Streit über die Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund eines erlittenen Arbeitsunfalls
Prüfung einer posttraumatischen Belastungsstörung
Beurteilung der Kausalität zwischen dem Unfallereignis und den vorgetragenen gesundheitlichen Folgen (Theorie der wesentlichen
Bedingung)
Voraussetzungen für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger von der Beklagten aufgrund eines am 20.12.2006 erlittenen Arbeitsunfalls Rente beanspruchen kann.
Der Kläger wurde während seiner Tätigkeit als Ordnungsamtssachbearbeiter für den ruhenden Straßenverkehr am 20.12.2006 von
einem PKW angefahren. Ausweislich des Polizeiberichts vom 20.12.2007 hatte der Kläger sich um 11:27 Uhr telefonisch bei der
Polizei gemeldet, weil der Fahrer eines PKW "gerade dabei sei, ihn über den Haufen zu fahren". Nachdem er seinen Standort
genannt habe, sei das Telefonat abrupt beendet worden. Laut der Unfallanzeige der Stadt S vom 15.01.2007 hatte der Kläger
nach eigenen Angaben eine Verwarnung für ein vor einem Behindertenparkplatz parkendes Fahrzeug ausgestellt und war dabei,
ein Foto anzufertigen, als der Fahrer des Fahrzeugs zurückkehrte und es zum Streit kam. In dessen Verlauf sei der PKW-Fahrer
in sein Fahrzeug gestiegen, habe mit voll eingeschlagener Lenkung zurückgesetzt und dabei den auf dem Gehweg stehenden Kläger
mit dem rechten Kotflügel am rechten Knie getroffen. Der Kläger sei infolge des Anpralls nach vorne auf die Haube des PKW
gestürzt. Er habe einen Riss in der Kniescheibe, starke Schmerzen beim Beugen des Knies und beim Gehen sowie Albträume und
Angstzustände, denn er habe einen Fall rücklings auf die stark befahrene Hauptstraße nur mit Mühe vermeiden können.
Der H-Arzt Dr. N diagnostizierte am 20.12.2006 eine Knieprellung rechts. Die Allgemeinärztin Dr. M erstattete anlässlich einer
Untersuchung des Klägers am 27.12.2006 eine Unfallmeldung. Danach bestand eine Schwellung und deutliche Bewegungseinschränkung
des rechten Knies bei Kniegelenksprellung rechts und posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). Der Kläger sei psychisch
noch sehr erregt. Der am 08.01.2007 aufgesuchten Unfallchirurgin und Durchgangsärztin Dr. W1 berichtete der Kläger über Schmerzen
im rechten Knie. Mangels sichtbarer knöcherner Verletzung im Röntgenbild diagnostizierte sie eine Distorsion des rechten Knies.
Eine von ihr veranlasste Kernspinuntersuchung ergab dann jedoch eine Patellafraktur mit begleitendem Knorpelschaden und Zerrung/Dehnung
des äußeren Kollateralbandes. Aufgrund eines kleinen Begleitergusses konnte ein außerdem vorgefundener Längsriss des Innenmeniskushinterhorns
bei deutlich vorgeschädigtem Meniskus nicht ausgeschlossen werden. Dr. W1 wertete in ihrem Bericht vom 08.03.2007 die Patellafraktur
und den "winzigen Längsriss" im Innenmeniskushinterhorn bei deutlicher degenerativer Vorschädigung als traumabedingt. Eine
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus nicht verbleiben. Die Beklagte zahlte
Verletztengeld für die Zeit vom 20.12.2006 bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit am 11.02.2007.
Am 24.01.2007 wandte sich der Kläger an die Beklagte, weil er psychotherapeutische Behandlung benötige. Die Beklagte zog ein
Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse bei, aus dem sich keine Arbeitsunfähigkeitszeiten in der Vergangenheit wegen Erkrankungen
des Knies oder der Psyche ergaben. Die von ihm auf Vorschlag der Beklagten aufgesuchte psychologische Psychotherapeutin Dr.
E fasste das Ergebnis fünf probatorischer Sitzungen am 05.03.2007 dahingehend zusammen, dass bei dem Kläger eine PTBS (ICD
10 F 43.1: Typ I - kurzdauernde traumatische Ereignisse leichter Ausprägung) mit leichter spezifischer Phobie und Vermeidungsverhalten
in der Unfallfolge bestehe. Eine psychologische Testung habe unauffällige Werte im Hinblick auf Angst, Depression oder Verfälschungstendenzen
ergeben. Der Kläger vermeide trotz wiedererlangter Arbeitsfähigkeit am 12.02.2007 den Außendienst mit Feststellung von falschem
Parken. Eine Besserung zeichne sich nach Konfrontationen zum Abbau von Phobien ab, weitere Behandlung sei aber erforderlich.
Der Kläger werde nach eigenen Angaben die Vorstellung nicht los, er habe vielleicht auch nach rückwärts in den fließenden
Verkehr fallen können. Diese Vorstellung tauche manchmal nachts in seinen Albträumen auf, in denen er sich immer wieder in
den fließenden Verkehr fallen sehe.
Bei anhaltenden Kniebeschwerden wurde am 21.08.2007 eine weitere Kernspintomographie durchgeführt. Neben der von ihr nicht
als Unfallfolge gewerteten degenerativen Innenmeniskusläsion erkannte Dr. W1 eine Knorpelschädigung mit diskret beginnender
Retropatellararthrose, die aufgrund ihrer Lage dem Unfall zuzurechnen sei. Eine Funktionsbeeinträchtigung bestehe nicht, damit
auch keine MdE. Nach vorzeitigem Abschluss einer Kurzzeittherapie berichtete Dr. E am 28.10.2007, dass der Kläger nicht mehr
an Angstzuständen leide und auch sonstige relevante vegetative oder Trauma-Symptome nicht mehr aufträten. Das Schlafverhalten
sei noch nicht vollständig, aber weitgehend normalisiert.
Am 29.11.2007 teilte der seit dem 26.11.2007 wieder arbeitsunfähige Kläger der Beklagten mit, dass er sich entgegen Dr. E
nicht in der Lage sehe, seinen Beruf als Verkehrsüberwacher weiter auszuüben. Am 27.11.2007 wurde sein Arbeitsverhältnis betriebsbedingt
zum 31.03.2008 gekündigt.
