Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Zulässigkeit der Pauschalierung von Heizkosten
Gründe:
I
Die Kläger begehren höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) für den
Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 2006.
Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des Sozialgerichts (SG) und des Landessozialgerichts (LSG) und auf Grund des Akteninhalts geht der Senat von folgendem Sachverhalt aus: Die Klägerin
zu 1 ist 1970 geboren, ihr Ehemann (Kläger zu 2) 1973, die beiden Kinder der Klägerin zu 1 sind am Mai 1992 (Kläger zu 3)
und am November 1997 (Kläger zu 4) geboren. Ein weiterer Sohn der Klägerin zu 1 lebt in einem Heim und besucht regelmäßig
die Familie.
Die Beklagte bewilligte den Klägern durch Bescheid vom 25. Mai 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II für den Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis 31. Oktober 2005 in Höhe von insgesamt 1.325,50 Euro monatlich. Dabei wurden Kosten
für Unterkunft und Heizung in Höhe von 610 Euro anerkannt. Die Kläger bewohnen eine 100 m² große Wohnung. Die Heizkosten betragen
100 Euro monatlich. Warmwasser wird über die Heizung erzeugt. Der Bescheid vom 25. Mai 2005 enthält den Hinweis, dass die
Unterkunftskosten/Heizkosten unangemessen iS des § 22 Abs 1 SGB II seien. Sie würden daher gemäß § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II
längstens für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2005 übernommen (danach nur noch Übernahme in angemessener Höhe). Es würden
"0,90/qm angemessener Wohnfläche an Heizkosten" anerkannt.
Durch Bescheid vom 25. November 2005 und Änderungsbescheid vom 28. November 2005 wurden die Leistungen für den Zeitraum ab
1. November 2005 bis 30. April 2006 neu festgesetzt. Als Kosten der Unterkunft wurden zunächst bis 31. Dezember 2005 600 Euro
und ab 1. Januar 2006 lediglich noch 576,50 Euro anerkannt. Der Unterschiedsbetrag von 23,50 Euro ab 1. Januar 2006 resultierte
daraus, dass die Beklagte die Heizkosten um 23,50 Euro reduzierte, weil sie davon ausging, die Wohnung sei mit 100 m² für
vier Personen unangemessen groß. Deshalb seien die Heizkosten lediglich bezogen auf eine Wohnfläche von 85 m² x einem pauschalen
Bewilligungssatz von 0,90 Euro pro m² = 76,50 Euro zu bewilligen.
Die Kläger legten gegen diesen Bescheid im Dezember 2005 Widerspruch ein, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom
5. Juli 2006 zurückwies. Mit ihrer Klage zum SG machten die Kläger geltend, die Regelleistungen seien insgesamt in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt. Auch
den Klägern zu 3 und 4 als minderjährigen Kindern stünde eine Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro monatlich zu. Schließlich
sei bei der Ermittlung der angemessenen Wohnungsgröße zu berücksichtigen, dass der Sohn M der Klägerin zu 1 regelmäßig an
zwei Tagen im Monat die Familie besuche. Dieser sei in einem Heim untergebracht und hyperaktiv. Für ihn müsse ein gesonderter
Raum vorgehalten werden. Eine Kürzung der Heizkosten sei in jedem Falle rechtswidrig.
Das SG Braunschweig hat durch Urteil vom 5. Juli 2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Wohnung
sei mit 100 m² unangemessen groß, deshalb seien auch die Heizkosten quotal nur in Höhe der angemessenen Wohnungsgröße (hier
85 m² nach den Wohnraumförderungsbestimmungen des Landes Niedersachsen) anzuerkennen. Bei der Ermittlung der angemessenen
Wohnungsgröße habe der weitere Sohn der Klägerin außer Betracht zu bleiben. Denn aus den gelegentlichen Besuchen dieses Sohnes
lasse sich keine Bedarfsgemeinschaft mit den Klägern herleiten. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe der Regelleistung
bestünden nicht. Ebenso bestehe nach § 3 Nr 2 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) kein Anspruch der Kläger
zu 3 und 4 auf Berücksichtigung einer Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro.
