Auferlegen eines Ordnungsgeldes im sozialgerichtlichen Verfahren; hinreichende nachträgliche Entschuldigung
Gründe:
I. Die Beschwerde richtet sich gegen das dem Kläger - jetzt Beschwerdeführer - im Verfahren vor dem Sozialgericht Würzburg
zum Aktenzeichen S 10 AL 296/07 auferlegte Ordnungsgeld wegen Nichterscheinens.
Im Hauptsacheverfahren beantragte der Beschwerdeführer, die Entscheidung der Beklagten aufzuheben, dass sein Anspruch auf
Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.07. bis 07.07.2007 ruhe, weil er sich nicht spätestens drei Monate vor Beendigung seines
befristeten Arbeitsverhältnisses arbeitsuchend gemeldet habe. Der Beschwerdeführer vertrat die Meinung, der Beklagten sei
bekannt gewesen, dass das Arbeitsverhältnis bis 30.06.2007 befristet gewesen war. Darüber hinaus habe er das Ende der Beschäftigung
rechtzeitig fernmündlich angezeigt und sich am 02.07.2007 arbeitsuchend gemeldet.
Das Sozialgericht lud die Beteiligten zum Erörterungstermin auf den 12.11.2008. Die Ladung wurde dem Kläger am 18.10.2008
zugestellt. Der Beschwerdeführer erschien im Termin nicht. Das Sozialgericht setzte gegen ihn Ordnungsgeld von 100,00 EUR
fest, weil er dem Termin unentschuldigt ferngeblieben sei. Der mit Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss wurde dem Beschwerdeführer
mit Postzustellungsurkunde vom 19.11.2008 zugestellt.
Mit beim Sozialgericht am 27.11.2008 eingegangenem Schreiben entschuldigte der Beschwerdeführer sein Fernbleiben. Er habe
die Ladung bei Erhalt nur kurz überflogen, sie weggelegt und nicht wieder aufgefunden. Er habe geglaubt, es handle sich um
eine arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung mit der Post, mit der er einen Arbeitsvertrag geschlossen hatte. Deswegen habe
er am 03.11.2008 beim Arbeitsgericht W. angerufen und mit einer Mitarbeiterin namens B. gesprochen. Diese habe erklärt, nach
ihrer Recherche im Computer habe das Gericht keine Ladung an ihn verschickt; das Verfahren gegen die Post sei am 25.02.2008
eingestellt worden. Erst als er die Niederschrift vom 12.11.2008 mit dem Ordnungsgeldbeschluss erhalten habe, sei ihm klar
geworden, dass er sich an das falsche Gericht gewandt hatte. Er stehe mittlerweile wieder in Arbeit und habe kein Interesse,
die Klage vor dem Sozialgericht aufrechtzuerhalten.
Das Sozialgericht ermittelte, der Beschwerdeführer habe nach Erhalt des Ordnungsgeldbeschlusses bei der am Sozialgericht beschäftigten
Mitarbeiterin B. angerufen und den Sachverhalt erläutert. Nach Rücksprache mit Frau B., einer Mitarbeiterin des im selben
Gebäude untergebrachten Arbeitsgerichts W. sei, der Vortrag des Beschwerdeführers bestätigt worden. Frau B. habe dem Beschwerdeführer
tatsächlich die Auskunft gegeben, dass nach ihrer Recherche in der Datenbank sein beim Arbeitsgericht anhängig gewesener Rechtsstreit
bereits erledigt sei. Der Beschwerdeführer habe nach Erhalt des Ordnungsgeldbeschlusses nochmals bei dieser Mitarbeiterin
des Arbeitsgerichts angerufen. Erst dann sei der Irrtum bemerkt worden und er habe sich an das Sozialgericht gewandt.
Der Kläger beantragt,
den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 12.11.2008 aufzuheben, bzw. ihm die Zahlung zu erlassen, weil er
bei einem Nettoverdienst von 800,00 EUR und einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Sohn von monatlich 150,00 EUR keine
Zahlungen leisten könne.
Das Sozialgericht legte das Schreiben des Beschwerdeführers dem Bayerischen Landessozialgericht als Beschwerde zur Entscheidung
vor.
II. Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) ist begründet und führt zur Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses des Sozialgerichts vom 12.11.2008.
