Übernahme der Kosten für nichtärztliche Nadelepilationsbehandlungen zur dauerhaften Entfernung einer Bartbehaarung bei Transidentität
Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler
Verfassungskonformität des Arztvorbehalts im SGB V
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für nichtärztliche Nadelepilationsbehandlungen (Elektrokoagulation) zur dauerhaften
Entfernung ihrer Bartbehaarung im sichtbaren Gesichts- und Halsbereich Sie ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Bei ihr liegt ein anerkannter Mann-zu-Frau-Transsexualismus (ICD-10F64.0) vor. Ihre Transidentität ist rechtskräftig festgestellt.
Der medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) führt in einem sozialmedizinischen Gutachten
vom 6. Oktober 2014 aus, dass bei der Klägerin ein krankheitswertiger Leidensdruck durch die Diskrepanz zwischen gelebter
und empfundener weiblicher Identität gegenüber der biologisch männlichen Körperausstattung bestehe. Diese habe auch nicht
im ausreichenden Maße durch die begleitende Psychotherapie gemindert werden können. Die Standards der Behandlung als Voraussetzung
für die Durchführung geschlechtsangleichender Maßnahmen seien ausreichend erfüllt. Bei manifestem Transsexualismus Mann-zu-Frau
seien unter anderem die Voraussetzungen einer Nadel-Epilation der Bartbehaarung durch einen "Vertragsarzt (EBM)" gegeben.
Die Klägerin beantragte am 5. November 2014 bei der Beklagten unter Einreichung eines Kostenvoranschlages der D GmbH + Co
KG F [mittlerweile D GmbH, nachfolgend nur noch: "D] die Übernahme der Kosten für der Epilation der Haare im Gesichts- und
Halsbereich in Höhe von 6.240 EUR (40 Behandlungen á 156 EUR brutto zuzüglich Mehrwertsteuer).
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20. November 2014 ab. Eine Kostenübernahme könne nicht erfolgen, da es sich
bei D nicht um einen zugelassenen Vertragspartner handele. Die Klägerin erhob Widerspruch. Die medizinische Notwendigkeit
zur Epilationsbehandlung im Gesichts- und Halsbereich liege unstreitig vor. Der von der Beklagten zwischenzeitlich vorgeschlagene
Vertragsarzt B verfüge nur über ein veraltetes Epilationsgerät und biete ausschließlich fünfminütige Behandlungen an. Dies
führe zu einer unzumutbar langen Gesamtbehandlungsdauer zwischen sieben und 35 Jahren. Es liege eine Versorgungslücke vor.
Zur Schließung der Versorgungslücke biete es sich an, über §
13 Abs.
2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) auch nicht im Vierten Kapitel des
SGB V genannte Leistungserbringer -nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse unter der Voraussetzung, dass die Qualität und Sicherheit
der Leistung mit derjenigen eines entsprechenden Vertragsbehandlers vergleichbar sei- in Anspruch nehmen zu können. Zwar habe
eine Kosmetikerin keine einem Arzt vergleichbare Ausbildung. Für das Teilgebiet Epilationsbehandlung sei jedoch festzustellen,
dass einzelne Kosmetikstudios die Qualität ärztlicher Behandlung sogar überträfen. Im Wege einer Einzelfallentscheidung sei
deshalb die Möglichkeit der Genehmigung der Nadelepilation bei einer Elektrologistin gegeben. Dieses Verfahren sei allgemein
üblich und entspreche auch der Begutachtungsanleitung für geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität des MDS. Auch
der Arzt B führe mittlerweile Nadelepilationen nicht mehr durch.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2015 (Versand am 22. Januar 2015) zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 23. Februar 2015 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben: Die Konfrontation mit dem abgelegten männlichen Geschlecht bei ggf. mehrmals täglicher Rasur sei nicht zuzumuten,