Vom 07.12.2007 bis 11.12.2007 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im N-Krankenhaus C wegen eines Grand-mal-Anfalls,
den der Kläger zu Hause während des Essens gehabt habe. Nach dem Entlassungsbericht sei von einem Gelegenheitsanfall auf der
Grundlage eines beim Kläger bestehenden Diabetes auszugehen. Der Beklagten teilte der Kläger am 13.02.2008 mit, er führe alle
seine Beschwerden auf den Unfall zurück. Zwar sei es ihm zwischenzeitlich besser gegangen, nun aber wieder schlechter. Am
30.11.2007 sei gegen den Unfallverursacher verhandelt worden, der sei aber in Berufung gegangen. Die Unstimmigkeiten mit dem
Unfallverursacher und dem Arbeitgeber machten ihn krank und hätten auch den Anfall verursacht.
Vom 27.02. bis 09.04.2008 befand sich der Kläger stationär in der Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie der X-Klinik Bad
X. Im dortigen Entlassungsbericht heißt es, der Kläger habe sich durch das Verhalten des Unfallverursachers extrem bedroht
und sehr hilflos gefühlt; hieraus resultiere die aktuell noch bestehende posttraumatische Symptomatik, die aufgrund der daraus
resultierenden Arbeitslosigkeit zu einer weiteren Destabilisierung und Herabsetzung des Selbstwertgefühls geführt habe. Private
Belastungen, wie die zweimalige Operation der Ehefrau nach einem Hirntumor vor vier Jahren und der Einsatz für einen 19 Monate
alten schwerbehinderten Enkel habe er nach eigenen Angaben gut verkraftet. Als eigenes Anliegen habe der Kläger den Umgang
mit Depressionen und möglichen Zusammenhängen zu belastenden Erlebnissen und der Lebensgeschichte beschrieben. Der Kläger
wurde mit den Diagnosen PTBS, Adipositas (140 kg / 186 cm), Diabetes mellitus, div. Allergien, Psoriasis vulgaris arbeitsunfähig
und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vollschichtig leistungsfähig entlassen.
Die Beklagte zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft L bei und holte ein Aktenlagegutachten des Neurologen und Psychiaters
Dr. C vom 12.05.2008 ein. Dr. C hielt das Unfallereignis für geeignet, eine PTBS auszulösen, die allerdings nur noch in einer
leichten Teilsymptomatik vorliege. Es sei schwierig zu beurteilen, inwieweit der Unfall an der aktuellen psychischen Symptomatik
noch einen Anteil habe. Es bestehe weiterhin unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit für voraussichtlich insgesamt 78 Wochen,
im Anschluss daran werde keine rentenberechtigende MdE verbleiben, da eine PTBS in der Regel in ein bis zwei Jahren überwunden
werde.
Die Beklagte zahlte Verletztengeld ab 07.01.2008 bis zum Beginn einer von der gesetzlichen Rentenversicherung rückwirkend
ab 01.06.2008 gezahlten Erwerbsminderungsrente am 12.08.2008.
Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie G behandelte den Kläger am 25.06.2008 und diagnostizierte Angst und Depression
gemischt mit Schlafstörungen, Angst- und Panikattacken (F 41.2). Die Stimmung sei deutlich ängstlich getönt, der Patient aggravierend.
Eine ambulante Behandlung über 50 Stunden zur Reduktion der ängstlich-depressiven Symptome sei angezeigt.
Am 08.09.2008 erlitt der Kläger beim Sturz von einem Fahrradergometer ein Schädel-Hirn-Trauma Grad III mit Schädelbasisfraktur
und multiplen Mittelgesichtsfrakturen. Ab 29.09.2008 war der Kläger bei der Ärztin für Psychiatrie K in Behandlung, die auf
ihrem Fachgebiet die Diagnosen PTBS (F 43.1), rez. z.Zt. schwere dekompensierte agitierte depressive Störung (F 32.3), Angst
und depressive Störung gemischt (F 41.2), generalisierte Angsterkrankung (F 41.1), depressive Störung mit somatischen Symptomen
(F 33.11), psychogene Umkehr des Tag-/Nacht-Rhythmus (F 51.2), Organphobie (Herzangst) mit Panikattacken (F 41.0), nicht organische
Insomnie (F 51.0), Erschöpfungssyndrom (F 48.0), sowie hirnorganisches Anfallsleiden, einmalig Grand mal (G 40.6) stellte.
Der Kläger sei weiterhin nicht arbeitsfähig.
Die Beklagte holte ein nervenärztliches Gutachten des Facharztes für Nervenheilkunde, Physikalische und Rehabilitative Medizin
Dr. Dr. X (vom 07.12.2009) mit klinisch-psychologischem Zusatzgutachten vom 06.11.2009 der Dipl. Psychologin S ein. Letztere
kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger nach dem Unfall vom 20.12.2006 eine Anpassungsstörung entwickelt habe, dass aber die
aktuell beklagten Symptome eher nicht mehr im Rahmen dieser Anpassungsstörung und damit unfallabhängig zu interpretieren seien,
sondern es vielmehr zu einer Verschiebung der Wesensgrundlage auf der Basis vorbestehender finanzieller Probleme mit Privatinsolvenz
2006, sowie unbefriedigender beruflicher und persönlicher Situation gekommen sei, in deren Rahmen das Unfallgeschehen inzwischen
funktionalisiert werde. Dr. Dr. X stellte bei dem Kläger eine unfallunabhängige Agoraphobie mit Panikstörung, einen Z.n. (Zustand
nach) Grand-mal-Anfall und Schädel-Hirn-Trauma Grad III mit Schädelbasisfrakturen und multiplen Mittelgesichtsfrakturen und
nachfolgend aufgetretenen kognitiven Leistungseinschränkungen, eine Übergewichtigkeit, einen Diabetes mellitus, einen Z.n.
Divertikulitis-Operation 2002, einen Z.n. Schilddrüsenentfernung 2009 sowie eine zurückgebildete Anpassungsstörung fest. Folgen
des Unfalls vom 20.12.2006 lägen nach zwischenzeitlicher Rückbildung der Anpassungsstörung nicht vor. Die MdE liege unter
10 v.H. Wegen des Ergebnisses der Begutachtung im Übrigen wird auf die beiden genannten Gutachten Bezug genommen.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 01.03.2010 den Unfall des Klägers vom 20.12.2006 als Arbeitsunfall und als dessen Folge
einen folgenlos ausgeheilten Riss der Kniescheibe rechts und eine vollständig zurückgebildete Anpassungsstörung an. Unfallbedingte
Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 17.06.2008 bestanden. Eine MdE in rentenberechtigendem Grade
habe nicht über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus bestanden.
