Ordnungsgeldbeschluss in der mündlichen Verhandlung im sozialgerichtlichen Verfahren; Beteiligung der ehrenamtlichen Richter
Gründe:
I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit des gegen die Beschwerdeführerin wegen Nichterscheinens im Termin zur mündlichen Verhandlung
am 19.11.2008 festgesetzten Ordnungsgeldes in Höhe von 100,00 EUR im Beschluss des Sozialgerichts München (SG) vom 19.11.2008.
Im Hauptsacheverfahren zum Aktenzeichen S 42 AS 739/06 wandte sich die Klägerin - jetzt Beschwerdeführerin - gegen den Aufhebungsbescheid der Beklagten, mit dem für die Zeit vom
01. bis 30.06.2005 gewährte Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zurückgefordert wurden. Die Beklagte vertrat
die Ansicht, der Beschwerdeführerin sei in diesem Zeitraum Arbeitsentgelt ausbezahlt worden. Die Beschwerdeführerin wandte
dagegen ein, sie habe erst im Juli 2005 das Arbeitsentgelt tatsächlich erhalten. Zum Beweis legte sie eine Auszahlungsquittung
vom 06.07.2005 vor.
Am 24.10.2008 lud das SG zum Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19.11.2008. Hierzu ordnete es das persönliche Erscheinen der Beschwerdeführerin
an. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erschien in der öffentlichen Sitzung am 19.11.2008 die Beschwerdeführerin nicht,
aber ihr Bevollmächtigter. Im Protokoll über diese Sitzung ist festgehalten, das Gericht habe die Beteiligten darauf hingewiesen,
anhand der vorhandenen Unterlagen lasse sich der Zufluss von Arbeitsentgelt vor Juli 2005 nicht erkennen. Weiter heißt es
in der Niederschrift, die Vorsitzende habe festgestellt, dass die ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführerin ohne Entschuldigung
nicht erschienen sei. Es erging danach Beschluss, mit dem gegen die Beschwerdeführerin Ordnungsgeld wegen unentschuldigten
Fernbleibens in Höhe von 100,00 EUR festgesetzt wurde. Anschließend erklärte die Bevollmächtigte der Beklagten, sie erkenne
den Klageanspruch an. Der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin nahm das Anerkenntnis an.
In einem im Bürowege erlassenen Ergänzungsbeschluss vom 15.12.2008 wurde der Ordnungsgeldbeschluss mit einer Rechtsmittelbelehrung
versehen und der Beschwerdeführerin erneut zugestellt.
Dagegen legte diese mit am 12.12.2008 eingegangenem Schreiben Beschwerde ein. Sie rügte, das SG habe das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Möglichkeit, das Nichterscheinen mit Ordnungsgeld zu ahnden, überschritten.
Schließlich habe der Rechtsstreit ohne ihr Erscheinen beendet werden können. Die Verhängung von Ordnungsgeld sei unter diesen
Umständen nicht gerechtfertigt gewesen.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des SG München vom 19.11.2008 und den Ergänzungsbeschluss vom 15.12.2008 aufzuheben.
Das SG legte die Beschwerde dem Bayerischen Landessozialgericht zur Entscheidung vor.
II. Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) ist begründet und führt zur Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses des SG vom 19.11.2008 einschließlich des Ergänzungsbeschlusses vom 15.12.2008.
Die Verhängung des Ordnungsgeldes ist verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen. Aus §
12 Abs.1 Satz 2
SGG ergibt sich im Umkehrschluss, dass bei Beschlüssen innerhalb der mündlichen Verhandlung die ehrenamtlichen Richter mitzuwirken
haben. Auch in einem Beschluss in der mündlichen Verhandlung ist unter anderem §
61 Abs.2
SGG anzuwenden (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer,
SGG, 9. Auflage, §
142 Rdnr.3a). Danach hat jeder Entscheidung eine äußerlich erkennbare Beratung und Abstimmung vorauszugehen. Der Zweck des Beratungsgeheimnisses
erfordert es, dass Beratung und Abstimmung geheim sind, also nur für die zur Teilnahme Berechtigten wahrnehmbar stattfinden.
Nach §
160 Abs.2
Zivilprozessordnung (
ZPO) i.V.m. §
202 SGG sind die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen.
Dem Protokoll vom 19.11.2008 ist lediglich zu entnehmen, dass die Vorsitzende den Ordnungsgeld gefasst und in der Sitzung
verkündet hat. Hingegen ist nicht zu erkennen, ob diesem Beschluss eine geheime Beratung der Kammer, das heißt einschließlich
der ehrenamtlichen Richter, vorausgegangen ist. Da es eine Frage des Ermessens ist, ob überhaupt und in welcher Höhe Ordnungsgeld
gemäß §
202 SGG i.V.m. §§
141 Abs.3, 380, 381 Abs.1
ZPO verhängt wird, bedarf es des Nachweises, dass eine Beratung stattgefunden hat, in der mit der zu treffenden Entscheidung
notwendigerweise verbundene Erwägungen erörtert wurden. Ein derartiger Nachweis ist im Protokoll vom 19.11.2008 nicht enthalten.
Allein deswegen, weil der Beschluss nicht ordnungsgemäß zu Stande gekommen ist, war er aufzuheben. Auf die weiteren Erwägungen,
dass die Klägerin in dem Termin durch einen Bevollmächtigten vertreten war und der Rechtsstreit durch dessen Erklärung, das
Anerkenntnis der Beklagten anzunehmen, beendet werden konnte, kommt es bei dieser Sachlage nicht weiter an.
Da die Beschwerdeführerin zum kostenprivilegierten Personenkreis des §
183 SGG gehört, fallen Gerichtskosten nicht an. Es bedürfte jedoch einer Kostenerstattungsentscheidung, da die Beschwerde erfolgreich
war. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH/NV 1994, 733) an und nicht der entgegenstehenden Rechtsprechung einer Reihe von Landgerichten sowie des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGH,
Beschluss vom 12.06.2007 - VI ZB 4/07).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).