Anspruch auf Arbeitslosengeld; Minderung bei verspäteter Meldung bei befristeten Arbeitsverhältnissen
Tatbestand:
Streitig ist eine Minderung des Arbeitslosengeldes wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung.
Der 1980 geborene Kläger durchlief vom 01.09.2000 bis 28.02.2004 eine Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur bei der Firma
(, Bauspenglerei) in A-Stadt. Nach Abschluss der Gesellenprüfung übernahm ihn die Firma K. mit Vertrag vom 01.03.2004 in einem
bis zum 31.12.2004 befristeten Arbeitsverhältnis als Sanitär-Installateur.
Am 22.10.2004 meldete er sich mit Wirkung ab 01.01.2005 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Anlässlich der Abgabe
des ausgefüllten Antrages am 22.11.2004 bestätigte er unterschriftlich, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem
Inhalt Kenntnis genommen zu haben.
Die Bewerberarbeitnehmerkarte (BewA) verzeichnet unter dem Datum des 30.12.2004 folgenden Anruf: "Arbeitslosigkeit tritt nicht
ein, F. wird weiterbeschäftigt." Daraus folgt in der Akte der Vermerk der Leistungsabteilung, der Antrag habe sich erledigt.
Am 14.11.2005 meldete sich der Kläger erneut arbeitsuchend bzw. arbeitslos mit Wirkung ab 01.01.2006 und beantragte Alg ab
01.01.2006. Laut Arbeitsbescheinigung der Firma K. vom 29.12.2005 war der Kläger in einem arbeitsvertraglich bis 31.12.2005
befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt gewesen. Die Fragen nach Zeitpunkt und Form des Arbeitsvertrages waren in der Arbeitsbescheinigung
nicht beantwortet. Anlässlich der Abgabe des ausgefüllten Antrags am 05.01.2006 bestätigte der Kläger unterschriftlich die
Richtigkeit der durch ihn oder den Antragsannehmer seitens der BA (mit grünem Stift) vorgenommenen Ergänzungen seiner Angaben.
Die unter der links davon nebenstehenden vorgedruckten Versicherung, anlässlich der (aktuellen) Arbeitslosmeldung das Merkblatt
für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben, vorgesehene Unterschrift des Antragstellers fehlt.
Mit Widerspruchsbelehrung versehenem Bewilligungsbescheid vom 09.01.2006 bewilligte das Arbeitsamt A-Stadt dem Kläger ab 01.01.2006
Alg für 360 Tage. Von dem ihm zustehenden täglichen Leistungssatz von 33,73 EUR (bei einem Monatssatz von 30 Tagen) müssten
täglich 16,86 EUR abgezogen werden, so dass ein täglicher Leistungssatz von 16,87 EUR verbleibe. Zur Minderung erhalte er
ein gesondertes Erläuterungsschreiben.
Mit dem mit 05.01.2006 datierten Schreiben an den Kläger, betitelt als "Erläuterungen zum Bewilligungsbescheid - Minderung
gemäß §
140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch"
SGB III wurde die vorgenommene Minderung des Leistungssatzes unter Bezugnahme auf die §§ 37b und 140
SGB III dargelegt und erläutert.
Der Kläger sei der aus § 37b
SGB III sich ergebenden Pflicht nicht rechtzeitig nachgekommen. Läge nämlich zwischen dem Abschluss des Arbeitsvertrages - 01.01.2005
- und dem Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses ein Zeitraum von mehr als drei Monaten, entstehe die Meldepflicht nach
§ 37b
SGB III spätestens drei Monate vor dem vereinbarten Ende. Danach hätte er sich bei Berücksichtigung der Tage der Dienstbereitschaft
der Agentur für Arbeit spätestens am Dienstag, den 04.10.2005, arbeitsuchend melden müssen. Er habe sich jedoch erst am 14.11.2005
gemeldet. Die Meldung sei damit um 41 Tage zu spät erfolgt.
