Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Zahlbetrag als Bemessungsgrundlage für Beiträge aus Versorgungsbezügen
Keine Beeinflussung der Beitragspflicht durch eine Abtretung
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die vollständige Verbeitragung
des Auszahlbetrags von 49 826,98 Euro einer zu seinen Gunsten abgeschlossenen Direktlebensversicherung in der gesetzlichen
Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV).
Der 1949 geborene Kläger war bei einer Tiefbau-Firma versicherungspflichtig in der GKV und in der sPV beschäftigt. Über das
Vermögen seines Arbeitgebers wurde im Oktober 2005 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet. Im Dezember
2014 erhielt der Kläger einen Betrag von 49 826,98 Euro als Kapitalzahlung aus einer durch seinen Arbeitgeber als betriebliche
Altersvorsorge abgeschlossenen Direktversicherung. Die Beklagten legten die Zahlung in voller Höhe der Beitragserhebung zur
GKV und sPV zugrunde (Bescheide vom 8.1. und 16.2.2015; Widerspruchsbescheid vom 5.6.2015). Zur Begründung seiner dagegen
gerichteten Klage hat der Kläger vorgetragen, dass die Kapitalzahlung aus der betrieblichen Altersversorgung nur in einer
um 6950 Euro geminderten Höhe und folglich in Höhe von 42 876,89 Euro zur Bemessung der Beiträge herangezogen werden könne.
Der Insolvenzverwalter seines früheren Arbeitgebers habe die Lebensversicherung erst freigegeben, nachdem er (der Kläger)
diesem einen Betrag von 6950 Euro gezahlt habe. Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 22.7.2016; Urteil des LSG vom 10.1.2019). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, Bemessungsgrundlage
für die Beiträge aus Versorgungsbezügen sei deren Zahlbetrag. Es bestehe kein Anlass, im vorliegenden Fall von diesem Grundsatz
abzuweichen. Der Kläger habe im Dezember 2014 unstreitig den vollen Betrag in Höhe von 49 826,98 Euro erhalten.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer LSG vom 10.1.2019.
Er macht den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg, weil sie jedenfalls unbegründet ist. Die Voraussetzungen für eine Zulassung
der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG sind nicht gegeben.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
und Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach
dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48).
Der Kläger formuliert die Frage:
"Wird der Bezieher einer Lebensversicherung im Rahmen der Beitragsbemessung gemäß §
229 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 5. Sozialgesetzbuch
SGB V so gestellt, als ob er den gesamten Betrag der Versicherung erhalten hätte, wenn er einen Teil der Versicherungsleistung
unmittelbar oder vorab durch Hinterlegung an den Insolvenzverwalter (anstelle des Versicherungsnehmers - Arbeitgebers) durch
Vereinbarung auszahlen lässt, um die Freigabe des Insolvenzverwalters für die Auszahlung des restlichen Betrages von der Versicherung
an sich zu ermöglichen?"
Es kann offenbleiben, ob mit dieser Frage eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur
Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert ist. Denn sie ist nicht klärungsfähig bzw nicht klärungsbedürftig.
Der Kläger nimmt mit seiner Frage zwei unterschiedliche Fallkonstellationen in den Blick. Soweit er die Frage nach der Rechtmäßigkeit
der Verbeitragung eines nur geminderten Auszahlbetrags bei unmittelbarem Abzug eines Teilbetrags geltend macht, fehlt es bereits
an der Klärungsfähigkeit der Fragestellung. Denn sie betrifft nicht den Fall des Klägers, der den Auszahlbetrag in voller
Höhe erhalten hat.
Soweit der Kläger die Frage aufwirft, ob gemäß §
229 Abs
1 S 1 Nr
5 SGB V der volle Auszahlbetrag einer Direktlebensversicherung zur Verbeitragung heranzuziehen ist, wenn die Auszahlung selbst zuvor
faktisch von der Bezahlung eines Betrags an den Insolvenzverwalter abhängig gemacht worden ist, ist die Frage nicht klärungsbedürftig.
Die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG ist nicht gegeben, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits
höchstrichterlich geklärt ist (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort zB BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG Beschluss vom 2.10.1996 - 6 BKa 54/95 - SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34). Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG
diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen
sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von dem Beschwerdeführer als grundsätzlich aufgeworfenen Rechtsfrage
geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 450/14 B - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 1.3.2018 - B 8 SO 63/17 B - Juris RdNr 6). So liegt der Fall hier. Die Antwort auf die von dem Kläger aufgeworfene
Rechtsfrage ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG zur Verbeitragung von Zahlungen aus einer Kapitallebensversicherung, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens
bedürfte.