zumal auch bei der Rasur jeweils ein im weiblichen Gesicht deutlich auffälliger Bartschatten verbleibe. Es sei widersinnig,
Transsexuellen einerseits Ansprüche auf komplexe und schwerwiegende chirurgische Eingriffe unter Berücksichtigung der Wertungen
des Transsexuellengesetzes nach dem
SGB V einzuräumen, andererseits eine Annäherung des körperlich bestehenden Geschlechts an das empfundene Geschlecht durch Verweigerung
einer Entfernung des Bartwuchses zu verhindern. Sie stelle den Ärztevorbehalt nicht in Frage, es läge aber eine Versorgungslücke
vor. Auch die kassenärztliche Vereinigung Berlin könne keine Praxis benennen, die in Berlin Nadelepilationsbehandlungen von
Barthaaren durchführe Eine entsprechende Auskunft hat die kassenärztliche Vereinigung Berlin auch im vorliegenden Verfahren
unter dem 15. Oktober 2015 erteilt und darin ausgeführt, dies liege daran, dass anhand der Gebührenordnungsposition nicht
ermittelt werden könne, welche Praxen die Epilation durch Elektrokoagulation abrechneten. Grundsätzlich kämen bei entstellendem
Haarwuchs im Gesicht und an den Händen die Nadelepilation EBM-Leistungen nach den Ziffern 02300 bzw. 10340 EBM grundsätzlich
in Betracht und seien abrechnungsfähig. Aufgrund des schlechten Ansprechens auf die Elektrokoagulation (Nadelepilation) seien
jedoch bis zum Eintreten eines sichtbaren Erfolges zahlreiche Einzelbehandlungen notwendig und erforderlich. Da die Gebührenordnungsposition
jedoch nur einmal am Kalendertag abrechnungsfähig sei, werde aufgrund dessen eine Behandlungsdauer erreicht, welche für die
jeweilige Patientin unzumutbar sei.
Die Beklagte hat vorgebracht, es müsse hingenommen werden, dass es schwierig sei, einen ärztlichen Behandler für die begehrte
Nadelepilation zu finden, ebenso wie den Umstand, dass für die Behandlung bei einem Arzt ein längerer Zeitraum als bei einer
Kosmetikerin anzusetzen sei. Der schnellere Fortschritt der Behandlung durch eine Kosmetikerin beruhe alleine darauf, dass
diese in anderer Art und Weise abrechne und deswegen pro Sitzung länger epiliere. Diese Unterschiede seien dem vertragsärztlichen
System immanent.
Das SG hat mit Urteil vom 28. Oktober 2016 den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 21. Januar 2015 aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, die Kosten für eine dauerhafte Entfernung der Barthaare
der Klägerin im sichtbaren Gesichts- und Halsbereich mittels Nadel-Epilation durch einen nichtärztlichen Leistungserbringer,
der eine im Vergleich zu einem ärztlichen Leistungserbringer für die genannte Nadel-Epilationsbehandlung gleichwertige Versorgung
hinsichtlich der Qualität und Behandlung, der persönlichen Qualifikation und der technischen Ausstattung gewährleisten kann,
zu übernehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe der begehrte Anspruch nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V zu. Die Entfernung der Bartbehaarung der Klägerin sei eine notwendige Krankenbehandlung im Sinne dieser Vorschrift, wie auch
der MDK in seinem Gutachten vom 6. Oktober 2014 ausgeführt habe. Nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V umfasse die Krankenbehandlung die ärztliche Behandlung. Die Nadel-Epilation sei eine ärztliche Behandlung, die im EBM abgebildet
sei und die im Grundsatz dem Arztvorbehalt unterliege. Allerdings gebe es diese notwendige Behandlung mangels geeigneten ärztlichen
Behandlern im Sachleistungssystem nicht. Ein geeigneter (Vertrags-) Arzt sei nicht auffindbar. Es sei von einem Systemversagen
auszugehen, zu dessen Überwindung ausnahmsweise die Zusicherung der Kostenübernahme für die Inanspruchnahme eines entsprechend
qualifizierten nicht zugelassenen nichtärztlichen Leistungserbringers zu erteilen sei (Bezugnahme auf Urteil des SG Berlin
vom 15. März 2016 - S 51 KR 2136/13).
