Gründe
I.
Die Klägerin begehrt im Hauptsacheverfahren die Bewilligung einer operativen Brustverkleinerung.
Die Klägerin beantragte erstmals im Dezember 2008 die Bewilligung einer Mammareduktionsoperation, die die Beklagte ablehnte
(Widerspruchsbescheid vom 03.04.2009). Im Rahmen eines hiergegen durchgeführten Klageverfahrens (Az.: S 16 KR 46/09) hatte das Sozialgericht Münster ein Gutachten von Frau Dr. N vom 07.09.2009 eingeholt. Die Sachverständige war zu dem Ergebnis
gelangt, dass eine operative Reduzierung des Brustdrüsengewebes medizinisch nicht erforderlich sei. Ob die von der Klägerin
geklagten Wirbelsäulenbeschwerden auf der Mammahypertrophie beruhen, könne nicht sicher festgestellt werden. Hierbei sei zu
berücksichtigen, dass bei der Klägerin auch noch andere orthopädische Leiden bestünden (Hüftdysplasie, Beinlängendifferenz)
und sie nach ihren Angaben bereits seit der Jugendzeit unter Wirbelsäulenbeschwerden leide. Auch bestehe möglicherweise eine
psychische bzw. psychosomatische Verursachung der subjektiv empfundenen Wirbelsäulenbeschwerden. Konservative fachorthopädische
Behandlungsmaßnahmen, eine weitere Gewichtsabnahme sowie das Tragen eines verstärkten BH mit breiten, gepolsterten Trägern
seien einer operativen Maßnahme vorzuziehen. Aufgrund dieser Ausführungen hatte die Klägerin die Klage am 25.09.2009 zurückgenommen.
Im Februar 2010 beantragte die Klägerin unter Vorlage von Bescheinigungen von Dr. T, Arzt für Allgemeinmedizin, Frau Dr. X,
Frauenärztin, Dr. X1, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der St. C Klinik I, der Psychotherapeutin C L sowie
eines Arztbriefes des Therapiezentrums St. K Stift T erneut die Bewilligung einer Mammareduktion. Diese sei aufgrund orthopädischer
und psychischer Beschwerden erforderlich.
Nach Einholung eines Gutachtens des MDK Westfalen-Lippe lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 14.05.2010 ab. Eine
medizinische Indikation für die beantragte Operation liege nicht vor.
Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ergänzend eine Bescheinigung der Fachärztin für Orthopädie H vor. Hiernach befinde
sie sich seit Jahren wegen chronischer Beschwerden in orthopädischer Behandlung. Aus medizinischen Gründen sei eine Mammareduktionsplastik
dringend erforderlich. Die Klägerin führte aus, sie habe seit September 2009 ihr Gewicht um 12 Kilogramm reduziert, was jedoch
an der Größe und dem Gewicht des Brustdrüsengewebes nichts geändert habe. Daher gehe sie davon aus, dass das Gewicht der Brüste
nach wie vor mitursächlich für die Wirbelsäulenbeschwerden sei.
Mit Bescheid vom 12.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer am 02.02.2011 erhobene Klage ihr Begehren weiter und ergänzt ihre bisherigen Ausführungen.
Sie hat am 02.02.2011 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens beantragt. Mit Beschluss
vom 06.04.2011 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt und sich auf das Gutachten von Frau Dr. N bezogen.
Gegen diese am 13.04.2011 zugestellte Entscheidung richtete sich die am 06.05.2011 erhobene Beschwerde. Die Klägerin meint,
die Rechtsverfolgung habe hinreichende Erfolgsaussichten. Sie trägt vor, die Umstände, die der Begutachtung durch Frau Dr.
N zugrunde gelegen haben, hätten sich wesentlich verändert. Trotz einer erheblichen Gewichtsreduktion bestünden die Wirbelsäulenbeschwerden
unverändert. Sie bezieht sich insoweit auf einen Arztbrief der Fachklinik I1 für plastische und ästhetische Chirurgie vom
25.06.2011, wonach eine operative Brustverkleinerung medizinisch dringend geboten sei. Außerdem leide sie unter durch die
Brustgröße verursachten Hautproblemen, zum Beleg hierfür hat sie eine Bescheinigung des Hautarztes Dr. D vorgelegt. Die Beklagte
tritt dem Antrag entgegen. Sie hat ein aufgrund einer Untersuchung der Klägerin erstelltes weiteres Gutachten des MDK vom
28.09.2011 eingeholt. Unter Bezugnahme auf die Darlegungen von Frau Dr. N kommt der MDK zu dem Ergebnis, dass keine Indikation
für die Durchführung der Mammareduktion vorliege. Die Klägerin hat hierzu eine abweichende Stellungnahme der Fachklinik I1
vom 18.11.2011 vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
und Beiordnung von Frau Rechtsanwältin Dr. X2 zu Recht abgelehnt.
Gemäß §§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG iVm 114 Satz 1
ZPO erhält ein Beteiligter, der aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung
nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
nicht mutwillig erscheint und hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, wenn
der Antragsteller bei summarischer Prüfung in der Hauptsache möglicherweise obsiegen wird. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung
von einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind
(§
103 SGG), bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können (BVerfG vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347; BVerfG vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07, NJW 2008 S. 1060; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, §
73a Rnr. 7 und 7a; st. Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschluss vom 08.11.2010 - L 1 B 1/09 BK; Beschluss vom 02.04.2012 - L 1 KR 63/12 B).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Entscheidung
hängt weder von einer schwierigen Rechtsfrage ab noch sind weitere Ermittlungen durchzuführen. Ein Anspruch auf Durchführung
der begehrten operativen Brustverkleinerung steht der Klägerin nicht zu.
