Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur (teilweisen) Rücknahme des Rentenbescheides vom 16. Februar 2000, mit
dem seine bisherige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für die Zeit ab 1. Mai 1997 neu festgestellt
worden war, und zur Zahlung einer höheren Rente unter Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte statt der
wegen Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS)
auf den Durchschnittsverdienst im Beitrittsgebiet begrenzten Entgelte.
Das Bundesverwaltungsamt als Sonderversorgungsträger erteilte dem 1937 geborenen, also jetzt 74 Jahre alten Kläger am 22.
April 1997 einen Bescheid nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) und stellte die Zeit vom 1. März 1964 bis 28. Februar 1990 als solche der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des
MfS fest.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1997) erhob der Kläger Klage bei dem Sozialgericht
Berlin, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 35 An 2222/97 W 99 *2 und nach Wiederaufnahme nach Ruhen des Verfahrens unter
dem Aktenzeichen S 35 R 1660/08 geführt wurde.
Mit Bescheid vom 24. September 1999 änderte die Beklagte den Bescheid vom 22. April 1997. Der Bescheid ist im Tenor folgendermaßen
formuliert: "Meinen Bescheid vom 22. April 1997 ändere ich dahingehend ab, dass ich das während der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem
des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen
nunmehr bis zur Höhe des jeweiligen Durchschnittseinkommens im Beitrittsgebiet berücksichtige. Das danach maßgebliche Entgelt
ergibt sich aus der Anlage 1, die Bestandteil dieses Bescheides ist." In den Gründen wird Folgendes ausgeführt: "Das Bundesverfassungsgericht
hat mit Urteil vom 28. April 1999 (1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95, 1 BvR 1560/97) entschieden, dass § 7 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Anlage 6 AAÜG verfassungswidrig und nichtig ist, soweit für die Rentenberechnung das zugrunde zu legende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen
unter das jeweilige Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet abgesenkt wird. Mit dem Änderungsbescheid wird dieser Rechtsprechung
im Vorgriff auf die zu erwartende gesetzliche Regelung Rechnung getragen und das von Ihnen erzielte Arbeitsentgelt auf 100
v. H. statt auf 70 v. H. des Durchschnittsentgelts im Beitrittsgebiet festgesetzt. Die Daten werde ich dem zuständigen Rentenversicherungsträger
zur Neuberechnung oder späteren Berechnung Ihrer Rente mitteilen. Die maßgeblichen Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen stehen
unter dem Vorbehalt einer endgültigen gesetzlichen Regelung".
Mit Schreiben vom 10. März 2008 hat der Kläger die Klage S 35 R 1660/08 zurückgenommen.
Mit Rentenbescheid vom 27. Juni 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit
ab 1. Mai 1997. Die Entgelte für die Zeit vom 1. März 1964 bis 28. Februar 1990 waren i.H.v.70 Prozent des Durchschnittsentgelts
im Beitrittsgebiet berücksichtigt. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger keinen Widerspruch eingelegt.
Mit Bescheid vom 30. März 1998 änderte die Beklagte den Rentenbewilligungsbescheid wegen Änderung von Entgelten für die Zeit
von Mai 1956 bis Februar 1964 und März 1990 bis September 1990. Auch hiergegen erhob der Kläger keinen Widerspruch.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2000 stellte die Beklagte die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit
für die Zeit ab 1. Mai 1997 neu fest. Als Grund für die Neufeststellung wurde die Berücksichtigung des geänderten Bescheides
des Versorgungsträgers über die nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz berücksichtigungsfähigen Entgelte benannt. Wörtlich heißt es: "Hierzu wird auf den Ihnen bereits zugegangenen Änderungsbescheid
des Versorgungsträgers verwiesen. Der Rentenversicherungsträger ist an die Feststellungen im Überführungsbescheid des Versorgungsträgers
gebunden". Die Entgelte in diesem Bescheid waren für die Zeit vom 1. März 1964 bis 28. Februar 1990 i.H.v.100 Prozent des
Durchschnittsentgelts im Beitrittsgebiet berücksichtigt. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger keinen Widerspruch eingelegt.