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 14. Dezember 2016. Zu deren Begründung hat sie ihre Rechtsauffassung
wiederholt. Der angekündigte Hilfsantrag der Klägerin sei unbegründet. Die Hilfeleistung anderer Personen i. S. d. §
28 Abs.
1 Satz 2
SGB V könne dem Arzt nur zugerechnet werden, wenn dieser die Durchführung selbst anleite, mitwirkend oder beaufsichtigend tätig
werde. Die "Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nicht ärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztlichen
Versorgung gem. §
28 Abs.
1 Satz 3
SGB V (Anlage 24 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte -BMV-Ä) könne zwar entsprechend auch auf (privatärztliche) Leistungserbringer angewendet werden. Die D habe im Kostenvoranschlag
vom 28. Juli 2014 jedoch lediglich angegeben, dass die Behandlung bei Bedarf durch Ärzte überwacht werden könne, die bei ihr
tätig seien. Die Beklagte hat ergänzend nach entsprechender Aufforderung mitgeteilt, sie könne keinen (Privat-) Arzt benennen,
der eine Nadelepilation durchführe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Oktober 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen sowie hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom
20. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2015 die Kosten für die benötigte dauerhafte Haarentfernung
im Gesicht mittels ärztlich angeordneter und ärztlich verantworteter Nadelepilationsbehandlung zu übernehmen.
Sie führt ergänzend zum bisherigen Vortrag aus, dass die von ihr begehrte Behandlung einen Bezug zur Regelung des §
15 Abs.
1 Satz 2
SGB V aufweise. Danach dürften Hilfeleistungen anderer Personen als Ärzte erbracht werden, wenn sie vom Arzt angeordnet und verantwortet
würden. Gemeint seien Hilfeleistungen anderer Personen, die dem Arzt zugerechnet würden und die er deshalb aufgrund seines
Fachwissens verantworte. Der Kostenvoranschlag von D biete eine solche Überwachung an. Die Beklagte könne nicht auf §
75 Abs.
1 SGB V verweisen, da diese Norm nur den Sicherstellungs- und Gewährleistungsauftrag der kassenärztlichen Vereinigung im Verhältnis
zu den Kassen betreffe. Die Klägerin hat sich ergänzend eine Stellungnahme des Deutschen Verband Elektro-Epilation e.V. vom
28. Januar 2019 zu Eigen gemacht.
Der Senat hat eine Auskunft der D eingeholt, ob diese die streitgegenständliche Behandlung unter ärztlicher Aufsicht nach
fachlicher ärztlicher Weisung gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erbringe und nach GOÄ abrechne. Die D teilte mit Schreiben vom 27. Juni 2018 mit, die Nadelepilation könne bei ihr unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Die Behandlung erfolge aber nicht unter fachlicher ärztlicher Weisung und sie rechne die Behandlung auch nicht nach GOÄ ab.
Die Ärztekammer Berlin teilte ferner auf Anfrage des Senats mit Schreiben vom 12. September 2018 unter anderem mit, dass die
betreffende Leistungserbringung in der GOÄ in Ziff. 742 erfasst sei. Unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 GOÄ komme eine analoge Anwendung der Leistungsziffer in Betracht, dies sei nach der Kommentarliteratur insbesondere dann der
Fall, wenn die Epilation von Haaren nicht im Gesicht, sondern an Beinen/Armen einer Frau erfolge. Eine ärztliche Leistung
nach dieser Ziffer könne unter Beachtung des Grundsatzes der eigenen Leistungserbringung privatärztlich liquidiert werden.
Die Ärztekammer erhebe keine Daten darüber, welches Kammermitglied eine bestimmte privatärztliche Leistung anbiete oder erbringe.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat Erfolg. Die Beklagte hat die begehrte Kostenübernahme zu Recht abgelehnt. Der Ablehnungsbescheid vom 20.
November 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht
in ihren Rechten.
Aufgrund §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit u.a. zu heilen oder Krankheitsbeschwerden
zu lindern. Nach §
27 Abs.
1 Satz 2
SGB V umfasst die Krankenbehandlung - abgesehen von den Sonderfällen des §
27 Abs.
1 Satz 5 und des §
27 Abs.
1a SGB V - (nur) die dort im Einzelnen aufgezählten Behandlungen, Leistungen und Versorgungen. Von den im Gesetz abschließend aufgezählten
Behandlungsarten kommen hier nur die ärztliche Behandlung (Nr. 1) und die Versorgung mit Heilmitteln (Nr. 3) in Betracht.
