Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
Tierarzt
Ausübung einer berufsspezifischen Tätigkeit
Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseigenrichtung oder Versorgungseinrichtung
Pflichtmitglied einer berufsständischen Kammer
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach §
6 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) in der Zeit vom 01.04.2010 bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Beigeladenen zu 2) am 31.12.2017 streitig.
Die am 00.00.1982 geborene Klägerin ist approbierte Tierärztin und war zunächst seit dem 01.04.2008 Mitglied der Landestierärztekammer
Niedersachsen I. Die Klägerin war bereits mehrfach befristet beschäftigt und von der Versicherungspflicht befreit. Zuletzt
war die Klägerin befristet ab 01.01.2010 bis zum 31.03.2010 Teilzeitbeschäftigte bei der tierärztlichen Hochschule I. Auch
für diese Beschäftigung war die Klägerin von der Pflichtmitgliedschaft in der Deutschen Rentenversicherung befreit.
Ab dem 01.04.2010 stand die Klägerin aufgrund unbefristeten Arbeitsvertrags vom 01.03.2010 bei der Beigeladenen zu 2) - der
Firma S Tiernahrung GmbH & Co KG - als wissenschaftliche Marketingassistenz/Junior Produktmanagerin Vetcare (= Tierarztpflege)
im Bereich der Tierfutterproduktion in einem Beschäftigungsverhältnis. Seit diesem Zeitpunkt war die Klägerin zudem Mitglied
der Landestierärztekammer Nordrhein sowie des berufsständischen Versorgungswerkes. Das Beschäftigungsverhältnis wird durch
Aufhebungsvertrag zum 31.12.2017 beendet sein.
Am 11.05.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht und legte die Stellenausschreibung,
ihren Arbeitsvertrag vom 01.03.2010 sowie eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers vom 09.07.2010 vor.
Nach der Stellenausschreibung ist der Bewerber für die Aufbereitung wissenschaftlicher Grundlagen in kundenrelevanter Form
verantwortlich, hat Informations- und Schulungsmaterial zu erarbeiten und ist Ansprechpartner für Ernährungsfragen von Tierärzten,
tiermedizinischen Fachangestellten, Studierenden der Veterinärmedizin sowie Tierhaltern und Mitarbeiter aus den Fachabteilungen.
In der Rubrik "Ihr Profil" führte die Beigeladene zu 2) aus: "Hochschulstudium der Veterinärmedizin erfolgreich absolviert
und eigene Erfahrung in der Kleintierpraxis".
Im Arbeitsvertrag war unter § 3 Abs. 2 die Aufgabenstellung umschrieben. Danach umfasst die Tätigkeit der Klägerin schwerpunktmäßig
Tätigkeiten einer wissenschaftlichen Assistentin eines Veterinärs für die Marke S und der übrigen Marken der Firma.
In der Bescheinigung vom 09.07.2010 führte die Beigeladene zu 2) u.a. zur konkreten Stelle der Klägerin aus, der Aufgabenbereich
umfasse Planung, Koordination und Durchführung von Marketingmaßnahmen, Tierarztdirektservice, Betreuung und Unterstützung
der Tierarztaußendienstmitarbeiter mit Materialien, Informationen und Schulungsmaßnahmen, Vortragstätigkeit in Praxen zu Ernährungs-
und Praxismanagementthemen, Schulung tierärztlicher Mitarbeiter, fachliche Beratung bei Ernährungsfragen. Ausdrücklich führte
die Beigeladene zu 2) aus, ein veterinärmedizinisches Studium sei für die Stelle zwingend erforderlich.
Mit Bescheid vom 25.08.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Tätigkeit als Marketingassistentin stelle keine tierärztliche
Tätigkeit dar. Tierärzte verhüteten, linderten und heilten Leiden und Krankheiten von Tieren und arbeiteten hauptsächlich
in Tierarztpraxen. Es sei nicht ersichtlich, dass diese Tätigkeit nur mit tierärztlicher Approbation ausgeübt werden könne.
Hiergegen erhob die Klägerin am 17.09.2010 Widerspruch; für die Ausübung ihrer jetzigen Tätigkeit sei eine tierärztliche Ausbildung
zwingend erforderlich.
Die Klägerin legte eine erweiterte Stellenbeschreibung der Beigeladenen zu 2) vom 14.09.2010 vor. Hierin führte die Beigeladene
zu 2) aus, die Stelle umfasse tierärztliche Tätigkeiten in Form der Vortragstätigkeit zu den Themen Ernährung von Hunden,
Katzen und kleinen Heimtieren, der Schulung von Mitarbeitern des Tierärzteteams, Entwicklung von Informationsmaterialien für
Tierärzte und tiermedizinische Beratung der Mitarbeiter am Servicetelefon. Betriebswirtschaftlich erfasse die Tätigkeit Planung,
Koordinierung und Durchführung von Marketingmaßnahmen sowie Marktbeobachtung und Marktanalysen. Die Klägerin werde berufsbegleitend
im Bereich Betriebswirtschaft und Marketing weitergebildet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2010 wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung ihres Vorbringens aus dem Ausgangsbescheid
zurück. Voraussetzung für die Befreiung sei, dass die akademische Ausbildung bzw. Approbation als Tierarzt zwingend erforderlich
sei. Die Stellen- und Funktionsbeschreibung vom 14.09.2010 beinhalte jedoch Aufgaben der Planung und Koordination von Marketingmaßnahmen
sowie der Marktbeobachtung und Marktanalyse. Dies habe mit einer medizinischen Tätigkeit nichts zu tun.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.12.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben.