In Anwendung des §
140 SGB III mindere sich sein Anspruch auf Leistungen um 35,00 EUR für jeden Verspätungstag, wobei generell längstens 30 Tage Verspätung
angerechnet werden könnten. Daraus errechne sich bei ihm eine Gesamtminderungssumme in Höhe von insgesamt 1.050,00 EUR. Die
Summe werde von Gesetzes wegen in der Weise abgetragen, dass ihm ab dem ersten Leistungstag nur die Hälfte des ihm ohne die
Minderung zustehenden täglichen Alg-Satzes ausgezahlt werde. Bei einem sich bei ihm damit errechnenden täglichen Abzug von
16,86 EUR werde die Anrechnung bei normalem Verlauf mit der Zahlung des Alg für 63 Leistungstage beendet sein.
Hiergegen legte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 18.01.2006 Widerspruch ein. Man dürfe ihm nicht vorwerfen,
sich "entgegen § 37b" nicht "unverzüglich" arbeitsuchend gemeldet zu haben, wie die Folgevorschrift des §
140 SGB III verlange. Die Regelung des § 37b
SGB III für die Fälle eines befristeten Arbeitsverhältnisses besage wörtlich, dass die Meldung frühestens drei Monate vor dessen
Beendigung zu erfolgen habe, auch wenn der Arbeitnehmer schon vorher in Kenntnis des Beendigungszeitpunkts sei. Unabhängig
davon sei in jedem Fall auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Arbeitnehmer sichere Kenntnis von dem Beendigungszeitpunkt
des Arbeitsverhältnisses habe. Erst bzw. nur bezogen auf diesen Zeitpunkt könne dem Arbeitnehmer der Vorwurf gemacht werden,
sich nicht "unverzüglich" (schuldhaft) arbeitsuchend gemeldet zu haben.
Ein solcher Vorwurf einer fahrlässig-schuldhaften Obliegenheitsverletzung könne jemandem nur zugerechnet werden, wenn er eine
offensichtliche und allgemein bekannte Verhaltenserwartung verletzt oder er über die ihm konkret auferlegte Obliegenheit in
Kenntnis gesetzt worden sei. Weder sei offensichtlich noch habe man im Jahr 2005 schon als allgemein bekannt voraussetzen
können, dass u.U. Kürzungen seines Alg-Anspruchs zu befürchten habe, wer sich nicht schon vor dem tatsächlichen Eintritt der
Arbeitslosigkeit arbeitssuchend melde. Um dem Arbeitnehmer die ihm mit dem 1. Job-Dienstleistungs-gesetz vom 23.12.2002 in
§ 37b
SGB III auferlegte Obliegenheit der vorzeitigen Arbeitssuchendmeldung näherzubringen, habe der Gesetzgeber in dem parallel eingefügten
§
2 Abs.2 Satz 2 Nr.3
SGB III den Arbeitgeber mit der Aufgabe betraut, den Arbeitnehmer rechtzeitig vor der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
von der Pflicht zur vorzeitigen Arbeitsuchendmeldung zu unterrichten. Dies sei im gegebenen Fall seitens des Arbeitgebers
des Klägers nicht so geschehen, wie vom Gesetzgeber gedacht. Vielmehr habe der Widerspruchsführer trotz befristeter Verlängerung
des Arbeitsverhältnisses erst Anfang-Mitte November 2005 erfahren, dass sein Arbeitsverhältnis nicht verlängert werde. Es
habe ihm nämlich sein ehemaliger Arbeitgeber ständig eine weitere Vertragsverlängerung in Aussicht gestellt. Da der Kläger
bei diesem Arbeitgeber ausgebildet worden und das Arbeitsverhältnis danach schon zweimal verlängert worden war, sei er - wie
offenbar auch sein Arbeitgeber - davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis über den Jahreswechsel hinaus weiter fortbestehen
werde. Von einer sicheren Kenntnis des Beendigungszeitpunkts könne unter diesen Umständen keine Rede sein. Über die an eine
solche Kenntnis anknüpfende Verpflichtung zur unverzüglichen Arbeitsuchendmeldung sei er im Übrigen auch nicht von seinem
Arbeitgeber, sondern zufällig von einem Bekannten informiert worden, woraufhin er sich am nächsten Tag, dem 14.11.2005, arbeitsuchend
bzw. arbeitslos ab 01.01.2006 gemeldet habe.
