Erstattung von Kosten für eine Begleitung zu einem Erörterungstermin nach dem JVEG im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin begehrt die Erstattung von Kosten für eine Begleitung zu einem Erörterungstermin
nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).
In dem am Sozialgericht Bayreuth (SG) unter dem Aktenzeichen S 8 KR 189/10 geführten Klageverfahren wurde mit Ladung vom 30.07.2013 ein Erörterungstermin für den 25.09.2013, 12.30 Uhr, angesetzt,
zu dem das persönliche Erscheinen der Beschwerdeführerin angeordnet wurde. Mit Schreiben vom 28.08.2013 teilte die Beschwerdeführerin
dem SG mit, dass sie beabsichtige, mit Herrn R. als Begleitperson ("12,- EUR / Stunde") anzureisen. Die Notwendigkeit der Begleitung
ergebe sich aus dem Schwerbehindertenausweis (Grad der Behinderung 90) mit Merkzeichen G und B. Sie müsse sich ein Fahrzeug
ausleihen, bei dem km-Entschädigung anfalle. Alternativ könne sie nur mit Taxi und Taxifahrer als Begleitperson anreisen.
Die Anschrift des als Begleitperson angegebenen Herrn R. (C-Stadt) war dem SG zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt.
Auf die Nachfrage des Gerichts, warum ihr die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln mit Begleitperson nicht möglich sei,
antwortete die Beschwerdeführerin trotz zweimaliger Erinnerung vor dem Erörterungstermin nicht. Eine weitere gerichtliche
Mitteilung an die Beschwerdeführerin erfolgte nicht.
Am 25.09.2013 nahm die Beschwerdeführerin von 12.45 Uhr bis 13.10 Uhr am Erörterungstermin teil.
Mit Entschädigungsantrag vom 26.09.2013 machte die Beschwerdeführerin die Kosten für die Begleitung durch Herrn R. geltend
und gab dazu Folgendes an:
Herr R. sei um 6.30 Uhr in C-Stadt weggefahren und habe sie um ca. 10.00 Uhr abgeholt. Um 16.30 Uhr sei sie und um 19.30 Uhr
Herr R. wieder zu Hause gewesen. Sie habe Herrn R. pauschal 100,- EUR gegeben. Sie seien mit dem Auto von C. R. gefahren,
für das nur Kilometergeld zu entschädigen sei. Die Entfernung zwischen dem Wohnort von Herrn R. und ihrem Wohnort betrage
250 km.
Dem Entschädigungsantrag legte die Beschwerdeführerin eine Quittung des Herrn R. vom 25.09.2013 über den Erhalt von 100,-
EUR für "Zeitentschädigung" als Begleitperson am 25.09.2013 sowie ein Attest ihres Hausarztes bei, wonach sie öffentliche
Verkehrsmittel auch mit Begleitperson nur beschränkt auf den Nahverkehrsbereich nutzen könne.
Der Kostenbeamtin des SG lehnte mit Schreiben vom 08.10.2013 eine Entschädigung von Kosten für die Begleitperson ohne Begründung ab.
Mit Schreiben vom 20.10.2013 hat die Beschwerdeführerin die richterliche Kostenfestsetzung wegen der Kosten der Begleitung
beantragt. Sie hat darauf hingewiesen, dass offenbar die Entschädigung bezüglich der Kosten für die Begleitperson übergangen
oder übersehen worden sei. Die zuständige Richterin habe telefonisch vor dem Erörterungstermin die notwendige Begleitperson
genehmigt.
Der Vortrag der Beschwerdeführerin zur Genehmigung der Begleitperson ist von der Hauptsacherichterin am 23.10.2013 bestätigt
worden, weil die Beschwerdeführerin Inhaberin eines Scherbehindertenausweises mit dem Merkzeichen B sei.
Mit Beschluss vom 27.11.2013 hat es das SG abgelehnt, Kosten für eine Begleitperson zu entschädigen. Das SG hat dies wie folgt begründet:
"Nach §
191 SGG iVm § 7 Abs. 1 JVEG werden auch die in den §§ 5, 6 und 12 JVEG nicht besonders genannten Auslagen ersetzt, soweit sie notwendig sind (Satz 1); dies gilt insbesondere für die Kosten notwendiger
Vertretungen und notwendiger Begleitpersonen (Satz 2).
Dass eine Begleitung der Antragstellerin als solche notwendig war, ist nachgewiesen und von der zuständigen Vorsitzenden auch
als solches vor dem Termin genehmigt worden.
Die richterliche Genehmigung, sich zur Terminswahrnehmung von einer Begleitperson unterstützen lassen zu können, sagt aber
überhaupt nichts darüber aus, welche Kosten für die Begleitperson aus der Staatskasse erstattet werden. Auch hier gilt, dass
nur die gesetzlich vorgesehen Kosten der Begleitperson zu erstatten sind. Welche Beträge die Antragstellerin individuell ihrer
Begleitperson zuwendet, ist ihre ganz persönliche Entscheidung und bindet weder die Staatskasse noch den Kostenbeamten.
Zunächst ist auch im Rahmen des Ersatzes für sonstige Aufwendungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG zu berücksichtigen, dass der Erstattungsberechtigte die Kosten so niedrig als möglich zu halten hat. Es können daher Kosten
einer Begleitperson überhaupt nur erstattet werden, soweit sie für die Wahrnehmung des Termins durch den Betroffenen erforderlich
waren. Erforderlich zur Terminswahrnehmung war eine Begleitung von der Wohnung zum Gericht und wieder zurück zur Wohnung.
