Beitragserhebung auf Kapitalleistung einer Lebensversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Beitragserhebung auf
die Kapitalleistung einer Lebensversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung. Das
SG Koblenz hat die Klage dagegen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 8.5.2019), das LSG Rheinland-Pfalz hat die Berufung zurückgewiesen. Soweit der Kläger nunmehr nach Jahrzehnten bezweifele, dass der
Wechsel der Versicherungsnehmereigenschaft von ihm selbst auf den Arbeitgeber wirksam erfolgt sei, sei dem nicht nachzugehen.
Wer sich der Institution der betrieblichen Altersvorsorge und der damit verbundenen Vorteile bedient habe, müsse sich auch
beitragsrechtlich an diesem institutionellen Rahmen festhalten lassen. Es sei auch im Rahmen der zulässigen Pauschalierung
nicht zu beanstanden, wenn der Teil der Direktversicherungsleistung, der auf Prämien aus der Zeit beruhe, in dem der frühere
Arbeitgeber Versicherungsnehmer gewesen sei, insgesamt verbeitragt werde. Eine versicherungsmathematische Herausrechnung von
Anteilen nicht verbrauchter Leistungen oder Überschüssen sei nicht geboten. Die Krankenkasse sei entgegen der Auffassung des
Klägers für den Beitragseinzug zuständig, weil kein laufender Versorgungsbezug gegeben sei. Die Beitragserhebung zu 1/120
des Versorgungsbezugs für maximal zehn Jahre folge aus §
229 Abs
1 Satz 3
SGB V und sei verfassungsgemäß; der Hilfsantrag auf Beitragserhebung lediglich aus 1/336 des Versorgungsbezugs könne daher keinen
Erfolg haben (Urteil vom 6.2.2020). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Der Kläger hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über
den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung
durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung
ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des §
162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und
des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich
ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hält die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,
"ob aus dem Zahlbetrag der Kapitaleinmalzahlung eines betrieblichen Versorgungsbezuges nicht der Risikobeitragsanteil herausgerechnet
werden muss, der im Versicherungsfall nicht mehr realisiert werden kann - hier: Todesfall!", und ob
"die 120-Regelung des §
229 I 3
SGB V gegen Art.
3 I
GG verstößt."
Der Kläger hat schon keine hinreichend bestimmte abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit
einer revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert. Die Bezeichnung einer bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch
unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Aber selbst wenn hinreichend konkrete Rechtsfragen als aufgeworfen unterstellt würden, wäre jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit
dieser Fragen nicht hinreichend dargelegt.
Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese
bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche
Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der vom Beschwerdeführer als grundsätzlich herausgestellten
Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN; s auch BSG Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6).
Der Kläger setzt sich bezüglich der ersten Frage nicht hinreichend mit der Rechtsprechung des BSG, insbesondere der vom LSG zitierten Entscheidung vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - auseinander. Daraus ergibt sich, dass für die Bestimmung des Zahlbetrags an die im Auszahlungszeitpunkt feststehende "tatsächliche
Gesamtablaufleistung" anzuknüpfen ist, zu der vergleichbar wie bei laufenden Versorgungsbezügen alle "über die gesamte Laufzeit
angesammelten Zinsgewinne und Überschussbeteiligungen einschließlich der Beteiligungen an den Bewertungsreserven" gehören
(BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12, RdNr 33). Angesichts der Vielfalt der Ausgestaltungsmöglichkeiten für Kapitalversicherungen und des Ziels einer möglichst zügigen
und unstreitigen Ermittlung des beitragspflichtigen Teils der Gesamtablaufleistung hat sich der 12. Senat für eine typisierende
prämienratierliche Ermittlung entschieden. Hierfür ist das Verhältnis zwischen den während der Versicherungsnehmerschaft des
(vormaligen) Arbeitgebers gezahlten Prämien und den insgesamt bis zur Vertragsbeendigung gezahlten Prämien zu ermitteln und
mit dem Betrag der Gesamtablaufleistung zu multiplizieren (BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12, RdNr 40).