Das LSG hat die Berufung der Kläger durch Beschluss gemäß §
153 Abs
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) vom 1. August 2007 zurückgewiesen und im Wesentlichen auf die Gründe des Urteils des SG Bezug genommen (§
153 Abs
2 SGG). Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass der weitere Sohn der Klägerin zu 1 M nicht Beteiligter des vorliegenden Verfahrens
sei.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision. Sie rügen sinngemäß eine Verletzung des § 22 SGB II. Zur Begründung machen
sie geltend, das Hinweisschreiben der Beklagten vom 25. Mai 2005 sei inhaltlich zu unbestimmt gewesen. Sie hätten einen Anspruch
darauf, umfänglich und vollständig darüber informiert zu werden, was von ihnen verlangt werde. Im Übrigen sei die Begrenzung
auf 0,90 Euro pro m² Wohnfläche bei den Heizkosten ohnehin rechtswidrig. Eine solche Begrenzung folge nicht aus dem Gesetz.
Es sei auch nicht berücksichtigt worden, dass der im Heim untergebrachte Sohn der Klägerin zu 1 auf Grund seiner Besuche im
Haushalt den Heizungsbedarf erhöhe. Schließlich sei es rechtswidrig gewesen, von den Heizkosten für die Aufbereitung von Warmwasser
noch einen Abschlag von 15 % vorzunehmen. Das Bundessozialgericht (BSG) gehe in seiner Rechtsprechung nunmehr vom Abzug fester
Beträge aus und nicht von pauschalen Sätzen wie 15 %.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 25./28. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2006 und das Urteil
des Sozialgerichts Braunschweig vom 9. Januar 2007 und den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1.
August 2008 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihnen vom 1. Januar 2006 bis 30. April 2006 Heizkosten in angemessener
Höhe - hilfsweise von weiteren 24 Euro monatlich - zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie geht davon aus, dass nach der Rechtsprechung des BSG der sogenannten Kostensenkungsaufforderung nicht die Funktion einer
formellen Voraussetzung für die Kostenabsenkung zukomme. Das Kind M sei nicht Kläger des vorliegenden Verfahrens. Auch sei
es nicht ersichtlich, wie die Tatsache, dass M gelegentlich zu Besuch bei der Bedarfsgemeinschaft sei, deren Anspruch auf
Heizkosten erhöhen könne. Die Kläger hätten ihre Klage offensichtlich auf die Höhe der Heizkosten beschränkt. Die Höhe der
angemessenen Kosten der Unterkunft sei unstreitig. Die angemessene Wohnungsgröße sei bei vier Personen jedoch nach den Wohnraumförderbestimmungen
Niedersachsens mit 85 m² anzusetzen. Deshalb seien die Heizkosten entsprechend zu quotieren. Lege man die neuere Rechtsprechung
des BSG zur Berücksichtigung der Kosten der Warmwasserbereitung mit ihren Festbeträgen zu Grunde, so ergebe sich insgesamt
ein noch höherer Abschlag als der vorgenommene von 15 vH. Eigentlich hätten die Kläger im streitigen Zeitraum insgesamt nur
Heizkosten in Höhe von 66,35 Euro erhalten dürfen. Sei seien damit durch den Bescheid überhaupt nicht beschwert.
II
Die Revision der Kläger ist im Sinne der Zurückverweisung an das LSG begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht endgültig entschieden werden, in welcher Höhe den Klägern
angemessene Kosten für die Heizung gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II im streitigen Zeitraum zustehen. Die Beklagte ist bei der
Ermittlung des Heizkostenbedarfs von falschen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen, die die Vorinstanzen ungeprüft übernommen
haben, ohne im Einzelnen die näheren Umstände der Ermittlung der Heizkosten zu berücksichtigen.
1. Die Kläger haben den Streitgegenstand auf die Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II beschränkt. Eine weitere Einschränkung
des Rechtsstreits lediglich auf die Höhe der Heizkosten ist hingegen nicht statthaft (vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1).
Gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht,
soweit diese angemessen sind. Soweit aus den Akten ersichtlich und auch von den Beteiligten im Revisionsverfahren klargestellt
- Feststellungen des LSG fehlen hierzu vollständig -, bewohnten die Kläger eine angemessene Unterkunft iS des § 22 Abs 1 Satz
1 SGB II. Die Angemessenheit der Unterkunft iS dieser Vorschrift bestimmt sich nicht allein nach der Größe des Wohnraums.