Zur Begründung der Klage hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, ihre tiermedizinischen Kenntnisse seien für ihre Tätigkeit
entscheidend, da sie schwerpunktmäßig wissenschaftlich tätig sei. Der Arbeitgeber arbeite mit diversen Hochschulen zusammen
und entwickle und verbessere spezielle Ernährung für Tiere, die an bestimmten Krankheiten litten. Die herausgegebenen Arbeitsunterlagen
des Arbeitgebers erfolgten auf Englisch; diese müssten in Deutschland durchgesehen, übersetzt und ausgewertet werden. Die
Arbeitsunterlagen würden von ihr aufbereitet. Sie begleite im Übrigen auch sogenannte Multi-Center-Studien. Hierzu prüfe sie
Fragebögen von veterinärmedizinischen Kollegen aus Frankreich. Die Klägerin führe auch selbst medizinische Studien durch,
zum Beispiel über zweckmäßige Ernährung älterer Hunde. Dies könne nur durch ausgebildete, approbierte Tierärzte geleistet
werden. Der Arbeitgeber betreibe im Übrigen den Absatzweg Vetcare. Dieser Absatzweg betreffe die Lieferung ausschließlich
an Tierärzte und Tierkliniken. Nur für diesen Absatzkanal sei die Klägerin angestellt worden. Hier habe die Klägerin die Aufgabe
einer ernährungswissenschaftlichen Betreuung niedergelassener Tierärzte bei Fragen zur Ernährung von kranken- oder behandlungsbedürftigen
Tieren. Sie sei zuständig für die Schulung eigener Mitarbeiter, die im Vertrieb für einen Tierarzt tätig seien und vermittle
hier tiermedizinische Grundlagen und Grundlagen der Tierernährung einschließlich der klinischen Diätetik. Sie nehme darüber
hinaus durch Vorträge an der obligatorischen tierärztlichen Fortbildung teil, die von den Tierärztekammern organisiert würde.
Außerdem halte sie Vorträge auf Seminarveranstaltungen und Kongressen. Die Beklagte begründe daher ihre ablehnende Entscheidung
zu Unrecht mit dem Begriff der wissenschaftlichen Marketingassistenz. Die Klägerin trage zum Erhalt und zur Entwicklung eines
leistungsfähigen Tierbestandes sowie zur Linderung deren Leiden bei. Insbesondere bei der telefonischen Beratung von Tierärzten
seien einschlägige Kenntnisse erforderlich. Gegenüber all diesem sei der Marketinganteil ihrer Tätigkeit zeitlich und sachlich
von untergeordneter Bedeutung.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2010 zu verurteilen,
sie ab dem 01.04.2010 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Verhandlungstermin vom 24.10.2012 hat sich die Klägerin auf Befragen der Kammervorsitzenden zu ihrem typischen Tagesablauf
eines Arbeitstages eingelassen und hierzu mitgeteilt, der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit läge auf der Seminartätigkeit. Hierzu
bereite sie den Vortrag vor, dies erfordere für einen neuen Vortrag in der Regel 2-3 Wochen Arbeit. Für die Überarbeitung
eines alten Vortrags benötige sie ca. 2-3 Tage. Ein weiterer Schwerpunkt sei die Gestaltung von Informationsmaterial wie beispielsweise
Broschüren oder die Auswertung von Fragebögen, die das Forschungszentrum in Frankreich erstellt habe. Ein dritter Schwerpunkt
läge auf der Beantwortung von Anrufen und E-Mails von Tierärzten, Helfern und Tierhaltern.
Mit Urteil vom 24.10.2012 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin ab dem 01.04.2010 in der gesetzlichen Rentenversicherung
von der Versicherungspflicht zu befreien. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Befreiung gemäß §
6 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGB VI. Die Voraussetzungen für die Befreiung lägen vor, insbesondere entspräche die Tätigkeit der Klägerin dem tierärztlichen Berufsbild.