Ein Antragsteller kann sich seine Begleitperson frei auswählen und, wenn er dies möchte, diese auch vom anderen Ende der Welt
zu seiner Wohnung anreisen lassen - aber nicht auf Kosten der Allgemeinheit. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf,
dass die Antragstellerin das Gericht nicht über die Besonderheiten ihrer Begleitperson und die damit verbundenen exorbitanten
Kosten informiert hat, die tatsächlich anfallenden Kosten also bei Gericht gar nicht bekannt waren und schon gar nicht genehmigt
worden waren. Eine Begleitung findet ohnedies schon begrifflich erst ab der Wohnung des zu Begleitenden statt; die zur Vorbereitung
einer Begleitung entstehenden Kosten trägt der Betreffende fraglos selbst. Die zur Anreise der Begleitperson von C-Stadt zur
Wohnung und wieder zurück angefallenen Kosten trägt die Antragstellerin selbst.
Der Zeitaufwand einer Begleitperson für die Begleitung zwischen Wohnung und Gericht und wieder zurück, ist nach den Bestimmungen
des JVEG nicht erstattungsfähig.
... Die Entschädigung für Zeitausfall während der Reise von der Wohnung zum Gericht, des Aufenthalts bei Gericht und der Rückreise
zur Wohnung steht nur der Klagepartei zu, aber nicht ihrer Begleitperson (§ 20 JVEG); diese Entschädigung für 4 volle Stunden á 3,50 EUR (=14,00 EUR) wurde der Antragstellerin bereits zutreffend überwiesen.
b. Der Antrag auf Übernahme der von der Antragstellerin im einzelnen gewünschten Kosten der Begleitperson war nach alledem
abzulehnen."
Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit Eingang vor dem 24.12.2013 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Herr R. habe sie zum Erörterungstermin begleitet. In gleich gelagerten Fällen sei bei ihr mal so, mal anders entschieden worden.
Die Beschwerde sei entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung schon deshalb zulässig, da das SG gegenteilig entschieden habe.
Der Senat hat die Akten des SG auch im Hauptsacheverfahren beigezogen
II.
Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Für die Kosten der Begleitung sind der Beschwerdeführerin 100,- EUR zu
erstatten. Ein darüber hinaus gehender Entschädigungsanspruch besteht nicht.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde ist nicht - wie die Beschwerdeführerin meint - zulässig, weil widersprüchliche Entscheidungen verschiedener
Sozialgerichte vorliegen, sondern ausschließlich deswegen, weil der Beschwerdewert des § 4 Abs. 3 JVEG erreicht ist.
Eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Festsetzung der Entschädigung ist nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands
200,- EUR übersteigt oder wenn sie das Sozialgericht aufgrund grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Der Wert des Beschwerdegegenstands
ist die Differenz zwischen dem vom Beschwerdeführer angestrebten Betrag und der erfolgten Festsetzung (vgl. Beschluss des
Senats vom 03.08.2012, Az.: L 15 SF 139/12 B NZB).
Bei einer wie hier auf 0,- EUR festgesetzten Entschädigung für Kosten der Begleitperson muss der angestrebte Betrag daher
über 200,- EUR liegen, um den für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlichen Beschwerdewert zu erreichen. Dies ist vorliegend
der Fall.
Unter Zugrundelegung und vollständiger Übernahme der Angaben der Beschwerdeführerin im Entschädigungsantrag vom 26.09.2013,
die die Grundlage für den von ihr angestrebten Entschädigungsbetrag darstellen, ergibt sich eine beantragte Entschädigung
von mehr als 200,- EUR für die Kosten der Begleitperson.
Die Beschwerdeführerin macht für die Begleitung Folgendes geltend: 2 mal 250 Km Fahrtstrecke der Begleitperson (von C-Stadt
bis zu ihrem Wohnort und zurück) sowie 100,- EUR pauschale Entschädigung. Bei den geltend gemachten insgesamt 500 km, die
dem Antrag der Beschwerdeführerin folgend nach den Regelungen des JVEG als "Kilometergeld" zu entschädigen seien, ergäbe sich gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG ein Fahrtkostenersatz von 125,- EUR. Zusammen mit den als "Zeitentschädigung" von der Beschwerdeführerin an Herrn R. gezahlten
100,- EUR beträgt der Beschwerdewert 225,- EUR. Die Beschwerde ist damit zulässig.
2. Begründetheit der Beschwerde
Der Beschwerdeführerin steht für die Begleitung durch Herr R. ein Auslagenersatz in Höhe von 100,- EUR zu. Ein weitergehender
Anspruch besteht nicht.
2.1. Anwendbarkeit des JVEG
Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß §
191 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich - wie hier - um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinne des §
183 SGG handelt.
Der Senat sieht keinerlei Anlass, bei der Entschädigung eines Beteiligten, der ein Eigeninteresse am Verfahren hat, andere
Maßstäbe anzulegen als beispielsweise bei einem Zeugen, bei dem ein solches Eigeninteresse fehlt (vgl. dazu die ausführlichen
Begründungen in den Beschlüssen des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, und vom 26.11.2013, Az.: L 15 SF 208/13). Der Senat verkennt zwar nicht die unterschiedlichen Interessenslagen, der Gesetzgeber hat aber diesem Gesichtspunkt offenkundig
keine Bedeutung zugemessen.