Mit Eingang am 22. September 2010 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung des Rentenbescheides,
da er die Minderung des Rentenanspruchs auf 1,0 Entgeltpunkte nach § 7 AAÜG i. d. F. des Zweiten Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsänderungsgesetzes (AAÜG-ÄndG) für rechtswidrig hielt.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2010 hat die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 16. Februar 2000 mit der Begründung
abgelehnt, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Den am
11. Oktober 2010 erhobenen Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2010 zurückgewiesen.
Mit der am 16. Dezember 2010 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf
Rücknahme des Bescheides vom 16. Februar 2000, da bei dessen Erlass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unzutreffenden
Sachverhalt ausgegangen worden sei. Der Kläger habe insbesondere keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente unter
Zugrundelegung der vom Versorgungsträger ausgewiesenen Jahresbruttoentgelte nach Vervielfältigung mit den Werten der Anlage
10 des
SGB VI bis höchstens zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze. Die Beklagte habe zu Recht die Entgelte auf die Werte der Anlage
6 zum AAÜG begrenzt, da der Kläger in diesem Zeitraum dem Sonderversorgungssystem des MfS/AfNS angehört habe. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 AAÜG i. V. m. der Anlage 6 verstoße auch nicht gegen das
Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seiner Entscheidung vom 28. April 1999 (Az. u. a. 1 BvL 11/94) entschieden, dass § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG i. V. m. Anlage 6 zum AAÜG wegen Verstoßes gegen Artikel
3 Abs.
1 und Artikel
14 Grundgesetz (
GG) unvereinbar und nichtig gewesen sei, soweit für die Rentenberechnung das zugrunde zu legende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen
unter das jeweilige Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet abgesenkt worden sei. Eine weitere Verfassungsbeschwerde (Az.
1 BvR 1070/02) sei am 22. Juli 2004 vom Verfassungsgericht mangels Erfolgssaussicht nicht zur Entscheidung angenommen worden. Außerdem
verwies das Sozialgericht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2010, Az. 1 BvL 7/06 und 1 BvL 2/08, wo nochmals die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 7 AAÜG und das besonders weite Einschätzungsermessen des Gesetzgebers bei seiner typisierenden Annahme überhöhter Arbeitsentgelte
betont werde. Eine erneute verfassungsrechtliche Überprüfung des § 7 Abs. 1 AAÜG wäre nur zulässig, sofern neue rechtserhebliche Tatsachen gegen die tragenden Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts
vorliegen würden, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Der Vortrag des
Klägers und insbesondere das in Bezug genommene Gutachten seien nicht geeignet, die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen
des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 in Frage zu stellen. Zum einen liege mit dem Gutachten bereits
keine sachlich und zeitlich umfassende, auf der Grundlage neuerer Erkenntnisse erarbeitete Analyse des Besoldungs- und Versorgungssystems
im Bereich des MfS/AfNS vor. Zum anderen ergäben sich aus dem Gutachten auch keine neuen rechtserheblichen Tatsachen gegen
die tragenden Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
Gegen den am 28. Februar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 7. März 2011 Berufung bei dem Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg eingelegt. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf den Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten
vom 4. März 2011 verwiesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2010 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom
16. Februar 2000 insoweit zurückzunehmen, als der Rentenberechnung für die Zeit vom 1. März 1964 bis 28. Februar 1990 niedrigere
als die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte, ggf. begrenzt nach der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze, zugrunde gelegt
wurden und ihm eine höhere Rente zu zahlen,
hilfsweise
das Verfahren im Hinblick auf die beim Bundessozialgericht anhängigen Musterverfahren B 5 R 2/11 R, B 5 R 3/11 R und B 5 R 4/11 R zum Ruhen zu bringen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin verwiesen.