Das klassische Berufsbild eines Tierarztes umfasse zunächst die Behandlung von erkrankten und verletzten Tieren. Tierärzte
seien aber auch in einer Vielzahl anderer Bereiche tätig. Sie überwachten den Tierschutz, die Tiergesundheit und die Sicherheit
von Lebensmitteln tierischer Herkunft. Die Klägerin sei zwar nicht im klassischen Sinne tierärztlich tätig, unterfalle jedoch
dem weiten Berufsbild des Tierarztes. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin läge im wissenschaftlichen Bereich. Als Marketingkraft
sei zwar ihr oberstes Ziel die Vermarktung der Produkte des Arbeitgebers. Sie erfülle diese Aufgabe aber im Wesentlichen durch
wissenschaftliches Tätigwerden. Schwerpunkt des Aufgabenbereichs der Klägerin sei die inhaltliche Gestaltung von Informationsmaterial
für den Tierarzt und sein Fachpersonal. Das Material werde zum Teil eigenständig entwickelt. Außerdem läge ein Schwerpunkt
auf der Beantwortung von Anfragen von Tierärzten. Die Klägerin halte regelmäßig Seminare zum Thema Ernährung ab. Diese seien
zum Teil im Rahmen der Facharztausbildung durchzuführen. Der Bereich der Tierernährung sei ein fachtierärztlicher Schwerpunkt.
Der Marketinganteil der Tätigkeit der Klägerin bestehe in der Analyse der Bedarfe, um dann mit Informationsmaterial darauf
reagieren zu können. Dies sei insgesamt wiederum ein wissenschaftliches Tätigwerden. Die eigentliche klassische Marketingarbeit
werde daher nicht durch die Klägerin, sondern von den hierzu zuständigen Abteilungen erbracht.
Gegen das am 21.11.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.12.2012 Berufung eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, die Klägerin müsse mit ihrer Beschäftigung dem typischen Berufsbild eines approbierten Tierarztes
entsprechen. Dies sei zu verneinen. Ausgangspunkt sei § 1 Abs. 1 Bundestierärzte- Ordnung (BTÄO). Für die von der Klägerin
ausgeübte Tätigkeit sei die Approbation als Tierärztin keine notwendige Zugangsvoraussetzung. Die Hauptaufgabe der Klägerin
bestehe in der Planung und Koordination von Marketingmaßnahmen u.a. Keine der genannten Aufgaben stelle eine berufsspezifische
tierärztliche Tätigkeit dar. Die vom SG herausgestellten Forschungsarbeiten, die Seminare und die Bewertung von Sachverhalten zum Thema Tierernährung dienten letztlich
der Vermarktung der Tiernahrung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.10.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 2) beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin hat noch die Mitgliedsakte der Beigeladenen zu 1) überreicht und mitgeteilt, es seien durchgehend seit dem 01.04.2010
Beiträge nach § 15 Abs. 2 der Satzung des Versorgungswerkes entrichtet worden.
Im Verhandlungstermin am 24.08.2017 teilte im Übrigen die Beigeladene zu 2) mit, dass in der Vorstellungsrunde der Klägerin
ausschließlich approbierte Tierärzte eingeladen worden waren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakten der
Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 25.08.2010
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten im Sinne
des §
54 Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Die Klägerin hat für ihre bei der Beigeladenen zu 2) ausgeübte Tätigkeit als wissenschaftliche Marketingassistentin im
Bereich der Tierfutterproduktion seit 01.04.2010 bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses am 31.12.2017 Anspruch
auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das SG hat die Beklagte daher zurecht verurteilt, die Klägerin ab dem 01.04.2010 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung zu befreien. Die Berufung der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des SG ist daher abzuweisen.
Der Anspruch auf Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung richtet sich nach
§
6 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGB VI. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige
Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer
öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)
und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche
Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze
zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene
erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen
ist.
Die Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Klägerin übt im hier streitigen Zeitraum ab 01.04.2010 bis 31.12.2017 bei der Beigeladenen zu 2) eine Beschäftigung aus
(hierzu unter 1.), für diese Beschäftigung besteht seit dem 01.04.2010 eine Pflichtmitgliedschaft sowohl im berufsständischen
Versorgungswerk als auch in der berufsständischen Kammer, wobei die gesetzliche Verpflichtung hierfür bereits vor dem 01.01.1995
bestand (hierzu unter 2.), die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit entspricht auch einer berufsspezifischen Tätigkeit als
Tierärztin, es besteht der notwendige innere Zusammenhang zwischen Beschäftigung und Pflichtmitgliedschaft (hierzu unter 3.),
die Klägerin hat für diese Tätigkeit satzungsgemäß einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze
an das Versorgungswerk im gesamten streitigen Zeitraum entrichtet (hierzu unter 4.), aufgrund dieser Beitragsentrichtung besteht
auch ein Anspruch auf Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene, wobei
auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist (hierzu unter 5.), letztlich
liegt auch eine fristgerechte Antragstellung vor (hierzu unter 6.).