Nach §
111 SGG i.V.m. §
141 Zivilprozessordnung (
ZPO) kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung
nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende
eine Anordnung nach §
111 SGG treffen will, steht in seinem Ermessen. Hält er zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der gesamten Kammer eine
Erörterung und Beweiserhebung für notwendig, so kann er hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen.
Feststeht, dass der Beschwerdeführer im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 12.11.2008 nicht erschienen war. Demnach
lagen die Voraussetzungen zur Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß §
111 SGG i.V.m. §
141 Abs.3
ZPO vor. Letztgenannte Vorschrift verweist auf die Bestimmungen der Zeugenvernehmungen. Nach §
380 ZPO sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten sowie ein Ordnungsgeld
aufzuerlegen. §
381 ZPO nennt die Gründe, nach denen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben hat bzw. nachträglich aufzuheben ist. Dies
ist dann der Fall, wenn der Beteiligte sein Ausbleiben genügend entschuldigen kann. Entschuldigt er sein Fernbleiben rechtzeitig,
das heißt so rechtzeitig, dass der Termin aufgehoben und die übrigen Beteiligten hiervon noch unterrichtet werden können,
so hat die Festsetzung eines Ordnungsmittels zu unterbleiben. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so entfällt die
Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Betroffenen an der Verspätung der Entschuldigung
kein Verschulden trifft.
Was als Entschuldigung gilt, entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen und unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls.
Für die genügende Entschuldigung müssen Umstände vorliegen, die das Ausbleiben nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen.
Im Falle des Klägers hält der Senat sein Vorbringen geeignet, um eine hinreichende nachträgliche Entschuldigung anzunehmen.
Die in der Akte des Sozialgerichts festgehaltene Aussage der Mitarbeiterin B. über den Anruf des Beschwerdeführers und die
Auskunft der Mitarbeiterin des im selben Gebäude untergebrachten Arbeitsgerichts W. mit dem sehr ähnlich klingenden Namen
B. wertet der Senat als Glaubhaftmachung des Vortrags des Beschwerdeführers. Danach steht fest, dass sich der Beschwerdeführer
rechtzeitig vor dem Termin, nämlich bereits am 03.11.2008, nach den Einzelheiten der von ihm verlegten Ladung erkundigt hatte.
Zwar wäre es dem Beschwerdeführer durchaus zuzumuten gewesen, einen Überblick über seine anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu
bewahren. Jedoch im hier zu entscheidenden Fall kommen darüber hinaus einige Zufälle zusammen, die geeignet waren, einen entschuldbaren
Irrtum beim Beschwerdeführer auszulösen. Zum einen betrifft dies den Umstand, dass Sozialgericht und Arbeitsgericht in Würzburg
im selben Gebäude untergebracht sind. Zum anderen ist die Tatsache heranzuziehen, dass an beiden Gerichten Mitarbeiterinnen
mit Verfahren des Beschwerdeführers befasst waren, die einen äußerst ähnlich klingenden Namen tragen. In Kombination dieser
verwechslungsträchtigen Komponenten ist es dem Beschwerdeführer nicht weiter vorzuwerfen, dass er sich auf die Auskunft des
Arbeitsgerichts verlassen hatte, sein dortiges Verfahren sei bereits erledigt und eine Ladung an ihn nicht ergangen. Der Beschwerdeführer
hat seinen Irrtum dem Sozialgericht unverzüglich mitgeteilt und damit ein Verhalten gezeigt, das keinerlei Missachtung gegenüber
dem Gericht offenbart, sondern sein Bemühen, den Irrtum möglichst unverzüglich aufzuklären. Hinzukommt, dass er in seinem
Schreiben vom 26.11.2008, das an das Sozialgericht gerichtet ist, die Rücknahme seiner Klage erklärt hat. Damit besteht zumindest
zum jetzigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit mehr, den Beschwerdeführer durch Ordnungsmittel anzuhalten, seinen staatsbürgerlichen
Pflichten nachzukommen.
Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 12.11.2008 wegen nachträglicher
hinreichender Entschuldigung aufzuheben ist.
Da der Beschwerdeführer zum kostenprivilegierten Personenkreis des §
183 SGG gehört, fallen Gerichtskosten nicht an. Einer Kostenentscheidung bedurfte es bei dem nicht anwaltschaftlich vertretenen Kläger
darüber hinaus nicht.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).