Am 09.03.2006 erging seitens der Beklagten ein Änderungsbescheid. Im Verspätungszeitraum von 41 Tagen seien 13 abzuziehende
Wochenend- und Feiertage enthalten. Damit seien ohnehin (unabhängig von der absoluten Begrenzung auf 30 Tage) nur 28 dienstbereite
Verspätungstage anzurechnen. Die abzutragende Gesamtminderungssumme betrage somit nur 980,00 EUR. Der bereits zu viel einbehaltene
Betrag von 31,60 EUR werde zurückerstattet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2006 wies das Arbeitsamt Augburg den Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.01.2006 in der
Fassung des Änderungsbescheides vom 09.03.2006 als unbegründet zurück. § 37b Satz 2
SGB III solle nur dem vorbeugen, dass bei, wenn auch befristeten Arbeitsverhältnissen, von vornherein längerer Dauer, dem Arbeitnehmer
eine unsinnig frühzeitige Pflicht zur Arbeitsuchendmeldung auferlegt sei. Die Bundesagentur für Arbeit lege die Bestimmung
des § 37b Satz 2
SGB III dahingehend aus, dass bei Arbeitsverhältnissen, die länger als drei Monate befristet seien, die Meldepflicht spätestens drei
Monate vor dem Ende der Befristung entstehe. Das am 29.01.2003 begründete Arbeitsverhältnis mit der Firma K. sei zunächst
bis zum 31.12.2004 befristet gewesen und sei dann, nachdem sich der Kläger bereits zum 01.01.2005 arbeitslos gemeldet hatte,
bis zum 31.12.2005 verlängert worden. Der Widerspruchsführer hätte seiner Meldepflicht spätestens drei Monate vor diesem Zeitpunkt,
d.i. im konkreten Fall am 04.10.2005 nachkommen müssen. Tatsächlich habe er sich aber erst am 14.11.2005 arbeitsuchend gemeldet.
Gründe hierfür könnten nicht anerkannt werden. Nach dem Wesen eines befristeten Arbeitsvertrages ende das Arbeitsverhältnis
durch Zeitablauf, ohne dass es einer Kündigung bedürfe. Auch wenn das Arbeitsverhältnis des Widerspruchsführers mit der Firma
K. in der Vergangenheit bereits verlängert worden sei und die Aussicht auf eine erneute Verlängerung bestanden habe, lasse
dies die Verpflichtung zur Arbeitssuchendmeldung nicht entfallen, denn der Nichteintritt der Arbeitslosigkeit sei ungewiss
gewesen.
Im Übrigen sei dem Widerspruchsführer nachweislich das Merkblatt 1 für Arbeitslose bereits im November 2004 anlässlich seiner
Arbeitslosmeldung zum 01.01.2005 ausgehändigt worden. Darin sei unter Punkt 1.7 ("Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche")
folgender Hinweis enthalten: "Sie sind verpflichtet, sich unverzüglich d.h. ohne schuldhaftes Zögern, persönlich bei der Agentur
für Arbeit arbeitssuchend zu melden, sobald sie den Zeitpunkt der Beendigung Ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen
... Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden
... Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung in der Regel zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes führen kann."
Die Nichtbeachtung dieses Hinweises habe sich der Widerspruchsführer entgegenhalten zu lassen. Soweit er fehlende Kenntnis
von der Meldeobliegenheit geltend mache, könne ihm der Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht erspart bleiben.