Ein Ruhen des Verfahrens hält sie nicht für sachdienlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten
und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten (Az. ...), die Verwaltungsakten des Bundesverwaltungsamtes den
Kläger betreffend sowie die Akten des Sozialgerichts Berlin aus dem Rechtsstreit S 35 R 1660/08 haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Sie ist jedoch nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2011 und der Bescheid
der Beklagten vom 5. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2010 sind rechtmäßig und verletzen
den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 16. Februar 2000 und
Zahlung einer höheren Rente unter Berücksichtigung höherer Entgelte für die Zeit seiner Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem
des MfS, also für die Zeit vom 1. März 1964 bis 28. Februar 1990, da die Voraussetzungen des §§ 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht erfüllt sind. Diese Vorschrift lautet:
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder
Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich
in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Die Beklagte hat in dem Bescheid vom 16. Februar 2000 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt
ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Die Beklagte hat bei der Ermittlung der Entgeltpunkte (§
259 b Sozialgesetzbuch VI -
SGB VI) keine höheren Entgelte zu Grunde zu legen, da das Bundesverwaltungsamt in seinem Bescheid vom 24. September 1999 entschieden
hat, dass die während der Zugehörigkeit des Klägers zum MfS erzielten Entgelte (nur) in Höhe des Durchschnittseinkommens im
Beitrittsgebiet zu berücksichtigen sind. An diesen Bescheid, der gemäß §
77 Sozialgerichtsgesetz bindend geworden ist, da der Kläger die hiergegen erhobene Anfechtungsklage zurückgenommen hat und der auch nicht gemäß §
44 SGB X zurückgenommen worden ist, ist die Beklagte gemäß § 8 Absatz 5 Satz 2 AAÜG gebunden. Nach Auffassung des Senats hat der Versorgungsträger, also hier das Bundesverwaltungsamt (und nicht der Rentenversicherungsträger),
die Begrenzung der Entgelte nach den §§ 6 Absatz 2 und Absatz 3 sowie 7 AAÜG, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, vorzunehmen und dem Berechtigten die begrenzten Entgelte durch Bescheid
bekannt zu geben (so auch schon die Entscheidungen des Senats vom 27. November 2008, Az. L 33 R 1199/08 und vom 10. Dezember 2009, Az. L 33 R 1162/08, beide dokumentiert in juris). Der Senat folgt nicht dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Dezember 2001 (Az.
: B 4 RA 6/01 R), mit dem dieses entschieden hatte, dass der Versorgungsträger lediglich die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung
der Beitragsbemessungsgrenzen festzustellen hat, nicht aber dem Rentenversicherungsträger die für die Entscheidung über den
"Rentenanspruch" maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenzen oder die Höhe der als versichert geltenden Arbeitsverdienste vorzuschreiben
hat. Für den Senat ergibt sich aus § 8 Absätze 2, 3 und 5 AAÜG in der Fassung des Zweiten Anspruchs- und Anwartschaftüberführungs-Änderungsgesetzes (Zweites AAÜG-ÄndG), dass der Versorgungsträger auch die Begrenzung nach § 6 Absatz 2 und 3 und § 7 AAÜG tatsächlich vorzunehmen hat.
§ 8 Absatz 2 AAÜG lautet:
Der Versorgungsträger hat dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung das tatsächlich
erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder die Daten mitzuteilen, die sich nach Anwendung von §§ 6 Absatz 2 und 3
sowie 7 ergeben.
§ 8 Absatz 3 AAÜG lautet:
Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach Absatz 2 durch Bescheid bekannt zu geben. Die Vorschriften
des Dritten Abschnitts des Ersten Kapitels des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch sind anzuwenden.
§ 8 Absatz 5 AAÜG lautet:
Der für die Feststellung der Leistungen zuständige Träger der Rentenversicherung ist für die Erfüllung der Aufgaben der Rentenversicherung
zuständig. Er ist an den Bescheid des Versorgungsträgers gebunden.