Hiergegen legte der Kläger am 08.03.2010 Widerspruch ein. Der kausale Zusammenhang zwischen dem Unfall und der daraus entstandenen
Arbeitssituation (Mobbing) sei den Daten eindeutig zu entnehmen. Am 30.11.2007 sei das verkehrsrechtliche Urteil gegen den
Verursacher gesprochen worden, die Einspruchsfrist sei bis 07.12.2007 gelaufen. Aufgrund seiner Vermutung, der Verursacher
werde den Widerspruch einlegen und seiner damals schon bestehenden Depression habe er am Abend des 07.12.2007 einen totalen
Zusammenbruch erlitten, der letztlich zum Aufenthalt in der X-Klinik und zur Berentung geführt habe. Im Schwerbehindertenverfahren
sei ihm von dem neur./psych. Sachverständigen des Sozialgerichts Köln ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 attestiert worden.
Offenbar sei das Gutachten von Dr. Dr. X nicht neutral. Es enthalte auch zahlreiche Fehler.
Am 09.03.2010 wandte sich die behandelnde Psychiaterin K nach Beendigung der Heilbehandlung durch die Beklagte an diese. Der
Ablehnungsbescheid der Beklagten habe den Kläger in eine akute suizidale Krise geführt, die sie nur durch eine ausführliche
telefonische Intervention und Verordnung von Tavor® habe stabilisieren können. Die Behandlung seit dem 29.09.2008 sei durch
laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erschwert worden, weshalb weder der gewünschte Therapieerfolg erzielt, noch ein
schriftlicher Bericht über die Behandlung habe erstellt werden können. Wegen der Notwendigkeit der Fortführung der Medikation
und des zu ihr bestehenden Vertrauensverhältnisses sei ein Behandlungsabbruch kontraproduktiv, zumal durch die Verordnung
eines Therapiehundes eine Stimmungsverbesserung gelungen sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers unter Bezugnahme auf die von ihr eingeholten Gutachten zurück (Bescheid vom
21.05.2010). Der im Schwerbehindertenverfahren von dem Neurologen und Psychiater Dr. H festgestellte GdB von 40 sei nicht
auf die unfallrechtliche MdE übertragbar.
Hiergegen hat der Kläger am 28.05.2010 Klage erhoben.
Der Kläger hat vorgetragen, in dem Gutachten von Dr. H sei der kausale Zusammenhang klar dargelegt. Er hat einen Entlassungsbericht
der X-Klinik aus einem erneuten Heilverfahren dort vom 26.05.2010 bis 23.06.2010 vorgelegt, wo er mit den Diagnosen PTBS,
kombinierte narzisstisch-anankastische Persönlichkeitsstörung, insulinpflichtiger Diabetes, Adipositas, Hypothyreose und Strumektomie
als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitsunfähig entlassen worden war. Testpsychologisch hatten sich auffällige Werte in
der Depressionsskala und ADS-K und der Borderline Symptom Checkliste BSL ergeben. Der Kläger leide nach eigenen Angaben stark
unter Intrusionen, allgemein auf Italien bezogen, weil der Täter Italiener gewesen sei und versuche, sich durch ausgeprägtes
Vermeidungsverhalten zu stabilisieren. Er habe sich in der Unfallsituation extrem bedroht und hilflos gefühlt. Hieraus resultiere
die aktuell noch bestehende posttraumatische Symptomatik, die aufgrund der bestehenden Arbeitslosigkeit zu einer weiteren
Destabilisierung und Herabsetzung des Selbstwertgefühles geführt habe. Hinzu komme die instabile und narzisstische Persönlichkeit.
Die andauernden Verfahren trügen zur Aufrechterhaltung der Symptomatik bei, gleichzeitig sei der starke Wunsch des Patienten
nach Gerechtigkeit und Wiedergutmachung nachvollziehbar.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Klageakten des SG Köln (S 31 SB 137/08) im Schwerbehindertenverfahren mit den darin enthaltenen Gutachten des Orthopäden Dr. U vom 12.02.2009, des Neurologen, Psychiaters
und Psychotherapeuten Dr. H vom 24.03.2009 und des Facharztes für Innere Medizin - Geriatrie, Rheumatologie, Psychotherapie
- Dr. L. Auf den Inhalt der genannten Gutachten wird Bezug genommen. Bei Dr. H, dessen Auftrag keine Kausalitätsfragen umfasste,
gab der Kläger an, er sei in der Unfallsituation emotional eher ruhig geblieben, seine Probleme seien erst im Anschluss daran
in sich steigernder Form aufgetreten. Auf der Erlebnis- und Bewertungsebene zeige sich, so Dr. H, ein sehr komplexes, sehr
schwierig in herkömmlichen Rastern zu fassendes Bild. Der sehr geradlinige, mit sehr hohem Gerechtigkeitsanspruch ausgestattete
Kläger sei durch das Ereignis im Dezember 2006 erheblich in seiner sozialen Integrität gestört worden. Es zeigten sich inzwischen
zusätzlich deutliche Zeichen einer Verbitterung aufgrund zusätzlicher Traumatisierung durch das als inadäquat empfundene Verhalten
des Arbeitgebers. Bei dem Kläger bestehe eine Reaktion auf schwere Belastung (ICD 10 F 43.8) mit diffusen, zum Teil zentrierten
Ängsten, Labilisierung der Affektlage, sozialem Rückzug und ausgeprägten Schlafstörungen. Der GdB betrage insoweit 40. Eine
PTBS liege in Ermangelung des sog. "A-Kriteriums" nicht vor. Der einmalige hirnorganische Anfall lasse ein Dauerleiden nicht
erwarten und verursache keinen GdB.
Das Sozialgericht hat sodann ein Sachverständigengutachten eingeholt von Dr. W, Arzt für Neurologie und Psychiatrie im St.
F-Krankenhaus in W, vom 13.04.2011. Auf den Inhalt des Gutachtens wird Bezug genommen. Dr. W sah die Eingangskriterien für
eine PTBS in keiner Weise als erfüllt an. Weder habe sich der Kläger bei dem Unfall ernst oder gar lebensbedrohlich verletzt,
noch habe er sich im Zustand der Hilflosigkeit befunden. Bezüglich auch den Unfall einbeziehender Albträume sei die Symptomatik
einer PTBS nicht erfüllt. Die nachfolgenden affektiven Auslenkungen seien ganz wesentlich auf die rechtlichen Auseinandersetzungen
mit dem Arbeitgeber und dem Unfallgegner zurückzuführen. Zwar gebe es keinen Anhalt für eine vorbestehende psychische Erkrankung
des Klägers. Es sei allerdings spätestens im Jahre 2008 zu einer mittlerweile rezidivierend und phasenhaft verlaufenden, zeitweilig
schwergradigen, aber unfallunabhängigen depressiven Störung gekommen.