Der Kläger hat am 11.04.2006 durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage beim Sozialgericht Augsburg erhoben, mit dem Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.01.2006 mit Änderungsbescheid vom 09.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 13.03.2006 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld in voller gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Er hat bestritten, anlässlich seiner Arbeitslosmeldung zum 01.01.2005 im November 2004 das Merkblatt für Arbeitslose erhalten
zu haben. Abgesehen davon könnten Merkblätter die konkreten Aufklärungs- und Beratungspflichten der Beklagten nach den §§
14 und
15 SGB I nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen. Ein konkreter Anlass, ihn über die Folgen einer (nach Gesetzesauslegung der
Beklagten) verspäteten Arbeitssuchend- bzw. Arbeitslosmeldung zum 01.01.2005 zu informieren, hätte bereits anlässlich der
Abgabe des ausgefüllten Antrags am 22. bzw. 23.11.2004 (so die BewA, auf dem Antragsvordruck angebrachten Eingangsstempel
10.12.2004) bestanden.
Nach Ansicht der Beklagten habe dem Kläger die Meldeobliegenheit spätestens schon ein Jahr zuvor - im November 2004 -bekannt
sein müssen. Er habe bei Abgabe des seinerzeitigen Leistungsantrags am 22.11.2004 unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt
1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Dieses Merkblatt enthalte unter Punkt 1.7 den
unmissverständlichen Hinweis, dass Arbeitslose, die in einem befristeten Arbeitsverhältnis stünden, sich drei Monate vor dessen
Beendigung arbeitssuchend melden müssten, anderenfalls eine Minderung des Arbeitslosengeldes drohe. Wenn der Kläger gleichwohl
behaupte, von der gesetzlichen Meldepflicht erst im November 2005 erfahren zu haben, müsse er sich den Vorwurf der Fahrlässigkeit
gefallen lassen. Ob der Kläger entsprechend §
2 Abs.2 Satz 2 Nr.3
SGB III von Arbeitgeberseite über die Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung informiert worden sei oder nicht, sei in Hinblick
darauf unbeachtlich.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 06.03.2008 die Klage unter Übernahme des Vorbringens der Beklagten als unbegründet abgewiesen.
Der Kläger hat hiergegen Berufung am 14.04.2008 eingelegt.
Die Beklagte hat dem Senat einen Abdruck über sämtliche in der BewA vermerkten Kontakte mit dem Kläger von der erstmaligen
Arbeitsuchend- bzw. Arbeitslosmeldung am 22.10.2004 bis Erhalt des ausgefüllten Antrags am 23.11.2004 und bis zum Empfang
der anlässlich der nochmaligen Arbeitslosmeldung vom 14.11.2005 am 05.01.2006 abgegebenen ausgefüllten Antragsunterlagen zugesandt.
Unter "Text" findet sich nur einmal, nämlich anlässlich der persönlichen Arbeitslosmeldung vom 14.11.2005, der ausdrückliche
Vermerk: "Merkblatt 1 und Hinweisblatt ausgehändigt".
Die Firma K. hat dem Senat Kopien der befristeten Arbeitsverträge vom 01.03.2004 - nach Abschluss der Lehre am 28.02.2004
- für die Zeit vom 01.03.2004 bis 31.12.2004 und des Verlängerungsvertrages für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2005 überlassen.
Jeweils in § 6 steht, überschrieben mit: "Wichtige Änderung bei der Arbeitslos-Meldung beim Arbeitsamt ab 01.07.2003", der
Arbeitnehmer möge beachten: "Zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld sind Sie verpflichtet, sich
drei Monate vor Ablauf des Vertragsverhältnisses persönlich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden. Sofern dieses Arbeitsverhältnis
für eine kürzere Dauer als drei Monate befristet ist, besteht diese Verpflichtung unverzüglich. Weiterhin sind Sie verpflichtet,
aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen".