§
28 Abs.
1 Satz 1 bis
3 SGB V konkretisiert den Begriff der ärztlichen Behandlung. Davon umfasst ist die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung
und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zwingende Voraussetzung
einer ärztlichen Krankenbehandlung ist es, dass der Behandler Arzt im berufsrechtlichen Sinne ist. Ärztlicher Behandler ist
nur, wer über eine staatliche Approbation verfügt. Die Anknüpfung an die Approbation als eine von anderen staatlichen Stellen
durchgeführte Prüfung und Bestätigung der berufsrechtlichen Mindestqualifikation einer Krankenbehandlung durch ärztliche Behandler
in eigener Verantwortung ist ein prägendes Merkmal der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei generalisierender Betrachtungsweise
ist bei diesem Personenkreis davon auszugehen, dass sie aufgrund ihrer langjährigen theoretischen und praktischen Ausbildung
und der Ablegung staatlicher Prüfungen den Anforderungen entsprechen, die für eine effektive den Wirtschaftlichkeitsmaximen
der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechende Krankenbehandlung erforderlich sind. Das
SGB V erwähnt in §
15 und § 27 die Approbation nicht ausdrücklich als Voraussetzung, anders als der vormals geltende § 122
Reichsversicherungsordnung. Allerdings setzt der in §§
15 Abs.
1,
27 Abs.
1 SGB V geregelte Arztvorbehalt mit der Bezugnahme auf den Arzt den approbierten Heilbehandler voraus. Dieser Arztvorbehalt beinhaltet
einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der nicht ärztlich angeleiteten selbstständigen und eigenverantwortlichen
Behandlung der Versicherten (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018 - B 1 KR 34/17 R - Rdnr. 14 - mit Bezugnahme auf Urteil vom 13. Dezember 2016 - B 1 KR 4/16 R - juris-Rdnr. 16).
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Arztvorbehalt bestehen nicht. Es ist anerkannt, dass auch aus den Grundrechten regelmäßig
kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen
besteht. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassung wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung
oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Zwar hat sich die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung
an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd für die Rechtsgüter des Art.
2 Abs.
2 Satz 1
Grundgesetz zu stellen. Entsprechende Leistungspflichten sind aber bisher nur in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder
regelmäßig tödlichen Erkrankung angenommen worden. Ein solcher Fall scheidet hier von vornherein aus (so zutreffend LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 27. Januar 2009 - L 11 KR 3126/08 unter Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht - BVerfG - Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 374/98).
Um dem Arztvorbehalt zu genügen, muss der Arzt die Leistung allerdings nicht alleine erbringen. Der Arztvorbehalt lässt es
vielmehr zu, dass Ärzte sich der Hilfeleistungen anderer Personen bedienen (§§
15 Abs.
1 Satz 2,
28 Abs.
1 Satz 2
SGB V), die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten sind (vgl. BSG Urt. vom 18. Dezember 2018, Rdnr. 13). Nach §
28 Abs.
1 Satz 3
SGB V legen die Partner der Bundesmantelverträge bis zum 30. Juni 2012 für die ambulante Versorgung dazu beispielhaft fest, bei
welchen Tätigkeiten Personen nach Satz 2 ärztliche Leistungen erbringen können und welche Anforderungen an die Erbringung
zu stellen sind. In Umsetzung dieser Vorschrift haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband die
Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nicht ärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung
gem. §
28 Abs.
1 Satz 3
SGB V vom 1. Oktober 2013 als Anlage 24 zum BMV-Ä geschlossen. Der Anhang zur Anlage 24 zum BMV-Ä ist allerdings nicht abschließend. Auch andere Behandlungen darf ein Vertragsarzt unter Mithilfe unselbstständig Tätiger
erbringen, soweit er sie anordnet und verantwortet. (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018 Rdnr. 15 mit weiteren Nachweisen). Die Hilfsleistungen anderer Personen können aber der ärztlichen
Behandlung als ärztlich angeordnet und verantwortet nur dann zugerechnet werden, wenn der Arzt bei ihrer Durchführung selbst
anleitend, mitwirkend oder beaufsichtigend tätig wird (BSG, Urteil vom 25. Juli 1979 - 3 RK 45/78 juris-Rdnr. 20 mit weiterem Nachweis). Die Anordnung des Arztes darf sich dabei nicht auf ein bloßes Verordnen oder Empfehlen
der Drittleistung beschränken, sondern muss je nach Lage des Falles eine mehr oder weniger persönliche Anleitung bzw. Beaufsichtigung
der Hilfspersonen einschließen. Näheres ist in § 4 Abs. 2 der Anlage 24 zum BMV-Ä geregelt:
"Der Arzt hat sicherzustellen, dass der Mitarbeiter aufgrund seiner beruflichen Qualifikation oder allgemeinen Fähigkeiten
und Kenntnisse für die Erbringung der delegierten Leistung geeignet ist (Auswahlpflicht). Er hat ihn zur selbständigen Durchführung
der zu delegierenden Leistungen anzuleiten (Anleitungspflicht) sowie regelmäßig zu überwachen (Überwachungspflicht). Die Qualifikation
des Mitarbeiters ist ausschlaggebend für den Umfang der Anleitung und der Überwachung".
Die Klägerin beantragt nicht -auch nicht in ihrem im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag-, dass ein Vertragsarzt die
Nadelepilation in diesem Sinne selbst durchführt oder diese auf Anordnung und ärztlich verantwortet durch einen Elektrologisten
erfolgen soll. Sie beruft sich vielmehr primär darauf, dass ein ärztlicher Leistungserbringer nicht zur Verfügung stehe und
hält einen Anspruch auf Kostenerstattung für die Behandlung durch eine selbständige Elektrologistin - konkret nunmehr die
Heilpraktikerin B - für gegeben. Die hilfsweise neu begehrte "ärztlich angeordnete und verantwortete" Leistungserbringung
soll der Leistungserbringung durch die D entsprechen, deren Kostenvoranschlag der Ausgangspunkt des hiesigen Verfahrens darstellt.
Wie die vom Senat eingeholte Auskunft allerdings ergeben hat, lehnt es dieses Unternehmen ab, die von ihr angebotenen kosmetischen
Leistungen als ärztliche Leistungen zu erbringen und entsprechend privatärztlich zu liquidieren. Der ursprünglich in der Klageschrift
vor dem SG angekündigte Hilfsantrag, die Kosten der Behandlung durch einen ärztlichen Leistungserbringer zu übernehmen, hat die Klägerin
bereits vor dem SG nicht weiter verfolgt und ist nicht Streitgegenstand.
Die Elektro-Epilation stellt sich ferner auch nicht als verordnungsfähiges Heilmittel dar. Der Anspruch auf die Versorgung
mit Heilmitteln ergibt sich aus §
32 SGB V. Heilmittel sind Dienstleistungen, die nur von entsprechend ausgebildeten, berufspraktisch erfahrenen Personen erbracht werden
dürfen. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien
über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten einschließlich von Richtlinien
über die Verordnung von Heilmitteln und Hilfsmitteln (§ 92 Abs. 1 Nr. 6). Danach sind Heilmittel (nur) die in den Richtlinien
genannten. Ferner dürfen Heilmittel, die als Dienstleistungen abgegeben werden, an Versicherte nur von zugelassenen Leistungserbringern
abgegeben werden (§
124 Abs.
1 SGB V). Die nach §
124 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB V als Zulassungsbedingung für die Leistungserbringung erforderliche Ausbildung ergibt sich bei Erwerb der in den einzelnen
Gesetzen geforderten Qualifikationen (vgl. Lothe in Hauck/Noftz, SGB, 02/12, §
124 SGB V Rdnr. 14: Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie, Gesetz über den Beruf des Logopäden, Gesetz über den Beruf der Ergotherapeutin
und des Ergotherapeuten sowie Gesetz über den Beruf der Podologin und des Podologen). Weder Kosmetikerinnen, noch Heilpraktikerinnen
bzw. speziell Elektrologinnen können danach die Zulassung als Heilmittelerbringer erreichen. Der Ausschluss der Heilpraktiker
von der selbständigen Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist mit Art.