Der Kläger hat gegen das Gutachten eingewandt, ob man seine Erkrankung PTBS oder anders nenne, sei für die Klage nicht erheblich.
Der Zusammenhang ergebe sich ohne weiteres aus dem Zeitablauf (Ereignis am 20.12.2006, Erkrankung daraus bis Februar 2007,
danach auftretende Lügen des Unfallverursachers, Mobbing und massive Drohungen seitens des Arbeitgebers, psychische Überlastung
mit Grand-mal-Anfall im Zusammenhang mit dem verkehrsrechtlichen Verfahren gegen den Verursacher, Kündigung durch den Arbeitgeber,
spätestens ab 2008 schwergradige depressive Störungen, wie von Dr. W bestätigt).
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2010 zu verurteilen,
ihm eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf das Gutachten von Dr. Dr. X bezogen. Es sei nach Abklingen der Anpassungsstörung zu einer Verschiebung der
Wesensgrundlage insoweit gekommen, als die Erkrankung des Klägers durch unfallunabhängige Belastungsfaktoren - anhaltende
Arbeitslosigkeit, Zukunftsängste, laufende Privatinsolvenz, Belastungen im familiären Umfeld, Schädelbasisfraktur mit neurochirurgischer
Operation 2008 - aufrecht erhalten werde.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.11.2011, dem Kläger zugestellt am 18.11.2011, abgewiesen und ist in seiner
Begründung im Wesentlichen Dr. W gefolgt. Auf die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils wird verwiesen.
Mit seiner am 13.12.2011 eingegangenen Berufung trägt der Kläger vor, es habe bei dem Unfall durchaus die Möglichkeit einer
lebensbedrohlichen Verletzung gegeben, wenn er nämlich nicht nach vorne auf die Motorhaube, sondern nach hinten mit dem Kopf
in den fließenden Verkehr auf der vorbeiführenden Straße gefallen wäre. Diese Möglichkeit der Fallrichtung habe in einem verkehrsrechtlichen
Verfahren ein anderes Gutachten anhand einer Rekonstruktion des Unfalls mit Fotodokumentation bestätigt. Ab Oktober 2007 hätten
seine schon zuvor vorhandenen Albträume, in denen er in den fließenden Verkehr falle, wieder zugenommen. Die PTBS sei nach
März 2007 nicht weggefallen, sondern durch verschiedene berufliche Vorgänge nur vorübergehend unterdrückt worden. Der Verlauf
der Erkrankung sei dann durch Mobbing im Beruf und die anstehenden Verhandlungen wieder sehr verstärkt worden und habe sich
dann am 07.12.2007 in seinem körperlichen Zusammenbruch entladen. Das Gutachten sei nicht verwertbar, da er unter Medikamenten
gestanden habe.
Der Kläger beantragt schriftlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.11.2011 zu ändern und nach seinem erstinstanzlich gestellten Antrag zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält insbesondere die Gutachten der Sachverständigen Dr. W und Dr. Dr. X für überzeugend.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. W vom 15.05.2012 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, der Unfall des Klägers
sei nicht mit der Möglichkeit einer lebensbedrohlichen Verletzung einhergegangen. Die vom Kläger beschriebenen Albträume seien
nicht mit der Symptomatik einer PTBS in Einklang zu bringen. Bei der bei dem Kläger aufgetretenen Depression handele es sich
um eine schicksalhaft aufgetretene Erkrankung, wie sie nach epidemiologischen Erkenntnissen bei 10 bis 15% der Bevölkerung
auftrete.
Auf Antrag des Klägers nach §
109 SGG hat der Senat sodann ein Gutachten der weiterhin behandelnden Psychiaterin K eingeholt. Auf den Inhalt des Gutachtens vom
04.03.2013 wird Bezug genommen. Frau K ist zusammenfassend zu dem Ergebnis gekommen, dass Dr. W die beschreibenden Texte zur
PTBS im ICD 10 und im DSM-IV falsch interpretiere, da schon alleine die - von ihr hier bejahte - Möglichkeit einer todbringenden
Verletzung die Kausalität begründen könne. Da ihrer Ansicht nach die Kausalität bewiesen sei, der Kläger die Symptome einer
PTBS in voller Ausprägung aufweise und keine anderen traumatischen Ereignisse in dieser Zeit erlitten habe, die geeignet gewesen
wären, eine PTBS auszulösen, sei die Auffassung von Dr. W widerlegt. Der Grad der MdE liege in Anwendung der GdB-Tabelle bei
60% (entsprechend der Einschätzung einer Teilerwerbsfähigkeit in der Reha) bis einschließlich Juni 2010, danach bei 100% (volle
Erwerbsminderung im zweiten Reha-Bericht der X-Klinik). Die Beklagte hat sich von Neurologin und Psychiaterin Dr. X1 beraten
lassen, die die Auffassung vertreten hat, dass das Gutachten der Sachverständigen K wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genüge,
wesentliche formale Inhalte - wie etwa eine Anamnese - vermissen lasse und eher ein Plädoyer für den Kläger und für ihre als
behandelnde Ärztin seit 2008 gestellte Diagnose einer PTBS darstelle. Auch die Ermittlung des Grades der MdE lasse mangelnde
Erfahrung der Sachverständigen in der Beurteilung von Unfallfolgen erkennen. Bei dem Kläger sei als Unfallfolge eine abgeklungene
Anpassungsstörung nach Kniegelenksverletzung rechts vorhanden, die - in Übereinstimmung mit Dr. Dr. X und Dr. W - keine MdE
bedinge.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 31.07.2013 hat die Sachverständige K mitgeteilt, sie habe bisher noch keine Erfahrung
mit Gutachten für Sozialgerichte und hat eine Anamnese nachgereicht. Die Bezeichnung ihres Gutachtens als Plädoyer für den
Versicherten und Begründung ihrer Diagnose empfinde sie als unangemessen, da sie den Kläger wegen dieser Diagnose behandele
und dementsprechend auch alle entsprechenden Symptome aufführen müsse. Hingegen hätten die übrigen Sachverständigen den Kläger
jeweils nur wenige Stunden gesehen, in denen er zudem hochdosiert unter Beruhigungsmitteln gestanden habe. Das Argument, dass
für den Kläger keine lebensbedrohende Situation bestanden habe, sei nicht haltbar, da er für Sekundenbruchteile tatsächlich
in Gefahr gewesen sei, rückwärts unter den rollenden Verkehr zu geraten. Die Todesangst dieses Moments wiederhole sich seither
in allen Flashbacks und Albträumen des Klägers. Der sei weiterhin nicht in der Lage, den Ortsteil aufzusuchen, in dem er dem
Verursacher begegnen könnte und leide weiterhin unter im Einzelnen näher beschriebenen anhaltenden Symptomen erhöhter psychischer
Sensitivität und Erregung. Dies seien eindeutig Kriterien einer PTBS. Die Kausalität sei gegeben, da der Kläger vor dem Unfall
nie psychisch auffällig war und "alle Beschwerden sich eindeutig auf diesen Vorfall ziehen und somit als Unfallfolge anzusehen"
seien.