1. Die Klägerin stand ab dem 01.04.2010 bzw. steht noch bis zum 31.12.2017 bei der Beigeladenen zu 2) in einem Beschäftigungs-
bzw. Arbeitsverhältnis als wissenschaftliche Marketingassistenz/Junior Produktmanagerin Vetcare (= Tierarztpflege) im Bereich
der Tierfutterproduktion; es handelt sich insoweit um eine grundsätzlich befreiungsfähige weisungsabhängige Beschäftigung
im Sinne des §
611 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB). Dieses Arbeitsverhältnis wurde kraft Aufhebungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 2) zum 31.12.2017
aufgelöst.
2) Seit dem 01.04.2010 war die Klägerin Mitglied der Landestierärztekammer Nordrhein sowie des berufsständischen Versorgungswerkes.
Für die Klägerin bestand seit Beginn der Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) ab 01.04.2010 diese Pflichtmitgliedschaft
in der Landestierärztekammer Nordrhein aufgrund des Heilberufsgesetzes NRW. Nach § 1 S. 1 Nr. 4 Heilberufsgesetz NRW in Verbindung
mit § 2 Abs. 1 Heilberufsgesetz NRW gehören den Kammern alle in § 1 S. 1 Heilberufsgesetz NRW genannten Personen - mit Ausnahme
derjenigen, die bei der Aufsichtsbehörde beschäftigt sind - an, die im Land Nordrhein-Westfalen ihren Beruf ausüben oder,
falls sie ihren Beruf nicht ausüben, ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies trifft auf die Klägerin als approbierte Tierärztin
zu, da in § 1 S. 1 Nr. 4 Heilberufsgesetz NRW ausdrücklich die Tierärzte genannt sind. Für die Klägerin bestand darüber hinaus
seit Beginn der Beschäftigung am 01.04.2010 bei der Beigeladenen zu 2) auch eine Pflichtmitgliedschaft im berufsständischen
Versorgungswerk Nordrhein. Die Pflichtmitgliedschaft ergibt sich aus § 7 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerkes der Tierärztekammer
Nordrhein; danach sind Pflichtmitglieder des Versorgungswerkes grundsätzlich alle Angehörigen der Tierärztekammer Nordrhein.
3) Die Klägerin übt mit ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Marketingassistenz/Junior Produktmanagerin Vetcare (= Tierarztpflege)
im Bereich der Tierfutterproduktion für die Beigeladene zu 2) auch eine berufsspezifische Tätigkeit aus. Entgegen der Auffassung
der Beklagten besteht der notwendige innere Zusammenhang zwischen Beschäftigung und Pflichtmitgliedschaft. Nach §
6 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGB VI werden von der Versicherungspflicht Beschäftigte für die Beschäftigung befreit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz
angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseigenrichtung oder
Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (Berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung
Mitglied einer berufsständischen Kammer sind (LSG NRW, Urteil vom 11.07.2016 - L 3 R 877/13 -, Rn. 24, [...]). Maßgeblich für eine Befreiung von der Versicherungspflicht kommt es daher darauf an, ob ein Beschäftigter
wegen dieser Beschäftigung Pflichtmitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer
geworden ist. Wegen der Anknüpfung des Befreiungstatbestandes an die konkret ausgeübte Beschäftigung kommt es nicht auf die
abstrakte berufliche Qualifikation des Beschäftigten an. Maßgebend ist vielmehr die Klassifikation konkret der Tätigkeit,
für welche die Befreiung begehrt wird (BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R, Rn 35, LSG NRW, Urteil vom 11.07.2016 - L 3 R 877/13 -, Rn. 25, [...]). Eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
6 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGB VI kommt insoweit nur bei Ausübung einer berufsspezifischen Tätigkeit in Betracht (Dankelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VI, 2. Aufl. 2013, §
6 SGB VI, Rn. 44; vgl. auch Dankelmann, jurisPR-SozR 4/2012 Anm. 3). Das hat bereits das BSG mit seinen Entscheidungen vom 22.10.1998 (B 5/4 RA 80/97 R - SozR 3-2600 § 56 Nr. 12) und vom 07.12.2000 (B 12 KR 11/00 R - SozR 3-2600 § 6 Nr. 5) deutlich gemacht. Diese Kriterien zugrunde gelegt übt die Klägerin nach Überzeugung des Senats eine
befreiungsfähige, hinreichend berufsspezifische Tätigkeit wie eine Tierärztin mit ihrer beratenden Tätigkeit als wissenschaftliche
Marketingassistentin bei der Beigeladenen zu 2) seit 01.04.2010 aus.
Dabei gilt kammerrechtlich ein weiter veterinärmedizinischer Tätigkeitsbegriff, der bereits schon dann zu bejahen ist, wenn
der Versicherte nicht kurativ unmittelbar am Tier tätig ist (hierzu unter a.). Der so kammerrechtlich weit verstandene veterinärmedizinische
Tätigkeitsbegriff kann sich auch auf "einen" nach den kammerrechtlichen Vorschriften aufgeführten Tätigkeitsbereich - hier
Schutz des Wohlbefindens der Tiere bzw. Haltung gesunder Tiere in allen Haltungsformen - beziehen (hierzu unter b.). Die Tätigkeit
der Klägerin erfordert ihrem Anforderungsprofil nach auch die Ausübung durch einen Veterinärmediziner (hierzu unter c.). Die
Klägerin verfügt darüber hinaus auch über die notwendige Approbation im Sinne des § 2 Abs. 1 BTÄO (hierzu unter d.).
a. Die beratende Tätigkeit der Klägerin als wissenschaftliche Marketingassistentin allein auf dem Gebiet der Tierernährung
ist grundsätzlich von einem weiten versorgungs- und kammerrechtlichen Begriff tierärztlicher Tätigkeit abgedeckt. Die Beratung
auf diesem Gebiet kann grundsätzlich dem Kernbereich der versorgungs- und kammerrechtlich definierten Berufsaufgaben eines
Tierarztes zugeordnet werden; es ist für die Zuordnung einer Tätigkeit zum versorgungs- und kammerrechtlichen Kernbereich
keine Ausübung einer kurativen Tätigkeit unmittelbar am Tier notwendig. Ein so verstandener enger versorgungs- und kammerrechtlicher
Begriff tierärztlicher Tätigkeit legt das einschlägige Kammerrecht nicht nahe. Eine berufsspezifische - und damit eine zu
befreiende Tätigkeit - ist dann anzunehmen, wenn die Tätigkeit dem Kernbereich der versorgungs- und kammerrechtlich definierten
Berufsaufgaben zugeordnet werden kann. Entscheidend ist, dass es sich bei der tatsächlich verrichteten Beschäftigung um die
Erledigung typischer Aufgaben nach Maßgabe der Berufsordnung der zuständigen Landestierärztekammer handelt. In Nordrhein-Westfalen
sind typische Aufgaben geregelt in § 1 Abs. 3 der Berufsordnung der Tierärztekammer Nordrhein. Hierbei kommt es auf die einschlägigen
landesrechtlichen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen an und nicht auf die Bundestierärzte-Ordnung (hier § 1 BTÄO) (zutreffend
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09. November 2016 - L 2 R 3151/15 -, Rn. 30, [...]). Das Vorliegen einer solchen berufsgruppenspezifischen Tätigkeit muss vor dem Hintergrund des jeweils gesetzlich
festgelegten Berufsbildes des landesrechtlich geregelten Kammerberufs überprüft und bewertet werden (Landessozialgericht Baden-Württemberg,
Urteil vom 09. November 2016 - L 2 R 3151/15 -, Rn. 33, [...]).
§ 1 Abs. 3 der Berufsordnung der Tierärztekammer Nordrhein (Geltungsbereich) regelt:
"Tierärztinnen und Tierärzte haben die Aufgabe, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, das
Leben und das Wohlbefinden der Tiere zu schützen, zur Entwicklung und Erhaltung gesunder Tiere in allen Haltungsformen beizutragen
und den Menschen vor Gefahren und Schäden durch vom Tier übertragbare Krankheiten oder durch Lebensmittel und Erzeugnisse
tierischer Herkunft zu schützen. Tierärztinnen und Tierärzte sind ebenso dazu berufen, zum Schutz des Verbrauchers und der
Umwelt die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln sowie nicht von Tieren stammender Lebensmittel und Bedarfsgegenstände
sicherzustellen."
Nach § 1 Abs. 2 der Berufsordnung der Tierärztekammer Nordrhein ist tierärztliche Berufsausübung
" ...jede Tätigkeit, bei der die während eines abgeschlossenen veterinärmedizinischen Studiums erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten
verwertet werden; dabei muss es sich nicht zwingend um eine Erwerbstätigkeit handeln."
Nach § 1 Abs. 1 S. 2 der Berufsordnung der Tierärztekammer Nordrhein gilt:
"Die Berufsordnung gilt ferner für Tierärzte, die gemäß § 2 Abs. 2 der Bundes-Tierärzteordnung die Erlaubnis zur vorübergehenden
Ausübung des tierärztlichen Berufes besitzen."
Damit ist nach § 2 Abs. 1 BTÄO insbesondere die Approbation gemeint.
Darüber hinaus regelt § 2 Abs. 2 lit. a) der Beitragsordnung der Tierärztekammer Nordrhein beispielsweise den Jahresbeitrag
für Kammerangehörige auf Antrag und regelt, dass für:
"beamtete, angestellte oder sonstige Tierärzte im öffentlichen Dienst, bei Körperschaften des öffentlichen Rechts, der Bundeswehr,
Vereinen, Versicherungsgesellschaften und in der Industrie sowie fu&776;r Assistenten und wissenschaftliche Hilfskräfte an
Universitäten und im öffentlichen Dienst, sowie fu&776;r Assistenten der freiberuflich tätigen Tierärzte, soweit sie keine
Einnahmen aus sonstiger tierärztlicher Tätigkeit haben ..."
ab 1. Januar 2004 ein Jahresbeitrag von 155,- EURO gilt.