Im Erörterungs- und Beweistermin vom 12.02.2009 sind als Zeuginnen Frau E. von der Agentur für Arbeit A-Stadt und Frau C.
für die Firma K. angehört worden. Die Zeugin E. hatte nach der BewA erstmals am 30.12.2004 Kontakt mit dem Kläger, als dieser
laut Vermerk per Telefon mitteilte, dass er seine Arbeitslosmeldung mit Alg-Antrag ab 01.01.2005 nicht aufrechterhalte, da
er weiterbeschäftigt werde. An irgend einen anderen Inhalt des Gesprächs konnte sie sich nicht erinnern.
Die Zeugin C. hat angegeben, befristete Arbeitsverträge, wie die hier vorgelegten, mit dem Kläger vom 01.03.2004 und 01.01.2005
würden nur mit den im Betrieb ausgelernten Arbeitnehmern in der ersten Zeit ihrer Beschäftigung vereinbart. Ob sie den in
Ausbildung Befindlichen oder im Anschluss daran Weiterbeschäftigten sagen könnten, ob sie weiterbeschäftigt würden, stelle
sich und habe sich damals erst jeweils im Dezember für das folgende Jahr mit Sicherheit herausgestellt, was durch die wechselnde
Auftragslage und die dadurch notwendige Flexibilität bedingt sei. Erst dann wüssten sie, für welchen Personalbestand der Betrieb
die Kosten tragen könne.
Der Klägervertreter beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 06.03.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 09.01.2006 mit Änderungsbescheid
vom 09.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger
Arbeitslosengeld in voller gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich auf Anfrage des Gerichts nach §§
153 Abs.1, 124 Abs.2
SGG mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Akten des
Sozialgerichts sowie der Verwaltungsakten der Beklagten und des übergebenen Merkblattes 1 für Arbeitslose aus dem Jahr 2004
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere statthafte und form- wie fristgerecht eingelegte Berufung ist auch begründet. Der Gerichtsbescheid
des SG A-Stadt vom 06.03.2008 war aufzuheben. Der Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers nach §
54 Abs.4
SGG war stattzugeben. Die Beklagte war unter (Teil)-Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 09.01.2006 mit Änderungsbescheid
vom 09.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2006 zu verpflichten, dem Kläger ab Leistungsbeginn vom 01.01.2006
Arbeitslosengeld ohne Minderung wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung zu gewähren.
Die Rechtsgrundlage, auf die die Beklagte sich stützt, ist der mit Wirkung vom 01.07.2003 durch das 1. Job-Dienstleistungsgesetz
vom 23.12.2002 (BGBl.I S.4607) § 37b
SGB III i.V.m. dem die Folgen einer Meldepflichtverletzung regelnden §
140 SGB III ab 01.01.2005. Das am 31.12.2005 in Kraft getretene 5.
SGB III-Änderungsgesetz vom 22.12.2005 (BGBl. I S.3676), d.h. die Umformulierung des § 37b
SGB III sowie einheitlicher Sanktionierung einer Meldepflichtverletzung mit einer einwöchigen Sperrzeit nach §
144 Abs.1 Nr.7
SGB III bei Aufhebung des §
140 SGB III war im Fall des Klägers noch nicht anzuwenden. Dies ergibt sich aus der Übergangsvorschrift des § 434m
SGB III daraus, dass die von der Beklagten geltend gemachte Meldepflichtverletzung vom 04.10.2005, mithin einem Zeitpunkt vor dem
Inkrafttreten des 5.
SGB III-Änderungsge-setzes datiert.
§ 37b
SGB III in der im Fall des Klägers noch anzuwendenden Fassung lautete in Satz 1 und 2: "Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis
endet, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit
arbeitssuchend zu melden. Im Fall eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor
dessen Beendigung zu erfolgen."