Auch Dr. W hat unter dem 26.09.2013 ergänzend Stellung genommen und kritisiert, dass die Sachverständige K mögliche konkurrierende
Ursachen gar nicht diskutiere. Ihre Bewertung der Symptomatik teile er nicht. Die von ihr nachgereichte Anamnese enthalte
keine Hinweise auf körperliche oder nervenärztliche Gesundheitsstörungen.
In seinen Stellungnahmen zum Beweisergebnis vertritt der Kläger die Auffassung, die Sachverständige K kenne ihn als behandelnde
Ärztin am besten und sei deshalb besonders geeignet, ein Gutachten über ihn zu erstatten. Er legt ein Strafurteil des Amtsgerichts
C vom 30.11.2007 vor, das den Unfallverursacher wegen fahrlässiger Körperverletzung und Unfallflucht zu einer Geldstrafe verurteilt
hat.
Außerdem hat der Kläger ein in seinem Zivilverfahren gegen den Verursacher erstattetes psychiatrisches Gutachten von Dr. L,
Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik L vom 20.08.2013 mit testpsychologischem
Zusatzgutachten von Prof. Dr. T vom 23.04.2013 vorgelegt. Prof. Dr. T hat ausgeführt, im Rahmen der Persönlichkeitsdiagnostik
zeige der Kläger eine Tendenz, Items wahllos mit "Richtig" zu beantworten. Es ergäben sich Hinweise darauf, dass er ungünstige
Aspekte seines Erlebens und Verhaltens dissimuliere. Hohe Werte auf den sog. Seltenheitsskalen wiesen auf eine auffällig übertreibende
Darstellung von Symptomen hin. Der Kläger übertreibe seine Beschwerden und seine psychopathologischen Symptome in extremem
Maße. Die Beschreibung seines Selbsterlebens falle allenthalben zufällig und unplausibel aus. Auch in der Kontrollskalenauswertung
im MMPI ("Minnesota Multiphasic Personality Inventory", einer der weltweit am häufigsten verwendeten Persönlichkeitstests
in der klinischen Psychologie und Psychiatrie) ergebe sich eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger sein Leiden übertreibe.
Auf der FBS-Skala, deren Sensitivität für die Übertreibung neurokognitiver und somatischer Beschwerden im MMPI im Rahmen von
Gerichtsverfahren in einer beachtlichen Anzahl von Veröffentlichungen beschrieben werde, erreiche der Kläger einen höheren
Wert als alle 2600 Teilnehmer der angelsächsischen Normstichprobe. Der Rohwert des Klägers sei so hoch, dass eine Vergleichbarkeit
mit klinischen Stichproben wie Depression, Psychose oder PTBS praktisch ausgeschlossen sei. In der sog. Ds-Skala produziere
der Kläger eine Antworttendenz, die durch stereotype Vorstellungen über psychiatrische Erkrankungen geleitet sei. In allen
psychopathologischen Skalen zeige sich eine extrem große Diskrepanz zwischen deren "offensichtlichen" und "subtilen" Anteilen
zugunsten der ersteren, so dass der Verdacht erheblicher, motivierter Aggravation unübersehbar sei. Inhaltlich sei nicht davon
auszugehen, dass die Angaben des Klägers seinem wahren Erlebnishintergrund entsprächen. Im Persönlichkeits-Pathologie-Fragebogen
(DAPP-BQ) nach Livesley erreiche der Kläger auf der sog. "Lügen-Skala" einen hohen Wert - von 95% der Altersgruppe wären in
diesem Verfahren ehrlichere Antworten zu erwarten. Der Befund weise außerdem auf starke Tendenzen, die eigenen psychopathologischen
Symptome zu übertreiben und soziale Auffälligkeiten zu dissimulieren. Zusammenfassend zeige der Kläger in der psychologischen
Testung bei überdurchschnittlicher Primärintelligenz hochgradige Unplausibilitäten bei der Beschreibung seiner subjektiven
Erlebnisse. Er habe in den Fragebogen in untypischer Weise somatische, emotional-instabile, paranoide, affektive und psychotische
Beschwerden dargestellt, so dass sich in klinisch unplausibler Weise generalisiert in fast allen psychopathologischen Diagnosekategorien
extrem auffällige Normabweichungen beobachten ließen, die nur schwer auf einem realen Erlebnishintergrund erklärbar seien.
Demgegenüber hat Prof. Dr. L im Hauptgutachten zusammenfassend die Schilderung des Klägers als glaubhaft gewertet und eine
erhebliche Funktionseinschränkung im Berufsleben und im gesamten Lebensbereich mit ausgeprägtem Vermeidungsverhalten, sozialem
Rückzug, Interessenverlust und Schlafstörungen als gegeben angesehen. Der Kläger hatte dort angegeben, am Tag nach dem Unfall
habe sich bei ihm die Vorstellung entwickelt, er habe auch nach hinten in den fließenden Verkehr fallen können. Zwar liege
mangels eines ausreichend schwerwiegenden Unfallereignisses keine PTBS bei dem Kläger vor, jedoch seien die Diagnosekriterien
einer Anpassungsstörung erfüllt, wobei die lange Dauer der Erkrankung eine Änderung der klassifikatorischen Einordnung des
Syndroms als "mittelschwer agitierte Depression, depressive Störung mit somatischen Symptomen" entsprechend der Vordiagnose
durch die behandelnde Psychiaterin erforderlich mache. Ein Zusammenhang mit dem Unfall müsse angenommen werden, so dass bei
dem Kläger Gesundheitsstörungen bestünden, die ursächlich im Sinne der Entstehung auf das Unfallgeschehen zurückzuführen seien
und durch berufliche, finanzielle und andere belastende psychosoziale Belastungsfaktoren wie laufende Prozessverfahren aufrechterhalten
würden. Letztere seien nicht verursachend, trügen aber zur Chronifizierung bei.
Vom Senat erneut um ergänzende Stellungnahme gebeten, hat Dr. W unter dem 29.03.2014 dem Gutachten von Prof. Dr. L eine detaillierte
Würdigung vermeintlich traumatisierender Folgen des Ereignisses vom 20.12.2006 nicht entnehmen können. Den Ergebnissen der
Zusatzbegutachtung werde kaum Beachtung geschenkt.
