Beiordnung eines rechtskundigen Bevollmächtigten in Feststellungsverfahren nach dem SGB IX
Gründe:
I. Der 1966 geborene Kläger und Beschwerdeführer begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§
2 Abs.2, 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX).
Der Beklagte und Beschwerdegegner hat mit dem streitgegenständlichen Änderungsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales
Region Oberpfalz vom 16.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 09.10.2008
den Grad der Behinderung (GdB) ab 28.04.2008 mit 30 festgestellt. Zu Grunde gelegt worden sind nachstehende Gesundheitsstörungen:
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Bandscheibenschäden und Nervenwurzelreizerscheinungen.
In dem sich anschließenden Rechtsstreit hat das Sozialgericht Regensburg bereits einen Befundbericht von Dr. R. mit Fremdbefunden
gemäß §
106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) eingeholt. - Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung vom 08.01.2009 ist mit Beschluss des
Sozialgerichts Regensburg vom 20.03.2009 abgelehnt worden. Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes sei hier nicht erforderlich
(§
73a SGG i.V.m. §
121 Abs.2
ZPO). Dies gelte auch unter Zugrundelegung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 22.06.2007
- 1 BvR 681/07.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 18.05.2009 ging am selben Tag beim Sozialgericht Regensburg ein, welches den Gesamtvorgang
dem BayLSG zur Entscheidung vorlegte.
II. Die zulässige Beschwerde erweist sich als begründet.
Gemäß §
73a Abs.
1 SGG i.V.m. §
114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit weiterem Beschluss vom 06.05.2009 - 1 BvR 439/08 - seine bisherige Rechtsprechung zur Frage der Erforderlichkeit im Sinne von §
121 Abs.2
ZPO weiterentwickelt und darauf hingewiesen, dass der Ausgang eines Schwerbehindertenverfahrens nicht nur von der Beschreibung
der Funktionsstörungen abhänge, sondern insbesondere auch von der Auswertung medizinischer Stellungnahmen. Auch wenn es Aufgabe
des Richters sei, die Vorschriften auszulegen und anzuwenden, dürfe dadurch nicht das Recht der Beteiligten verkürzt werden,
sich mit eigenen Vorstellungen über die Ermittlungen und über die zu beantwortenden Rechts- und Tatsachenfragen zu Wort zu
melden. Ein Kläger habe grundsätzlich das Recht, sich in jedem Verfahrensstadium aktiv zu beteiligen. Der Gesetzgeber sei
bei Einführung der Prozesskostenhilfe für die unteren Instanzen davon ausgegangen, dass das Sozialrecht eine Spezialmaterie
sei, die nicht nur der rechtsunkundigen Partei, sondern selbst ausgebildeten Juristen Schwierigkeiten bereite. Zugleich hat
es darauf hingewiesen, dass sich die Mitwirkung von Rechtsanwälten im Interesse der Parteien als auch im Interesse einer geordneten
Rechtspflege als wertvoll erwiesen habe. Es sei nicht ersichtlich, dass dies in Schwerbehindertensachen allgemein nicht der
Fall wäre. Die in Art.3 Abs.1 i.V.m. Art.20 Abs.3 des Grundgesetzes (
GG) verbürgte Rechtsschutzgleichheit gebiete es vielmehr regelmäßig, auch in Feststellungsverfahren nach §
69 Abs.1
SGB IX einen rechtskundigen Bevollmächtigten beizuordnen.
Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Die zuletzt noch mit Beschluss des BayLSG vom 27.09.2007 - L 15 B 642/07 SB ZVW - vertretene Rechtsauffassung zur Frage der Erforderlichkeit der Beiordnung eines rechtskundigen Bevollmächtigten
auch in Feststellungsverfahren nach §
69 Abs.1
SGB IX wird hiermit ausdrücklich aufgegeben.
Die Erfolgsaussicht der Klage ist hier gegeben, da das Sozialgericht offenbar eine Beweiserhebung für erforderlich hält.
Ausweislich des Bescheides der Arbeitsgemeinschaft Landkreis B-Stadt vom 10.10.2008 über die Bewilligung von Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist der Kläger auch bedürftig im Sinne von
§§
114,
115 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind somit erfüllt, so dass der Beschluss des SG B-Stadt vom 20.03.2009 aufzuheben und dem Antrag stattzugeben war.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist nicht anfechtbar (§§
177,
183 SGG i.V.m. §
127 Abs.4
ZPO).