Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Die 1962 geborene Klägerin ist Gesellschafter-Geschäftsführerin des Reisebüros C. GmbH. Die zum 1. Januar 2000 gegründete
C.-GmbH war zuvor von C. C. als Einzelfirma betrieben worden. Alleiniger Geschäftsführer der GmbH war C. C., der zu mehr als
50 % an der GmbH beteiligt war. Hiervon erhielt die Beklagte durch Schreiben eines Wirtschaftsprüfer-, Buchprüfer- und Steuerberatungsbüros
vom 6. Februar 2001 Kenntnis. Durch notariellen Vertrag vom 6. Juli 2012 erwarben die Klägerin und ihr Ehemann die Geschäftsanteile
an der GmbH von den Gesellschaftern C. C. und D. D. Mit Gesellschafterbeschluss vom gleichen Tage wurde die Klägerin mit Wirkung
zum 1. Juli 2012 zur Geschäftsführerin bestellt. Nach eigener Auskunft vom 11. November 2013 hält die Klägerin an der GmbH
einen Geschäftsanteil von 95 % des Stammkapitals. Nach dem Geschäftsführervertrag vom 9. Juli 2012 erhält sie ein Gehalt von
monatlich 4.500,00 EUR brutto sowie eine Gewinntantieme in Höhe von 15 % des Gewinns bei einem Jahresgewinn bis zu 50.000,00
EUR und in Höhe von 20 % des Gewinns bei einem darüber hinausgehenden Gewinn. Die Klägerin war vor ihrer Geschäftsführertätigkeit
ab dem Jahr 2000 Beschäftigte der Reisebüro C. GmbH.
Der Magistrat der Stadt B-Stadt übersandte der Beklagten die Gewerbeanmeldung bezüglich der "Reisebüro C. GmbH i.Gr". Als
Vertretung dieser Gesellschaft nach außen wurde die Klägerin angegeben. Des Weiteren gelangte zu den Akten eine Bekanntmachung
des Amtsgerichts Fritzlar vom 24. August 2012 betreffend die Reisebüro C. GmbH in B-Stadt. Als Veränderungen zum 9. August
2012 wurde bekanntgegeben, dass C. C. nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft ist und A. A. zur Geschäftsführerin bestellt
wurde.
Die Beklagte erinnerte im Februar 2013 die Firma Reisebüro C. GmbH an die Übersendung des Entgeltnachweises für das Jahr 2012,
was die Klägerin am 3. April 2013 erledigte. Die Anzahl der Versicherten wurde mit sechs angegeben. Das Jahresbruttoentgelt
mit 46.521,00 EUR. Den darauf basierenden Beitragsbescheid für das Jahr 2012 erließ die Beklagte am 22. April 2013. Den Entgeltnachweis
für das Jahr 2013 vom 17. Dezember 2013 übersandten die Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte E., F., G. und
Partner. Die Anzahl der Versicherten wurde mit fünf angegeben und das Jahresbruttoentgelt mit 54.144,00 EUR. Am 5. Oktober
2013 stürzte die Klägerin um 13:45 Uhr auf der Außentreppe des Reisebüros und erlitt eine Fraktur des Außenknöchels links.
Die Krankenversicherung der Klägerin, die Knappschaft Bahn See meldete mit Schreiben vom 10. Oktober 2013 einen Erstattungsanspruch
bei der Beklagten an und teilte mit, die Klägerin habe als Angestellte des Reisebüros C. einen Unfall erlitten. Sie habe bisher
Leistungen für die Krankenhausbehandlung der Klägerin ab 5. Oktober 2013 erbracht. In ihrer Unfallanzeige vom 18. Oktober
2013 gab die Klägerin an, dass sie Gesellschafterin/Geschäftsführerin sei. Die Beklagte übersandte daraufhin der Klägerin
zur Klärung der versicherungsrechtlichen Stellung am 30. Oktober 2013 einen Fragebogen, den die Klägerin am 11. November 2013
ausfüllte.