Diese Regelungen besagen, dass die Entgelte, die dem Rentenversicherungsträger vom Versorgungsträger mitzuteilen sind, diejenigen
sind, die sich nach Anwendung von § 6 Absatz 2 und 3 bzw. § 7 AAÜG ergeben, d. h.- gegebenenfalls - nach Begrenzung. Diese Entgelte, also ebenfalls nach Begrenzung, sind dem Berechtigten durch
Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Absatz 3 AAÜG). An diese, durch Bescheid bekannt gegebenen Entgelte, ist der Rentenversicherungsträger gemäß § 8 Absatz 5 AAÜG gebunden. Der Senat kann angesichts des eindeutigen Wortlauts dieser Vorschriften der Auffassung des Bundessozialgerichts
nicht folgen, dass der Versorgungsträger nur verbindlich über die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, die
Höhe des aus der vom Versorgungssystem erfassten Beschäftigung oder Tätigkeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens,
die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, ob die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze
in Betracht kommt sowie die Feststellung von Arbeitsausfalltagen entscheidet. Nach den Vorschriften des § 8 Absatz 2 und 3 AAÜG bezieht sich der durch Bescheid - und damit verbindlich durch den Versorgungsträger - zu regelnde Inhalt der Feststellungen
eindeutig auch auf die Anwendung der Begrenzungsregelungen. Auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber in § 8 Absatz 2 AAÜG das Wort "mitteilen" und in § 8 Absatz 3 "Mitteilung" verwandt hat, deutet nicht daraufhin, dass der Inhalt dieser Mitteilung für den Rentenversicherungsträger nicht
verbindlich sein sollte. Dieser Begriff wurde vermutlich deshalb gewählt, weil es im Verhältnis Versorgungsträger/Rentenversicherungsträger
Über- bzw. Unterordnung nicht gibt, der Rentenversicherungsträger aber natürlich Kenntnis von dem Bescheid an den Berechtigten
haben muss, schon um - in Begrenzungsfällen - ein Verheimlichen des Bescheides durch den Versicherten zu verhindern. Dass
Verbindlichkeit vorliegen sollte, ergibt sich auch daraus, dass der Rentenversicherungsträger nach § 8 Absatz 2 AAÜG an den Bescheid (für den Berechtigten) gebunden ist.
Dass der Gesetzgeber davon ausging, dass der Versorgungsträger die begrenzten Entgelte für den Rentenversicherungsträger verbindlich
festzustellen hat, ergibt sich auch aus den mit dem 2. AAÜG-ÄndG vorgenommenen Änderungen des § 8 Absatz 2 AAÜG und den Materialien zu diesem Gesetz. In § 8 Absatz 2 wurde das Wort "sowie" durch das Wort "oder" und die Angabe "§§ 6 und 7" durch die Angabe "§§ 6 Abs. 2 und 3 sowie 7" ersetzt.
Gerade die Ersetzung des Wortes "sowie" durch das Wort "oder" zeigt, dass der Versorgungsträger nach dem Willen des Gesetzgebers
auch tatsächlich die Begrenzung vornehmen sollte, denn es würde keinen Sinn ergeben, wenn er in Begrenzungsfällen nur die
begrenzten Entgelte an den Rentenversicherungsträger melden sollte, obwohl er die Begrenzung gar nicht vorzunehmen hätte und
die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte, die er nach Auffassung des Bundessozialgerichtes festzustellen hat, überhaupt nicht
übermitteln (und dann auch nicht durch Bescheid feststellen; § 8 Absatz 2 und 3 AAÜG sind insoweit immer zusammen zu lesen) sollte.
Auch die zweite Änderung in § 8 Absatz 2 AAÜG, nämlich die Ersetzung von "§§ 6 und 7" durch "§§ 6 Abs. 2 und 3 sowie 7" zeigt, dass der Gesetzgeber von einer Zuständigkeit des Versorgungsträgers für die Vornahme der Begrenzung
ausgegangen ist. In den Materialien (Drucksache 14/5640 des Deutschen Bundestages vom 23. März 2001, Seite 15, zu Nummer 4
(§ 8) zu Buchstabe a) findet sich hierzu die Anmerkung, dass dies eine "Klarstellung aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
über die Bedeutung der Entgeltmitteilung für die Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze" sei. Daraus, dass der Gesetzgeber
§ 6 Absatz 1 AAÜG, also die Begrenzung der Entgelte auf die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze, herausgenommen hat, ergibt sich, dass er entsprechend
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (hier insbesondere Urteil vom 18. Juli 1996, Az.: 4 RA 7/95) davon ausgeht, dass diese Begrenzung (erst) durch den Rentenbescheid vorzunehmen ist. Im Umkehrschluss ergibt sich aber
daraus, dass § 6 Absatz 2 und 3 sowie § 7 in § 8 Absatz 2 AAÜG belassen wurden, dass der Versorgungsträger nach dem Willen des Gesetzgebers die besonderen Begrenzungen auf Grund dieser
Vorschriften vornehmen soll. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber auch diese Vorschriften aus § 8 Absatz 2 AAÜG entfernen bzw. klarstellen müssen, dass insoweit nur die Feststellung über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen
durch Bescheid festgelegt wird.