Schließlich hat der Kläger ein Gutachten zur Unfallrekonstruktion für das Landgericht Köln durch Dipl.-Ing. N vom 26.07.2011
vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass bei der vom Kläger beschriebenen Rückwärtsfahrt seines Unfallgegners die erlittene Knieverletzung
zwanglos möglich war. Nach den der Rekonstruktion beigefügten Lichtbildern erfolgte der Anstoß in paralleler Richtung zur
noch durch einen 3 Meter breiten Fahrradweg von der Fahrbahn getrennten Hauptstraße. Da der Anstoß des Fahrzeuges unterhalb
des Körperschwerpunktes des Klägers erfolgt sei, sei der Kläger auf die Motorhaube des Fahrzeugs "aufgeladen" worden.
Dazu angehört, dass nach dem Gutachten die Fallrichtung nur nach vorne auf die Motorhaube gerichtet sein konnte, hat der Kläger
eingewandt, er habe, wenn er sich nur eine Zehntelsekunde früher bewegt hätte, nach hinten in den fließenden Verkehr fallen
können.
Mit vom Kläger vorgelegtem Urteil vom 11.02.2014 hat das Landgericht Köln den Unfallgegner des Klägers verurteilt, diesem
für erlittene Unfallschäden Schadenersatz zu leisten. Dabei hat es nach mündlicher Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr.
L zu den Unfallfolgen auch die beim Kläger bestehende Depression gezählt. Ausweislich seiner in dem landgerichtlichen Urteil,
das insoweit in Bezug genommen wird, wiedergegebenen mündlichen Angaben hat sich Prof. Dr. L dahingehend eingelassen, dass
das testpsychologische Gutachten von Dr. T trotz der festgestellten Simulationstendenzen seine Einschätzung nicht widerlege.
Der Kläger sei bereits zweimal zuvor testpsychologisch untersucht worden. Während Ende 2007 Dr. E valide Testergebnisse erhoben
habe, hätten sich bei der Befragung im Heilverfahren in der X-Klinik 2010 bereits auffällige Ergebnisse gezeigt. Insoweit
sei es plausibel, dass der Kläger aufgrund des lange dauernden Prozesses ein Bedürfnis gehabt habe, seinen Leidensdruck massiv
zu dokumentieren und seine Beschwerden übertrieben darzustellen. Die klinischen Schilderungen seien für sich betrachtet immer
stimmig gewesen, so dass aus dem Gutachten von Prof. Dr. T nicht auf Übertreibungen und Simulationen auch in der Vergangenheit
geschlossen werden könne. Dies könne zwar nicht ausgeschlossen werden, da aber sämtliche dokumentierten Vorgänge und klinischen
Umstände in sich stimmig seien, komme er zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger aufgrund des Unfalls die geschilderten psychologischen
Folgen aufgetreten seien und nicht lediglich simuliert würden.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann über die Berufung entscheiden, obwohl die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend und nicht
vertreten waren, da sie in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden waren.
Die gemäß §§
143 und
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte, nach §
151 SGG frist- sowie formgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht
hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger, dessen Erwerbsfähigkeit aus keinem anderen Arbeitsunfall oder wegen Berufskrankheit um wenigstens 10 v.H. gemindert
ist, hat keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 20.12.2006. Der diesen Anspruch
ablehnende Bescheid der Beklagten vom 01.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2010 ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Bei dem Kläger sind als Unfallfolgen eine ausgeheilte Kniegelenksverletzung rechts
und eine abgeklungene Anpassungsstörung vorhanden, die über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus keine MdE um wenigstens 20
v.H. verursacht haben. Der Senat hat sich nicht davon überzeugen können, dass daneben weitere Erkrankungen des Klägers auf
neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet mit Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 20.12.2006 zurückzuführen sind. Zu Recht
hat die Beklagte deshalb einen rentenberechtigenden Grad der MdE verneint.
Als Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Klägers auf Rente kommen §§
7,
8 und
56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) in Betracht. Danach sind Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§
7 Abs.
1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (§
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder
zum Tod führen (§
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII). Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert
ist, haben Anspruch auf eine Rente (§
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VII). Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen
oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§
56 Abs.
2 Satz 1
SGB VII), also auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der
versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis
als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das
Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).
Für die Gewährung von Verletztenrente ist erforderlich, dass länger andauernde Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens
entstanden sind (haftungsausfüllende Kausalität) und eine hierdurch bedingte MdE um mindestens 20 v. H. erreicht wird.
Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses, der Gesundheitserstschaden und die hierdurch
verursachten länger andauernden Unfallfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich
ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast
zu Lasten des Versicherten.
Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre
von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings
die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang
spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste
Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über
die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen.
Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche
oder seelische Störung hervorzurufen.
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen
ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche
nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise
Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein
relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es auch war, ist unerheblich. "Wesentlich"
ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern
rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange keine andere
Ursache eine überragende Bedeutung hat. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen
von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursachen im Sinne des Sozialrechts.
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten
Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die evtl. konkurrierende
Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens, ferner das Verhalten des
Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend
kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende
Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt keine Beweisregel des Inhalts, dass bei fehlender Alternativursache
das angeschuldigte Ereignis die Ursache ist oder dass die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache
im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen
zu einer Beweislastumkehr führen würde.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze (vgl. zum Vorstehenden BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R; BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R) hat der zum Unfallzeitpunkt unter Versicherungsschutz stehende Kläger aufgrund des anerkannten Arbeitsunfalls vom 20.12.2006
keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente.
Zwischen den Beteiligten steht aufgrund des Bescheides der Beklagten vom 01.03.2010 fest, dass der Kläger am 20.12.2006 bei
versicherter Tätigkeit einen in die Verbandszuständigkeit der Beklagten fallenden Arbeitsunfall und als dessen Folge (mindestens)
einen folgenlos ausgeheilten Riss der Kniescheibe rechts und eine vollständig zurückgebildete Anpassungsstörung erlitten hat.
Diese Gesundheitsschäden bedingen über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus keine rentenberechtigende MdE um wenigstens
20 v.H. Weitere Unfallfolgen, die in der Gesamtschau zu einer solchen MdE führen, sind nicht festzustellen.
Gesundheitserstschäden, also abgrenzbare Gesundheitsschäden, die unmittelbar durch die versicherte Verrichtung objektiv und
rechtlich wesentlich verursacht sind (BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R) liegen beim Kläger über die Kniescheibenverletzung und die abgelaufene Anpassungsstörung hinaus nicht vor, insbesondere
keine Gesundheitsschäden auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet.
Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge ist zunächst die Feststellung der konkreten
Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern und zwar aufgrund eines der üblichen
Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist
(BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 40/05 R, B 2 U 1/05 R, B 2 U 26/04 R).
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass bei dem Kläger eine PTBS vorliegt,
wie dies insbesondere Dr. K in ihren Befundberichten und in ihrem Gutachten, aber auch die Hausärztin Dr. M, die Ärzte der
X-Klinik und die behandelnde Psychologin Dr. E vertreten haben. Dr. Dr. X, Dr. W, Dr. H und Prof. Dr. L haben diese Diagnose
verneint, weil es an dem sog. "A-" bzw. "A1-Kriterium" fehle. Dies überzeugt den Senat, weil sich die Sachverständigen für
ihre Auffassung auf die einschlägigen Diagnosemanuale stützen können. Hierbei ist nach gegenwärtigem Stand der Wissenschaft
noch auf die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme - 10. Revision
- (ICD 10) und das Diagnostische und Statistische Manual psychischer Störungen - Textrevision - (DSM-IV-TR) zurückzugreifen.
Auch das zwischenzeitlich seit Mai 2013 als Nachfolger des DSM-IV-TR in englischer Sprache vorliegende diagnostische und statistische
Manual 5. Auflage (DSM-5) stützt aber dieses Ergebnis.
Bei der posttraumatischen Belastungsstörung handelt es sich - soweit Diagnosesysteme in deutscher Sprache vorliegen - um eine
Gesundheitsstörung nach ICD-10 F 43.1 beziehungsweise DSM-IV-TR 309.81 (zum DSM-5 siehe unten). Nach ICD-10 F 43.1 besagt
das sog. Traumakriterium (A-Kriterium) folgendes: Die posttraumatische Belastungsstörung entsteht als eine verzögerte oder
protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher
Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Nach DSM-IV-TR 309.81
gilt hinsichtlich des A-Kriteriums: Das Hauptmerkmal der posttraumatischen Belastungsstörung ist die Entwicklung charakteristischer
Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumatische Ereignis beinhaltet unter anderem
das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder
einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat (Kriterium A1). Die Reaktion der Person auf das Ereignis
muss intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfassen (Kriterium A2). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Zwar zog der Arbeitsunfall mit der Verletzung des rechten Knies eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des
Klägers nach sich. Die vergleichsweise wenig beeinträchtigende Knieverletzung des Klägers kann aber einer außergewöhnlichen
Bedrohung katastrophenartigen Ausmaßes im Sinne des ICD-10 nicht gleichgesetzt werden. Es handelte sich auch nicht um das
Erleben einer Situation, die mit der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen
Unversehrtheit zu tun gehabt hat, so dass auch das Kriterium A1 nach DSM-IV-TR nicht erfüllt ist. Denn nicht jede erlebte
Körperverletzung genügt, um dieses Kriterium zu erfüllen. Vielmehr muss es sich - wie es zum DSM-IV-TR 309.81 unter dem Stichwort
"Differentialdiagnose" heißt - um ein Ereignis extremer, z.B. lebensbedrohlicher Natur handeln. Die Knieverletzung des Klägers
erfüllte dieses Ausmaß der Verletzung oder Bedrohung bei weitem nicht. Bei dem Kläger bestand ausweislich der Unfallrekonstruktion
durch Dipl.-Ing. N auch zu keinem Zeitpunkt die Gefahr, nach hinten über die verbleibende Breite des Radwegs hinaus in den
fließenden Verkehr zu fallen. Denn aufgrund der Anstoßhöhe und -richtung kam nach dessen für den Senat gut nachvollziehbarer
und überzeugender Darstellung nur eine Fallrichtung nach vorne auf die Motorhaube des rückwärtsfahrenden PKW des Unfallverursachers
in Frage, also in von der Straße abgewandter Richtung. Der Kläger hatte nach eigenen Angaben auch im Zeitpunkt des Unfalls
noch nicht - wie von der behandelnden Psychiaterin K unterstellt - die panische Sorge, nach hinten auf die Straße zu fallen,
sondern die - unter Berücksichtigung der Unfallrekonstruktion realitätsferne - Vorstellung der Möglichkeit eines solchen Unfallverlaufs
entwickelte sich bei ihm erst im Laufe des folgenden Tages.
Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aufgrund des bisher erst in englischer Sprache vorliegenden Diagnosesystems
DSM-5. Dazu kann vorliegend offen bleiben, ob dieses Manual mangels einer autorisierten deutschen Übersetzung schon hinreichende
Grundlage für gutachtliche Empfehlungen und wissenschaftlich begründete Gutachten sein kann (verneinend: Stevens/Fabra, Die
Begutachtung der Posttraumatischen Belastungsstörung, VersMed 2013, 191 ff.). Denn auch nach DSM-5 (sinngemäß nach den nicht
autorisierten Übersetzungen bei Dressing/Foerster, Der Nervenarzt 2014, 279, 283; Stevens/Fabra, VersMed 2013, 191, 193) erfordert
das A-Kriterium, dass der Betroffene tatsächlich ausgesetzt ist - oder bedroht wird durch - Tod, schwerwiegende Verletzung
oder sexuelle Gewalt im Wege des direkten Erlebens eines dieser traumatischen Ereignisse (bzw. - hier nicht einschlägig -
unter bestimmten Voraussetzungen als Ersthelfer, Augenzeuge oder Empfänger der Nachricht), eine Voraussetzung, die bei der
zunächst als bloße Prellung missdeuteten und dann alsbald verheilten Fraktur der Kniescheibe des Klägers nicht in der erforderlichen
Schwere gegeben ist.
Allerdings hat der Kläger aufgrund des Arbeitsunfalls eine Anpassungsstörung erlitten, die sich jedoch im Laufe der deshalb
sogar vorzeitig beendeten Behandlung durch Dr. E kontinuierlich gebessert hatte und schließlich abgeklungen war. Ausweislich
des Berichts von Dr. E vom 28.10.2007 litt der Kläger nicht mehr an Angstzuständen und auch sonstige relevante vegetative
oder Trauma-Symptome traten nicht mehr auf. Es ist deshalb für den Senat überzeugend, wenn Dr. Dr. X und Dr. W eine rentenberechtigende
MdE über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus verneinen.
Hinsichtlich der beim Kläger später neu aufgetretenen Beschwerden fehlt es zur Überzeugung des Senats bereits am naturwissenschaftlichen
Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen. Dabei kann offen bleiben, aus welcher genauen alternativen Ursache die beim Kläger in
der weiteren Folge aufgetretenen psychischen, als Depression und Angststörung diagnostizierten Erkrankungen entstanden sind.
