschöpfungssyndroms verwendet. Auch die Fibromyalgie, deren Diagnosekriterien (Tenderpoints) als obsolet gelten würden, sei
letztlich eine spezielle Ausgestaltung einer somatoformen Schmerzstörung ohne fassbares organisches Substrat. Bei fehlendem
organischem Korrelat lasse sich hieraus eine Erwerbsunfähigkeit kaum ableiten. Die Antidepressiva seien in der Vergangenheit
vielfach in zu niedriger Dosierung verordnet worden, was z.T. daran gelegen habe, dass der Kläger die Medikamente nach eigenen
Angaben nicht vertragen habe. Hinweise dafür, dass der Kläger die Medikamente zumindest nicht regelmäßig einnehme, habe die
durchgeführte Laboruntersuchung erbracht. Unter Berücksichtigung, dass der Kläger auch andere Medikamente als unverträglich
angebe, bestehe eine relativ geringe Therapiecompliance, was als Hinweis auf einen sekundären Krankheitsgewinn gedeutet werden
könne.
Die Bewertung der Dr. P. sei insoweit problematisch, als bislang keine der für sie ausschlaggebenden Erkrankungen angemessen
behandelt worden sei. Der Kläger könne die psychischen Störungen mit zumutbarer Willensanstrengung aus eigener Kraft oder
mit ärztlicher Hilfe überwinden. Dazu bedürfe es der Bereitschaft des Klägers, sich gegenüber den weitgehend psychischen Ursachen
seiner Beschwerden zu öffnen. Der Vorwurf mangelnder Objektivität sei unbegründet. Die maßgeblichen Kriterien für die Somatisierungsstörung
seien der ICD-10 zu entnehmen.
Die Beklagte hat angeboten, den Kläger ggf. durch eine psychosomatische Reha-Maßnahme zu unterstützen.
Der Klägerbevollmächtigte hat weiterhin an der Auffassung festgehalten, dass organische Erkrankungen vorlägen. Das CFS sei
dem internistisch-immunologischen Fachgebiet zuzuordnen.
Der Kläger hat in zwei eigenen Stellungnahmen vom 28.08.2011 und vom 28.09.2011 u.a. erneut darauf hingewiesen, dass sich
Dr. I. nicht an die Diagnosekriterien des internationalen Regelwerks der DSM-IV halte und seine Diagnosen somit nachweislich
falsch seien. Für das CFS gebe es außerdem bindende Richtlinien des Bundesgesundheitsministeriums, die der Sachverständige
außer Betracht gelassen habe.
Die von der Hausärztin genannten Erkrankungen seien durch Dr. I. nicht gewürdigt worden. Außerdem liege eine vergrößerte Milz
vor. Er hat daher eine ergänzende Stellungnahme der Dr. P. beantragt.
Es ist eine weitere Stellungnahme der Ärztin Z. vom 10.09.2011 vorgelegt worden.
In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom November 2011 hat Dr. P. bestätigt, dass ihre Diagnosen 7-16 zwar teilweise behandlungsbedürftige
Erkrankungen, aber für die Sachlage nicht weiter ausschlaggebend seien. In der Fachdiskussion scheine sich die Fibromyalgie
durch das Vorliegen physiologischer Veränderungen als eigenständiges Krankheitsbild zu manifestieren. Es bleibe unklar, ob
die diagnostizierten hormonellen Defizite und der Serotonin-Mangel in enge Beziehung zu den gesicherten Diagnosen des CFS
und der Fibromyalgie gesetzt werden könnten. Zur HPU und Mitochondriopathie könne sie nicht eindeutig Stellung beziehen. Die
mangelnde Therapiecompliance des Klägers müsse in Betracht gezogen werden.
Ob die Splenomegalie (Vergrößerung der Milz) relevant sei, sei Spekulation.
Auch wenn den Krankheitsbildern ein somatisches Korrelat zugrunde liegen könne, sei es in diesem Fall extrem schwierig, ein
entsprechendes organisches Korrelat auch zu benennen. Sie bleibe in Gesamtschau der Befunde und Stellungnahmen bei ihrer Bewertung,
wonach es dem Kläger unmöglich sei, einem geregelten Berufsleben nachzugehen. Auch Erkrankungen wie das CFS und die Fibromyalgie
könnten so stark ausgeprägt und therapieresistent sein, dass sie sogar eine Berentung nach sich zögen. Früher seien die Erkrankungen
einfach anders bewertet worden.
Der Klägerbevollmächtigte hat u.a. vorgetragen, dass die Fibromyalgie zum entzündlich-rheumatischen Formenkreis gehöre. Zum
CFS sei ein organisches Korrelat definitiv vorhanden. Die Beklagte solle daher von der Fehleinschätzung vom Vorliegen einer
psychosomatischen Erkrankung abrücken und zumindest eine Zeitrente anerkennen.
Es liege insbesondere eine Mitochondriopathie vor; hierzu ist ein Befundbericht der Hausärztin vom 10.02.2012 vorgelegt worden,
wonach CFS- und Mitochondriopathie-Patienten jede Form körperlicher Belastung (leichte Anstrengung, Sport etc.) strengstens
vermeiden müssten.
Die Beklagte hat die Einholung eines abschließenden nervenärztlichen Gutachtens angeregt. Daraufhin ist ein Gutachtensauftrag
an den Nervenarzt Dr. E. erteilt worden.
Der Klägerbevollmächtigte hat dazu erklärt, dass eine Begutachtung auf nervenärztlichem Gebiet bereits mehrfach und ausreichend
erfolgt sei. Es lägen endokrinologische Störungen insbesondere eine Mitochondriopathie vor, die nicht ausreichend bewertet
seien.
Dr. H. habe nun eine Bescheinigung vom 07.01.2013 vorgelegt, wonach der Kläger an hypoglykämischen Zuständen leide. Es ergebe
sich der dringende Verdacht auf einen neuroendokrinen Tumor im Sinne eines Insulinoms. Es werde eine weitere Abklärung im
Universitätsklinikum G. erfolgen.
Der Kläger hat in einem vom Klägerbevollmächtigten übermittelten Schreiben erklärt, psychische Ursachen lägen bei ihm nachweislich
nicht vor.
Auf gerichtliche Nachfrage hat Dr. E. die Akten zurückgegeben und erklärt, dass ein endokrinologisches Gutachten möglichst
an einem Universitätsklinikum in A-Stadt zu veranlassen sei; danach bleibe ggf. immer noch die Möglichkeit einer nervenärztlichen
Begutachtung.
Nach Einholung eines Befundberichts von Dr. H. vom 05.04.2013 mit Laborbefunden und eines Berichts des Universitätsklinikums
G. vom 14.10.2013 ist PD Dr. F., Leiter der endokrinologischen Abteilung der Klinik I., mit der Begutachtung beauftragt worden.
Ein Ablehnungsantrag des Klägers gegen den Sachverständigen ist mit Beschluss vom 12.02.2014 zurückgewiesen worden.
Der Kläger hat einen weiteren Laborbefund vom 21.03.2012 vorgelegt und eine Stellungnahme über den Untersuchungstermin bei
Dr. F. am 16.04.2014 abgegeben. Der Sachverständige habe ihm zur Einnahme von Metformin geraten; aufgrund dessen sei er in
einen gefährlichen Unterzuckerungszustand geraten.
In dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. vom Juli 2014 wird dargelegt, dass der Kläger auf bisher gestellte Diagnosen
fixiert wirke. Der Kläger habe berichtet, er müsse alle 4 Stunden imperativ Nahrung zu sich nehmen. Leber und Milz seien vergrößert.
Dr. H. habe vor dem Hintergrund der gemessenen Werte den Verdacht auf eine primäre Nebennierenrinden-Insuffizienz gestellt;
ein Morbus Addison (M.A.) sei laut Dr. H. nie hinreichend diagnostiziert worden. Nach den aktuellen Werten könne ein M.A.
ausgeschlossen werden.
Einen zum Ausschluss eines Insulinoms notwendigen 72-Stunden Fastentest lehne der Kläger ab. Im Beobachtungszeitraum in G.
seien die typischen Symptome nicht zu erheben gewesen. Der im April 2014 bei Dr. H. durchgeführte Glucosetoleranztest habe
Normwerte ergeben. Beim Kläger liege am ehesten eine periphere Insulinresistenz bei Hyperinsulinismus im Rahmen eines metabolischen
Syndroms vor. Für das Vorliegen eines Insulinoms gebe es keinen Hinweis.
Beim Kläger liege außerdem eine moderate Hypertriglyceridämie mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen vor. Es
seien daher diätetische Maßnahmen sowie körperliche Aktivität indiziert.
Das CFS sei nicht durch einen definierten Prozess von anderen Erkrankungen abzugrenzen. Ein Vermeidungsverhalten würde weitere
Sekundärveränderungen bewirken.
Nach den Leitlinien zur Fibromyalgie lägen den Beschwerden funktionelle Störungen zugrunde und keine organische Erkrankung.
Die vom Kläger geäußerten Beschwerden würden den Symptomen der CFS und der FM entsprechen. Nach aktueller Auffassung handele
es sich um funktionelle Störungen, die insbesondere eine psychotherapeutische Teilbehandlung bedürften, die jedoch vom Kläger
abgelehnt werde.
Der erniedrigte Serotoninspiegel könne mit Depressionen aber auch mit einem metabolischen Syndrom im Zusammenhang stehen.
Eine Lyme-Borreliose sei nicht nachgewiesen. Hinsichtlich der Mitochondriopathie sei die Biopsie eines betroffenen Organs
nötig; anhand einzelner Laborwerte sowie fehlender klinischer Manifestation könne diese Diagnose nicht gestellt werden. Bezüglich
des V.a. HPU sei keine wissenschaftlich fundierte Aussage zu treffen.
Mit Sicherheit seien folgende Diagnosen zu treffen: Metabolisches Syndrom (Hypertriglyceridämie, Hypercholesterinämie, erhöhte
Insulinresistenz), Depression, durch Ausschlussdiagnosen: CFS, Fibromyalgie.
Der Kläger könne noch mittelschwere Arbeiten mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Vermieden werden sollten Arbeiten unter
Zeitdruck und einseitige körperliche Tätigkeiten. Die psychische Belastbarkeit erscheine im Rahmen des subjektiven Krankheitserlebens
deutlich eingeschränkt, weshalb dringend zu einer psychotherapeutischen Behandlung geraten werde. Im Übrigen wird auch zu
diätetischen Maßnahmen und vermehrter körperlicher Bewegung geraten.
Die psychische Belastbarkeit sei nicht getestet worden und könne nicht beurteilt werden. Hinsichtlich der aufwändigen und
sehr detaillierten Schriftsätze des Klägers scheine die Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit nicht eingeschränkt.
Weitere Untersuchungen seien nicht erforderlich, vielmehr könnten sie das subjektive Krankheitserleben des Klägers verstärken.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 05.08.2014 ist eine Abschrift des Gutachtens an den Klägerbevollmächtigten zur Stellungnahme
binnen vier Wochen übersandt worden.
Nach Ladung vom 22.09.2013 ist am 26.09.2014 ein Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 24.09.2014 mit Stellungnahmen
der behandelnden Ärzte (Z. vom 01.09.2014, Dr. H. vom 29.08.2014) und des Klägers eingegangen. Eine Insulinresistenz und ein
metabolisches Syndrom lägen beim Kläger nicht vor. Das Gutachten des Dr. F. sei fachlich widerlegt. Es werde beantragt, zu
diesem Gutachten eine Stellungnahme der Sachverständigen Dr. P. einzuholen.
In seiner Stellungnahme schreibt der Kläger selbst, dass seine psychische Belastbarkeit bislang von keinem Arzt - weder ambulant
noch stationär - für eingeschränkt befunden worden sei, was sich auch mit seiner subjektiven Meinung decke. Seine Schriftsätze
könne er nur unter Zuhilfenahme anderer schreiben und er benötige viel Zeit dafür.
Das Gutachten des Dr. F. enthalte viele Fehler und Widersprüche, so dass es nicht hilfreich gewesen sei. Er stellt den Antrag,
dass die Erkrankung der HPU unter Zuziehung der von ihm vorgelegten Literaturangaben von einem Gutachter bewertet werde.
Mit Schriftsatz vom 14.10.2014 ist der Antrag wiederholt worden, eine Stellungnahme der Dr. P. zu dem Gutachten des PD Dr.
F. einzuholen. Ergänzend werde vorsorglich beantragt, das Erscheinen des Sachverständigen Dr. F. anzuordnen, damit er sein
schriftliches Gutachten erläutere. Es erscheine zwingend geboten, die widersprüchlichen Gutachtensergebnisse aufzuklären.
In der mündlichen Verhandlung am 16.10.2014 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Anträge gestellt,
1.
das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.04.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 01.06.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, hilfsweise
wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren.
2.
zu dem Gutachten von Herrn Dr. F. eine fachärztliche Stellungnahme der gerichtlichen Sachverständigen Frau Dr. P. einzuholen,
3.
vorsorglich gemäß §§
106,
118 Abs.
1 SGG i.V.m. §
411 Abs.
3 ZPO das Erscheinen des gerichtlichen Sachverständigen Herrn Dr. F. anzuordnen, damit er sein schriftliches Gutachten erläutere.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie des gerichtlichen Verfahrens Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid vom 13.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.06.2007 zu Recht abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch
auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach §
43 Abs.
1,
2 SGB VI zu. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §
240 Abs.
1 SGB VI kommt schon wegen des Geburtsdatums des Klägers nach dem gesetzlichen Stichtag (02.01.1961) nicht in Betracht.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer
Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig
zu sein. Erwerbsgemindert ist nach §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Es ist nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass der Kläger seit Antragstellung erwerbsgemindert ist.
Der Kläger gründet die Überzeugung von der eigenen Leistungsunfähigkeit insbesondere auf verschiedene Laborbefunde, die von
der Norm abweichen. Der Verfahrensverlauf verdeutlicht insoweit das Anliegen des Klägers, eine körperliche Ursache für seine
subjektiven Beschwerden benennen zu können. Er greift in erheblichem Umfang Begrifflichkeiten, die wissenschaftliche Einordnung
von Krankheiten und deren Ursachen an.