Der nachfolgend aufgehobene §
140 SGB III sanktionierte eine Meldepflichtverletzung nach § 37b
SGB III mit einer Minderung von 7,00 EUR, 35,00 EUR oder 50,00 EUR, orientiert an dem, dem Alg des Betroffenen zu Grunde liegenden
Bemessungsentgelt, für jeden Tag der verspäteten Meldung, längstens für 30 Verspätungstage.
Die Bedenken in Rechtsprechung und Literatur an der Einführung der Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung vor
Eintritt der tatsächlichen Arbeitslosigkeit und der Sanktionierung der Meldepflichtverletzung durch Minderung des Alg-Anspruchs
in der hier noch anzuwendenden Gesetzesfassung der §§ 37b, 140
SGB III beruhten insbesondere auf Zweifeln an der rechtsstaatlich gebotenen Verhältnismäßigkeit, hier neben der Frage der Geeignetheit
des Mittels für den beabsichtigten Zweck insbesondere der Beachtung des Übermaßverbots. So stehen die "rigiden Rechtsfolgen"
im "oberen Sanktionsbereich" (so die Feststellung des BSG vom 28.08.2007 Az.: B 7/7a AL 56/06 R Rz.21) z.B. in keiner erklärbaren
Beziehung dazu, welches Verhalten gerade so oder so sanktioniert wurde und wen es gerade traf. Hier hat die nunmehrige pauschale
Sanktionierung im untersten Sperrzeitbereich eine Änderung geschaffen. Im Hinblick auf die schon vorgesehene Aufhebung des
§
140 SGB III und Sanktionierung der Meldepflichtverletzung im untersten Sperrzeitbereich hat - bei der gegebenen Übergangsregelung - das
BSG im Urteil vom 28.08.2007 (aaO.) die Verfassungsmäßigkeit der ursprünglichen und hier noch anzuwenden Regelung gerade noch
als gegeben angesehen. In Konsequenz dessen hat die BSG-Rechtsprechung dem Rechtsanwender - bis zum Inkrafttreten der erwarteten
Neuregelung - eine möglichst enge Auslegung der §§ 37b, 140
SGB III aufgegeben.
Einigkeit besteht bzw. bestand darüber, dass die Verletzung einer "Obliegenheit", wie die Pflicht zur vorzeitigen Arbeitsuchendmeldung
definiert wurde, um sanktioniert werden zu können, im konkreten Fall individuell ("subjektiv") vorwerfbar sein müsse. Dies
verlange zwar keine gesteigerte grobe Fahrlässigkeit. Der Vorwurf der, wenn auch einfachen Fahrlässigkeit, kann und konnte
dem Betroffenen allerdings nur gemacht werden, wenn er in der konkreten Situation nach Maßgabe seiner subjektiven Erkenntnisfähigkeit
den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses kannte oder hätte kennen müssen und soweit er nicht an der Erfüllung seiner
Meldepflicht gehindert war ("doppelte Verschuldensprüfung", s. BSG vom 18.08.2005 SozR 4-1500 §
95 SGG Nr.1 Rz.10, 11, BSG vom 25.05.2005 Az.: B 11a/11 AL 81/04, insbesondere Rz.26 bis 30, BSG vom 28.08.2007 Az.: B 7/7a AL 56/06
Rz.13).
Um Kenntnis von dem Beendigungszeitpunkt eines Arbeitsverhältnisses haben zu können, - kein anderes Wort als "Kenntnis" wird
in der Rechtsprechung gebraucht -, muss der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses überhaupt erst feststehen und muss
des Weiteren dem Arbeitnehmer bekannt sein oder vorwerfbar nicht bekannt sein (Winkler in Gagel 2005, Rz.40 zu §
140 SGB III sowie insbesondere BSG vom 20.10.2005 Az.: B/7a AL 50/05 R Rz.19 a.E.). Dies macht die Anwendung des § 37b
SGB III in der Fassung des 1. Job-Dienstleistungsgesetzes gerade bei befristeten Arbeitsverhältnissen, - je nachdem, um welche Art
von befristeten Arbeitsverhältnissen es sich handelt -, besonders schwierig. Es ist in § 37b a.F.