Außerdem regelt § 30 Heilberufsgesetz NRW die Berufspflichten der Kammerangehörigen umfassend und verpflichten bspw. zur Teilnahme
am Notfalldienst bei ambulanter Tätigkeit.
Die kammerrechtlichen Vorschriften weisen daher ein weites kammerrechtliches Verständnis tierärztlicher Tätigkeit auf (so
auch das LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2016 - l 2 R 3151/15 -, Rn. 36, [...], das mit den gleichlautenden Vorschriften aus dem baden-württembergischen Kammerrecht für Tierärzte ebenfalls
auf ein weites kammerrechtliches Verständnis der Tätigkeit als Tierarzt geschlossen hat). Eine berufsspezifische Tätigkeit
als Tierarzt ist daher nicht erst zu bejahen, wenn der Aufgabenschwerpunkt in der Behandlung erkrankter oder verletzter Tiere
liegt, sondern bereits dann, wenn der Aufgabenschwerpunkt in veterinärspezifischen Aufgaben besteht und die veterinärspezifischen
Aufgaben der Tätigkeit das Gepräge geben; eine hinreichend berufsspezifische veterinärspezifische Arbeit setzt nicht notwendigerweise
den unmittelbaren Dienst am Tier voraus.
Der Klägerin kann daher hinsichtlich der Befreiung nicht entgegengehalten werden, sie sei nicht unmittelbar kurativ tätig.
b. Der so kammerrechtlich weit verstandene veterinärmedizinische Tätigkeitsbegriff kann sich auch nur auf "einen" nach den
kammerrechtlichen Vorschriften aufgeführten Tätigkeitsbereiche - hier Schutz des Wohlbefindens der Tiere bzw. Haltung gesunder
Tiere in allen Haltungsformen - beziehen. Der Aufgabenschwerpunkt der Klägerin ist diesem versorgungs- und kammerrechtlich
definierten Tätigkeitsbereich zuzuordnen.
§ 1 Abs. 3 der Berufsordnung der Tierärztekammer Nordrhein gibt dabei die Aufgabenbereiche vor, in denen der Tierarzt tätig
werden kann. Die Tätigkeit besteht danach darin, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, das
Leben und das Wohlbefinden der Tiere zu schützen, zur Entwicklung und Erhaltung gesunder Tiere in allen Haltungsformen beizutragen
und den Menschen vor Gefahren und Schäden durch vom Tier übertragbare Krankheiten zu schützen.
Dabei reicht es aus, wenn der Versicherte in einem Teilbereich nennenswert tätig ist; nicht notwendig ist, dass der Versicherte
alle kammerrechtlich verbrieften Aufgabenfelder abdeckt. Es reicht aus, wenn er auf einem fachspezifischen Gebiet ausschließlich
oder überwiegend tätig ist. Lediglich, wenn der Versicherte in seinem gesamten Aufgabenbereich überwiegend in einem fachfremden
Gebiet tätig ist, scheidet die Annahme einer berufsspezifischen Tätigkeit aus. Dabei kommt keinem der in § 1 Abs. 3 der Berufsordnung
der Tierärztekammer Nordrhein genannten Teilbereiche eine Vorrangstellung zu. Alle Aufgaben stehen gleichberechtigt nebeneinander.
Insbesondere ist es für die Bejahung der berufsspezifischen Tätigkeit nicht notwendig, dass der Versicherte im Aufgabenbereich
der Verhütung und Linderung von Krankheiten der Tiere tätig ist. Die kammerrechtlichen Vorgaben des § 1 Abs. 3 der Berufsordnung
der Tierärztekammer Nordrhein legen ein solches Rangverhältnis nicht nahe. Auch wenn die Verhütung von Krankheiten und Leiden
der Tiere in § 1 Abs. 3 der Berufsordnung der Tierärztekammer Nordrhein zuerst genannt ist, so hat der Verordnungsgeber darauf
verzichtet, diesem Aufgabenbereich eines Tierarztes eine Vorrangstellung einzuräumen. Eine berufsspezifische Tätigkeit ist
daher auch dann zu bejahen, wenn der Versicherte in dem Aufgabenbereich tätig ist, der dem Schutz des Wohlbefindens der Tiere
und der Erhaltung gesunder Tiere in allen Haltungsformen dient. Deshalb reicht eine Tätigkeit im veterinär-medizinischem Ernährungssektor
aus.