Die Größe des angemessenen Wohnraums, die grundsätzlich nach den landesrechtlichen Wohnraumförderbestimmungen zu ermitteln
ist, ist nur ein erster Schritt bei der Ermittlung der angemessenen Unterkunft. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, welchen
Wohnstandard die Wohnung aufweist und in welcher Gegend sie liegt (zu den einzelnen Ermittlungsschritten zuletzt Urteil des
Senats vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R; grundlegend bereits BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18 ff). Maßgebend ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG insoweit die sogenannte
Produkttheorie, die im Wesentlichen darauf abstellt, ob der von der Bedarfsgemeinschaft zu entrichtende Mietpreis sich im
Rahmen des Angemessenen hält. Dies war hier - ausweislich des Akteninhalts - offensichtlich der Fall. Die Kläger bewohnten
zwar eine nach den Wohnraumförderbestimmungen des Landes Niedersachsen mit 100 m² zu große Wohnung, der Mietpreis (500 Euro)
für diese Wohnung lag jedoch so niedrig, dass die Beklagte keine Bedenken gegen die Angemessenheit der Wohnung als solche
hatte.
2. Über die Höhe der von der Beklagten nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu erbringenden Leistungen für die Heizung kann der Senat
auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Zunächst wird das LSG die tatsächlichen Kosten für
die Heizung zu ermitteln haben (dazu unter a). Diese Kosten der Heizung sind - ebenso wie die Kosten der Unterkunft - in Höhe
der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit sie angemessen sind. Bei der Angemessenheitsprüfung ist ein konkret-individueller
Maßstab anzulegen. Die Angemessenheitsprüfung hat dabei, anders als von der Beklagten hier vorgenommen, getrennt von der Prüfung
der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen (dazu unter b). Die tatsächlich anfallenden Kosten sind als angemessen
anzusehen, soweit sie nicht einen Grenzwert überschreiten, der unangemessenes Heizen indiziert (hierzu im Einzelnen unter
c).
a) Zu den tatsächlichen Aufwendungen für die Heizung iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Mietwohnungen gehören bei entsprechender
vertraglicher Vereinbarung (vgl §
556 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] iVm §
2 Nr 4 Betriebskostenverordnung) die gegenüber dem Vermieter geschuldeten, in monatlichen Abschlägen zu zahlenden Heizkostenvorauszahlungen.
Sie sind entsprechend ihrem Fälligkeitstermin im betreffenden Monat zu berücksichtigen. Soweit sich in Folgezeiträumen Betriebskostenrückzahlungen
ergeben, mindern diese nicht die Aufwendungen in den vorangehenden Zeiträumen (vgl BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 9 Nr 5, jeweils RdNr 37 sowie die zum 1. August 2006 in Kraft getretene ausdrückliche gesetzliche Bestimmung
in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II). Kommt es nach Abrechnung der tatsächlich verbrauchten Wärme dagegen zu Nachzahlungsverlangen
des Vermieters, gehören solche einmalig geschuldeten Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (entsprechend bereits
für die einmalige Beschaffung von Heizmaterial BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 9 mwN).
Nach dem Inhalt der Akten schuldeten die Kläger ihrem Vermieter im streitigen Zeitraum für die Wärmelieferung eine Vorauszahlung
von monatlich 100 Euro, die die Heizkosten und die Kosten für die Erwärmung des Wassers umfasste. Der Betrag von 100 Euro
ist um die Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen (vgl dazu nur BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann dabei nicht ein Prozentsatz von 15 vH zu Grunde gelegt
werden. Wie der Senat im Einzelnen begründet hat (vgl Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5), ist der in der Regelleistung enthaltene Betrag für die Kosten der Warmwasserbereitung in Abzug
zu bringen (vgl zu den Werten die Tabelle, aaO, RdNr 25). Mithin wären von den geleisteten 100 Euro monatlicher Vorauszahlung
insgesamt 18,66 Euro abzuziehen (zweimal 5,60 Euro und zweimal 3,73 Euro). Hiernach stünde den Klägern mit 81,34 Euro insgesamt
immer noch ein höherer Anspruch auf monatliche Heizkosten zu als bislang bewilligt, wenn die Heizkosten im Übrigen angemessen
waren.
b) Leistungen für Heizung werden in Höhe der tatsächlich angefallenen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind
(§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Die in § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgesehene, am Einzelfall orientierte Angemessenheitsprüfung
für die Heizkosten hat grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen. Dafür
sprechen schon Wortlaut und Systematik des § 22 Abs 1 SGB II, der ausdrücklich zwischen Unterkunft und Heizung unterscheidet.