2.2. Anzuwendende Fassung des JVEG
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz
-
2.KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung. Denn die Beschwerdeführerin als Berechtigte ist nach dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG
am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des
2.KostRMoG herangezogen worden.
2.3. Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren
Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung sind vom Beschwerdegericht alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände
zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer aufgegriffen hat oder nicht (ständige Rspr. des Senats, vgl.
z.B. Beschluss des Senats vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13; LSG Thüringen, Beschluss vom 05.03.2012, Az.: L 6 SF 1854/11 B - m.w.N.). Das Beschwerdegericht ist eine neue Tatsacheninstanz, die in vollem Umfang anstelle des Erstgerichts zu entscheiden
hat (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 18; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 4 JVEG, Rdnr. 28).
2.4. Erstattung von Kosten für eine Begleitperson
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 7 Abs. 1 JVEG kann ein Zeuge bzw. gemäß §
191 SGG ein Beteiligter den Ersatz von Kosten für eine Begleitperson als sonstige Aufwendung verlangen. § 7 Abs. 1 JVEG lautet wie folgt:
"Auch die in den §§ 5, 6 und 12 nicht besonders genannten baren Auslagen werden ersetzt, soweit sie notwendig sind. Dies gilt
insbesondere für die Kosten notwendiger Vertretungen und notwendiger Begleitpersonen."
2.4.1. Voraussetzungen für die Erstattung von Kosten für eine Begleitperson
Die Entschädigung setzt zunächst den Nachweis voraus, dass überhaupt Kosten ("bare Auslagen") für die Begleitung entstanden
sind, (s. unten Ziff. 2.4.1.1.). Berücksichtigungs- und damit erstattungsfähig sind diese Kosten dann, wenn einerseits eine
Notwendigkeit der Begleitung (s. unten Ziff. 2.4.1.2.), andererseits die Notwendigkeit der tatsächlich entstandenen Kosten
(s. unten Ziff. 2.4.1.3.) nachgewiesen sind. Es wird daher zutreffend von einer doppelten Notwendigkeitsprüfung gesprochen
(vgl. LSG Niedersachsen, Beschluss vom 06.01.2000, Az.: L 4 B 240/99 SF).
Die Notwendigkeit der Begleitung und der dabei entstandenen Kosten ist - wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung
- nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. die Rspr. des Senat zur objektiven Notwendigkeit unter verschiedenen Gesichtspunkten
- zur Begleitung: Beschluss des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B; zur Fahrtstrecke: Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12, und zur Dauer der zu entschädigenden Zeit: Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11 ). Dabei ist auch der haushaltsrechtliche Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (in Bayern: Art. 7 Bayerische Haushaltsordnung), der im Bereich des gesamten Kostenrechts, also auch der Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen, Dritten, ehrenamtlichen
Richtern und Beteiligten gilt, und das daraus resultierende Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung (vgl. Thüringer
LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05; Landgericht Meiningen, Beschluss vom 01.09.2009, Az.: 2 Qs 138/09; Hartmann, a.a.O., § 5 JVEG, Rdnr. 2) zu beachten (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E).
Die Frage der Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu
entscheiden (ständige Rspr., vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 20.07.2009, Az.: L 15 SF 152/09, und vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B; Thüringer LSG, Beschluss vom 02.04.2007, Az.: L 6 B 116/06 SF; vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O.,
§ 7, Rdnr. 15).
Die entstandenen Kosten sowie die doppelte Notwendigkeit müssen, den allgemeinen Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren
folgend, im Vollbeweis nachgewiesen sein. Vollbeweis bedeutet, dass die erforderlichen Tatsachen mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein müssen (vgl. Urteil des Senats vom 20.05.2014, Az.: L 15 VK 13/10; Bundessozialgericht
- BSG -, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Dies bedeutet, dass kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R). Beweiserleichterungen enthält das JVEG nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11).
2.4.1.1. Für die Begleitung entstandene Kosten
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin die ihr entstandenen Kosten durch die Vorlage einer Quittung der Begleitperson
Herrn R. vom 25.09.2013 über den Erhalt von 100,- EUR nachgewiesen. Dass die Beschwerdeführerin darüber hinausgehende bare
Auslagen gehabt hätte, ist hingegen nicht nachgewiesen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Quittung nur zum Schein ausgestellt worden wäre, um einen möglichst hohen Entschädigungsanspruch
geltend machen zu können, kann der Senat bei Berücksichtigung seines die gesamte Rechtsprechung zum JVEG durchziehenden Leitgedankens, wonach aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit die Anforderungen an die
Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter nicht überspannt werden dürfen (vgl. z.B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012,
Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B ,vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, und vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12), nicht erkennen.