Mit Bescheid vom 21. November 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie erbringe keine Leistungen, weil die Klägerin
nicht bei ihr versichert sei. Sie habe sich am 5. Oktober 2013 bei ihrer selbständigen Tätigkeit verletzt. Von der Möglichkeit
sich freiwillig zu versichern, habe sie nicht Gebrauch gemacht. Mit dem Bescheid wurden der Klägerin Formulare über eine Beitrittserklärung
zur freiwilligen Versicherung und Informationen hierzu übersandt. Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch übersandte die
Klägerin den Geschäftsführervertrag und machte geltend, der Bescheid vom 21. November 2013 sei nicht richtig. Aus dem beigefügten
Arbeitsvertrag sei ersichtlich, dass sie als Angestellte beim Reisebüro C. GmbH beschäftigt sei. Kraft Gesetzes sei sie somit
gesetzlich unfallversichert. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2014 zurück. Nach
den vorliegenden Unterlagen könne die Klägerin in ihrem Unternehmen schalten und walten, wie sie es wünsche. Sie könne mit
einfacher Mehrheit bei entsprechenden Beschlussfassungen entscheiden und halte 95 % des Stammkapitals. In dem übersandten
Arbeitsvertrag fänden sich keine Hinweise auf ihre Arbeitszeit, diese sei somit frei wählbar. Weiterhin bestünden keine eindeutigen
Regelungen über eine Weisungsgebundenheit, so dass man von einem tatsächlichen (abhängigen) Beschäftigungsverhältnis nicht
ausgehen könne. Die Klägerin sei demnach unternehmerähnlich tätig, eine freiwillige Unternehmerversicherung sei nicht abgeschlossen
worden.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 27. Mai 2014 beantragte die Klägerin die Überprüfung dieses Bescheides nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialdatenschutz und Verwaltungsverfahren - SGB X -. Unstreitig sei, dass von einer abhängigen Beschäftigung in ihrem Falle nicht ausgegangen werden könne. Jedoch habe sie
bei der Geschäftsübernahme des Reisebüros einen Fragebogen zur gesetzlichen Unfallversicherung ausgefüllt. In diesem Fragebogen
habe sie angegeben, dass insgesamt sechs Personen im Betrieb tätig seien, und sie habe sich selbst auch als Geschäftsführerin
angegeben. Der Beitragsbescheid für das Jahr 2012 sei mit Schreiben vom 22. April 2013 übersandt worden. Es sei keinerlei
Hinweis darauf erfolgt, dass sie als Geschäftsführerin nicht gesetzlich versichert sei. Deswegen sei sie weiter davon ausgegangen,
dass sie über die VBG gesetzlich versichert sei. Die Beklagte sei ihrer umfangreichen Beratungs- und Aufklärungspflicht nach
§§
13,
14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (
SGB I) nicht nachgekommen.
Mit Bescheid vom 5. August 2014 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 21. November 2013 ab. Den Widerspruch
der Klägerin, in dem sich diese auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berief, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 11. Dezember 2014 zurück. Die Vorschrift des §
13 SGB I sei auf den Einzelfall nicht anzuwenden. Bei den Aufklärungspflichten nach §
13 SGB I handele es sich um eine allgemeine und abstrakte Unterrichtung durch Merkblätter, Broschüren, Plakate etc. Bei der Beratungsverpflichtung
nach §
14 SGB I handele es sich zwar um eine individuelle Unterrichtung über Rechtslage, Verwaltungspraxis etc. Diese Vorschrift sei ebenfalls
nicht anzuwenden. Es sei der Verwaltung nicht möglich gewesen, aus der Gewerbeanmeldung zu entnehmen, welche konkrete Tätigkeit
und in welcher Form die Klägerin diese ausgeübt habe. Eine persönliche Nachfrage seitens der Klägerin sei nicht erfolgt. Eine
aktive Beratung habe durch die Verwaltung nicht sattgefunden. Auch ein sogenanntes Unterlassen der Beratungsverpflichtung
könne nicht vorliegen, weil die Verwaltung über die unternehmerähnliche Tätigkeit der Klägerin nicht informiert worden sei
und keine Anfrage erhalten habe. Die Lohnnachweise seien, wie auch in den Jahren zuvor, stets mit der Anzahl der Beschäftigten
und Entgelte angegeben worden. Für die Verwaltung sei demnach nicht ersichtlich gewesen, welche einzelnen Beträge den angegebenen
Beschäftigten zugeordnet worden seien, geschweige denn deren Position und Tätigkeiten. Betrachte man den Entgeltnachweis 2013,
so seien hier fünf Beschäftigte angegeben worden, die ein nachweispflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von 54.144,00 EUR erhalten
hätten. Unter Berücksichtigung des Geschäftsführervertrages habe die Klägerin allein ein festgeschriebenes Jahresgehalt von
54.000,00 EUR erzielt. Somit sei für die weiteren 4 Beschäftigten ein Arbeitsentgelt in Höhe von 144,00 EUR verblieben, was
als unwahrscheinlich anzusehen sei.