Dem Ergebnis, dass der Zusatzversorgungsträger die besondere Begrenzung vornimmt, steht auch nicht entgegen, dass das Bundessozialgericht
wohl bereits mit der genannten Entscheidung vom 18. Juli 1996 (Az.: 4 RA 7/95) davon ausgegangen ist, dass der Versorgungsträger auch die besonderen Begrenzungen nicht vorzunehmen hat bzw. nur die Feststellung
der tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung dieser Begrenzungen. Darauf deuten insbesondere die Ausführungen unter
II 1 b (aaO., Umdruck Seite 7) hin, wonach vom Versorgungsträger die Entscheidung darüber vorgemerkt werden soll, ob der Betroffene
die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Absatz 2, 3 und 5 oder des § 7 AAÜG erfüllt. Der Gesetzgeber ist dem BSG, wie sich - wie oben erläutert - aus den Änderungen in § 8 Absatz 2 AAÜG ergibt, nur insoweit gefolgt, als er nun eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für die Begrenzung nach § 6 Absatz 1 AAÜG annimmt, nicht aber eine Zuständigkeit für die Vornahme der besonderen Begrenzungen nach § 6 Absatz 2 und 3 und § 7 AAÜG.
Ein weiterer Hinweis darauf, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Versorgungsträger die besonderen Begrenzungen vorzunehmen
hat, ist die In-Kraft-Tretens-Regelung in Artikel 13 des 2. AAÜG-ÄndG, die nur dann folgerichtig ist, wenn man von einer entsprechenden Zuständigkeit ausgeht.
Artikel 13 Absatz 1 Zweites AAÜG-ÄndG lautet:
Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Mai 1999 in Kraft, soweit in den folgenden Absätzen nichts Abweichendes bestimmt ist.
Artikel 13 Absatz 7 Zweites AAÜG-ÄndG lautet:
Mit Wirkung vom 1. Juli 1993 treten § 6 Abs. 2 und 3 sowie Anlage 4 und 5 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes in der Fassung des AAÜG-Änderungsgesetzes vom 11. November 1996 (BGBl. I S. 1674) für Personen in Kraft, für die am 28. April 1999 ein Überführungsbescheid eines Versorgungsträgers noch nicht bindend war;
Absatz 8 bleibt unberührt. (...)
Artikel 13 Absatz 8 Zweites AAÜG-ÄndG lautet:
Mit Wirkung vom 1. Januar 1992 treten Artikel 1 Nr. 3, 12 und Artikel 3 und 4 für Personen in Kraft, für die am 28. April
1999 ein Überführungsbescheid eines Versorgungsträgers noch nicht bindend war. (...)