Wie der Kläger selbst in Bezug genommen hat, hat der Senat bereits entschieden, dass Bemessungsgrundlage für die Beiträge
aus Versorgungsbezügen (§
229 SGB V) deren Zahlbetrag ist. Verfügungen des originär Berechtigten über den Zahlbetrag beeinflussen die Beitragspflicht grundsätzlich
nicht (vgl bereits BSG Urteil vom 28.1.1999 - B 12 KR 24/98 R - SozR 3-2500 § 237 Nr 7 S 19 ff). Daher steht es etwa einer aus Versorgungsbezügen resultierenden Beitragsforderung nicht
entgegen, dass die zu beurteilende Auszahlung an den originär Berechtigten unterbleibt, weil die aus einem Lebensversicherungsvertrag
herrührenden Leistungen dazu bestimmt sind bzw dazu verwendet werden, gegenüber einem Kreditinstitut bestehende Verbindlichkeiten
des Versicherten zu tilgen (vgl BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 KR 19/14 R - SozR 4-2500 § 226 Nr 2). Genauso unterliegt eine Kapitalleistung aus einer betrieblichen Altersversorgung auch dann mit
ihrem vollen Zahlbetrag der Beitragspflicht, wenn sie im Wege der Einmalprämie unmittelbar zur Finanzierung einer Sofortrentenversicherung
verwendet worden ist (vgl BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 1/16 R - BSGE 124, 188 = SozR 4-2500 § 240 Nr 33). Schließlich ist auch die Abtretung beitragspflichtiger Einnahmen von Versicherten eine für die
Beitragsbemessung grundsätzlich unbeachtliche Verwendung der Einnahmen. Eine Beitragsminderung tritt dadurch nicht ein, weil
entweder der Abtretende von einer Verbindlichkeit befreit wird oder er kraft freiwilligen Entschlusses über die Verwendung
seiner Einkünfte entscheidet (vgl BSG Urteil vom 17.3.2010 - B 12 KR 4/09 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 14 RdNr 20 f mwN).
Anhand dieser Grundsätze ergibt sich auch für den vorliegenden Fall, dass der Zahlbetrag aus der Direktversicherung in voller
Höhe gemäß §
229 Abs
1 S 1 Nr
5 iVm S 3
SGB V zu verbeitragen ist. Dem Kläger ist die Kapitalleistung aus einer Direktversicherung unvermindert zugeflossen. Dass er nach
eigenem Vorbringen die Kapitalleistung faktisch nur aufgrund einer vorab geleisteten "Gegenzahlung" erhalten habe, steht dem
nicht entgegen. Der Kläger hat auch hier - im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Senats - kraft freiwilligen Entschlusses
über die Verwendung seiner Einkünfte (im Sinne einer Vorabzahlung) entschieden.
Ob dies anders zu beurteilen sein könnte, wenn die Direktversicherung unmittelbar in die Insolvenzmasse gefallen ist, eine
Auszahlung (in voller Höhe) also aus rechtlichen Gründen nicht erfolgen konnte (vgl dazu den vom Kläger selbst vorgelegten
Aufsatz von Kühl, Direktversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, Deutscher Anwaltsspiegel), braucht der Senat hier
nicht zu entscheiden (vgl allerdings die Regelungen zum Insolvenzschutz nach §§
7 ff
BetrAVG). Nach dem Gesamtzusammenhang der für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) liegt ein solcher Fall hier nämlich nicht vor. Der Kläger selbst hat vielmehr mit seiner Beschwerde geltend gemacht, dass
eine Zahlungsverpflichtung an den Insolvenzverwalter nicht bestand. Er hat zur Vermeidung einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung
mit dem Insolvenzverwalter bzw mit dem Direktversicherer und daher letztlich zum früheren Erhalt des Auszahlbetrags freiwillig
einen Zahlbetrag an den Insolvenzverwalter geleistet. Dies hat allenfalls den Charakter einer freiwilligen Vorabverwendung
von Geldern aus diesem Zahlbetrag.
Dass der Kläger ohne freiwillige "Gegenzahlung" die Kapitalleistung ggf erst später erhalten hätte, führt als nur hypothetischer
Verlauf nicht zu einer geänderten Betrachtungsweise. Im Übrigen bestehen nach dem Vorbringen des Klägers von der fehlenden
Zahlungsverpflichtung keine Anhaltspunkte dafür, dass nicht auch dann - wenn auch später - der volle Auszahlbetrag zu verbeitragen
gewesen wäre.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.