Die dagegen am 15. Januar 2015 beim Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) erhobene Klage hat das Sozialgericht durch Urteil
vom 12. Mai 2015 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rücknahme des belastenden Verwaltungsaktes vom 21. November
2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014. Die Klägerin sei als Gesellschafter-Geschäftsführerin nicht
abhängig beschäftigt bei der Reisebüro C. GmbH. Für sie seien keine Beiträge nach §
150 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (
SGB VII) zu entrichten. Eine freiwillige Versicherung habe die Klägerin nicht abgeschlossen, sie sei auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs wie eine freiwillig Versicherte zu behandeln. Die Beklagte habe gegenüber der Klägerin keine ihr obliegende
Nebenpflicht aus dem Sozialversicherungsverhältnis verletzt. Es sei weder eine Verletzung der aus §
14 Satz 1
SGB I noch der aus §
15 Abs.
2 Halbsatz 2
SGB I sich ergebenden Nebenpflichten gegeben. Aus §
15 Abs.
2 Halbsatz 2
SGB I ergebe sich, dass nur eine konkrete Frage den Sozialleistungsträger zur Auskunft verpflichte. Es bedürfe daher zumindest
einer Kontaktaufnahme mit der Behörde, die hier nicht erfolgt sei. Auch eine sogenannte Spontanberatung durch die Beklagte
sei nicht erforderlich gewesen. Eine solche Beratung sei erst geboten, wenn der Mitarbeiter eines Leistungsträgers anhand
des konkreten Vorgangs Gestaltungsmöglichkeiten erkennen könne, die so offensichtlich zweckmäßig seien, dass ein vernünftiger
Bürger sie mutmaßlich nutzen würde. Aus der Mitteilung der Anzahl der Beschäftigten im Lohnnachweis habe die Beklagte keinen
Beratungsbedarf erkennen können. Zudem sei das Gesamtbrutto gegenüber dem Jahr 2011 mit 55.381,00 EUR auf 46.521,00 EUR im
Jahr 2012 gesunken. Es hätten sich keinerlei Hinweise gefunden, die eine Beratung im Hinblick auf eine freiwillige Versicherung
hätten erforderlich machen müssen. Im Übrigen sei nicht erkennbar, dass zwischen einer vermeintlichen Pflichtverletzung seitens
der Beklagten und dem Nachteil für die Klägerin ein Ursachenzusammenhang bestehe. Die Angaben der Klägerin, die für das Jahr
2012 übermittelten Zahlen hätten wegen des Unternehmensübergangs nur die zweite Jahreshälfte 2012 betroffen, also sei ihr
Geschäftsführergehalt in dem als Jahresbruttoentgelt angegebenen Betrag mit enthalten gewesen, überzeugten nicht. Es sei vielmehr
davon auszugehen, dass eine freiwillige Versicherung von Anfang an nicht gewünscht gewesen sei, mithin der vermeintliche Beratungsfehler
nicht kausal geworden sei. Hierfür spreche insbesondere der Umstand, dass sich die Klägerin nach wie vor nicht freiwillig
versichert habe.
Die Klägerin hat gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 20. Mai 2015 zugestellte Urteil am 17. Juni 2015 beim Hessischen
Landessozialgericht Berufung eingelegt und vorgetragen, die Beklagte habe die ihr nach den §§
13 ff.
SGB I obliegenden Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt. Sie sei davon ausgegangen, dass sie bei der Beklagten gesetzlich
versichert sei. Wie sie bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht angegeben habe, sei sie beim Ausfüllen
des Entgeltnachweises 2012 davon ausgegangen, dass dort die vom Steuerbüro übermittelten und von ihr auf dem Entgeltnachweis
eigetragenen Zahlen lediglich die zweite Jahreshälfte 2012 beträfen. In der zweiten Jahreshälfte 2012 habe der Betrieb fünf
Angestellte gehabt. Sie habe sechs Angestellte angegeben, weil sie sich als Geschäftsführerin dazugezählt habe. Durch die
Gewerbeanmeldung und die Handelsregistereintragung habe die Beklagte davon ausgehen müssen, dass es einen personellen Wechsel
bei der GmbH gegeben habe. Dieser Umstand habe die Beklagte veranlassen müssen, auf die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung
hinzuweisen. Diesbezüglich habe die Beklagte in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 5. Mai 2015 eingeräumt, dass sie Unterlagen
über die Möglichkeit des Abschlusses einer freiwilligen Versicherung üblicherweise bei einer Unternehmensanmeldung verschicke.