Geht man davon aus, dass die Begrenzung nach § 6 Abs. 2 und 3 sowie § 7 AAÜG (erst) mit dem Rentenbescheid vorgenommen wird, erhielte derjenige, der den Bescheid des unzuständigen Trägers, nämlich den
Feststellungsbescheid, angefochten hätte, eine Nachzahlung, nicht jedoch derjenige, der den Bescheid des zuständigen Trägers,
also den Rentenbescheid angefochten hätte, da dann die In- Kraft-Tretens-Regelung des Artikel 13 Absatz 1 2. AAÜG-ÄndG gälte. Dies widerspräche jedoch den Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes vom April 1999 und dem Grundsatz, dass bezüglich
noch nicht bestandskräftiger Verwaltungsakte die beanstandete Norm auch für die Vergangenheit nicht mehr anzuwenden ist. Gemäß
§ 82 Abs. 1 i. V. m. § 79 Absatz 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 für nichtig
erklärten Norm beruhen, unberührt. Dies bedeutet gleichzeitig, dass die noch anfechtbaren und bereits angefochtenen Entscheidungen
im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (rückwirkend) korrigiert werden müssen. Dies ist auch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
vom 28. April 1999 (Az.:1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95 und 1 BvR 1560/97) zu entnehmen, in dem es im letzten Satz heißt: "Es ist dem Gesetzgeber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der
vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen und die Wirkung der vorliegenden Entscheidung auch auf bereits bestandskräftige
Bescheide zu erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu nicht". Dieser Grundsatz gilt auch für die Fälle,
in denen - wie bei der Entscheidung des BVerfG bezüglich § 6 Absatz 2 und 3 AAÜG (BVerfG, Urteil vom 28. April 1999, Az.: 1 BvL 22/95 und 1 BvL 34/95) - die beanstandete Norm nicht für nichtig, sondern nur für unvereinbar mit dem
GG erklärt wird. Die Regelungspflicht des Gesetzgebers erfasst dann alle noch nicht rechtskräftigen Entscheidungen, die auf
den für verfassungswidrig erklärten Regelungen beruhen (vgl. Lechner/Zuck, BVerfGG, 5. Aufl., § 78, RNr.12).
Die Materialien zeigen, dass der Gesetzgeber diesen Vorgaben auch nachkommen wollte. In der Bundestagsdrucksache 14/5640 zu
Artikel 11 (Artikel 11 entspricht im Entwurf dem späteren Artikel 13), Seite 20 heißt es: "Die Absätze 5 bis 11 bestimmen,
dass sich das Inkrafttreten der Änderungsvorschriften für bestandskräftige Bescheide entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes
auf den Zeitpunkt nach Bekanntgabe der Entscheidungen, also mit Wirkung vom 1. Mai 1999 beschränkt. Eine Aufhebung von Bescheiden
mit Rückwirkung ist in Fällen der Entgeltbegrenzung auf nicht bestandskräftige Überführungs- oder Begrenzungsbescheide und
in Fällen der Neuberechnung von Bestandsrenten auf Rentenbescheide beschränkt". Die Tatsache, dass der Gesetzgeber hinsichtlich
der Rückwirkung auf die Überführungsbescheide des Versorgungsträgers abstellt macht deutlich, dass er sie für die maßgebenden
Bescheide bzgl. der Begrenzung hält. Anderenfalls hätte er auf den Rentenbescheid abstellen müssen.
Eine Auslegung der Vorschriften des Artikel 13 Abs. 7 und 8 Zweites AAÜG-ÄndG dahingehend, dass mit "Überführungsbescheid" der Rentenbescheid gemeint sein könnte, ist nicht möglich. Die Tatsache,
dass der Gesetzgeber die Bezeichnung "Überführungsbescheid des Versorgungsträgers" gewählt hat macht deutlich, dass er den
(Feststellungs-) Bescheid des Versorgungsträgers meint.