Insgesamt kommt es bei der Rentenbegutachtung aber weniger auf die Diagnose und deren Ursachen an, sondern auf die konkreten
Funktionsbeeinträchtigungen. Zwar mag in seltenen Fällen bereits die Diagnose einer Erkrankung das Vorliegen von Funktionsbeeinträchtigungen
oder Schmerzen nahelegen, weil diese regelmäßig mit der Erkrankung verbunden sind. Wenn die Diagnose selbst aber bestimmte
klinische Funktionsbeeinträchtigungen voraussetzt, so müssen gerade diese nachgewiesen und plausibel gemacht werden; im Rahmen
der Rentenbegutachtung kann der Gutachter - anders als der behandelnde Arzt - eine solche Diagnose nicht in erster Linie auf
den subjektiven Angaben des Klägers aufbauen, um diese dann als objektiven Nachweis für das Ausmaß der Beeinträchtigung heranzuziehen.
Ob hier allein aufgrund der erhobenen Laborparameter tatsächlich eine Erkrankung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
diagnostiziert werden kann, erscheint bereits sehr fraglich. Ein bestimmtes Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung kann daraus
jedenfalls nicht überzeugend abgeleitet werden, zumal über die Laborbefunde hinaus organische Befunde und Einschränkungen
weitgehend nicht objektiviert sind.
Der Senat teilt daher die Einschätzung der Sachverständigen Dr. I. und PD Dr. F., wonach der Kläger noch unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann (§
43 Abs.
3 SGB VI). Eine anderweitige Überzeugung lässt sich auf der Grundlage der Gutachten der Sachverständigen Dr. B. sowie Dr. P. nicht
gründen. Eine rentenberechtigende Erwerbsminderung ist damit nicht nachgewiesen.
Die Annahme des Dr. B., beim Kläger liege eine chronische Lyme-Borreliose bzw. eine chronische Neuroborreliose vor, ist nicht
schlüssig belegt und wird auch durch die Ausführungen des Dr. I. und Dr. F. überzeugend in Frage gestellt.
Hier liefert bereits die Argumentation des Dr. B. hinsichtlich der Laborwerte keinen Nachweis. Dr. B. bezieht sich auf pathologische
Befunde seit 2002 insbesondere beim Lymphozytentransformationstest (LLT). Der Westernblot IgG (WB) sei hochspezifisch und
belege die stattgehabte Infektion. Die frühere Infektion des Klägers mit Borrelien kann aber letztlich dahinstehen. Entscheidend
für den hier vorliegenden Rechtsstreit ist die Frage einer aktiven Infektionskrankheit, dies kann insbesondere durch den WB
aber nicht belegt werden. Dr. I. weist darauf hin, dass der LTT nicht aussagekräftig ist, weil die wissenschaftliche Basis
für die Wertigkeit dieser Untersuchung fehlt. Auch PD Dr. F. erklärt, dass der LLT in der Literatur bei niedriger Sensitivität
und Spezifität nicht als Standard empfohlen wird.
Der Hinweis des Dr. B., dass eine Seronegativität eine chronische Lyme-Borreliose nicht ausschließe, mag durchaus zutreffen.
Es geht hier jedoch gerade um den positiven Nachweis der Erkrankung, der sich mit den o.g. Laborwerten (Serologie und LTT)
nicht führen lässt.
Bereits das Krankenhaus A-Stadt hat in seinem Befundbericht vom 18.01.2003 nach Liquorpunktion ausgeführt, dass die erhobenen
Befunde insgesamt gegen das Vorliegen einer Borrelieninfektion sprechen. Weder serologisch noch im direkten Nachweisverfahren
mittels PCR haben sich dort Hinweise auf eine floride oder durchgemachte Lyme-Borreliose ergeben. Jedenfalls zeigte sich auch
nach der letzten antibiotischen Langzeitbehandlung ein verbessertes Ergebnis bei den Laborwerten. Während der LLT vom November
2002 und vom Februar 2005 ein deutlich positives Ergebnis aufgewiesen hat, war der LTT vom August 2005 negativ. Dr. J. hat
am 05.10.2006 berichtet, dass nach einer wochenlangen Antibiose der LLT vom 18.08.2005 und auch die zuletzt durchgeführten
Tests eine normale Breite der Immunreaktivität gezeigt haben.
Dr. B. hat selbst keine eigene Labordiagnostik zu Borrelien durchgeführt; er hat sich insbesondere auf die hochpathologischen
Werte beim LTT 2004 und 2005 bezogen, ohne dass er auf die zuletzt eingetretene Entwicklung seit August 2005 eingegangen wäre.
PD Dr. F. weist hierzu zutreffend darauf hin, dass sich spätestens 2005 durch negative PCR im Serum keine borrelienspezifische
DNA mehr ergab und damit ein negativer Befund vorlag.
Das von Dr. B. angeführte - zur Lyme-Borreliose bzw. Neuroborreliose passende - Beschwerdebild des Klägers bezieht sich rein
auf die anamnestischen Angaben des Klägers. Diese sind aber bei einer Begutachtung einer kritischen Konsistenzprüfung zu unterziehen.
Im Rahmen der körperlichen Untersuchung hat Dr. B. weitgehend Normalbefunde erhoben und lediglich eine erhöhte Druckempfindlichkeit
des Klägers in zahlreichen Regionen des Rückens und des Schultergürtels festgestellt.
Die von ihm als typische Beschwerden der Neuroborreliose eingeordneten Paresen der Extremitäten ließen sich nicht nachweisen.
Dr. B. erklärt selbst, dass die anamnestisch geschilderte Ermüdungsschwäche der unteren Extremitäten jedenfalls im Rahmen
der kurzen Untersuchungsphase nicht objektiviert werden konnte. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Angaben des Klägers
war aber angezeigt, weil Dr. I. dargelegt hatte, dass bei der Prüfung der groben Kraft eine willkürliche Minderinnervation
erkennbar gewesen war.
Auch die vom Kläger angegebenen Symptome einer Erkrankung des Gehirns mit kognitiven und mentalen Störungen, die Dr. B. als
"besonders ausgeprägt" zugrunde legte, konnten nicht objektiviert werden. Ein MRT des Schädels aus dem Jahr 2001 war unauffällig.
Schon Dr. W. beschrieb eine deutliche Diskrepanz zwischen dem weitgehend ungestörten Antrieb, der ungestörten Konzentration
im Gesprächsverlauf und den fehlenden Zeichen einer geistigen oder körperlichen Erschöpfung im Rahmen des 1-stündigen Gesprächs
zu der Selbsteinschätzung des Klägers, dass er in keinster Weise belastbar sei. Bei Dr. I. berichtete der Kläger über Konzentrations-
und Gedächtnisstörungen. Die Untersuchung erbrachte jedoch Normalbefunde, auch die Konzentrations- und Auffassungsfähigkeit
war nicht erkennbar gestört. Wie Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22.09.2009 bestätigte, ergaben sich keine
Hinweise für das Vorliegen einer Encephalopathie. Auch Dr. B. hat insoweit eingestanden, dass sich die vom Kläger geklagten
Störungen der Hirnleistung der Objektivierung entziehen würden.
Damit ist nicht zwangsläufig der Vorwurf von verfahrensbezogenen Äußerungen oder einer Simulation verbunden; auch wenn der
Kläger tatsächlich subjektive Einschränkungen gegenüber der früheren Leistungsfähigkeit als Wissenschaftler empfindet, so
muss dies nicht bedeuten, dass der Kläger auch objektiv eingeschränkt ist. Erst recht sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar,
dass er selbst leichte Tätigkeiten ohne besondere geistige Anforderungen nicht mehr ausüben könnte. Hinsichtlich der subjektiven
Einschätzung und Bewertung des Klägers ist auch die primärpersönlich angelegte hypochondrisch ausgeprägte Asthenie, die Dr.
