Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Rechtsstreit mit dem Az. S 2 RA 174/03 durch Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2003 erledigt ist.
Gegenstand des Verfahrens mit dem Az: S 2 RA 174/03 war der Bescheid der Beklagten vom 30.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2003, mit dem die Beklagte
eine mit Bescheid vom 15.08.2001 bindend festgestellte Überzahlung in Höhe von 46,13 EUR mit der laufenden Rente des Monats
November 2002 aufgerechnet hatte.
Hiergegen hatte die Klägerin am 22.05.2003 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. In der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2003 hatte die Klägerin die Klage zurückgenommen, nachdem die Vorsitzende
sie darauf hingewiesen hatte, dass die Klage nicht innerhalb eines Monats nach Erhalt des Widerspruchsbescheides am 14.04.2003
eingelegt und deshalb unzulässig sei. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 19.08.2003 ist die Rücknahme der Klage vorgelesen
und von der Klägerin genehmigt worden.
Am 28.08.2003 ist beim SG ein Schreiben der Klägerin vom 25.08.2003 eingegangen, in dem sie die Rücknahme ihrer Klage mit folgender Begründung widerrufen
hat: "Der Sachverhalt ohne konkrete Unterlagen-Kenntnis, mehrseitige Neuinformationen und unter massiven, sehr hohen Kostenandrohungen
war mir absolut nicht bekannt. Die Klage gesamt ist bis auf Weiteres zurückzustellen bis zur vollen Klärung und Unterlagenerhalt
sämtlicher Sachverhalte für mich. Den Widerspruchsbescheid vom 31.03.2003 habe ich nachweislich mit Schreiben vom 17.05.2003
erstmals erhalten. Vorherige Zustellmitteilungen fehlen überhaupt dazu".
Mit Urteil vom 27.06.2006 hat das SG im Verfahren S 2 R 4334/03 WA festgestellt, dass die Klage vom 18.05.2003 durch die Klagerücknahme vom 19.08.2003 erledigt sei. Die Einmonatsfrist für
die Klageerhebung habe mit der Zustellung des Widerspruchsbescheides am 08.04.2003 zu laufen begonnen, so dass die Klagefrist
am 08.05.2003 (einem Donnerstag) abgelaufen sei. Auf die Klagefrist habe die Beklagte auch in der Rechtsmittelbelehrung des
angefochtenen Widerspruchsbescheides vom 31.03.2003 hingewiesen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht angezeigt
gewesen, da die Klägerin keine Gründe für die verspätete Klageerhebung genannt habe und deshalb davon auszugehen sei, dass
sie nicht ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Nachdem die Klägerin in der
mündlichen Verhandlung erklärt gehabt habe, es gehe ihr um die Überprüfung der Rechtssache in materieller Weise, da der gegenständliche
Widerspruchsbescheid falsch sei, sei ihr von der Vorsitzenden erklärt worden, dass in diesem Verfahren die materielle Rechtslage
nicht überprüft werden könne, da die Klage schon unzulässig sei. Daraufhin habe die Klägerin die Klage zurückgenommen.
Hiergegen hat die Klägerin am 30.08.2006 beim Bayer. Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zu dem vom Vorsitzenden im Verfahren
S 2 R 4334/03 WA eigenmächtig diktierten "Neuantrag" sage sie deutlich, dass sie ihren Antrag zum Bescheid 30.09.2002/31.03.2003 nicht
zurücknehme und heute am 27.06.2006 auch keinen "Antrag" ohne konkrete schriftliche Unterlagen stelle. Auch in der früheren
Verhandlung in gleicher Sache sei mit viel hastigem Fachjargon angebliche nicht zulässige Rücknahme unter enormen Kosten/Verhandlungsdrohungen
einseitig diktiert worden. Die gesamte Verhandlung vom 19.08.2004 (S 2 RA 174/03) mit Frau Richterin R. habe von einem Rücknahmediktat gehandelt. Über die ihr zustehende BfA-Altersrente sei bisher überhaupt
noch nicht verhandelt worden, auch nicht am 27.06.2006. Sie habe die Klagen 355/01, 356/02 nicht zurückgenommen. Für die Az.
356/02 und 714/06 habe sie die Klage nicht zurückgenommen.
Sinngemäß beantragt die Klägerin,
das Urteil des SG Würzburg vom 27.06.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 31.03.2003 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen,
ihr die zu Unrecht abgezogenen 46,13 EUR zurückzuzahlen,
hilfsweise, das Verfahren S 2 R 4334/03 WA fortzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.06.2006 zurückzuweisen.
Die Klägerin wende sich mit dem Schreiben gegen die Urteile des SG Würzburg mit den Az. S 2 R 4334/03 WA, S 2 R 4423/04 und S 2 R 4005/06. Der Rechtsstreit S 2 R 4334/03 WA, bei dem die Klägerin die Rückzahlung von 46,13 EUR habe erreichen wollen, habe sich durch die Klagerücknahme vom 19.08.2003
erledigt. Aus den Ausführungen der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Auf eine Klagerücknahme im
Termin am 27.06.2006 komme es nicht an.