Auch waren die den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts jeweils zu Grunde liegenden Ausgangsbescheide solche der Sonder-
bzw. Zusatzversorgungsträger, so dass sich auch aus diesen Urteilen kein Hinweis darauf ergibt, dass der Versorgungsträger
die Begrenzung nicht festzustellen hat.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nur deshalb auf den Überführungsbescheid abgestellt hat, weil in
der Vergangenheit die Versorgungsträger sich tatsächlich für die Begrenzung zuständig gesehen haben und auch entsprechende
Bescheide erteilt haben und auch in Literatur und Rechtsprechung nahezu einhellig davon ausgegangen wurde, dass Gegenstand
des Bescheides des Versorgungsträgers die verbindliche Feststellung der Entgeltbegrenzungen nach § 6 Absatz 2 und 3 und § 7 AAÜG ist (vgl. zum Beispiel Kreikebohm,
Sozialgesetzbuch VI, § 8 AAÜG, RNrn.13 und 14; Kommentar zum Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger,
§ 8 Art. 3 RÜG (AAÜG), RNr.9 - Stand 1. Januar 1997-; Landessozialgericht (LSG) Berlin, Urteil vom 24. Januar 2002, Az.: L 8 RA 246/95 W 99; LSG Berlin, Urteil vom 22. April 2002, Az.: L 16 RA 29/94 W 99). Hätte der Gesetzgeber (bei von ihm angenommener Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für die Begrenzung) dieser
(dann falschen) oben genannten jahrelangen Praxis der Versorgungsträger Rechnung tragen wollen um Rechtsnachteile für diejenigen
Personen zu vermeiden, die im Vertrauen auf die Zuständigkeit des Versorgungsträgers nur gegen den Feststellungsbescheid vorgegangen
waren, so hätte er die Rückwirkung sowohl auf den Rentenbescheid als auch auf den Überführungsbescheid erstrecken müssen.
Anderenfalls hätte er bezüglich des Rentenbescheides gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und den oben erläuterten
Grundsatz verstoßen, dass für die noch nicht bestandskräftigen Bescheide die beanstandete Norm auch für die Vergangenheit
nicht mehr anzuwenden ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 23. Juni 2004 (1 BvL 3/98, 1 BvL 9/02 und 1 BvL 2/03) die eben erläuterte Auffassung für "zumindest vertretbar" befunden und in der Sache entschieden, obwohl es sich um eine
Verfassungsbeschwerde gegen einen Bescheid des Versorgungsträgers handelte, mit dem dieser die Begrenzung nach § 7 AAÜG vorgenommen hatte.
Das Bundesverwaltungsamt hat im Falle des Klägers mit Bescheid vom 24. September 1999 die Entgelte für die Zeit von März 1964
bis Februar 1990 auf 100 v.H. des Durchschnittsentgelts im Beitrittsgebiet festgelegt. Es handelt sich - auch - hinsichtlich
der Begrenzung dabei eindeutig um einen Verwaltungsakt, das Bundesverwaltungsamt wollte eine Regelung diesbezüglich treffen
und hat diese auch in einer Weise getroffen, die eine andere Auslegung, als dass eine Regelung gewollt war, nicht zulässt.
Ganz eindeutig ergibt sich dies aus dem Bescheid vom 24. September 1999, in dem es heißt: "Meinen Bescheid vom 22.4.1997 ändere
ich dahingehend ab, dass ich das während der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes
für Nationale Sicherheit erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nunmehr bis zur Höhe des jeweiligen Durchschnittseinkommens
im Beitrittsgebiet berücksichtige".
Da das Bundesverwaltungsamt also für die Begrenzung der Entgelte zuständig ist, ist die Beklagte gemäß § 8 Absatz 5 AAÜG an diesen Bescheid bzw. diese Mitteilung gebunden. Sie hat zutreffend die Rente unter Berücksichtigung dieser Entgelte festgestellt.
Bei dieser Sachlage hatte sich der Senat nicht mit dem von dem Kläger in Bezug genommenen Gutachten von Horst Miete/Hans-Joachim
Weißbach, Einkommensentwicklung und Einkommensstrukturen der hauptamtlichen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit
der DDR im Vergleich zu Segmenten des so genannten X-Bereiches (NVA und MdI) und zur Volkswirtschaft, Gutachten des biab [Brandenburgisches
Institut für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung] und der FH Frankfurt am Main, Erkner 2008, auseinanderzusetzen.
Aus dem gleichen Grund muss es sich auch nicht mit der Frage der Verfassungsgemäßheit der Begrenzung auseinandersetzen. Entsprechende
Einwendungen sind nach der von dem Senat vertretenen oben erläuterten Auffassung gegen den Bescheid des Versorgungsträgers
vorzubringen. Der eine (teilweise) Rücknahme des Bescheides vom 16. Februar 2000 ablehnende Bescheid vom 5. Oktober 2010 ist
damit nicht zu beanstanden.
Die Revision war gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.