I. erkannte, in Rechnung zu stellen.
Dr. I. hat bei seiner Untersuchung lediglich das Vorliegen einer Polyneuropathie (PNP) bestätigt; die elektroneurografische
Untersuchung erbrachte eine deutliche Herabsetzung der motorischen Nervenleitgeschwindigkeit des Nervus tibialis beidseits,
was als Hinweis auf eine PNP zu werten ist. Während der Kläger auch hier aufgrund der Messwerte die Diagnose einer erheblich
ausgeprägten PNP fordert, hat Dr. I. nachvollziehbar erklärt, dass es bei der Einordnung der Schwere nicht nur auf die Messwerte
ankommt. Er hat vielmehr darauf hingewiesen, dass die PNP bei seiner Untersuchung nicht zum Ausdruck gekommen ist, weshalb
er die Diagnose einer leicht ausgeprägten PNP getroffen hat. Der Kläger hatte nur von Taubheitsgefühlen und gelegentlichen
Kribbelparästhesien gesprochen. Auch Dr. P. hat im Übrigen erklärt, dass aktuell bei ihrer Untersuchung keine gravierenden
polyneuropathischen Beschwerden vorlagen.
Dr. I. erklärt zudem schlüssig, dass die PNP zwar im Rahmen einer Borreliose auftreten kann, es sich aber eher um ein unspezifisches
Krankheitsbild handelt, dass auch bei vielen anderen Erkrankungen vorkommt. Ein Beweis für das Vorliegen einer Borreliose
liegt darin nicht. Die PNP führt auch nicht zu wesentlichen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit; Dr. I. hat wegen der PNP
Arbeiten auf Leitern und Gerüsten als nicht mehr zumutbar angesehen; dabei hat er zugunsten des Klägers bereits einen schwereren
Grad der PNP, der mit Gleichgewichtsstörungen einhergehen würde, vorweggenommen.
Der Senat teilt daher bezüglich einer Borreliose die Schlussfolgerung des Dr. I., dass es sich bei der Diagnosestellung des
Dr. B. um bloße Spekulation handelt. Davon abgesehen würde auch eine chronische Borreliose nicht per se eine Berentungsdiagnose
darstellen.
Auch die weiteren Begutachtungen erbrachten - bei z.T. von der Norm abweichenden Laborparametern - keine wesentlichen objektivierbaren
funktionellen Einschränkungen.
Dr. P. hat den Kläger als wach, orientiert, aufmerksam zugewandt und ordentlich schwingungsfähig beschrieben. Bewegungsabläufe
waren ungehindert möglich; das An- und Auskleiden bereitete keine Schwierigkeiten; Gänge zu den Untersuchungen im Krankenhaus
wurden selbständig getätigt. Einschränkungen der Beweglichkeit in den Extremitäten fanden sich nicht. Die internistische und
grob neurologische Untersuchung erbrachte weitgehend Normbefunde. Die Muskelreflexe waren seitengleich auslösbar; Muskelatrophien
lagen nicht vor. Der Muskeltonus war regelrecht.
Die Leber war ebenso wie die rechte Niere grenzwertig vergrößert, die Milz war vergrößert. Im rheumatologischen Untersuchungsbefund
verwies die Gutachterin lediglich auf eine minimal eingeschränkte Beweglichkeit im Handgelenk und einen beidseits unvollständigen
Faustschluss. Außerdem gab sie die positive Testung von 8 Tender-Points (jeweils beidseitig) an. Ansonsten hält sie ausdrücklich
fest, dass sich anhand der serologischen und technischen Untersuchungen keine Hinweise auf eine weitere Erkrankung aus dem
entzündlich-rheumatischen Formenkreis ergeben haben.
Zur Nebennierenrindeninsuffizienz erklärt die Sachverständige, dass der Hormonstatus bezüglich Cortisol und ACTH aktuell im
Normbereich lag. Sie empfiehlt dem Kläger regelmäßige endokrinologische Untersuchungen durchzuführen.
Die Hyperlipidämie bezeichnet sie lediglich als Symptom der erhöhten Blutfettwerte; auch die beschriebene Fettleber ist Ausdruck
des Triglyceridspiegels. Bei der Hypercholesterinämie handelt es sich um einen Gefäßrisikofaktor (für Herzinfarkt oder Schlaganfall).
Letztlich bedingt dies regelmäßige Kontrollen und Therapiemaßnahmen (diätetische Einstellung, medikamentöse Behandlung). Eine
Leistungseinschränkung leitet die Gutachterin daraus überzeugenderweise nicht ab.
Während der Dr. S. die vergrößerte Milz (Splenomegalie) in seinem Bericht vom 30.05.2011 auf schwerwiegende immunologische
Störungen bzw. die Reaktivierung chronischer Virusinfektionen (EBV, CMV, HHV6) zurückführt und darin eine entscheidende Rolle beim chronischen Erschöpfungssyndrom sieht, bezeichnet dies die
Sachverständige Dr. P. als schlichte Spekulation. Eine Splenomegalie könne bei einer Vielzahl von Erkrankungen auftreten;
sie sei daher lediglich eines von vielen Symptomen. Die Sachverständige hält daher überzeugend fest, dass die Relevanz fraglich
bleibt.
Zu dem vom Kläger in den Vordergrund gestellten Mitochondriopathie weist die Sachverständige darauf hin, dass es sich um eine
schwer objektivierbare Erkrankung handelt, die für die Frage der Erwerbsfähigkeit irrelevant ist.
Die Gutachterin nennt darüber hinaus 9 weitere Diagnosen (Nr. 8 -16; zum Teil als "Z.n." bezeichnet), die sie als nicht relevant
bzw. nicht ausschlaggebend für die Beurteilung angibt (u.a. Serotonin-Mangel, HPU, Pankreaslipomatose).
Als erheblich sieht Dr. P. im Ergebnis die Diagnosen Chronic Fatigue-Syndrom (CFS), somatoforme Störung, Depression und Fibromyalgie
an. In ihren Ausführungen bezieht sie sich im Wesentlichen auf allgemeine Erkenntnisse über die Erkrankungen und Behandlungsmöglichkeiten.
Sie hält dabei zur CFS ausdrücklich fest, dass zwar Berichte über Veränderungen immunologischer Parameter existieren, deren
funktionelle Signifikanz aber unsicher ist. Kein immunologischer Parameter lässt sich bei jedem CFS-Patienten nachweisen und
keiner korreliert mit der Schwere des Krankheitsbildes, so dass sie nicht diagnostisch zu werten sind. Die Laborwerten des
Klägers erbringen somit - auch nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. P. - keinen Nachweis für die Erkrankung oder
deren Ausmaß.