Dass der Beschwerdeführerin selbst - nicht Herrn R. - weitergehende Kosten, und zwar für die Reise zwischen dem Wohnort von
Herrn R. und ihrem Wohnort, entstanden wären, ist nicht nachgewiesen. Der Senat ist sich zwar durchaus bewusst, dass diese
beiden Fahrten des Herrn R. zum Wohnort der Beschwerdeführerin vor dem Gerichtstermin und im Anschluss daran wieder zurück
Kosten verursacht haben müssen. Eine Entschädigung dafür könnte der Beschwerdeführerin aber - unabhängig von der anschließend
zu prüfenden Frage der Notwendigkeit - nur dann zugesprochen werden, wenn sie selbst dafür bare Auslagen im Sinn des § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG gehabt hätte. Derartige Auslagen hat sie im Rahmen der Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG - und im Übrigen auch bis heute nicht - nachgewiesen. Wenn die Beschwerdeführerin im Hauptsacheverfahren vor der mündlichen
Verhandlung mit Schreiben vom 28.08.2013 angekündigt hat, mit einem geliehenen Fahrzeug anzureisen, für das km-Entschädigung
anfalle, belegt dies keine Zahlung von Fahrzeugkosten an eine dritte Person, sondern kann lediglich als Hinweis auf eine solche
Zahlungsabsicht gesehen werden. Auch hat die Beschwerdeführerin nie behauptet, tatsächlich eine km-Entschädigung an Herrn
R. oder die von ihr angegebene Halterin des Fahrzeugs Frau C. R. gezahlt zu haben. Es liegt daher der Schluss sehr nahe, dass
die Beschwerdeführerin allenfalls beabsichtigt hat, der Halterin des Fahrzeugs einen Geldbetrag für die Nutzung des Fahrzeugs
für die Fahrt vom Wohnort des Herrn R. zu ihrem Wohnort und zurück zuzuwenden, wenn sie selbst dafür eine Entschädigung durch
die Staatskasse bekommen würde. Von einem Geldfluss an die Halterin oder Herrn R. kann daher nicht ausgegangen werden. Ob
eine vertragliche Verpflichtung zur Nutzungsentschädigung zwischen der Beschwerdeführerin und der Halterin des Fahrzeugs,
ohne dass eine Zahlung schon erfolgt wäre, ausreichen würde, um von "baren Auslagen" auszugehen, was angesichts des Wortlauts
des § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG bezweifelt werden kann, kann vorliegend offenbleiben. Denn eine derartige vertragliche Verpflichtung ist den ansonsten sehr
umfangreichen Angaben der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen.
Anlass für den Senat, im Rahmen der von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen der Frage nachzugehen, ob die Beschwerdeführerin
ein Kilometergeld an die Begleitperson oder die Halterin des von Herrn R. benutzten Kraftfahrzeugs gezahlt hat, bestand nicht.
Es ist Sache der Antragstellerin, ihre getätigten und zu erstattenden Auslagen dem Gericht innerhalb der Antragsfrist des
§ 2 Abs. 1 JVEG vorzutragen und so einem (teilweisen) Erlöschen vorzubeugen.
2.4.1.2. Notwendigkeit der Begleitung bzw. Berücksichtigungsfähigkeit aus Vertrauensschutzgründen
Es hat die Notwendigkeit einer Begleitung bestanden.
Zur Frage der Notwendigkeit einer Begleitperson hat sich der Senat bereits mit Beschluss vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, geäußert und ist dort nach umfassenden Abwägungen zu folgendem Ergebnis gekommen:
"Die Erstattung der Kosten für eine Begleitperson kommt daher nur in folgenden Konstellationen in Betracht:
1.Eine Anreise ohne Begleitperson mit einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel ist überhaupt nicht möglich oder zumutbar.
2. Die Inanspruchnahme einer Begleitperson ist aus wirtschaftlichen Gründen, d.h. bei Berücksichtigung der entstehenden Gesamtkosten,
angezeigt. Daran wäre z.B. zu denken, wenn durch die Anreise mit einer Begleitperson weitere, sonst entstehende Kosten (z.B.
Übernachtungskosten) vermieden werden könnten, sodass letztlich die Anreise ohne Begleitperson der Staatskasse nicht "billiger
käme".
Über die zwei vorgenannten Konstellationen, in denen sich die Notwendigkeit der Begleitung aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen
Gesichtspunkten ergibt, hat der Senat auch bedacht, dass aus Vertrauensschutzgesichtspunkten eine Entschädigung angezeigt
sein kann. Er hat dies im Beschluss vom 24.05.2012 wie folgt als dritte Konstellation bezeichnet:
"3. Ausnahmsweise sind über die Regelungen des JVEG hinaus, die die objektive Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit der Begleitperson voraussetzen, aus Vertrauensschutzgesichtspunkten
die Kosten einer Begleitperson zu erstatten. Dies ist der Fall, wenn der Betroffene aufgrund des allgemeinen rechtsbereichsübergreifenden
Grundsatzes von Treu und Glauben ein schutzwürdiges Vertrauen darauf hat, dass er in Begleitung anreisen durfte. Dabei kann
nur ein Vertrauenstatbestand relevant sein kann, den das Gericht oder eine ihm zuzurechnende Person gesetzt hat und den sich
das Gericht daher zurechnen lassen muss."