Zudem sollten der Gesetzesbegründung zufolge die Kosten für Unterkunft und Heizung "wie in der Sozialhilfe" in tatsächlicher,
angemessener Höhe berücksichtigt werden (BT-Drucks 15/1516 S 57), insoweit also an die Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) angeknüpft werden. § 3 der Verordnung zur Durchführung des § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (Regelsatzverordnung - RegSatzV) in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23. Juli 1996 (BGBl I 1088) unterscheidet
aber noch deutlicher als § 22 Abs 1 SGB II zwischen den in § 3 Abs 1 RegSatzV geregelten laufenden Unterkunftskosten und den
in § 3 Abs 2 RegSatzV geregelten laufenden Leistungen für die Heizung (vgl zur Rechtslage nach dem BSHG im Einzelnen Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 12 RdNr 35 ff; Mergler in ders/Zink, BSHG, Stand: November 1993, § 12 RdNr 31 ff; Wenzel in Fichtner, BSHG, 2. Aufl 2003, § 12 RdNr 30 ff). Auch die Entstehungsgeschichte spricht damit für eine getrennte Angemessenheitsprüfung als gesetzgeberisches
Grundkonzept.
Die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze für Unterkunfts- und Heizkosten im Sinne einer sog erweiterten Produkttheorie
(dazu Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 46d; Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, Kosten der Unterkunft
nach § 22 SGB II, DSGT Praktikerleitfaden, 2009, S 26; Gühlstorf, ZfF 2007, 73, 74 f; vgl aus der Praxis zuletzt etwa die Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§
29 und 34 SGB XII der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin vom 10. Februar 2009) würde
demgegenüber die Festlegung eines als abstrakt angemessen anzusehenden Heizkostenpreises pro Quadratmeter für eine "einfache"
Wohnung (gestaffelt nach abstrakt angemessenen Wohnungsgrößen) im unteren Segment des Wohnungsmarktes erfordern. Es ist nicht
erkennbar, wie ein solcher abstrakter Wert als notwendiger Faktor für eine als abstrakt angemessen anzusehende Bruttowarmmiete
von den Trägern der Grundsicherung und der Rechtsprechung verlässlich ermittelt werden könnte. Es müssten in einen solchen
Wert neben dem als angemessen anzusehenden Heizverhalten des Einzelnen etwa auch klimatische Bedingungen, ständig wechselnde
Energiepreise, der Energieträger, vor allem aber auch der im entsprechenden Mietsegment "typische" Gebäudestandard und der
technische Stand einer als "typisch" anzusehenden Heizungsanlage einfließen. Datenmaterial, das eine allgemeingültige Aussage
bezogen auf Heizkosten in dem in Betracht zu ziehenden Marktsegment der "einfachen" Wohnungen zulässt, liegt nicht vor. Ermittlungsmöglichkeiten
hierzu sind nicht ersichtlich. Ein Rückgriff auf einen weniger ausdifferenzierten Wert (etwa auf Durchschnittswerte aller
Verbraucher bezogen auf den jeweiligen örtlichen Bereich oder das Bundesgebiet) würde demgegenüber eine Pauschalierung von
Kosten der Heizung bedeuten, die nach dem Konzept des SGB II dem Verordnungsgeber vorbehalten ist (vgl § 27 Nr 1 SGB II).
Das LSG wird bei der erneuten Entscheidung also grundsätzlich die tatsächlichen Heizkosten der Kläger als angemessen zu Grunde
zu legen haben. Soweit die Beklagte die Heizkostenvorauszahlungen der Kläger nur in dem Verhältnis als angemessen anerkannt
hat, in dem die abstrakt angemessene Wohnungsfläche zur tatsächlichen Wohnungsfläche steht (also nach dem sog "Flächenüberhangprinzip"),
ist dies mit der Funktion der Angemessenheitsgrenze, lediglich die Übernahme unverhältnismäßig hoher Heizkosten auszuschließen,
nicht zu vereinbaren. Aus der Größe der Wohnung alleine lässt sich nicht der Schluss ziehen, für die Wohnung aufgewandte Heizkosten
seien unangemessen hoch. Dem Hilfebedürftigen ist es grundsätzlich möglich, eine Wohnung, die - wie im vorliegenden Fall -
trotz ihrer Größe von 100 m² auf Grund eines niedrigen Quadratmeterpreises angemessene Kosten der Unterkunft nach sich zieht,
etwa durch sparsames Heizverhalten oder auf Grund der überdurchschnittlichen Energieeffizienz der Wohnung auch zu angemessenen
Kosten zu beheizen. Deshalb kommt es für die Angemessenheitsprüfung hinsichtlich der Heizkosten nicht darauf an, ob bezogen
auf die konkret vom Hilfebedürftigen bewohnte Wohnung einzelne, für die Bestimmung angemessener Unterkunftskosten relevante
Faktoren wie die Wohnungsgröße abstrakt unangemessen hoch sind. Letztlich spielt es für die Höhe der Heizkosten hier mithin
keine Rolle, dass die Wohnung der Kläger "eigentlich" nur eine Größe von 85 m² hätte haben dürfen. Dieser Wert aus der Angemessenheitsprüfung
der Unterkunftskosten rechtfertigt jedenfalls keine anteilige Kürzung der tatsächlichen Heizkosten.
c) Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Heizkosten in jedem Falle und in jeder Höhe zu übernehmen sind. Insofern stehen auch
die Heizkosten gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II unter dem Leistungsvorbehalt der "Angemessenheit". Eklatant kostspieliges oder
unwirtschaftliches Heizen ist auch vom Grundsicherungsträger nicht zu finanzieren. Anhaltspunkte dafür, dass die Heizkosten
unangemessen hoch sind, können sich insbesondere daraus ergeben, dass die tatsächlich anfallenden Kosten die durchschnittlich
aufgewandten Kosten aller Verbraucher für eine Wohnung der den abstrakten Angemessenheitskriterien entsprechenden Größe signifikant
überschreiten. Zur Bestimmung eines solchen Grenzwertes hält es der Senat für den Regelfall einer mit Öl, Erdgas oder Fernwärme
beheizten Wohnung für möglich, die von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch
das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegel" bzw - soweit diese
für das Gebiet des jeweiligen Trägers fehlen - den "Bundesweiten Heizspiegel" heranzuziehen (so auch Gerenkamp in Mergler/Zink,
Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Stand: Juli 2008, § 22 SGB II RdNr 19).
Aus dem "Bundesweiten Heizspiegel", der auf bundesweit erhobenen Heizdaten von rund 63.000 zentral beheizten Wohngebäuden
basiert, was hinreichend repräsentativ erscheint und der seit 2005 jährlich veröffentlicht wird (vgl http://www.heizspiegel.de;
wegen dem Heizspiegel für vergangene Jahre vgl die Datenbank unter http://www.mieterbund.de/), ergeben sich Vergleichswerte
für öl-, erdgas- und fernwärmebeheizte Wohnungen gestaffelt nach der von der jeweiligen Heizungsanlage zu beheizenden Wohnfläche,
die hinsichtlich des Heizenergieverbrauchs zwischen "optimal", "durchschnittlich", "erhöht" und "extrem hoch" unterscheiden.
Der Grenzwert, den der Senat zu Grunde legt, ist das Produkt aus dem Wert, der auf "extrem hohe" Heizkosten bezogen auf den
jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage hindeutet (rechte Spalte), und dem Wert, der sich für den Haushalt des
Hilfebedürftigen als abstrakt angemessene Wohnfläche nach den Ausführungsbestimmungen der Länder zu § 10 Abs 1 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) bzw §
5 Abs
2 Wohnungsbindungsgesetz aF (
WoBindG) ergibt. Insofern wird der Wert für extrem hohe Heizkosten nur bezogen auf die angemessene Quadratmeterzahl zu Grunde gelegt,
was bereits ein Korrektiv hinsichtlich der Höhe der Heizkosten darstellt, zugleich aber auch die Vergleichbarkeit der Heizkosten
mit denen einer typischerweise angemessenen Wohnung ermöglicht. Der Grundsicherungsempfänger kann also im Regelfall die tatsächlichen
Heizkosten nur bis zur Obergrenze aus dem Produkt des Wertes für extrem hohe Heizkosten mit der angemessenen Wohnfläche (in
Quadratmetern) geltend machen. Dabei ist den Kommunalen Heizspiegeln, die für Städte mit mehr als 50.000 Einwohner erstellt
werden können - und die in Zusammenarbeit mit den Städten auf der Grundlage der dort vorhandenen Datenbanken erarbeitet werden
-, wegen der ortsbezogenen Datenauswertung der Vorzug zu geben. Ist ein solcher kommunaler Heizspiegel nicht vorhanden, so
kann auf den "Bundesweiten Heizspiegel" zurückgegriffen werden.