Bei der Diagnose bezieht sich die Sachverständigen vielmehr auf die vom Kläger selbst angegebenen spezifischen Beschwerden
(Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Erschöpfbarkeit, Konzentrationsstörungen, Muskelschmerzen, Nachtschweiß); außerdem betont sie
den häufigen Zusammenhang mit Fibromyalgie und Depressionen. Sie weist bei der Diagnose CFS auf das Kriterium hin, dass eine
klinische gesicherte Erschöpfung vorliegen muss, die u.a. nicht das Ergebnis einer körperlichen Anstrengung ist, sich nicht
in Ruhe bessert und zu einer wesentlichen Minderung beruflicher, sozialer oder privaten Aktivitäten führt. Das objektive Vorliegen
dieser Einschränkungen diskutiert sie aber nicht näher, sondern entnimmt diese den anamnestischen, subjektiven Angaben des
Klägers. Anders als ein behandelnder Arzt, der im Rahmen des Vertrauensverhältnisses zum Patienten ein Behandlungskonzept
anhand dessen Angaben entwickelt, hat der Gutachter aber gerade die Angaben des Versicherten zu überprüfen.
Es ist daher nicht schlüssig, wenn der Kläger in seinen Schriftsätzen damit argumentiert, dass gerade die Diagnose der CFS
beweise, dass eine gravierende berufliche und alltägliche Einschränkung vorliegt. Das Ausmaß der Einschränkungen wird durch
derartige Zirkelschlüsse nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.
Wie Dr. I. nennt Dr. P. auch die somatoforme Störung als Diagnose. Insoweit weist sie darauf hin, dass es schwierig bis nahezu
unmöglich ist, hier eine Abgrenzung festzustellen. Sie hält - wie auch Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme - eine genaue
Einordnung zutreffenderweise nicht für notwendig.
Bezüglich der Depression setzt sie sich nicht mit den konkreten Einschränkungen des Klägers auseinander und gleicht diese
auch nicht mit dem erhobenen Befund (s.o.) ab, sondern stellt lediglich darauf ab, dass eine depressive Stimmungslage schon
seit Jahren bekannt sei. Zugleich weist sie auch auf die fehlende konsequente psychiatrische Behandlung hin.
Zur Diagnose der Fibromyalgie legt sie insbesondere die Angabe des Dr. M. über die positive Testung von 16 von 18 Tenderpoints
und weitere anamnestische Angaben des Klägers zugrunde. Dabei wird im Anhang zum Gutachten ausgeführt, dass das Diagnosekriterium
der Tenderpoints - bekanntermaßen - umstritten ist. Wie auch die Beklagte ausführt, wurde diese Methode der Diagnosestellung
von ihrem Begründer selbst in Zweifel gezogen. Letztlich lässt sich aus der Testung nur eine gewisse Druckschmerzhaftigkeit
ableiten, die allerdings wiederum auf den subjektiven Angaben des Probanden beruht, und daher für die Rentenbegutachtung nur
von eingeschränkter Bedeutung sein kann.
Die weiteren Beschwerdeangaben des Klägers werden von der Gutachterin erneut nur aufgelistet, aber nicht validiert. Gerade
angesichts der zuvor von ihr festgestellten Normbefunde im Bereich der Muskeln und der Wirbelsäule ist es aber nicht nachvollziehbar,
wenn die Gutachterin z.B. auf die "massiven Beschwerden im Bereich des muskuloskelettalen Systems" Bezug nimmt. Trotz der
mangelnden Objektivierung der Merk- und Konzentrationsschwäche im Gutachten des Dr. I. verweist die Gutachterin auch in diesem
Bereich auf die vom Kläger selbst gemachten Angaben. Anknüpfend daran leitet sie dann eine allgemeine Bewertung ab ("Gerade
die Kombination aus aufgeführter Schmerzsymptomatik mit den psychischen Symptomen macht es den betroffenen Patienten unmöglich,
einem geregelten Berufsleben nachzugehen").
Auch die zuletzt getroffene allgemeine Aussage der Gutachterin, dass auch Erkrankungen wie das CFS und die Fibromyalgie so
stark ausgeprägt und therapieresistent sein können, dass sie sogar eine Berentung nach sich ziehen, hilft nicht weiter. Auch
wenn diese grundsätzliche Aussage zutrifft, sind jedoch gerade die Ausprägung und die Therapieresistenz im konkreten Fall
zweifelhaft.
Auch aus den vom Kläger für wesentlich gehaltenen Laborwerten lässt sich das Vorliegen der Diagnose und die Schwere der Funktionseinschränkungen
der Fibromyalgie nicht beweisen. Die Gutachterin Dr. P. erwähnt das Auftreten physiologischer Veränderungen im Zusammenhang
damit, dass in der Wissenschaft zunehmend von einem eigenständigen Krankheitsbild ausgegangen wird. Aus den aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnissen ergibt sich aber nicht, dass eine dieser Labormessungen als Nachweis für die Fibromyalgie angesehen werden kann.
Die Vereinbarkeit der Laborbefunde mit den subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers stellt noch keinen Nachweis für das Vorliegen
einer bestimmten Erkrankung dar; die bloße Möglichkeit reicht nicht aus. Aus den Laborwerten lässt sich im Übrigen kein Schweregrad
der Krankheit ablesen. Die tatsächlichen Einschränkungen des Klägers werden von der Gutachterin Dr. P. auch hier nicht schlüssig
eruiert, sondern aufgrund der Diagnosestellung postuliert.
In ihrer abschließenden Bewertung weist sie bei der Frage nach einer Verschlechterung darauf hin, dass der Leidensdruck auch
im Hinblick auf die psychische Belastung zugenommen habe. Dies passt aber - worauf auch die Beklagte hingewiesen hat - nicht
zu ihrer Angabe (3.2 - Buchst. M), wonach Anforderungen an Ausdauer, nervliche Belastbarkeit, Stresstoleranz nur in sehr geringem
Maße eingeschränkt sind. Außerdem bleibt unklar, worauf sie die Zunahme der psychischen Belastung konkret stützt. Als Anhaltspunkt
findet sich im Gutachten nur der Befundbericht des Dr. V ... Eine Vergleich mit dem von ihr erhobenen psychischen Status (freundlich
zugewandt, ordentlich schwingungsfähig) und die Einordnung vor dem Hintergrund der fehlenden suffizienten Behandlung der Depression
fehlt.
Der Senat kann auf der Grundlage des Gutachtens der Dr. P. somit nicht die Überzeugung einer rentenrelevanten Leistungseinschränkung
gewinnen. Der Senat knüpft dabei an die Ausführungen der Sachverständigen an, kann auf dieser Grundlage aber deren Schlussfolgerung
nicht teilen.
Auch der Sachverständige Dr. F. hat keine weiteren organischen Erkrankungen mit erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen objektivieren
können.
Er hat zum Morbus Addison als Form der primären Nebennierenrindeninsuffizienz (NNRI) ausgeführt, dass aufgrund der Laborwerte
die Diagnose aktuell ausgeschlossen werden kann. Auch Dr. H. hat in seinem Befundbericht vom 05.04.2013 selbst eingeräumt,
dass der typische Befund eines M. Addison nie zweifelsfrei dargelegt werden konnte. Dr. F. führt dazu nachvollziehbar aus,
dass die für die Diagnose eines M. Addison geforderten Kriterien der Serumelektrolyt-Veränderung und der Hyperpigmentierung
der Haut bislang nicht beschrieben worden sind und nicht vorliegen. Er führt auch aus, dass zur Diagnostik der primären NNR-Insuffizienz
der ACTH-Stimulationstest am besten geeignet ist, wobei sich bei normaler NNR-Funktion ein Cortisolanstieg von über 20 µg/dl
ergebe. Beim Kläger zeigte sich beim ACTH-Simulationstest ein Anstieg auf 29,3 µg/dl. Die Werte für Renin, Angiotensin und
Aldosteron lagen im Normbereich.