Versicherte können nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V Krankenbehandlung verlangen, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten
oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt
wird oder wenn eine anatomische Abweichung entstellend wirkt (st. Rechtsprechung, vergl. nur BSG, Urteil vom 19.10.2004 -
B 1 KR 9/04 R).
Unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellen die Form und die Größe der Brust der Klägerin keine
körperliche Anomalie dar, die als Krankheit zu bewerten wäre. Die behandelnde Frauenärztin Frau Dr. X hat in der Bescheinigung
vom 01.02.2010 keine Erkrankung der Brüste selbst beschrieben, sondern den Leidensdruck der Klägerin "mit erheblichen orthopädischen
Beschwerden" begründet. In dem Arztbrief des Brustzentrums der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der St. C Klinik I
wird die Notwendigkeit der Mammareduktion nicht mit einer Erkrankung der Brüste selbst, sondern mit einer Verbesserung der
statischen Fehlbelastung der Klägerin begründet (zur Verneinung einer Mammahypertrophie als behandlungsbedürftige Krankheit
vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.2006 - L 11 KR 24/05; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.05.2007 - L 5 KR 118/04; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.01.2011 - L 1 KR 197/08).
Die Größe der Mammae der Klägerin stellt auch unter dem Gesichtspunkt der Entstellung keine Krankheit dar. Um eine Entstellung
annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit
handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt,
dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung Anderer wird und sich deshalb aus
dem Leben der Gemeinschaft zurückzuziehen oder zu vereinsamen droht, so dass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet
ist (BSG, Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 14 = BSGE 100, 119). Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein.
Die körperliche Auffälligkeit muss in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung
in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen bemerkbar macht. Das BSG hat eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter
Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust revisionsrechtlich
abgelehnt (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 3 = BSGE 93, 252). Gleichermaßen kann der bei der Klägerin vorliegende Befund nicht als entstellend gewertet werden. Eventuelle kosmetische
Defizite stellen keine Krankheit dar, eine (ggfs. subjektiv empfundene) Verbesserung des Aussehens ist kein Behandlungsziel
der gesetzlichen Krankenversicherung (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.06.2008 - L 9 KR 589/07).
Dermatologische Befunde sprechen nicht für die Durchführung der begehrten Operation. Der Hautarzt Dr. D hat zwar am 18.01.2011
bescheinigt, dass auf die Dauer davon auszugehen sei, dass es aufgrund der Größe der Brüste und des ständigen Kontaktes "Haut
auf Haut" zu Ekzemen, Hautveränderungen sowie Mykosen komme. Abgesehen davon, dass Herr Dr. D diese dermatologischen Erkrankungen
damit nicht diagnostiziert, sondern ihren Eintritt nur befürchtet, weist der MDK nachvollziehbar darauf hin, dass unter regelmäßiger
Salbenapplikation entzündliche Hautveränderungen zur Abheilung gebracht werden können, so dass auch insoweit kein weiterer
Aufklärungsbedarf mehr besteht.
Die orthopädischen Beschwerden begründen die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brüste ebenfalls nicht.
An die Notwendigkeit derartiger Operationen zur Behandlung orthopädischer Leiden sind besonders strenge Anforderungen zu stellen,
da in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen würde (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.2006 - L 11 KR 24/05; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.05.2007 - L 5 KR 118/04). Erhebliche, schwerwiegende Erkrankungen der Wirbelsäule liegen bei der Klägerin nach dem Gutachten von Frau Dr. N nicht
vor. Es handelt sich vielmehr um Erkrankungen, die einer konservativen orthopädischen Behandlung zugänglich sind. Es ist bereits
fraglich, ob (auch) eine Mammareduktion geeignet wäre, zu einer Besserung dieser Wirbelsäulenbeschwerden beizutragen, denn
es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einem ursächlichen Zusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen
und der Brustgröße (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.2006 - L 11 KR 24/05). Auch der die Klägerin behandelnde Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der St. C Klinik I Dr. X1 gesteht
zu, dass es in der gesamten Weltliteratur keine evidenzbasierte Untersuchung gibt, die nachgewiesen hat, ab welcher Gewichtsreduktion
der Mammae durch eine operative Maßnahme eine messbare Veränderung von Parametern aus orthopädischer Sicht eingetreten ist.
Bezogen auf den vorliegenden Fall hat Frau Dr. N den fehlenden Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Brustgröße
und den Rückenbeschwerden überzeugend dargelegt. Bei derartig unsicherer Kausalität ist eine Brustverkleinerungsoperation
ausgeschlossen. Wenn der behandelnde Orthopäde demgegenüber behauptet, dass aus medizinischen Gründen "dringend eine Mammareduktionsplastik
erforderlich sei" überzeugt dies nicht. Diese pauschale, nicht näher begründete und sich mit der beschriebenen fehlenden Studienlage
nicht auseinandersetzende kurze Bescheinigung erfordert keine erneute Beweisaufnahme.
Die geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen vermögen das Begehren der Klägerin ebenso wenig zu begründen. Nach ständiger
Rechtsprechung des BSG werden Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische
Leiden beeinflussen sollen, nicht als Behandlung im Sinne von §
27 Abs.
1 SGB V gewertet. Operationen am gesunden Körper zur Behebung von psychischen Störungen (mittelbare Krankenbehandlung) sind vor allem
wegen der Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich
unsicheren Erfolgsprognose nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst. Der damit aufgestellte
Grundsatz wäre nur dann zu überprüfen, wenn sich die wissenschaftliche Bewertung der generellen psychotherapeutischen Eignung
chirurgischer Eingriffe (hier: an der Brustgröße) wesentlich geändert hätte (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 9/04 R). Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 127 Abs. 4
ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).