Sinngemäß mit der Frage, wann ein dem Gericht zuzurechnender Vertrauenstatbestand erfüllt ist, und damit mit der Konkretisierung
der vorgenannten Ziff. 3. hat sich der Senat bereits im Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E, dort unter dem Aspekt, wann eine Anreise von einem weiter entfernt liegenden Ort als dem Ladungsort bei der Entschädigung
zu berücksichtigen ist, befasst. Er hat dort Folgendes ausgeführt:
"Wird die die Anreise von einem anderen Ort angetreten und liegt dieser Ort weiter entfernt, verursacht er also höhere Anfahrtskosten
als der in der Ladung oder Terminsmitteilung bezeichnete Ort, ist der andere, weiter entfernt liegende Ort dann zugrunde zu
legen, wenn er dem Gericht als zuständiger Stelle unverzüglich angezeigt worden ist, wobei der Gesetzgeber in § 5 Abs. 5 JVEG das Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung der Anreise von dem angezeigten, weiter entfernt liegenden Ort nicht vorgesehen
hat. Ist die Angabe des weiter entfernt liegenden Abfahrts-/Rückkehrorts so rechtzeitig erfolgt, dass das Gericht darauf durch
eine Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens hätte reagieren können, sind mangels Abladung des Gerichts die höheren
Reisekosten zu erstatten (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., Rdnr. 5.23, Buchst. h; Hartmann, a.a.O., § 5 JVEG, Rdnr. 23 - m.w.N.)."
Unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes ist der Senat daher in der Entscheidung vom 06.11.2013 für Fälle, in denen eine vorher
erteilte Zustimmung des Gerichts zur Anreise vom weiter entfernt liegenden Ort fehlt, zu folgendem Ergebnis gekommen:
"In folgenden Konstellationen sind daher die durch eine weitere Anreise verursachten Mehrkosten berücksichtigungsfähig:
* Der Berechtigte zeigt den Anreiseort unverzüglich an und das Gericht hebt die Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht
auf.
* Der Berechtigte zeigt den Anreiseort nicht (unverzüglich) an, das Gericht der Hauptsache genehmigt aber die erfolgte Anreise
(nachträglich)."
Dieses Ergebnis ist auf die Frage der Berücksichtigung von Kosten für eine Begleitung zu übernehmen, jedenfalls dann, wenn
- wie in der bayerischen Sozialgerichtsbarkeit üblich - die Ladungsschreiben mit dem Hinweis darauf versehen sind, dass der
Geladene das Gericht über kostensteigernde Umstände beim Erscheinen zum gerichtlichen Termin vorab zu informieren hat ("Falls
Sie Ihre Reise zum Termin von einem anderen als dem in Ihrer umseitigen Anschrift bezeichneten Ort antreten wollen oder andere
besondere Umstände Ihr Erscheinen erheblich verteuern (z.B. Transport mit Krankenwagen bzw. Taxi oder Begleitperson), ist
dies dem Gericht unter Angabe des Aktenzeichens sofort mitzuteilen und schriftliche Nachricht abzuwarten"). Der Senat sieht
eine weitgehende Vergleichbarkeit der Frage der Erstattung von Kosten für eine Begleitperson mit der Frage der Entschädigung
von Kosten einer weiteren Anreise als vom Ladungsort aus. Beides sind Umstände, die die Anreise zum Gericht verteuern und
die das Gericht bei Kenntnis möglicherweise veranlasst hätten, vom persönlichen Erscheinen abzusehen (vgl. die ausführlichen
Überlegungen im Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E).
Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass im Ladungsschreiben neben der Aufforderung zur sofortigen
Mitteilung auch der Hinweis enthalten ist, dass "schriftliche Nachricht" des Gerichts "abzuwarten" sei. Genauso wie vom Beteiligten
erwartet wird, dass er so frühzeitig das Gericht über die kostenerhöhenden Umstände informiert, genauso kann der Beteiligte
erwarten, dass ihm, wenn er das Gericht über die kostensteigernden Umstände informiert hat, rechtzeitig vor dem Termin die
Information des Gerichts zugeht, wie er sich bei der Anreise verhalten soll, um nicht das Risiko einzugehen, auf Reisekosten
sitzen zu bleiben. Informiert der Beteiligte das Gericht über die verteuernden Umstände so spät, dass ihm das Gericht keine
Hinweise zur Anreise mehr geben kann, geht dies zu Lasten des Beteiligten. Reagiert hingegen das Gericht nicht rechtzeitig
vor dem Termin, kann der Beteiligte darauf vertrauen, dass von Seiten des Gerichts keine Einwände gegen die von ihm mitgeteilte
Art und Weise der Anreise bestehen, er also mit einer Berücksichtigung der Kosten für die Begleitung jedenfalls dem Grunde
nach rechnen kann. Eine unterbliebene Mitteilung durch das Gericht muss daher im Sinne des Vertrauensschutzes zu Lasten der
Staatskasse gehen.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin das Gericht umfassend und rechtzeitig informiert; drei Wochen vor dem Termin
war das Gericht über sämtliche Umstände (Merkzeichen B, Erforderlichkeit einer Begleitung, beabsichtigter Begleiter Herr R.,
Wohnort des Herrn R., voraussichtliche Kosten des Herrn R. von 12,- EUR pro Stunde, alternative Anreise mit einem Taxi) im
Detail in Kenntnis gesetzt.
Dass die Beschwerdeführerin auf die wiederholten Anfragen des Gerichts ab dem 05.09.2013, warum ihr eine Benutzung von öffentlichen
Verkehrsmitteln mit Unterstützung einer Begleitperson nicht möglich sei, nicht reagiert hat, steht der Notwendigkeit einer
Begleitung nicht entgegen. Ganz offensichtlich ist das Gericht der Hauptsache - und dies wegen der Zuerkennung des Merkzeichens
B zutreffend - davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin ohne Begleitung überhaupt nicht zum Termin erscheinen könne.