SGB III vom reinen Wortlaut her nicht eindeutig geregelt, bis wann bei befristeten Arbeitsverhältnissen die Meldung zu erfolgen hat.
(Gagel aaO. mit Hinweis auf sozialgerichtliche Rechtsprechung). Um eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Überprivilegierung
befristeter Arbeitsverhältnisse zu vermeiden -, darf aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung heraus das "frühestens" im Sinne
eines "spätestens" ausgelegt werden (BSG vom 20.10.2005 Az.: B 7a AL 50/05 R Rz. 15). Das BSG gibt im Urteil vom 20.10.2005
(aaO., in Rz. 18) dem Rechtsanwender jedoch auf, dass bei der nicht optimal eindeutigen Formulierung des § 37b Satz 2
SGB III gerade in Fällen befristeter Arbeitsverhältnisse dies zu Gunsten der Betroffenen im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung zu
beachten ist.
Die Aushändigung des Merkblattes 1 für Arbeitslose 2004 bleibt für den Senat zweifelhaft, nachdem Derartiges in der BewA in
den Kontaktvermerken anlässlich der Arbeitslosmeldung vom 22.10.2004 für den 01.01.2005 nirgends vermerkt ist. Wenn gleichwohl
der Kläger im Erörterungs- und Beweistermin vom 12.02.2009 bei Anblick seiner am 22.11.2004 geleisteten Unterschrift unter
dem entsprechenden linken Kästchen in der Rubrik Nr. 6 des ausgefüllten Alg-Antragsvordrucks aus Anlass der Arbeitslosmeldung
vom 22.10.2004 meinte, er müsse wohl das Merkblatt erhalten haben, habe es aber jedenfalls nicht gelesen, da er zu diesem
Zeitpunkt noch gehofft habe, auch ab dem nächsten Jahr weiterbeschäftigt zu werden, so kann ihm dies jedenfalls nicht zum
Vorwurf gemacht werden. Das Merkblatt (auch wenn innenseitig im Vorwort auf Seite 3 darauf hingewiesen wird, dass nachfolgend
über die Pflichten unterrichtet wird, wenn der Merkblattempfänger Alg oder Alhi beantrage) ist auf dem Einbanddeckel gesperrt
und in großer Schrift als Merkblatt für Arbeitslose bezeichnet. Als solcher brauchte er sich zu diesem Zeitpunkt und auch
am 30.12.2004, als er das Arbeitsamt per Telefon von der Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses unterrichtete, nicht zu
fühlen, sowie auch das Arbeitsamt sich auf den Vermerk beschränkte, dass Arbeitslosigkeit nicht eintrete und von sich aus
jegliche weiteren Aktivitäten einstellte.
Befristete Anschlussarbeitsverträge bei dort Ausgebildeten sind und waren bei der Firma K. nach Angaben der Zeugin C., - soweit
dort ausgebildete Lehrlinge überhaupt übernommen werden konnten -, in der ersten Zeit der anschließenden Weiterbeschäftigung
zur Absicherung üblich. Wegen der wechselnden Auftragslage hat sich auch bisher erst im Dezember eines Jahres mit Sicherheit
herausstellen können, ob die bei der Firma K. ausgebildeten oder im Anschluss daran zunächst einmal befristet übernommenen
Weiterbeschäftigten, weiter beschäftigt werden könnten. Selbst die Firma K. konnte ungeachtet des Abschlusses des für ein
Jahr befristeten Arbeitsvertrages mit dem Kläger vom 01.01.2005 und der in § 6 des Arbeitsvertrages enthaltenen Klausel bis
Dezember des Jahres nicht sicher wissen, ob das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger tatsächlich am 32.12.2005 beendet sein würde.