Die Klägerin ist für die Beigeladene zu 2) im Bereich der Tierernährungsmedizin tätig und erfüllt damit den in § 1 Abs. 3
Berufsordnung der Tierärztekammer Nordrhein kammerrechtlich normierten Bereich des Schutzes des Wohlbefinden der Tiere und
der Entwicklung und Erhaltung gesunder Tiere in allen Haltungsformen. Andere fachfremde Aufgabenfelder, die dem so festgestellten
Gepräge zuwiderlaufen, deckt die Klägerin nicht ab. Grundsätzlich kann daher dieser Aufgabebereich nach den kammerrechtlichen
Regelungen dem veterinärmedizinischen Tätigkeitsbegriff entsprechen.
c. Die von der Klägerin verrichtete Arbeit entspricht auch einer tiermedizinischen Berufsausübung, da die Tätigkeit der Klägerin
ihrem Anforderungsprofil nach nur durch einen Veterinärmediziner ausgeübt werden kann. Die tiermedizinische Ausbildung der
Klägerin ist notwendige Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 2). Die Tätigkeit
der Klägerin stellt keine Vertriebstätigkeit, sondern eine umfassende wissenschaftlich fundierte Beratertätigkeit dar, die
ein umfassendes veterinärmedizinisches Wissen erforderlich macht. Ein fachfremd ausgebildeter Versicherter kann die Tätigkeit
der Klägerin nicht leisten.
Das Aufgabenfeld der Klägerin ergibt sich aus den überreichten auszuwertenden schriftlichen Unterlagen - insbesondere aus
den beiden Stellenbeschreibungen vom 09.07.2010 und vom 14.09.2010 für den Arbeitsplatz der Klägerin - sowie aus dem Anstellungsvertrag
der Klägerin und der Stellenausschreibung. Heranzuziehen sind auch die Einlassungen der Klägerin im Verhandlungstermin vom
25.10.2012 zu ihrem Tätigkeitsschwerpunkt bei der Beigeladenen zu 2). Die von der Klägerin beschriebenen Aufgaben decken sich
dabei mit den Angaben in den beiden Stellenbeschreibungen und konkretisieren diese.
Aus der Einlassung der Klägerin im Verhandlungstermin vom 24.10.2012 ergeben sich drei Haupttätigkeitsschwerpunkte, die den
(zeitlichen und inhaltlichen) Arbeitsschwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 2) ausmachen und die deshalb
dieser Tätigkeit das Gepräge geben. Die drei Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Seminartätigkeit auch zur Fortbildung im
Rahmen der Facharztausbildung von Fachpublikum (Tierärzten, Studierenden, Mitarbeiter von Tierärzten), in der Neubearbeitung
und Aufarbeitung von Information- und Produktmaterial und in der telefonischen Beratung und Beantwortung von Fragen per E-Mail.
Zielgruppe der Klägerin im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit ist ganz überwiegend Fachpersonal; die Klägerin ist im Absatzweg
Vetcare (= Tierarztpflege) tätig; ein Bereich, der die Lieferung ausschließlich an Tierärzte und Tierkliniken betrifft. Darüber
hinaus deckt ihre Seminartätigkeit auch die Zielgruppe Studierende und Mitarbeiter von Tierärzten ab. Nur vereinzelt wenden
sich in Einzelanfragen auch Tierhalter ohne Fachhintergrund an die Klägerin; auch deren Anfragen zielen aber ersichtlich -
ausweislich der im Klageverfahren überreichten Auszüge aus der E-Mail-Korrespondenz der Klägerin mit den Ratsuchenden - auf
den fachlichen Zusammenhang zwischen Erkrankung eines Tieres und der richtigen Ernährung ab. Aufgabenschwerpunkt der Klägerin
ist daher das veterinärmedizinische Fachgebiet, da die Klägerin gegenüber der Zielgruppe veterinär-fachspezifisch in Tierernährungsfragen
beratend, vorbereitend, informierend tätig wird und verantwortlich für die Aufbereitung wissenschaftlicher Grundlagen auf
veterinärmedizinischem Fachgebiet ist.
Fachfremd ausgebildetes Personal ohne fundiertes veterinärmedizinisches Fachwissen kann die von der Klägerin durch die Beigeladene
zu 2) geforderte Aufgabe nicht oder nur unzureichend erfüllen. Ein nicht geschulter Mitarbeiter kann die Wechselwirkungen
von Ernährung, deren Inhaltsstoffe und deren Zusammensetzung auf den Gesundheitszustand von Tieren (Mangelerscheinungen, Krankheiten,
Adipositas etc.) nicht qualifiziert beurteilen. Qualifizierte Weiterbildung von Tierärzten, so wie sie die Klägerin ausübt,
unter Berücksichtigung des jeweils aktuellen Stands der Wissenschaft, kann nur ein entsprechend geschulter Dozent gewährleisten.