Dies sei hier unterblieben. Da sie davon ausgehe, dass die Beklagte aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet
sei, sie rückwirkend freiwillig zu versichern, habe sie keinen Anlass gesehen, nochmals eine "zusätzliche" freiwillige Versicherung
zu beantragen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 12. Mai 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 11. Dezember 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 30. Januar 2014 zurückzunehmen und das Unfallereignis vom 5. Oktober 2013 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte wiederholt im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte
der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das Begehren der Klägerin ist dahingehend auszulegen, dass es ihr darauf ankommt, dass sie von der Beklagten wegen des Unfallereignisses
vom 5. Oktober 2013 Leistungen erhält. Sie hält diesen Anspruch für begründet, weil sie der Meinung ist, dass sie ab dem Zeitpunkt
der Gewerbeanmeldung, das heißt dem 13. Juni 2012, freiwillig bei der Beklagten versichert ist. Die Beklagte hat in ihrem
Bescheid vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014 zum Ausdruck gebracht, dass von ihr
keine Leistungen zu erbringen sind, weil ein Versicherungsfall wegen des Fehlens einer freiwilligen Unternehmerversicherung
nicht vorliegt. Die Klägerin begehrt folglich die Rücknahme des Bescheides vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 30. Januar 2014 und die Feststellung des Ereignisses vom 5. Oktober 2013 als Arbeitsunfall.
Die Klägerin hat gemäß § 44 Abs. 1 SGB X keinen Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar
2014 und auf Feststellung des Ereignisses vom 5. Oktober 2013 als Arbeitsunfall.
Nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu
Unrecht erhoben worden sind.
Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2013
das Recht nicht unrichtig angewandt. Sie hat zu Recht in Bezug auf das Ereignis vom 5. Oktober 2013 das Vorliegen eines Versicherungsfalls
verneint.
Nach §
7 Abs.
1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer
den Versicherungsschutz nach §
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit), §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII.
Ein Arbeitsunfall setzt demnach voraus, dass sich der Unfall bei einer gemäß den §§ 2, 3 oder 6 versicherten Tätigkeit ereignet
hat. Dies setzt voraus, dass die Person, die den Unfall erlitten hat, zu dem versicherten Personenkreis zählt. Hierzu zählen
nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII abhängig Beschäftigte. Diese sind wie alle übrigen in §
2 genannten Personen kraft Gesetzes unfallversichert. Zum versicherten Personenkreis zählen außerdem die gemäß §
3 SGB VII kraft Satzung versicherten Personen und diejenigen, die nach §
6 SGB VII eine freiwillige Versicherung abschließen können und abgeschlossen haben. Beschäftigte im Sinne des §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII sind diejenigen, die eine nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Beschäftigungsverhältnis verrichten (vgl. §
7 SGB IV). Kennzeichnend für den Arbeitnehmer ist die persönliche Abhängigkeit von einem Dritten. Indizien für die persönliche Abhängigkeit
sind die Weisungsgebundenheit, das heißt die Pflicht, fremde Anordnungen auszuführen, die Arbeit auf einer fremden Arbeitsstätte,
die Arbeit mit fremdem Werkzeug und Material und die Überwachung und Einteilung der Arbeitszeit durch einen Dritten. Die Gesellschafter
einer GmbH können grundsätzlich zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Dies kann auch für den geschäftsführenden
GmbH-Gesellschafter gelten. Ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, beurteilt sich
danach, in welchem Umfang er kraft seiner Beteiligung Einfluss auf die Gesellschaft nehmen kann. Soweit der Betreffende die
Hälfte der Geschäftsanteile oder jedenfalls eine Sperrminorität hält, ist eine persönliche Abhängigkeit in der Regel zu verneinen.
