Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger vom 1.10.2014
bis 30.9.2017 nicht als freiwilliges Mitglied, sondern als Student krankenversichert war und über die Höhe der von ihm als
freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) zu zahlenden Beiträge.
Nachdem der 1979 geborene Kläger zunächst sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, besuchte er ab Januar 2011 im Alter
von 31 Jahren ein Kolleg. Am 4.7.2014 erwarb er im Alter von 34 Jahren die allgemeine Hochschulreife. Am 1.10.2014 nahm er
ein Studium auf. Ab 1.10.2017 bezieht er Grundsicherungsleistungen. Seinen am 18.10.2014 gestellten Antrag auf Aufnahme in
die Krankenversicherung der Studenten lehnte die beklagte Krankenkasse ab und führte ihn als freiwilliges Mitglied. Die zu
zahlenden Beiträge setzte sie nach der Mindestbemessungsgrundlage fest. Wiederholte Widersprüche des Klägers wiesen die Beklagten
zurück. Das SG Berlin hat seine Klage abgewiesen (Urteil vom 29.8.2017). Das LSG Berlin-Brandenburg hat seine Berufung zurückgewiesen
(Urteil vom 28.6.2018). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
Er rügt ua das Vorliegen eines Verfahrensfehlers, indem das LSG ohne ein durch ihn erklärtes wirksames Einverständnis ohne
mündliche Verhandlung entschieden habe.
II
1. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Ihre Begründung genügt den Anforderungen des §
160a Abs
2 S 3
SGG. Insbesondere bezeichnet sie die Tatsachen, aus denen sich der geltend gemachte Verfahrensmangel (Zulassungsgrund des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG) einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) ergibt. Weitergehender Ausführungen zum Beruhen der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler bedarf es nicht,
wenn - wie hier - ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein (vgl
BSG Beschluss vom 3.7.2013 - B 12 R 38/12 B - Juris RdNr 8 mwN).
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts ist verfahrensfehlerhaft ergangen, weil
im Zeitpunkt der Entscheidung keine wirksame Einverständniserklärung vorlag und deshalb nicht ohne mündliche Verhandlung entschieden
werden durfte.
Im Berufungsverfahren kann gemäß §
155 Abs
3 SGG im Einverständnis der Beteiligten der Vorsitzende anstelle des Senats entscheiden. Ist ein Berichterstatter bestellt, so
entscheidet dieser nach §
155 Abs
4 SGG anstelle des Vorsitzenden. Das Gericht entscheidet nach §
124 Abs
1 SGG, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz der Mündlichkeit
enthält §
124 Abs
2 SGG. Danach kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Als Prozesshandlung
muss die Einverständniserklärung klar, eindeutig und vorbehaltlos sein (BSG Beschluss vom 6.10.2016 - B 5 R 45/16 B - Juris RdNr 17 mwN). Zwar hat der Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 16.3.2018 sein Einverständnis mit
einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter erklärt. Die Einverständniserklärung hat jedoch im
Lauf des weiteren Verfahrens ihre Wirksamkeit verloren.
Eine Einverständniserklärung iS des §
124 Abs
2 SGG verliert ihre Wirksamkeit, wenn sich nach ihrer Abgabe die bisherige Tatsachen- oder Rechtsgrundlage und damit die Prozesssituation
wesentlich ändert. Das ist zB der Fall, wenn Zeugen vernommen, Beteiligte angehört, Auskünfte eingeholt oder Akten beigezogen
werden. Dasselbe wird für den Fall angenommen, dass ein Schriftsatz des Rechtsmittelgegners mit erheblichem neuen Vorbringen
oder neuen Beweismitteln oder Anträgen eingereicht wird. Da die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §
124 Abs
1 SGG der prozessrechtliche Regelfall ist und die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung die Ausnahme darstellt, muss das Gericht
im Entscheidungszeitpunkt von Amts wegen das Bestehen eines wirksamen Einverständnisses nach §
124 Abs
2 SGG prüfen. Die Beteiligten sind daher bei Eintritt einer wesentlichen Änderung der Prozesslage nicht gehalten, das Gericht darauf
hinzuweisen, dass ihre Einverständniserklärung unwirksam geworden ist, oder gar ihre Einverständniserklärung dem Gericht gegenüber
ausdrücklich zu widerrufen (zum Ganzen BSG, aaO RdNr 18 mwN).
Die Prozesssituation hat sich seit der Einverständniserklärung des Klägers vom 16.3.2018 wesentlich geändert.
a) Es kann offenbleiben, ob eine wesentliche Änderung schon darin zu sehen ist, dass der Kläger mit Schreiben vom 17.4.2018
weitere Anträge formuliert hat. Zweifel an einer dadurch verursachten wesentlichen Änderung der Prozesssituation könnten sich
daraus ergeben, dass die ausdrücklich gestellten Anträge des im Berufungsverfahren unvertretenen Klägers als nicht angemessen
und sachdienlich iS von §
112 Abs
2 S 2
SGG angesehen werden können. So hat der Kläger ua ausdrücklich beantragt, die Beklagten zu verurteilen, "alle Handlungen zu unterlassen,
welche meiner Gesundheit schaden." Selbst wenn man diesen Antrag als offensichtlich fernliegend und unsachgemäß ansehen würde,
liegt eine solche Beurteilung bei dem weiteren Antrag des Klägers, "die Zusage meiner Mitgliedschaft in der studentischen
Krankenversicherung vom 13.01.2015 endlich umzusetzen", jedenfalls nicht ohne weiteres auf der Hand.
b) Eine wesentliche Änderung der Prozesssituation ist jedenfalls deshalb eingetreten, weil die Beklagten dem LSG am 20.6.2018
weitere "Folgebescheide" übersandt haben, die das LSG in den sinngemäß von ihm selbst formulierten Anfechtungsantrag des Klägers
übernommen hat. Der im Klageverfahren noch anwaltlich vertretene Kläger hatte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Berlin
am 29.8.2017 ua die Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 13.11.2014 in der Fassung des Bescheides vom 19.12.2014 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 13.8.2015 und die Aufhebung des Bescheides vom 24.2.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 13.8.2015 beantragt. Darüber hinaus formulierte das LSG in dem ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteil des im Berufungsverfahren
nicht mehr anwaltlich vertretenen Klägers als dessen sinngemäßen Antrag auch die Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom
8.1., 28.10., 26.11., 18.12.2015, 2.11. und 23.12.2016. Auch wenn diese von den Beklagten als "Folgebescheide" bezeichneten
Bescheide möglicherweise materiell keine relevante und entscheidungserhebliche Änderung bzw Erweiterung gegenüber dem grundlegenden
klägerischen Begehren enthalten, stellt deren Einbeziehung in den sinngemäß formulierten Antrag des Klägers eine gegenüber
der Situation des erklärten Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung wesentliche Änderung der Prozesssituation
dar. Hinzu kommt, dass nach Aktenlage nicht nachvollzogen werden kann, ob dem Kläger die per Telefax am 20.6.2018 dem LSG
übermittelten "Folgebescheide" zur Kenntnis gebracht wurden bzw er über die Anforderung und Vorlage der Bescheide informiert
wurde.
3. Nach §
160a Abs
5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.