Der Beschwerdebegründung kann eine erneute Klärungsbedürftigkeit der Ermittlung des zu verbeitragenden Versorgungsanteils
nicht entnommen werden; für die Darlegung einer erneuten Klärungsbedürftigkeit von höchstrichterlich bereits grundsätzlich
entschiedenen Rechtsfragen müssen völlig neue, noch nicht erwogene Gesichtspunkte vorgetragen werden, mit denen im Schrifttum
oder in der Rechtsprechung den ergangenen BSG-Entscheidungen substanziell widersprochen worden ist (BSG Beschluss vom 23.6.2010 - B 12 KR 14/10 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 2.8.2018 - B 10 ÜG 7/18 B - juris RdNr 8). Unzureichend ist es dagegen, wenn der Kläger - wie hier - nur die eigene abweichende Rechtsansicht ausführt (BSG Beschluss vom 19.7.2011 - B 8 SO 19/11 B - juris RdNr 7). Er meint, dass nicht der gesamte Zahlbetrag bei der Verbeitragung berücksichtigt werden dürfe, sondern dieser insbesondere
um die jeweiligen Überschussbeteiligungen vermindert werden müsse, die für nicht realisierte Risiken (hier: Tod) angefallen
seien. Soweit er seine Auffassung auf das Urteil des Senats vom 26.2.2019 (B 12 KR 12/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 26) gründen will, lässt sich dieser Entscheidung allerdings nichts zur Berechnung des Versorgungsanteils entnehmen. Vielmehr
wird darin - wie der Kläger selbst darstellt - ausgeführt, dass eine Direktversicherung nicht wie von §
229 Abs
1 Satz 1
SGB V vorausgesetzt "zur Hinterbliebenenversorgung" erzielt wird, wenn die Leistung an ein im Todesfall bezugsberechtigtes Kind
ausgezahlt wird, das im Zeitpunkt des Versicherungsfalls bereits das 27. Lebensjahr vollendet hat. Eine Vergleichbarkeit mit
dem dortigen Fall ist hier nicht erkennbar. Auf hypothetische Fallkonstellationen kommt es nicht an; der Kläger hat im Übrigen
auch nicht ausgeführt, dass eine Hinterbliebenenleistung hier nicht unter §
229 Abs
1 Satz 1
SGB V fallen würde. Dass bei Eintritt eines vom Gesetzeszweck umfassten Versicherungsfalls zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung
nicht die gesamte tatsächlich erzielte Leistung zu berücksichtigen ist, ist aus dieser Entscheidung auch nach den Darlegungen
des Klägers nicht abzuleiten; vielmehr entspricht dies allein den eigenen "Verallgemeinerungen" des Klägers.
Auch bei dem zweiten Fragekomplex fehlt eine substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Macht ein Kläger die Verletzung
des Gleichheitssatzes (Art
3 Abs
1 GG) geltend, so muss die Beschwerdebegründung unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung im Einzelnen
aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB BSG Beschluss vom 8.12.2008 - B 12 R 38/07 B - juris RdNr 7 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen
Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes
geltend gemacht, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG darzulegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung
wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen (vgl BVerfG <Dreier-Ausschuss> Beschluss vom 8.6.1982 - 2 BvR 1037/81 - SozR 1500 § 160a Nr 45). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger behauptet - unter Verweis auf ein noch einzuholendes Sachverständigengutachten -, dass die fiktive Bestimmung des
monatlichen Zahlbetrags nach §
229 Abs
1 Satz 3
SGB V auf ein Einhundertzwanzigstel (1/120) unter Berücksichtigung des Freibetrags nach §
226 Abs
2 SGB V zu insgesamt weit höheren Sozialversicherungsbeiträgen in zehn Jahren führen würde als eine auf mindestens 20 Jahre ausgelegte
laufende Rente bei gleicher Ansparleistung. Unter dem Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit der "Beitragszahlung" in der Anwartschaftsphase
liege eine Ungleichbehandlung (Art
3 Abs
1 GG) vor. Eine gerechtere Alternative wäre, das Kapital durch 28 mal 12 = 336 zu teilen.
Der Kläger setzt sich schon nicht substantiiert mit dem Zweck der angegriffenen Regelung auseinander; dazu gehört, dem Rechtsanwender
die Feststellung der monatlichen Bemessungsgrundlage(n) bei kapitalisierten Versorgungsleistungen mit vertretbarem Aufwand
zu ermöglichen und zugleich dem Interesse des Versicherten an einer gleichmäßigen Beitragsbelastung aus dem Versorgungskapital
für einen festen Zeitraum Rechnung zu tragen (vgl BSG Urteil vom 17.3.2010 - B 12 KR 5/09 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 9 RdNr 15, 18). Insoweit wäre auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der sozialstaatlichen Ordnung (vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 21/14 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 30 RdNr 30) sowie auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Typisierung einzugehen gewesen, wonach der Gesetzgeber Gründe der Verwaltungsvereinfachung
berücksichtigen darf. Soweit der Kläger auf die Gleichbehandlung bei gleicher Ansparleistung abstellt, hätte er sich substantiiert
mit der Bedeutung und dem Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auseinandersetzen müssen, der grundsätzlich auf
die aktuell zufließenden Einkünfte abstellt, während die Art und Weise, wie diese Einkünfte im Einzelfall begründet wurden,
außer Betracht bleibt (vgl BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 10/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 6 RdNr 36). Außerdem wäre auch auf die Unterschiede zwischen einer Einmalleistung und laufenden Bezügen einzugehen gewesen, dass etwa
bei der - vom Versicherten selbst gewählten - Einmalzahlung von Versorgungsbezügen schon zu Beginn die gesamte Liquidität
zur Tragung der Beiträge zur Verfügung steht , während sich die gesamte Höhe einer laufenden Versorgungsleistung überhaupt erst aus der Lebensdauer ergibt.
Unabhängig davon ist auch die Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dargetan, denn der Kläger behauptet eine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung nur anhand abstrakter Beispiele und bezieht sich nicht auf den Sachverhalt in seinem konkreten Fall. Soweit
er sich auf die erst ab 1.1.2020 geltende Regelung des §
226 Abs
2 Satz 2
SGB V bezieht, hat das LSG deren zeitliche Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall hierzu ausdrücklich verneint.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG.