Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren; Voraussetzung der unmissverständlichen
Nachfristsetzung
Gründe:
I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes.
Im Hauptsacheverfahren (Az.: S 31 R 1767/07) begehrt die dortige Klägerin Leistungen gegenüber dem Rentenversicherungsträger. Auf ihren Antrag beauftragte das Sozialgericht
gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) den Beschwerdeführer, einen approbierten Arzt, am 11.03.2008 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung der Klägerin zu
deren verbliebenen Leistungsvermögen zu erstatten. Zuvor hatte das Sozialgericht beim Beschwerdeführer angefragt, ob er zur
Erstellung des Gutachtens bereit sei, was dieser durch seine Unterschrift ausdrücklich bestätigte. Am 11.08.2008 bat das Sozialgericht
um Mitteilung bis 23.09.2008, bis wann mit dem Eingang des Gutachtens zu rechnen sei, bzw. welche Gründe einer Fertigstellung
entgegen stünden. Zugleich wurde auf die Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsgeld hingewiesen. Der Beschwerdeführer reagierte
hierauf nicht. Aus einem Aktenvermerk vom 25.09.2008 ergibt sich der Inhalt eines von der Vorsitzenden der 31. Kammer des
Sozialgerichts mit dem Beschwerdeführer geführten Telefongesprächs. Danach sagte der Beschwerdeführer die Erstellung des Gutachtens
binnen der kommenden drei Wochen zu. Der Aktenvermerk endet mit der Verfügung, dass bis dahin kein Ordnungsgeld zu verhängen
sei. Die Wiedervorlage war auf den 01.11.2008 vorgemerkt. Das Gutachten ging bis dahin nicht ein.
Mit Beschluss vom 13.11.2008 legte das Sozialgericht dem Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 Euro auf. Zur
Begründung führte es aus, der Sachverständige habe die gesetzten Fristen ohne Angabe von Gründen verstreichen lassen. Gegen
ihn sei deshalb ein Ordnungsgeld in festgesetzter Höhe zu verhängen gewesen.
Mit beim Sozialgericht am 05.12.2008 eingegangenen Schreiben vom 02.12.2008 legte der Beschwerdeführer gegen die Festsetzung
von Ordnungsgeld Beschwerde ein. Er bat um Verständnis für die Verzögerung in Anbetracht des Umfangs der Akten, die er neben
seiner Praxistätigkeit zur Erstellung des Gutachtens durchzuarbeiten habe. Im Übrigen sei die Festsetzung eines Ordnungsgeldes
nicht gerechtfertigt, weil ihn der Beschuss ohne Vorankündigung erreicht habe. Eine Ankündigung, dass ihm Ordnungsgeld drohe,
sei nicht erfolgt. Eine Nachfrist, wie in §
411 Zivilprozessordnung (
ZPO) vorgeschrieben, sei ihm nicht gesetzt und Ordnungsgeld nicht angedroht worden. Zumindest habe ihn eine solche Androhung
nicht erreicht.
Er beantragt deshalb, den Beschluss des Sozialgerichts vom 13.11.2008, der ihm mit Postzustellungsurkunde vom 19.11.2008 zugestellt
worden war, aufzuheben.
Das Sozialgericht leitete die Beschwerde an das Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung weiter.
II. Die zulässige Beschwerde (§§
172 Abs.
1,
173 SGG) ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts München vom 13.11.2009. Gemäß §
118 SGG i.V.m. §
411 Abs.
1 und
2 ZPO kann gegen den Sachverständigen nach Setzung einer Frist und einer Nachfrist das zuvor angedrohte Ordnungsgeld verhängt werden,
wenn der Sachverständige seiner Verpflichtung zur Erstattung eines Gutachtens bis dahin nicht nachgekommen ist. Demnach hängt
die Rechtmäßigkeit eines Ordnungsgeldes gegen einen Sachverständigen davon ab, dass ihm eine Frist zur Abgabe eines Gutachtens
gesetzt worden war, er diese versäumt hat, ihm daraufhin eine Nachfrist gesetzt und er auf die Folge, dass gegen ihn Ordnungsgeld
verhängt werde, wenn er die Frist versäume, hingewiesen wurde.
Im schriftlichen Gutachtensauftrag vom 11.03.2008 war dem Beschwerdeführer keine Frist zur Einreichung des Gutachtens gesetzt
worden. Dies geschah erst im Schreiben vom 11.08.2008. Darin war der Beschwerdeführer um Mitteilung bis 23.09.2008 gebeten
worden, bis wann mit dem Eingang des Gutachtens zu rechnen sei, bzw. welche Gründe einer Fertigstellung entgegen stünden.
Zugleich war auf die Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsgeld pauschal hingewiesen worden. Es kann dahinstehen, ob dieses
Schreiben bereits eine unmissverständliche Fristsetzung zur Abgabe des Gutachtens enthält. Denn es fehlt an einer Nachfristsetzung
nach fruchtlosem Ablauf der vorangegangenen Frist. Hierzu enthält die vorgelegte Akte nur den Vermerk über ein zwischen der
Vorsitzenden der 31. Kammer und dem Beschwerdeführer geführtes Telefongespräch vom 25.09.2008. Festgehalten ist darin, der
Beschwerdeführer habe die Erstellung des Gutachtens binnen der kommenden drei Wochen zugesagt. Dass dem Beschwerdeführer seitens
des Gerichts eine Frist und zudem eine Nachfrist zu einem bestimmten oder bestimmbaren Datum gesetzt worden wäre, kann dem
Vermerk nicht entnommen werden. Aus dem von der Vorsitzenden angefügten Vermerk "bis dahin kein Ordnungsgeld" ist eher zu
schließen, dass es sich um die Vereinbarung einer Fristverlängerung handelte.
Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer behauptet, der Ordnungsbeschluss sei für ihn völlig überraschend und ohne Vorankündigung
zugestellt worden. Nach dem eindeutigen Wortlaut des §
411 Abs.
2 Satz 2
ZPO muss Ordnungsgeld unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Es muss somit für den Sachverständigen klar erkennbar sein,
dass das Gericht von seinen Möglichkeiten zur Verhängung eines Ordnungsmittels Gebrauch machen werde, wenn er die Nachfrist
fruchtlos verstreichen lasse. An einer solchen ausdrücklichen Nachfristsetzung fehlt es hier.
Damit war der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts München vom 13.11.2008 aufzuheben mit der Folge, dass außergerichtliche
Kosten des Beschwerdeführers, soweit solche entstanden sein sollten, von der Staatskasse zu tragen sind. Der Senat schließt
sich insoweit der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH/NV 1994, 733) an, wonach bei einer erfolgreichen Beschwerde in einem nicht kontradiktorischen Verfahren die Staatskasse mit den Kosten
des Beschwerdeführers zu belasten ist.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).