Die Ausführungen des Dr. F. beziehen sich ausdrücklich auf den aktenkundig geäußerten Verdacht eines M. Addison und stehen
durchaus im Einklang mit den Erläuterungen und Untersuchungen der Dr. P. und auch des Dr. H. (s.o.).
Soweit letzterer in seiner Stellungnahme vom 29.08.2014 erklärt, dass Dr. F. weitere Tests zur Höhe der Hormone nicht durchgeführt
und nicht berücksichtigt habe, dass der Kläger morgens Cortison 10mg eingenommen habe, werden dadurch die Ausführungen des
PD Dr. F. zum Vorliegen eines M. Addison nicht in Frage gestellt. Sollten die guten Werte auf die Medikamenteneinnahme zurückzuführen
sein, so folgt daraus jedenfalls keine relevante Funktionsbeeinträchtigung.
Klinische Symptome eines M. Addison treten laut Dr. P. in der Regel erst auf, wenn 90% der NNR zerstört sind; zuvor besteht
bei außergewöhnlichen Belastungen zwar die Gefahr einer akuten Dekompensation - dieser kann aber durch entsprechende Beobachtung
und medikamentöse Einstellung begegnet werden.
Bei sekundärer NNRI ist das abrupte Absetzen einer Corticosteroidlangzeitbehandlung zu vermeiden.
Die Ausführungen des Dr. H. zur NNRI widerlegen das Gutachten des Dr. F. somit nicht und sind für die Rentenbegutachtung auch
nicht weiterführend. Soweit er den Hypocortilismus insbesondere in den Zusammenhang mit der CFS setzen will, stellt dies keinen
Nachweis dar. Im Übrigen ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Artikel im Deutschen Ärzteblatt über das CFS vom 28.10.1994,
dass M. Addison differentialdiagnostisch vom CFS auszuschließen ist.
Auch der Verdacht auf ein Insulinom konnte nicht bestätigt werden; es ergaben sich insoweit keine konkreten Hinweise. Der
zur Diagnose notwendige Fastentest ist (aus welchen Gründen auch immer) abgebrochen worden. Dr. F. weist jedoch darauf hin,
dass sich im Universitätsklinikum G. die typischen Symptome eines Insulinoms nicht zeigten und trotz erhöhten Insulins zu
jedem Messzeitpunkt im Beobachtungszeitraum keine Hypoglykämien auftraten.
Die Glucosewerte, die Dr. H. im April 2014 gemessen hat, waren normwertig. Der Sachverständige hat dies durchaus zur Kenntnis
genommen und bestätigt. Er hat jedoch auch darauf hingewiesen, dass sich bei den laborchemischen Untersuchungen im erneut
(wie in G.) ein erhöhtes Insulin mit normwertigen C-Peptid gezeigt habe, und daraus gefolgert, dass am ehesten eine periphere
Insulinresistenz bei Hyperinsulinismus im Rahmen eines metabolischen Syndroms vorliege.
Dr. H. bestreitet in seiner Stellungnahme vom 29.08.2014 die Annahme einer Insulinresistenz allein unter Hinweis auf die von
ihm selbst ermittelten Werte. Die Schlüssigkeit dieser Argumentation kann dahinstehen. Auch wenn der Kläger und sein die Diagnose
des Dr. F. und seine Behandlungsempfehlung angreifen, so führt dies jedenfalls nicht dazu, dass damit eine schwerwiegende
Erkrankung mit erheblicher Beeinträchtigung festgestellt werden kann.
Dies gilt auch soweit Dr. H. das Vorliegen eines "metabolischen Syndroms" bestreitet, für die es eine endgültige Definition
bislang nicht gibt (vgl. www.wikipedia.de). Anders als Dr. H., der auf das Vorliegen von mindestens fünf der in der WHO-Klassifikation
von 1998 genannten Kriterien abstellt, hat Dr. F. das metabolische Syndrom als zusammenfassende Diagnose für Hypertriglyceridämie,
Hypercholesterinämie und erhöhte Insulinresistenz verstanden (vgl. 4.a des Gutachtens). Soweit der Kläger entgegen früherem
eigenen Vortrag das Vorliegen einer Hypercholesterinämie bestreitet, die im Übrigen auch Dr. B. und die Ärztin Z. als Diagnose
angegeben haben, führt dies für die Rentenbegutachtung nicht weiter. Letztlich handelt es sich lediglich um einen Risikofaktor
für Herzkrankheiten.
Ebenso dahinstehen kann letztlich, auf welcher Ursache der Serotonin-Mangel beruht. Ein Nachweis für eine erhebliche Leistungsminderung
lässt sich allein daraus nicht zur Überzeugung des Senats ableiten. Soweit Dr. H. in seinem Bericht vom 25.05.2011 dem Serotoninmangel
eine außerordentliche Rolle bei CFS und Fibromyalgie zuschreibt, erwähnt Dr. F. dies durchaus, weist aber auch auf andere
Möglichkeiten hin.
Im Ergebnis geht auch Dr. F. in seinem Gutachten - per Ausschlussdiagnose - von einem CFS und Fibromyalgie aus. Allerdings
legt auch er allein die Beschwerdeangaben des Klägers zugrunde, weil diese den geforderten Symptomen entsprachen. Dabei weist
er darauf hin, dass der Kläger auffällig auf Diagnosen fixiert ist und auf Fragen nach aktuellen Beschwerden Diagnosen äußert,
die bestimmte Beschwerden bedingen würden.
Zur HPU führt Dr. F. aus, dass die Herkunft der Diagnose aus dem niederländischen Labor ... (Gründer: Dr. K.) stammt, das
auch im Fall des Klägers auftritt. Dieses vertreibt offenbar gleichzeitig entsprechende Nahrungsergänzungsmittel. Für die
orthomolekulare Medizin, die eine maßgeblich von Linus Pauling beeinflusste alternativmedizinische Methode darstellt, in deren
Mittelpunkt die Verwendung von Vitaminen und Mineralstoffen steht, gibt es bislang keine Nachweise (s. www.wikipedia.de).
Eine wissenschaftlich fundierte Aussage zur HPU war dem Sachverständigen nicht möglich. Dr. F. bezieht sich insoweit auf einen
Artikel aus dem Jahr 2003 (van der Meer et al), in dem die Diagnose als Pseudo-Erkrankung eingeordnet wird. Soweit der Kläger
zuletzt fordert, dass die HPU erneut von einem Gutachter bewertet werden soll, sieht der Senat dazu keine Veranlassung, quasi
ins Blaue hinein wissenschaftliche Grundlagenforschung zu betreiben. Allein die vom Kläger aus dem Internet bezogene Liste
mit 210 Literaturangaben widerlegt die Auffassung des Dr. F. nicht. Die Liste ist von dem niederländischen Institut selbst
zusammengestellt worden (s. Internetseite www ...de; dort HPU und wissenschaftliche Literatur) und enthält überwiegend ältere
Literaturangaben aus den Jahren vor 2003; der Artikel von van der Meer ist auf der Liste nicht enthalten.