Bei Zugrundelegung dieser Prämisse war die Frage nach der Möglichkeit einer begleiteten Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln
keine sachdienliche Frage, da die Beschwerdeführerin, auch wenn sie als Inhaberin des Merkzeichens B die Möglichkeit zur kostenfreien
Mitnahme einer Begleitperson in öffentlichen Verkehrsmitteln hat, insofern die freie Wahl des Beförderungsmittels im Rahmen
des § 5 Abs. 1 und 2 JVEG hat, solange nicht durch die Wahl des Beförderungsmittels weitere, über § 5 Abs. 1 und 2 JVEG hinausgehende Kosten produziert werden, obwohl bei Inanspruchnahme eines anderen, möglichen und zumutbaren Transportmittels
derartige erhöhte Kosten nicht entstanden wären (vgl. Beschluss des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B). Die Nichtbeantwortung könnte der Beschwerdeführerin daher nicht mit der Begründung zum Nachteil gereichen, dass sie es
dem Gericht der Hauptsache nicht ermöglicht habe, die Entscheidung über die Anordnung des persönlichen Erscheinens aus Kostengründen
zu überdenken (vgl. zum Gesichtspunkt der durch die Anordnung des persönlichen Erscheinens entstehenden Kosten: Beschluss
des Senats vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E).
2.4.1.3. Notwendigkeit der tatsächlich aufgewendeten Kosten
Die von der Beschwerdeführerin Herrn R. als "Zeitentschädigung" gezahlten 100,- EUR sind aus Gründen des Vertrauensschutzes
zu erstatten.
2.4.1.3.1. Keine Orientierung an den Vorgaben der in § 19 JVEG aufgelisteten Entschädigungstatbestände bei der Bestimmung der Notwendigkeit der tatsächlich aufgewendeten Kosten
Der Ersatz der Kosten für eine notwendige Begleitung wird nicht durch die Vorgaben der in § 19 JVEG aufgelisteten Entschädigungstatbestände bestimmt.
Der Gesetzgeber hat im JVEG keine Konkretisierung der Notwendigkeit der tatsächlich aufgewendeten Kosten im Sinn des § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG vorgenommen. Insbesondere hat er die für die Begleitperson berücksichtigungs- und damit entschädigungsfähigen Kosten nicht
den Vorgaben unterworfen, die für die Entschädigung von Zeugen und Beteiligten selbst gemäß § 19 JVEG in Verbindung mit der jeweiligen Entschädigungstatbeständen gelten.
Wie aus § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG ("die baren Auslagen werden ersetzt, soweit") ersichtlich wird, hat der Gesetzgeber die Erstattung von Kosten für die Begleitperson
nicht den pauschalierenden Vorgaben des JVEG (z.B. zu Verdienstausfall gemäß § 22 JVEG und Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG) unterworfen, wie sie für die Entschädigung von Zeugen (und Beteiligten) gelten, sondern betrachtet die Entschädigung für
Kosten einer Begleitung als Aufwendungsersatz. Maßgeblich sind daher die tatsächlich dem begleiteten Zeugen oder Beteiligten
für die Begleitung entstandenen Kosten, nicht eine fiktive Entschädigung, wie sie die Begleitperson, die ohnehin keinen eigenen
Anspruch nach dem JVEG hat, nach den Regelung des JVEG erhalten würde, wenn sie selbst Zeuge oder Beteiligter wäre (a.A. ohne nähere Begründung: LSG Thüringen, Beschluss vom 25.05.2011,
Az.: L 6 SF 152/11 E).
Dies kann im Ergebnis dazu führen, dass die Begleitperson bei entsprechender "Vergütung" im weitesten Sinn durch den begleiteten
Zeugen oder Beteiligten mittelbar, nämlich über den Zeugen oder Beteiligten, einen (deutlich) höheren Geldbetrag erhalten
kann, als dies bei einer Beteiligten- oder Zeugeneigenschaft der Fall wäre. Dieses auf den ersten Blick möglicherweise überraschende
Ergebnis stellt die Richtigkeit dieses Ergebnisses aber nicht in Frage. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
- In § 7 Abs. 1 JVEG fehlt, obwohl dort ausdrücklich die Entschädigung wegen Kosten einer Begleitperson aufgeführt wird, ein Hinweis darauf, dass
die Kosten der Begleitperson nach den Regelungen, wie sie für Zeugen (§ 19 ff. JVEG) gelten, zu ermitteln wären. Vielmehr hat der Gesetzgeber ausdrücklich die zu entschädigenden Kosten als die "baren Auslagen
..., soweit sie notwendig sind", beschrieben. Entscheidend für den Gesetzgeber sind also der Zahlungsfluss ("bare") und die
Notwendigkeit. Eine Interpretation dahingehend, dass mit dem Adjektiv "notwendig" eine Anwendung der Regelungen der
§§ 19 ff. JVEG gemeint sein könnte, verbietet sich.