Zwar kann grundsätzlich ohne klare Feststellung der naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhänge hinsichtlich der geltend
gemachten Gesundheitsstörung keine zuverlässige Ursachenbeurteilung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung in Abwägung
der verschiedenen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache erfolgen; andernfalls könnten die Ereignisse
und Ursachen nicht zueinander in Verhältnis gesetzt und nicht in die Krankheitsgeschichte des Verletzten eingeordnet werden
(BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 26/04 R). Der Senat entnimmt aber dem insoweit überzeugend und nachvollziehbar begründeten Gutachten von Dr. W, dass die psychische
Erkrankung des Klägers nach epidemiologischen Erkenntnissen bei 10 bis 15% der Bevölkerung schicksalhaft, also ohne klare
kausale Zuordnung zu einem auslösenden Ereignis auftritt. Der Senat hält schon deshalb - aus den nachstehend erläuterten Gründen
- die von Dr. Dr. X in seinem für die Beklagte erstellten Gutachten vom 07.12.2009 vertretene und von Dr. W bestätigte Auffassung
für plausibel, dass diese Symptome des Klägers eher nicht mehr im Rahmen der unfallbedingten Anpassungsstörung sondern als
unfallunabhängig zu interpretieren seien. Er ist aber darüber hinaus davon überzeugt, dass jedenfalls angesichts des zeitlichen
Ablaufs der Erkrankung des Klägers andere konkurrierende Ursachen in den Vordergrund getreten sind, die zumindest im Sinne
der von Dr. Dr. X gesehenen "Verschiebung der Wesensgrundlage" nach dem 28.10.2007 die allein wesentlichen Ursachen für die
beim Kläger aufgetretenen psychischen Gesundheitsschäden sind. Denn erst mit einigem zeitlichen Abstand nach der wieder eingetretenen
Arbeitsfähigkeit des Klägers im Februar 2007 traten von diesem als Mobbing bezeichnete Unstimmigkeiten am Arbeitsplatz auf,
die in eine "betriebsbedingte" Kündigung des daraufhin seit dem 26.11.2007 wieder arbeitsunfähigen Klägers am 27.11.2007 mündeten.
Zwei Tage später, am 29.11.2007, teilte der Kläger mit, dass er sich entgegen Dr. E nicht in der Lage sehe, seinen Beruf als
Verkehrsüberwacher weiter auszuüben. Wieder wenige Tage später, am 07.12.2007, erlitt der Kläger einen Grand-mal-Anfall. Die
Annahme von Dr. Dr. X, der insoweit eine Verschiebung der Wesensgrundlage sieht, zu der es auf der Basis zusätzlicher vorbestehender
finanzieller Probleme mit Privatinsolvenz nach einer gescheiterten Investition in den neuen Bundesländern 2006, sowie unbefriedigender
beruflicher und (auch aufgrund gesundheitlicher Schicksalsschläge bei Familienmitgliedern) persönlicher Situation gekommen
sei, in deren Rahmen das Unfallgeschehen funktionalisiert werde, ist vor dem Hintergrund dieses Geschehensablaufs überzeugend.
Dr. K, die mögliche alternative Krankheitsursachen beim Kläger bei ihrer Begutachtung völlig ausblendet, kann sich der Senat
deshalb nicht anschließen. Auch Prof. Dr. L vermag der Senat nicht zu folgen, soweit dieser bei seiner mündlichen Anhörung
vor dem Zivilgericht zwar einerseits zugestanden hat, dass angesichts des testpsychologischen Zusatzgutachtens von Prof. Dr.
T Übertreibungen und Simulationen des Klägers auch in der Vergangenheit nicht ausgeschlossen werden könnten und dass der Kläger
ein Bedürfnis gehabt habe, seinen Leidensdruck massiv zu dokumentieren und seine Beschwerden übertrieben darzustellen, andererseits
aber die klinischen Schilderungen des Klägers für sich betrachtet immer als "stimmig" angesehen hat. Dies mag auf die Krankheitssymptomatik
zutreffen, auch wenn entgegen Prof. Dr. L vor der von diesem angeführten psychologischen Testung 2010 in der X-Klinik Psychiaterin
G schon am 25.06.2008 Auffälligkeiten in der Beschwerdeschilderung des Klägers feststellte. Dies begründet aber nicht zugleich
eine Plausibilität der Kausalitätsvorstellungen des Klägers. Dessen eigene Darstellung des Kausalzusammenhangs anhand des
Zeitablaufs ("Ereignis am 20.12.2006, Erkrankung daraus bis Februar 2007, danach auftretende Lügen des Unfallverursachers,
Mobbing und massive Drohungen seitens des Arbeitgebers, psychische Überlastung mit Grand-mal-Anfall im Zusammenhang mit dem
verkehrsrechtlichen Verfahren gegen den Verursacher, Kündigung durch den Arbeitgeber, spätestens ab 2008 schwergradige depressive
Störungen, wie von Dr. W bestätigt") belegt eher, dass die Beschwerden des Klägers, soweit sie erlebnisfundiert sind, nicht
auf dem Unfall, sondern auf den für ihn ungünstigen Rahmenbedingungen, nämlich den als Mobbing empfundenen Auseinandersetzungen
mit dem Arbeitgeber und dem Unfallverursacher, sowie auf der Verschlechterung seines eigenen Gesundheitszustandes (Grand mal,
Trainingsunfall) in der Zeit danach gründen.
Der Grand-mal-Anfall des Klägers im Dezember 2007 steht in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall und wäre auch anderenfalls
kein eine MdE verursachendes Dauerleiden, da es sich nach dem Entlassungsbericht des N-Krankenhauses C lediglich um einen
"Gelegenheitsanfall" auf der Grundlage des beim Kläger bestehenden Diabetes gehandelt hat.
Daneben sind bei der Bildung der MdE lediglich die auf chirurgischem Fachgebiet vorhandenen Unfallfolgen, also der mit Bescheid
vom 01.03.2010 als Unfallfolge festgestellte "folgenlos ausgeheilte Riss der Kniescheibe rechts" zu berücksichtigen. Auch
bei zusätzlicher Einbeziehung der von Dr. W1 als traumabedingt angesehenen Knorpelschädigung mit diskret beginnender Retropatellararthrose
ergibt sich keine Funktionseinschränkung, die über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus eine MdE um mindestens 20 v.H. bedingt,
wie sich zur Überzeugung des Senats aus dem chirurgischen Bericht von Dr. W1 ergibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG gegeben ist.