Soweit die konkret geltend gemachten tatsächlichen Heizkosten den auf dieser Datengrundlage zu ermittelnden Grenzwert überschreiten,
besteht Anlass für die Annahme, dass diese Kosten auch unangemessen hoch iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind. Dies lässt
sich damit rechtfertigen, dass die vom Senat gewählte Grenze bereits unwirtschaftliches und tendentiell unökologisches Heizverhalten
berücksichtigt. Darüber hinausgehende Heizkosten entstehen dann offensichtlich aus einem Verbrauch, der dem allgemeinen Heizverhalten
in der Bevölkerung nicht mehr entspricht. Ein Grenzwert auf Grundlage der ungünstigsten Verbrauchskategorie trägt dabei dem
Gesichtspunkt Rechnung, dass die im Einzelfall entstehenden Heizkosten von Faktoren abhängen, die dem Einfluss des Hilfesuchenden
weitgehend entzogen sind. Empfänger von Arbeitslosengeld II, deren angemessene Aufwendungen für die Unterkunft sich an Wohnungen
des unteren Marktsegments orientieren, dürften dabei typischerweise auf älteren Wohnraum mit einem unterdurchschnittlichen
Energiestandard verwiesen werden. Soweit jedoch der genannte Grenzwert erreicht ist, sind auch von einem Hilfebedürftigen
Maßnahmen zu erwarten, die zur Senkung der Heizkosten führen. Es obliegt in solchen Fällen dann dem Hilfesuchenden, konkret
vorzubringen, warum seine Aufwendungen für die Heizung über dem Grenzwert liegen, im jeweiligen Einzelfall aber gleichwohl
noch als angemessen anzusehen sind.
Das LSG wird zunächst die noch fehlenden Feststellungen zur beheizten Gesamtwohnfläche des Hauses, in dem die Wohnung der
Kläger gelegen ist, und zu dem im konkreten Fall verwendeten Energieträger zu treffen haben, um auf dieser Grundlage den dargestellten
Grenzwert (ausgehend von einer abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl von 85 m²) zu bilden. Nur wenn die Heizkosten der Kläger
diesen Wert übersteigen sollten, besteht Anlass dazu, die entsprechenden Aufwendungen auf Grundlage des weiteren Vorbringens
der Kläger konkret auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen.
3. Das LSG wird, wenn die Angemessenheitsprüfung der Heizkosten dazu führen würde, dass insofern noch ein "ungedeckter Rest"
an Kosten der Unterkunft verbleibt, dem Vortrag der Kläger nachzugehen haben, dass sich der Wohnbedarf deshalb erhöht, weil
ein weiteres Kind der Familie diese regelmäßig besucht. Insofern könnte für die Zeiträume des Besuchs durch das offenbar psychisch
gestörte Kind der Klägerin zu 1 eine sog temporäre Bedarfsgemeinschaft bestehen (vgl hierzu Urteil des Senats vom 2. Juli
2009 - B 14 AS 75/08 R). Allerdings ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt, ob und in welchem Umfang eine sog temporäre Bedarfsgemeinschaft
auch im Bereich der Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen wäre. Insofern ist das Vorbringen des Beklagten nicht von der
Hand zu weisen, dass genau zu belegen wäre, inwieweit durch die Besuche des Kindes höhere Heizkosten entstehen.
4. Den Klägern steht nicht bereits auf Grund der Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II (heute § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II)
für einen Übergangszeitraum von sechs Monaten der Anspruch auf Kosten der Unterkunft in der bisher bewilligten Höhe zu (vgl
zur Übertragung der sechsmonatigen Übergangsfrist auf die Heizkosten Urteil des Senats vom 19. September 2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 21 ff). Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 25. Mai 2005 einen Hinweis darauf gegeben, dass sie die Heizkosten
der Kläger für unangemessen hoch hält. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt diesem Hinweis bzw der Kostensenkungsaufforderung
lediglich eine Warn- und Aufklärungsfunktion zu (vgl insbesondere BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R). Dies macht zugleich deutlich, dass bereits durch ein Informationsschreiben bzw einen solchen Hinweis eine Obliegenheit
zur Klärung der Sachlage durch den Hilfebedürftigen ausgelöst wird (vgl hierzu auch Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, Kosten der
Unterkunft nach § 22 SGB II, 2009, S 39). Jedenfalls ist vorliegend nichts dafür ersichtlich, dass die Kläger durch einen
Fehler der Beklagten im Verlauf dieses Dialogprozesses objektiv in der Wohnungssuche beschränkt worden wären (hierzu BSG,
Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - RdNr 40, 41).
Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.