- Die Regelungen der in § 19 JVEG aufgezählten Entschädigungstatbestände stellen weitgehend gerade nicht auf eine betragsgenaue Notwendigkeit oder einen zu
erstattenden Schaden ab, sondern beinhalten eine pauschalierende Entschädigung nach Billigkeitsgründen. Dieser gesetzgeberische
Ansatz findet sich in § 7 Abs. 1 JVEG nicht wieder.
- Der Senat kann bei seiner Auslegung des § 7 Abs. 1 JVEG keinen Wertungswiderspruch zu den gesetzgeberischen Grundentscheidungen des JVEG erkennen. Zwar enthält das JVEG die gesetzgeberische Festlegung, dass wegen der staatsbürgerlichen Pflicht (vgl. Hartmann, a.a.O., § 19 JVEG, Rdnr. 2) zur Aussage vor Gericht eine Entschädigung von Zeugen nur aus Billigkeitsgründen zu erfolgen hat (vgl. Bundesverfassungsgericht,
Beschluss vom 10.10.1978, Az.: 2 BvL 3/78; Hartmann, a.a.O, § 22 JVEG, Rdnr. 7 - m.w.N.). Deshalb sieht das JVEG z.B. bezüglich des Verdienstausfalls gemäß § 22 JVEG keinen echten Schadensersatz vor (vgl. die ausführlichen Erläuterungen im Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11). Dieser Grundsatz kann aber nicht auf die im Rahmen des Aufwendungsersatzes zu entschädigenden Kosten einer Begleitung übertragen
werden. Denn dies hätte zur Folge, dass Menschen mit Behinderung, die einer Begleitung bedürfen, in nicht seltenen Fällen
doppelt durch die wegen der Billigkeit reduzierte Entschädigung betroffen wären - einerseits bei der Entschädigung für originär
ihnen entstandene Kosten oder Ausfälle, andererseits aber auch wegen der einer Kürzung (aus Billigkeitsgründen) unterliegenden
Entschädigung der von ihnen für die Begleitperson aufgewendeten Kosten. Eine solche behindertenfeindliche Auslegung hält der
Senat mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) nicht für vereinbar.
- Würden die Kosten einer Begleitung nur in dem Umfang erstattet, wie sie der Begleitperson zuständen, wenn diese selbst Zeuge
oder Beteiligter wäre, würde dies in der Praxis oft dazu führen, dass der begleitete Zeuge oder Beteiligte seinem Begleiter
nur einen solchen Geldbetrag zuwenden würde, wie ihn der Begleiter als Zeuge oder Beteiligte erhalten würde. Denn anderenfalls
würde der Begleitete auf einem Teil der ihm für die Begleitung entstandenen Kosten sitzen bleiben und hätte einen doppelten
Nachteil (vgl. oben vorheriger Spiegelstrich). Damit würde der Begleiter so gestellt, wie wenn er am gerichtlich angeordneten
Termin aufgrund einer staatsbürgerlichen Pflicht teilgenommen hätte. Von einer staatsbürgerlichen Pflicht kann aber bei der
Begleitperson keine Rede sein.
- Der Senat ist der Überzeugung, dass die von ihm getroffene Auslegung nicht in größerem Umfang zu unbilligen Ergebnissen
führen kann, als dies bei jeder anderen gesetzlichen Regelung auch der Fall ist und vom Gesetzgeber hingenommen wird. Denn
den Fällen, in denen der Begleitete dem Begleiter durch die Zahlung einer überhöhten "Vergütung" im weitesten Sinn einen wirtschaftlich
nicht gerechtfertigten Vorteil verschaffen will, lässt sich einem Missbrauch durch den Begriff der Notwendigkeit der Kosten
ein Riegel vorschieben (vgl. unten Ziff. 2.4.1.3.2.1.).
Der Senat sieht daher weder in § 7 Abs. 1 JVEG eine analogiefähige Regelungslücke noch können die Regelungen der in § 19 JVEG aufgezählten Entschädigungstatbestände mangels Vergleichbarkeit analog angewandt werden. Sollte - was der Senat nicht in
allen Fällen ausschließen möchte - die bestehende gesetzliche Regelung die Möglichkeit zu einem Missbrauch, soweit dem nicht
über den Begriff der Notwendigkeit der baren Auslagen entgegen getreten werden kann, eröffnen, wäre es Sache des Gesetzgebers,
hier korrigierend einzugreifen. Den Gerichten wäre eine solche Korrektur versagt, da sie sich damit zum Gesetzgeber aufschwingen
und gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz des Art.
20 Abs.
2 Satz 2 Halbsatz 2
GG verstoßen würden.
2.4.1.3.2. Bestimmung des Begriffs der Notwendigkeit der tatsächlich aufgewendeten Kosten
Notwendig (zum Begriff der Notwendigkeit s. oben Ziff. 2.4.1.) sind die Kosten für eine Begleitung grundsätzlich dann, wenn
sie entweder als Taxikosten entstanden sind oder die Kosten einer An- und Abreise mit einem Taxi nicht übersteigen oder der
Berechtigte auf die Erstattungsfähigkeit der Kosten vertrauen durfte.
2.4.1.3.2.1. Objektiv erforderlich: Taxikosten
Für den Senat ergeben sich die objektiv notwendigen Kosten aus der Höhe der Kosten, wie sie bei Anreise mit einem Taxi angefallen
sind oder - wenn eine andere begleitete Anreiseart gewählt wird - wären. Nur so lässt sich einigermaßen zuverlässig eine Bestimmung
der notwendigen Kosten aus objektiver Sicht vornehmen.