Davon abgesehen schreibt Dr. K. in seinem auf der Liste (Nr. 129) enthaltenen kurzen Beitrag zum 8. Kongress für orthomolekulare
Medizin selbst, dass Porphyrien sehr häufig seien; es seien eher milde und chronische Verläufe beobachtet worden. Der Schweregrad
könne sehr variieren.
Laut dem Laborbefund vom April 2009 lag ein Wert des Klägers von 1,989 mmol/24 Std. vor. Es handelt sich laut der beigefügten
"Interpretation des Tests" um ein positives (jedoch nicht stark positives) Ergebnis; falsch positive Werte könnten sich aufgrund
Nahrung oder anderer Erkrankungen ergeben. Die Krankheit sei außerdem gut zu behandeln, u.a. durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln
und regelmäßiges Essen, das der Kläger nach seinen Angaben alle 4 Stunden zu sich nimmt.
Auch wenn die Aussagen des Dr. K. als zutreffend zugrunde gelegt werden, lässt sich also aus dem Laborwert vom April 2009
eine verlässliche Aussage zu der beim Kläger tatsächlich für mehr als 6 Monate vorliegenden Funktionsstörungen und deren Ausmaß
nicht treffen. Daran könnte auch eine Auswertung der "Literaturliste" nichts ändern.
Zum V.a. Mitochondriopathie führt Dr. F. aus, dass klinische Manifestationen stark variieren können. Im klinischen Kontext
würde dies eine deutliche Einschränkung des betroffenen Organs bedeuten. Häufig würden etwa Taubheit, Kardiomyopathien, Ptosis
(Herabsinken von Organen, z.B. des Augenlids) angegeben. Ohne Biopsie eines betroffenen Organs könne anhand einzelner Laborwerte
und bei fehlender klinischer Manifestation die Diagnose nicht gestellt werden. Auch Dr. P. hat auf die Diagnosesicherung durch
eine Muskelbiopsie hingewiesen, die bislang nicht erfolgt ist.
Soweit die Ärztin Z. behauptet, dass eine Biopsie entgegen der Auffassung von Dr. P. und Dr. F. nicht notwendig sei, bezieht
sie sich nur vage auf die "Wissenschaft"; dies stellt aber keine Quelle erhöhter Glaubwürdigkeit dar im Vergleich zu den Aussagen
der beiden an anerkannten Universitätskliniken tätigen Sachverständigen. Mit ihrem Bericht vom Mai 2011 hat Frau Z. die Auswertungen
von Laboren vorgelegt, die zugleich Empfehlungen für bestimmte Ergänzungspräparate abgeben; insoweit sind eher Zweifel an
deren wissenschaftlicher Unabhängigkeit veranlasst. Wenn sie außerdem ausführt, dass eine Biopsie ungeeignet sei, einen erhöhten
"Laktatspiegel" festzustellen, so widerlegt dies nicht die Aussage der Gutachter. Die von der Hausärztin herangezogenen klinischen
Folgen (u.a. massive Muskelverhärtungen, extreme Ermüdbarkeit, Erschöpfung) sind im Übrigen gerade nicht zur Überzeugung des
Senats nachgewiesen.
Abgesehen davon könnte umgekehrt auch die Therapieempfehlung der Hausärztin, dass jede leichte körperliche Anstrengung strengstens
zu vermeiden sei, eine schnelle Ermüdbarkeit aufgrund Trainingsmangels hervorrufen.
Letztlich bleibt für den Senat die Einschätzung des Dr. I. weiterhin maßgebend. Der Senat sieht keine Anhaltspunkte für eine
fehlende Objektivität des Gutachters; aus der kontrovers diskutierten Diagnosestellung lässt sich hierzu nichts ableiten.
Die von Dr. I. in den Vordergrund gestellte Diagnose der undifferenzierten Somatisierungsstörung und Neurasthenie hat der
Gutachter nachvollziehbar getroffen, wobei er auf die Diskrepanz zwischen dem weitgehend unauffälligen körperlichen Befund
und der Vielzahl angegebener Beschwerden und Einzelsymptome hinweist.
Soweit der Kläger wiederholt kritisiert, für die Somatisierungsstörung müsse die Krankheit vor dem 30. Lebensjahr aufgetreten
sein, so mag dies dem Diagnosekriterium der DSM IV (300.81, diagnostic and statistical Manual of Mental Disorders, DSM) entsprechen.
Dabei handelt es sich um einen Leitfaden der amerikanischen Psychiater-Vereinigung.
Dass Dr. I. nicht den zur Diagnosestellung im amerikanischen Raum angewandten DSM-IV verwendet, sondern sich an der in Europa
anzuwendenden ICD-10 orientiert, begegnet keinen Bedenken. Vertragsärzte müssen für die Abrechnung die ICD-10 verwenden (vgl.
§
295 Abs.
1 Satz 2
SGB V). Gutachter sollen zur Nachvollziehbarkeit ihrer Darlegungen eines der üblichen Diagnosesysteme verwenden (BSGE 96, 196 ), z. B die ICD-10 (= Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme
der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information ins Deutsche übertragen,
herausgegeben und weiterentwickelt) oder die DSM-IV (= Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen
psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahre 1994, deutsche Bearbeitung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Aufl. 2001;
aktuell liegt allerdings schon die fünfte Auflage DSM-5 in Englisch vor). Auch wenn beide Diagnosesysteme weitgehend kompatibel
bzw. ergänzend anwendbar sein mögen, folgt daraus nicht, dass der Gutachter das o.g. einschränkende Kriterium der DSM-IV hier
verwenden muss. Es handelt sich bei den Somatisierungsstörungen ohnehin um eine provisorische operationale Klassifikation
mit unscharfen Grenzen und Unterkategorien, so dass der Diagnostiker einen Ermessenspielraum hat (vgl. Verband, Deutsche Rentenversicherung,
sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, 6. Aufl., S. 545)Dr. I. erklärt insoweit, dass auch
die Diagnose der Neurasthenie mehr oder weniger synonym mit der Diagnose eines chronischen Erschöpfungssyndroms verwendet
wird. Da die Rentenbegutachtung im Wesentlichen eine Funktionsbegutachtung darstellt (s.o.), ist nicht zu beanstanden, dass
der Gutachter keine weitergehende wissenschaftliche Ursachenklärung für erforderlich hält.
Soweit der Kläger gerade der Diagnosestellung des CFS (aufgrund Laborwerten) besonderen Wert beimessen will, weil sich seiner
Auffassung nach daraus per se eine Erwerbsminderung ergibt, kann dieser Argumentation nicht beigetreten werden. In dem vom
Kläger vorgelegten Artikel zum CFS aus dem Deutschen Ärzteblatt vom 28.10.1994 werden Vorschläge einer Arbeitsgruppe des Bundesministeriums
für Gesundheit wiedergegeben. Diese entfalten jedoch weder für Sozialleistungsträger noch für Gerichte eine rechtliche Bindungswirkung.