Dem widerspricht auch nicht, dass die Klägerin als wissenschaftliche Marketingassistenz eingestellt wurde. Die Marketingtätigkeit
ist das Ziel zur Absatzsteigerung. Mittel dieses Zwecks ist u.a. die veterinärwissenschaftliche Arbeit der Klägerin im Interesse
der Beigeladenen zu 2). Die Marketingfunktion, die die Klägerin im Rahmen ihrer Anstellung zu erfüllen hat, wird dabei nach
der unternehmerischen Entscheidung der Beigeladenen zu 2) lediglich mittelbar erreicht. Die Firma S ist breit aufgestellt
und eröffnet sich Vertriebswege gerade auch durch wissenschaftliche Tätigkeitsfelder. Die Firma betreibt eigene Forschungsarbeit
in Frankreich und unterhält hierzu eine eigene Forschungsabteilung mit eigenem Personal. Außerdem arbeitet die Firma zusätzlich
mit diversen Hochschulen zusammen, um spezielle Ernährung für Tiere zu entwickeln und zu verbessern, die an bestimmten Krankheiten
leiden. Um diese Vertriebswege bedienen zu können, bedarf die Beigeladene zu 2) hinreichend qualifizierten veterinärmedizinischem
Sachverstands.
Das SG hat daher zutreffend herausgearbeitet, dass der Marketinganteil der Tätigkeit der Klägerin in ihrem wissenschaftlichen Tätigwerden
besteht und die eigentliche klassische Marketingarbeit daher nicht durch die Klägerin, sondern von den hierzu zuständigen
Abteilungen erbracht wird. Hier arbeitet unter veterinärmedizinischem Blickwinkel fachfremdes Personal. Die Klägerin ist daher
konsequenterweise als wissenschaftliche Marketingassistenz eingestellt und assistiert in dieser Funktion lediglich dem Marketingpersonal;
arbeitet diesem also zu und bereitet fachlich vor. Diese fachliche Arbeit kann das Marketingpersonal nicht leisten.
Das Anforderungsprofil an die Tätigkeit der Klägerin ist angesichts der Zielgruppe und angesichts des Inhalts der Tätigkeit
der Klägerin daher derart hoch, dass die Arbeit nur von einem Absolventen eines veterinärmedizinischen Studiums geleistet
werden kann. Das veterinärmedizinische Studium der Klägerin ist daher in nachvollziehbarer Weise nach den Anforderungen, die
von der Beigeladenen zu 2) an den Stelleninhaber - also die Klägerin - gestellt werden, unabdingbare Voraussetzung. Dies hat
die Beigeladene zu 2) bereits ausdrücklich in der Bescheinigung vom 09.07.2010 mitgeteilt und dies auch als Anforderungsprofil
so in der Stellenausschreibung gefordert. Auch im Verhandlungstermin am 24.08.2017 hat die Beigeladene zu 2) nochmals mitgeteilt,
dass in der Vorstellungsrunde der Klägerin ausschließlich approbierte Tierärzte eingeladen worden waren. Dies ist nach den
qualitativen Anforderungen an die Tätigkeit der Klägerin auch plausibel.
Diese tierärztlichen Tätigkeiten geben der Arbeit der Klägerin daher das Gepräge. Die veterinärmedizinischen Fachkenntnisse
der Klägerin für die Beratungen der tierärztlichen Kunden sind daher zwingend erforderlich. Das abgeschlossene Hochschulstudium
der Veterinärmedizin und die Approbation als Tierarzt sind daher das entscheidende Kriterium für die Einstellung der Klägerin.
d. Die Klägerin verfügt auch über die notwendige Approbation im Sinne des § 2 Abs. 1 BTÄO. Die Approbation ist nach § 2 Abs.
1 BTÄO notwendige Voraussetzung für die Ausübung des Berufs als Tierarzt. Die Ausübung des Berufs als Tierarzt ist gemäß §
2 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Nr. 4 Heilberufsgesetz NRW Voraussetzung für die Pflichtmitgliedschaft in der Tierärztekammer.
4. Die Klägerin zahlt seit Aufnahme der Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) am 01.04.2010 auch durchgehend Beiträge nach
§ 15 Abs. 2 der Satzung des Versorgungswerkes und damit einkommensbezogene Beiträge.
5. Aufgrund der entrichteten Beiträge besteht grundsätzlich auch ein Anspruch auf Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit
und des Alters sowie für Hinterbliebene, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen
ist; die Leistungen sind geregelt in §§ 17 ff der Satzung des Versorgungswerks der Tierärztekammer Nordrhein vom 20.07.2015.
6. Die Klägerin hat auch einen Antrag auf Befreiung vom 11.05.2010 gestellt. Dieser ist zwar erst nach der Aufnahme der Tätigkeit
bei der Beigeladenen zu 2) am 01.04.2010 erfolgt. Nach §
6 Abs.
4 S. 1
SGB VI wirkt die Befreiung jedoch bereits vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn die Befreiung innerhalb von drei
Monaten beantragt wird. Das ist hier der Fall. Die Befreiungsvoraussetzungen liegen mit dem Beginn der Beschäftigung ab dem
01.04.2010 vor. Der Antrag ist am 11.05.2010 - also noch innerhalb der Drei-Monats-Frist - gestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der §§
160 Abs.
1 S. 1, 160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen. Es geht um Tatfragen. Die Beurteilung, ob eine Tätigkeit berufsspezifisch ist, ist eine Einzelfallentscheidung.