Das Gericht hat die Akten des SG Nürnberg (S 2 R 4334/03 WA, S 12 RA 202/96, S 12 RA 171/99, S 12 RA 249/00, S 3 Kr 355/01 und S 5 An 96/02) sowie die Akten der Beklagten (Bände I bis VI) beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts
wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Fortsetzung des Klageverfahrens S 2 RA 174/03 ist zulässig, aber unbegründet, weil dieses durch Klagerücknahme der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2003
wirksam beendet worden ist.
Die Klagerücknahme gemäß §
102 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) wurde in der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2003 ausweislich der Sitzungsniederschrift vorgelesen und von der Klägerin
genehmigt. Nach §
102 Satz 2
SGG erledigt die Klagerücknahme den Rechtsstreit in der Hauptsache.
Der mit Schriftsatz vom 25.08.2003 erklärte Widerruf der Rücknahme der Klage, der beim SG am 28.08.2003 eingegangen ist, ist rechtlich ohne Belang. Die von der Klägerin vorgetragene Begründung des Widerrufs "der
Sachverhalt ohne konkrete Unterlagen-Kenntnis, mehrseitige Neuinformationen und unter massiven, sehr hohen Kostenandrohungen
war mir absolut nicht bekannt. Die Klage gesamt ist bis auf Weiteres zurückzustellen bis zur vollen Klärung und Unterlagenerhalt
sämtlicher Sachverhalte für mich" ist rechtlich nicht relevant, denn die Klagerücknahme kann als Prozesshandlung grundsätzlich
nicht widerrufen oder angefochten werden (BSG 14, 138, 141 f; BSG SozR Nr 6 zu §
102 SGG; BSG 19.03.2002, B 9 V 75/01 B, HV-Info 02, 2150; BFH 96, 552; BayLSG SGb 45, 144). Die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über Nichtigkeit, Widerruf
und Anfechtung sind nach allgemeiner Meinung nicht anwendbar (BSG SozR Nr 3 zu §
119 BGB; BSG in SozR 1500 §
102 Nr 2 mwN; BSG vom 17.05.1966, 7 RAr 7/66, BVerwG NVwZ-RR 99, 407). Hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Formerfordernisse unterliegt sie nämlich dem Prozessrecht
und nicht dem materiellen Recht. Unerheblich ist daher, ob die Rücknahme der Klage auf Irrtum oder Täuschung etc. beruht (s.
Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8.Aufl, Rdnr 12 vor §
60). Überdies trägt die Klägerin Gründe für eine Irrtumsanfechtung i.S. des §
119 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) nicht konkret vor.
Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 19.08.2003 (S 2 R 4334/03 WA) ist darüber hinaus kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass ein derartiger Druck auf die Klägerin ausgeübt worden sei,
die Klage zurückzunehmen, dass fehlende Prozessfähigkeit anzunehmen sei (LSG NW SozEntsch § 60 Nr 19; BVerwG 19, 159; BFH
121, 385). Vielmehr hat die Vorsitzende den sachdienlichen Hinweis gegeben, dass im Verfahren S 2 RA 174/03 die materielle Rechtslage nicht überprüft werden könne, da die Klage schon unzulässig sei. Daraufhin hat die Klägerin die
Klage zurückgenommen.
Im vorliegenden Fall ist auch eine Ausnahme von der Unwiderruflichkeit der Rücknahme der Klage nicht gegeben. Etwas anderes
würde nämlich nur dann gelten, wenn der Widerruf gleichzeitig mit der Rücknahme bei Gericht eingeht - was hier nicht der Fall
ist - oder wenn ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der
Zivilprozessordnung (
ZPO) wieder aufgenommen werden könnte (§
179 SGG i.V.m. §§
578 ff
ZPO).
Restitutionsgründe i.S. des §
179 Abs
1 SGG i.V.m. §
580 Nrn 1 - 7
ZPO sind von der Klägerin weder vorgetragen worden noch erkennbar (BSG vom 24.04.1980, 9 RV 16, 79 mwN; BVerwG NVwZ 97, 1210; NVwZ-RR 99, 407). Anhaltspunkte für das Vorliegen der in den Nrn 1 - 7 normierten Voraussetzungen des §
580 ZPO (insbesondere: falsche eidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten, Nr 1; Urkundenfälschung, Nr 2; strafbares falsches
Zeugnis oder Gutachten, Nr 3; Urteilserschleichung, Nr 4; Amtspflichtverletzung eines Richters, Nr 5; Auffinden einer bisher
unbekannten Urkunde, Nr 7b) liegen nicht vor.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist auch nicht gemäß §
179 Abs
2 SGG statthaft. Denn es ist kein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der
Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat.
Somit hat das SG mit Urteil vom 27.06.2006 zu Recht festgestellt, dass die Klage vom 18.05.2003 durch Klagerücknahme vom 19.08.2003 erledigt
ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, §
160 Abs
2 Nrn 1und 2
SGG.