12 Abs.
1 Grundgesetz vereinbar und verstößt auch nicht gegen Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018, Rdnr. 26). Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht insoweit, als eine Behandlung
durch die Kosmetikerin/Heilpraktikerin zur Schließung einer Lücke in der vertragsärztlichen Versorgung bestünde. Auch unter
dem Gesichtspunkt eines Systemversagens steht der Klägerin ein Anspruch auf Kostenerstattung bzw. Kostenübernahme nicht zu.
Eine Leistungspflicht der Krankenkasse wegen eines Systemversagens kann nach der Rechtsprechung des BSG ausnahmsweise ungeachtet des in §
138 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung eines neuen Heilmittels darauf
zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formal- und inhaltlichen
Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Dass ein solches Verfahren hier durchgeführt hätte werden
müssen, trägt auch die Klägerin nicht vor und ist nicht ersichtlich. Im Übrigen war und ist die Nadel-Epilationsbehandlung
(Elektrokoagulation) im EBM abgebildet. Auch ein Systemversagen aus dem Umstand, dass die Klägerin keine Vertragsärzte findet,
welche die Nadelepilation bei ihr erbringen können und wollen und die Beklagte ihr auch weder leistungsbereite Vertrags- noch
Privatärzte benennen kann, begründet keinen Anspruch auf die Verschaffung einer als ärztlichen Leistung gebotenen Behandlung
durch einen Nichtarzt. Bei dem Erfordernis, im berufsrechtlichen Sinn Arzt zu sein, handelt es sich nicht bloß um eine spezifisch
leistungserbringungsrechtliche Voraussetzung, die im Falle eines Systemversagens verzichtbar wäre, sondern um eine vom
SGB V als zwingende berufliche Mindestqualifikation aufgestellte Tatbestandsvoraussetzung für den Behandlungsanspruch (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018, Rdnr. 22 mit Bezugnahme auf Urteil vom 13. Dezember 2016 - B 1 KR 4/16 R - juris - Rdnr. 17). Das BSG hat zwar im dortigen Fall einer Orthonyxie-Behandlung keinen Sachverhalt zu Grunde gelegt, bei der auch ein Privatarzt nicht
gefunden worden ist, hat jedoch ausgeführt, eine solche Situation sei nicht ausgeschlossen, weil auch bei Abrechnung nach
der GOÄ aufgrund § 6 Abs. 2 GOÄ, wonach selbständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen seien, nur entsprechend einer
nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden dürften. Weder die Prozessbeteiligten
noch die Ärztekammer konnten hier einen (Privat-)Arzt benennen. Die mangelnde Bereitschaft ist Folge des Umstandes, dass die
Regelungen des EBM und der GOÄ für die Nadelepilation parallel laufen. Die GOÄ enthält in Ziff. 742 (nur) die "Epilation von Haaren im Gesicht durch Elektrokoagulation bei generalisiertem krankhaften
Haarwuchs infolge Endokrinopatie (z.B. Hirsotismus), je Sitzung 165 [Punkte], 18,81 [DM]". Die Ziffer ist nach § 6 Abs. 2 GOÄ entsprechend heranzuziehen.
Nach Auffassung des BSG muss im Falle einer Nichtdurchführung gebotener ärztlicher Leistungen die Kassenärztliche Vereinigung disziplinarische Maßnahmen
ergreifen. Soweit sich die Versicherten privatärztlich behandeln lassen müssten, könne die Krankenkasse die den Versicherten
zu erstattenden Kosten als Schadensersatz wegen pflichtwidriger Verletzung des Sicherstellungsauftrages bei der zuständigen
kassenärztlichen Vereinigung einfordern (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018, Rdnr. 25 unter Bezugnahme auf § 54 Abs. 3 BMV-Ä). Konsequenterweise muss dies auch dann gelten, wenn der Arzt die Behandlung (unter seiner Verantwortung) nur nach Abschluss
einer vertraglichen Vereinbarung (§ 2 GOÄ) einer von der GOÄ abweichenden Vergütung als nach der Gebührenordnung durchführt.
Die Klage war danach sowohl im Haupt- wie im Hilfsantrag zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache. Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG liegen nicht vor.