Auch wenn die vorgenannten Grenzen nicht erreicht werden, entfällt der Versicherungsschutz, wenn nach den tatsächlichen Verhältnissen
kein anderer ein Direktionsrecht ausüben kann. Im Falle der Klägerin ist eine abhängige Beschäftigung zu verneinen, weil die
Klägerin 95 % der Geschäftsanteile am Stammkapital hält. Sie hat somit maßgeblichen und beherrschenden Einfluss auf die Geschicke
der Gesellschaft. Bei Ausübung ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin ist sie keinen Weisungen unterworfen. Sie hat damit eine
unternehmerähnliche Stellung und ist keine "Beschäftigte" im Sinne des §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Zur Zeit des Unfalls am 5. Oktober 2013 bestand auch keine freiwillige Versicherung im Sinne des §
6 Abs.
1 Nr.
2 SGB VII. Danach können sich Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig
sind, auf schriftlichen Antrag versichern. Demnach setzt die freiwillige Versicherung einen schriftlichen Antrag des Versicherungsberechtigten
voraus. Der Antrag stellt eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung dar, die zur Entstehung eines Versicherungsverhältnisses
führt. Eine Aufnahme oder Bestätigung durch den Unfallversicherungsträger ist nicht erforderlich. Erforderlich ist, dass der
Wille, eine freiwillige Versicherung zu begründen, eindeutig zum Ausdruck kommt. Die bloße Gewerbeanmeldung für sich allein
kann nicht als Antrag auf freiwilligen Beitritt zur Unfallversicherung gedeutet werden (vgl. Schmidt,
SGB VII, § 6 Rdnr. 4 und BSG, Urteil vom 22. September 1988 - 2/9b RU 36/87 - in BSGE 64, 89, in SozR 2200 § 545 Nr. 8 und in juris). Zwar können nach §
16 Abs.
1 Satz 2
SGB I Anträge auf Sozialleistungen nicht nur beim zuständigen Leistungsträger gestellt werden, sondern auch von allen anderen Leistungsträgern
und von allen Gemeinden entgegengenommen werden. Jedoch fehlt es bei einer bloßen Gewerbeanmeldung an einer Willenserklärung,
freiwillig der gesetzlichen Unfallversicherung beizutreten. Deshalb kann auch die vorgenommene Aufnahme der Klägerin in den
Lohnnachweis des Betriebes für die Unfallversicherungsbeiträge nicht in eine freiwillige Unternehmerversicherung umgedeutet
werden, denn auch hier fehlt es an einem eindeutigen Antrag, in dem der Wille, eine freiwillige Versicherung abzuschließen,
unmissverständlich und ohne Vorbehalt erklärt wird (BSG, Urteil vom 29. November 1973 - 8/7 RU 24/71 - in SozR Nr. 6 zu § 551
RVO und SozR Nr. 34 zu § 539 sowie in juris).
Eine irrtümliche Aufnahme der Klägerin in den Lohnnachweis der Reisebüro C. GmbH als Versicherte bzw. Beschäftigte und eine
Beitragsentrichtung auch für die Klägerin - die Behauptung der Klägerin als wahr unterstellt - konnte auch nicht zu einer
sogenannten Formalversicherung führen.