Die darin enthaltene Aussage, dass beim CFS per definitionem eine Minderung der täglichen Aktivitäten von mindestens 50% vorliege,
führt nicht automatisch zur Anerkennung einer Erwerbsminderung bei Vorliegen bestimmter Laborparameter. Auch die Verfasser
des Artikels sprechen im Übrigen von einer "möglichst objektiv reproduzierbaren" Minderung der Aktivitäten und ziehen nur
den Schluss einer "im Einzelfall abzuschätzenden" Minderung der Erwerbsfähigkeit. Objektivierbare Einschränkungen von rentenrelevantem
Ausmaß liegen aber beim Kläger nicht vor. Im Übrigen ist dem Artikel nicht zu entnehmen, dass sich die Äußerungen des Verfassers
tatsächlich auf den rentenrechtlichen Begriff der Erwerbsfähigkeit beziehen.
Bei der Untersuchung durch Dr. I. lagen auch keine Anhaltspunkte für eine Depression vor. Die Laboruntersuchung erbrachte
einen Messwert für das Medikament Paroxetin unterhalb der Messbarkeitsgrenze, was der Gutachter nachvollziehbar als Hinweis
für eine Nichteinnahme des Medikaments und damit als Hinweis auf einen sekundären Krankheitsgewinn wertete. Der vom Kläger
geschilderte Aktivitätsradius (Zeitungslesen, Spaziergänge, Einkaufen, Kochen, kleiner Freundeskreis, medizinische Recherche)
ließ noch Ressourcen erkennen. Dr. F. hat bezüglich Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit auf die aufwändigen und detaillierten
Schriftsätze des Klägers hingewiesen. Auch wenn der Kläger ausführt, dass er diese nur unter Zuhilfenahme anderer schreiben
könne und dafür viel Zeit benötige, zeigt sich immerhin die weiterbestehende Antriebskraft.
Inzwischen ist von den meisten Gutachtern bezüglich der Beschwerden des Klägers auch eine psychiatrische, psychotherapeutische
bzw. psychosomatische Behandlung angeraten worden. Insoweit kann die dahingehende fehlende Therapiebereitschaft des Klägers
als Hinweis eines insoweit fehlenden Leidensdrucks gewertet werden. Der Senat könnte daher auch nicht die Überzeugung gewinnen,
dass der Kläger - sollten seine Funktionseinschränkungen doch in höherem Maße als objektivierbar vorliegen - diese nicht mit
zumutbarer Willensanstrengung unter ärztlicher Mithilfe überwinden kann.
Der Senat sieht sich nicht zu weiterer Aufklärung auf nervenärztlichem Gebiet gedrängt. Eine erhebliche Verschlechterung des
Zustands auf nervenärztlichem Gebiet ist nicht ersichtlich.
Dr. I. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme aufgrund des von Dr. V. am 19.03.2009 erhobenen Befunds eine depressive Störung
in wechselndem Ausmaß für durchaus nachvollziehbar gehalten, aber insbesondere auf die weiterhin mangelhafte Behandlung hingewiesen.
Der Kläger hat bei ihm selber angegeben, dass er eine psychotherapeutische Behandlung nicht verfolge, da er selbst keine psychischen
Probleme habe. An dieser Haltung hat sich ersichtlich nichts geändert. Die von Dr. V. angeregte Medikation hat der Kläger
nicht weitergeführt. Auch die umfangreiche - und stets aktualisierte - Diagnoseliste der Hausärztin enthält nicht die Diagnose
einer Depression.
Dazu kommt, dass der Kläger selbst eine Abklärung auf nervenärztlichem Gebiet nicht für notwendig erachtet. In seiner zuletzt
eingereichten Stellungnahme hat er ausdrücklich ausgeführt, dass seine psychische Belastbarkeit von keinem Arzt - ambulant
oder stationär - für eingeschränkt befunden wurde, was sich auch mit seiner subjektiven Meinung decke. Neue Diagnosen oder
Behandlungsversuche auf nervenärztlichem Gebiet liegen nicht vor.
Der Senat hält aufgrund der Verfahrensverlaufs auch den Hinweis, dass das subjektive Krankheitserleben des Klägers durch weitere
Begutachtungen nur verstärkt würde, für bedenkenswert. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, solange Gutachten einzuholen, bis
sich der Kläger in seiner Auffassung bestätigt sieht.
Dem Antrag des Klägers auf "Überprüfung" des Gutachtens von PD Dr. F. durch Dr. G. den der Klägerbevollmächtigte erst nach
Ablauf der mit Schreiben vom 05.08.2014 gesetzten vierwöchigen Stellungnahmefrist (vgl. §
118 SGG i.V.m. §
411 Abs.
4 Satz 2
ZPO) am 26.09.2014 gestellt hat, musste der Senat nicht nachkommen.
Die Einholung einer weiteren Stellungnahme der Dr. P. ist nicht geboten. Die beiden Gutachten überschneiden sich in wesentlichen
Bereichen zu Diagnosen und Behandlungsempfehlungen (s.o.); soweit sich die beiden Gutachten gerade in der Wertung unterscheiden,
ist deshalb keine ergänzende Befragung notwendig (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
118 Rn. 12c). Es besteht kein Anspruch darauf, dass ein bestimmter Gutachter das letzte Wort haben müsste. Inhalt und Plausibilität
der Gutachten sind vom Gericht zu würdigen.
Der Senat musste auch dem Antrag des Klägerbevollmächtigten auf Ladung des Sachverständigen PD Dr. F. (§
118 Abs.
1 SGG i.V.m. §
411 Abs.
3 ZPO) nicht nachkommen. Die Ladung eines Sachverständigen steht im Ermessen des Gerichts. Der Senat sieht keine Ergänzungsbedürftigkeit
des Gutachtens von PD Dr. F.; die Einwände der behandelnden Ärzte widerlegen das Gutachten des PD Dr. F. nicht und erfordern
aus Sicht des Senats keine weitere Aufklärung (s.o.).
Das Fragerecht der Beteiligten (§
116 Satz 2
SGG), das auf dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs beruht, setzt voraus, dass ein Antrag rechtzeitig gestellt worden und das
Thema der Befragung hinreichend umrissen wird (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 118 Rn. 12 d).
Hier hat das Gericht der Klägerseite mit Schreiben vom 05.08.2014 eine vierwöchige Frist zur Stellungnahme zu dem Gutachten
des PD Dr. F. gesetzt. Nachdem weder eine fristgerechte Stellungnahme noch ein Fristverlängerungsantrag eingegangen ist, ist
das Verfahren am 22.09.2014 zum Termin am 16.10.2014 geladen worden. Der Prozessbevollmächtigte, der die Ladung am 25.09.2014
erhalten hat, hat erstmals mit Schreiben vom 14.10.2014 "vorsorglich" beantragt, das Erscheinen des Sachverständigen PD Dr.
F. anzuordnen, damit dieser sein Gutachten erläutere. Der Antrag auf Befragung des Sachverständigen ist somit nicht rechtzeitig
vor der mündlichen Verhandlung gestellt werden, um ggf. eine Vertragung zu vermeiden.
Davon abgesehen hat der Prozessbevollmächtigte in seinem Schriftsatz vom 14.10.2014 und in der mündlichen Verhandlung auch
keine konkreten Fragen an den Sachverständigen PD Dr. F. gestellt. Ein "Erläuterungsbedarf" allein aufgrund eines vom Vorgutachter
abweichenden Gutachtensergebnisses stellt noch keinen sachdienlichen Fragekomplex dar.
Die Kostenentscheidung berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren unterlegen ist (§
193 SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.