Die Zeugin C. hat ihren Ehemann ausdrücklich dazu befragt. Auch dieser konnte sich wie sie selbst nicht daran erinnern, wann
genau er dem Kläger gesagt hat, dass er ihn über die Befristung zum Ende des Jahres 2005 hinaus nicht weiter beschäftigen
kann.
Dies konnte er nach den insoweit glaubwürdigen Angaben der Zeugin mit Sicherheit tatsächlich erst im Dezember auch des Jahres
2005. Dies gilt für den Kläger im Besonderen, nachdem nach Angaben der Zeugin C. der Kläger aufgrund seiner fachlichen Qualitäten
als einziger der mit ihm ausgebildeten Lehrlinge zunächst im befristeten Arbeitsverhältnis vom 01.03.2004, dann im bis zum
31.12.2005 verlängerten Arbeitsverhältnis weiter beschäftigt worden war und sich berechtigte Hoffnungen machen durfte, auch
weiterhin übernommen zu werden.
Immerhin hat sich der Kläger bereits am 14.11.2005 unter persönlicher Vorsprache arbeitsuchend bzw. arbeitslos ab 01.01.2006
gemeldet und Alg beantragt. Danach wurden u.a. ihm das Merkblatt 1 und ein Hinweisblatt ausgehändigt. Auch ist vermerkt, dass
er angegeben habe, eventuell im Frühjahr wieder beim bisherigen Arbeitgeber eingestellt zu werden. Dies muss so ausgelegt
werden, dass der Kläger im November 2005 den Inhaber der Firma K. oder auch die Zeugin, die sich nicht mehr daran erinnern
kann, bedrängt hat, ihm doch eine so konkret wie mögliche Auskunft über die Chancen seiner Weiterbeschäftigung zu geben, und
dahingehend beschieden wurde, dass es nach derzeitigen Kenntnissen über die Auftragslage im kommenden Jahr eher nicht wahrscheinlich
sei, er aber Chancen habe, im kommenden Frühjahr wieder eingestellt zu werden, und dass der Kläger sich daraufhin - eventuell
unter Ratsuche bei einem Bekannten - näher mit dem Problem der frühzeitigen Meldepflicht befasste, woraufhin er dann am 14.11.2005
beim Arbeitsamt vorsprach.
Demnach waren die angefochtenen Bescheide insoweit aufzuheben, als dem Kläger darin ab 01.01.2006 nicht der volle Alg-Leistungssatz,
sondern nur ein wegen ihm vorgeworfener verspäteter Arbeitsuchendmeldung geminderter Alg-Leistungssatz gewährt wurde und die
Beklagte zur Leistung ohne Minderung wegen verspäteter Meldung zu verpflichten.
Der Kläger bzw. Klägervertreter hat zwar beantragt, die Beklagte unter (Teil-)Aufhebung der Bescheide vom 09.01.2006 mit Änderungsbescheid
vom 09.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2006 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld
in voller gesetzlicher Höhe zu gewähren, dies aber stets in dem Sinne, dass die Beklagte verurteilt werden möge, dem Kläger
das volle Alg ohne die vorgenommene Minderung wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung zu gewähren. Da das BSG bei früheren
Streitigkeiten wegen Minderung des Arbeitslosengeldes wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung selbst eine auf eine (Teil-)Aufhebung
der angefochtenen Bewilligungsbescheide gerichtete bloße Anfechtungsklage für ausreichend zielgerecht und zulässig hält (BSG
vom 18.08.2005 SozR 4-1500 ' §
95 SGG Rz. 8, zuletzt vom 28.08.2007 Az.: B 7/7a AL 56/06 R Rz. 10), musste es auch zulässig sein, im Rahmen einer wie hier eingeschränkten
Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
4 SGG (s. BSG vom 25.05.2005 Az.: B 11a/11 AL 81/04 R Rz. 13) ein Grundurteil gemäß §
130 SGG zu erlassen, wie hier geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Ein Anlass zur Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG bestand nicht.