Die Rechtsprechung des BSG zur Formalversicherung basiert auf dem Vertrauensschutz desjenigen, der wegen der Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis
als Mitglied und zugleich als Versicherter unbeanstandet Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung entrichtet hat. Grundlegend
für den Versicherungsschutz über eine sogenannte Formalversicherung ist zunächst die Anerkennung des gesamten Betriebes oder
der Person eines Unternehmers als versichert, was vorliegend bezüglich der Reisebüro C. GmbH der Fall ist. Die Formalversicherung
erstreckt sich zwar auf alle Fälle, in denen einzelne nicht versicherungspflichtige Personen in den Lohnnachweis aufgenommen
und bei der Bemessung der Beiträge berücksichtigt worden sind. Jedoch kann der Irrtum über die Versicherungspflicht allein
eine Versicherung nicht begründen. Denn die in den Lohnnachweisen angegebenen Personen werden namentlich nicht benannt. Ob
einzelne Personen tatsächlich versicherungspflichtige Tätigkeiten ausgeführt haben, ist für den Unfallversicherungsträger
nicht ersichtlich. Nur wenn jemand mit Wissen der Organe des Verwaltungsträgers oder so, dass es diesen Organen bei der erforderlichen
Aufmerksamkeit nicht unbekannt bleiben konnte, dass eine an sich nicht versicherte Person in den Lohnnachweisen mit aufgezählt
wurde und der Unfallversicherungsträger über einen längeren Zeitraum Beiträge aufgrund dieser Lohnnachweise erhoben hat, ohne
seinerseits irgendwelche Feststellungen zu veranlassen, kann das Vorliegen einer Formalversicherung bejaht werden. Im vorliegenden
Fall wurden sechs Personen als Versicherte angegeben, ohne dass hierzu nähere Erläuterungen gegeben wurden. Allein der Umstand,
dass im Entgeltnachweis für 2011 die Anzahl der Versicherten mit fünf und im Entgeltnachweis 2012 mit sechs Personen angegeben
wurde, lässt keinerlei Schlussfolgerungen zu. Dies gilt auch für die angegebenen Jahresbruttoentgelte. Diese waren für das
Jahr 2011 mit 55.381,00 EUR und für das Jahr 2012 mit 46.521,00 EUR angegeben worden. Eine solche Differenz bei den Jahresbruttoentgelten
kann auch dann eintreten, wenn sich die Beschäftigtenzahl um eine Person erhöht, aber mehr Personen zum Beispiel in Teilzeit
beschäftigt werden. Entscheidend ist, dass die Beklagte keine Kenntnis davon hatte, dass die Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin
und mit einer die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafterstellung als Versicherte bzw. Beschäftigte in den Lohnnachweis
für das Jahr 2012 aufgenommen worden war. Auch liegt die Voraussetzung einer mehrjähren Beitragserhebung für die Klägerin
als nichtversichertes Mitglied hier nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 3. April 2014 - B 2 U 26/12 R - in SozR 2700 § 87 Nr. 3 und in juris).
Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch darauf, so behandelt zu werden, als hätte sie während des Unfallereignisses
unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Ein solcher Anspruch ist nicht unter dem Gesichtspunkt eines
sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet. Dieser hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund
Gesetzes obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§
14,
15 SGB I) verletzt hat, dass des Weiteren zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen
ein ursächlicher Zusammenhang besteht und darüber hinaus der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil
durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann (vgl. BSG, SozR 4-4300 § 137 Nr. 1).
Die Beklagte hat keine ihr gegenüber der Klägerin obliegenden Pflichten auf Auskunft und Beratung verletzt. Wie die Beklagte
bereits zutreffend ausgeführt hat, kann die Klägerin aus einem möglichen Verstoß gegen §
13 SGB I, wonach Leistungsträger, ihre Verbände und die sonstigen in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen
verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären,
für sich keinen Individualanspruch auf Aufklärung ableiten (vgl. Wiesner in: Hauck/Noftz, SGB, 11/15, §
13 SGB I Rdnr. 16).
Einen Individualanspruch auf Beratung regelt §
14 SGB I. Danach hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratungen
sind die Leistungsträger, demgegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Die Beratung setzt
grundsätzlich ein Begehren des ratsuchenden Bürgers voraus, an dessen Bestimmtheit keine strengen Anforderungen zu stellen
sind. Es muss keine gezielte oder konkrete Frage gestellt werden, sondern es reicht aus, dass der Wunsch, beraten zu werden,
den Umständen des Falles hinreichend deutlich entnommen werden kann. Auch ein konkludentes Begehren reicht aus. Unter bestimmten
Umständen kann der Leistungsträger auch zu einer Spontanberatung, einer Beratung von Amts wegen, verpflichtet sein. Ob eine
Pflicht zur Spontanberatung vorliegt, ist anhand der besonderen Umstände des Einzelfalles zu klären. Voraussetzung hierfür
ist zunächst ein nach objektiven Kriterien zu bewertender konkreter Anlass. Es besteht keine Verpflichtung, bei jedem Bearbeitungsvorgang
die Verwaltungsakte darauf zu überprüfen, ob dem Bürger dem Akteninhalt nach bisher nicht verwirklichte Rechte zustehen, die
er in Unkenntnis noch nicht geltend gemacht hat. Bei schematisierten Routinevorgängen kann vom Leistungsträger nicht verlangt
werden, dass er über den konkreten Anlass hinaus mit diesen Vorgängen nicht im Zusammenhang stehende Nachforschungen über
etwaige weitere Rechte anstellt. Voraussetzung für die Verpflichtung zur Spontaninformation ist, dass es sich bei dem Inhalt
der Beratung um klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten handelt, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist,
dass sie jeder verständige Bürger mutmaßlich nutzen würde. Die Frage, ob Gestaltungsmöglichkeiten klar zu Tage treten, ist
nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen und zwar ausgehend von dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Entscheidung darüber,
ob zu beraten ist (vgl. Knecht in: Hauck/Noftz, SGB, 6/10, §
14 SGB I Rdnr. 14 ff.).
Hier haben sich weder die Klägerin persönlich noch die GmbH mit einem ausdrücklichen oder konkludenten Beratungsbegehren an
die Beklagte gewandt. Eine Verpflichtung der Beklagten, von Amts wegen beratend tätig zu werden, haben weder die aufgrund
der Gewerbeanmeldung noch die aufgrund des Entgeltnachweises für das Jahr 2012 erkennbaren Umstände ausgelöst. Der Gewerbeanmeldung
vom 13. Juni 2012 und der Veröffentlichung des Amtsgerichts Fritzlar vom 24. August 2012 war lediglich die Information zu
entnehmen, dass die Reisebüro C. GmbH nicht mehr von dem Geschäftsführer C. C., sondern von der Klägerin als Geschäftsführerin
vertreten wird. Welche Personen Gesellschafter der übernommenen "C. GmbH" sind, war nicht erkennbar. Folglich lagen auch über
die Stellung der Klägerin in der Gesellschaft keinerlei Informationen vor. Ob die Klägerin aufgrund ihrer Geschäftsführertätigkeit
versicherungspflichtig beschäftigt ist oder sie wegen einer beherrschenden Stellung in der GmbH unternehmerähnlich tätig ist,
war aufgrund der zur Verfügung stehenden Informationen nicht ersichtlich. Es hätte weiterer Nachforschungen seitens der Beklagten
bedurft, um festzustellen, ob für die Klägerin eine freiwillige Versicherung in Betracht zu ziehen ist. Auch dem Entgeltnachweis
für das Jahr 2012 waren keine Informationen zu entnehmen, die eine Beratung der Klägerin als naheliegend erscheinen lassen.
Die Angabe der Anzahl der beschäftigten Personen gibt keine Auskunft, um welche Personen es sich dabei handelt. Allein der
Umstand, dass für das Jahr 2012 sechs Personen und nicht fünf Personen wie im Jahr 2011 angegeben wurden, lässt keinerlei
Rückschlüsse zu. Auch für das Jahr 2010 waren im Entgeltnachweis sechs Personen als Versicherte angegeben.
Auch eine Verletzung des §
15 SGB I ist hier nicht ersichtlich. Nach dessen Abs.
1 sind die nach Landesrecht zuständigen Stellen, die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung
verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten nach diesem Gesetz Auskunft zu erteilen. Streitig ist, ob aufgrund des §
15 Abs.
1 SGB I ein Individualanspruch besteht und wenn ja, ob dieser ein ausdrückliches Auskunftsbegehren voraussetzt (vgl. Knecht in: Hauck/Noftz,
SGB, 11/15, §
15 SGB I Rdnr. 14). Wird eine Verpflichtung zur Auskunft von Amts wegen bejaht, setzt dies voraus, dass der Auskunftsbedarf evident
ist und für die betroffene Stelle erkennbar.
Die Beklagte gehört nicht zu den in §
15 Abs.
1 SGB I genannten Stellen. Zu den nach Landesrecht zuständigen Stellen zählen in Hessen die Landkreise und die kreisfreien Städte
(Erlass vom 16. November 1981, Hess. Staatsanzeiger 1981, S. 1396 - vgl. hierzu Knecht in: Hauck/Noftz, SGB, 11/15, §
15 SGB I Rdnr. 6 f.). Zudem wäre auch im Rahmen des §
15 SGB I ein evidenter und erkennbarer Auskunftsbedarf zu verneinen.
Da die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 5. Oktober 2013 als Arbeitsunfall auch nicht auf einen
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen kann, kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bei Erlass des Bescheides
vom 21. Dezember 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014 das Recht unrichtig angewandt hat. Die Klägerin
hat deswegen keinen Anspruch auf Rücknahme dieses Verwaltungsaktes.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus §
160 SGG.