Es ginge im Rahmen der nur eingeschränkten Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter (vgl. dazu oben Ziff. 2.4.1.1.)
zu weit, diesen eine Ermittlung der Kosten der individuell möglichen begleiteten Anreise zuzumuten, zumal sie sich dabei weitgehend
auf die Angaben des Berechtigten verlassen müssten.
Von ganz seltenen Ausnahmefällen abgesehen wird einem Berechtigten, der für die Anreise zum gerichtlich angeordneten Termin
einer Begleitung bedarf, diese Anreise mit einem Taxi möglich sein. Diesen Weg werden insbesondere auch die Berechtigten wählen,
die nicht auf die Unterstützung von Familienangehörigen oder Freunden zurückgreifen können. Im Gegensatz zu ehrenamtlich organisierten
Begleitungen ist die Möglichkeit der Benutzung eines Taxis auch jedermann bekannt und eröffnet. Ein vernünftig und wirtschaftlich
denkender Beteiligter wird daher, jedenfalls dann, wenn er keine kostengünstigere Anreisemöglichkeit hat, bei der Anreise
mit Begleitung auf ein Taxi zurückgreifen. Hat er eine andere Art der Begleitung gewählt, sind ihm jedenfalls die tatsächlich
entstandenen Kosten zu erstatten, soweit diese die Kosten einer Taxibenutzung nicht übersteigen.
Die Ermittlung der Kosten, wie sie bei der Benutzung eines Taxis anfallen, sind über diverse Seiten im Internet zumindest
als Näherungswerte zu ermitteln und stellen damit ein Hilfsmittel zur verwaltungsökonomischen Kostenermittlung für den Kostenbeamten
und Kostenrichter dar.
2.4.1.3.2.2. Schutzwürdiges Vertrauen
Die tatsächlich entstandenen Kosten sind auch dann, wenn sie die Kosten einer (fiktiven) Taxibenutzung übersteigen, zu erstatten,
wenn der Berechtigte ein schutzwürdiges Vertrauen darauf haben durfte, dass er so, wie er dies getan hat, anreisen durfte.
Von einem solchen schutzwürdigen Vertrauen ist nur dann auszugehen, wenn es vom Gericht oder einer ihm zuzurechnenden Person
gesetzt worden ist. Das oben (s. Ziff. 2.4.1.2.) zur Notwendigkeit der Begleitung bzw. Berücksichtigungsfähigkeit aus Vertrauensschutzgründen
Ausgeführte gilt hier in gleicher Weise.
2.4.1.3.3. Prüfung im vorliegenden Fall
Die Herrn R. von der Beschwerdeführerin gezahlte "Zeitentschädigung" von 100,- EUR ist schon aus Vertrauensschutzgründen zu
erstatten.
Mit Schreiben vom 28.08.2013 hat die Beschwerdeführerin dem Gericht der Hauptsache bis ins Detail die Konditionen der von
ihr beabsichtigten Begleitung, insbesondere die Person des Begleiters, dessen Wohnort dem Gericht der Hauptsache schon länger
bekannt war, und die von ihr Herrn R. zugedachte Entschädigung von 12,- EUR pro Stunde mitgeteilt. Angesichts des Wohnorts
des Begleiters war damit für das Gericht der Hauptsache absehbar, dass die Beschwerdeführerin allein für die vom Begleiter
aufzuwendende Zeit diesem einen Betrag von (mindestens) 100,- EUR zuwenden würde. In der Folge hat das Gericht der Hauptsache
der Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt signalisiert, dass es mit einer Begleitung unter diesen Konditionen nicht einverstanden
wäre. Vielmehr könnten die Nachfragen des Gerichts der Hauptsache, warum die Klägerin nicht begleitet mit öffentlichen Verkehrsmitteln
anreisen könne, aus dem objektivem Empfängerhorizont dahingehend sogar dahingehend interpretiert werden, dass das Gericht
mit dem zugesagten Stundensatz einverstanden sei. Jedenfalls hat das Gericht einen Vertrauenstatbestand bei der Beschwerdeführerin
geschaffen, der die Erstattung der gezahlten 100,- EUR nach sich ziehen muss.
Darauf, wie hoch die Kosten eine An- und Rückreise mit einem Taxi, wie sie im Übrigen auch die Beschwerdeführerin alternativ
vorgeschlagen hat, gewesen wären, kommt es daher nicht mehr an. Lediglich der Vollständigkeit halber merkt der Senat an, dass
eine Reise mit einem Taxi deutlich teurer gekommen wäre; Taxikostenrechner geben für die einfache Strecke 151,- EUR (www.taxi-rechner.de)
an, sodass auch aus diesem Grund die Herrn R. gewährte "Zeitentschädigung" von 100,- EUR zu erstatten wäre.
Der Beschwerdeführerin ist daher für Kosten der Begleitung zum Gerichtstermin am 25.09.2013 ein Betrag in Höhe von 100,- EUR
zu erstatten.
Der Kostensenat des Bayer. LSG trifft diese Entscheidung nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung
(§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG). Sofern der Kostensenat des Bayer. LSG in der Vergangenheit die Entschädigung für eine Begleitperson so vorgenommen hat,
wie wenn diese ein Beteiligter oder Zeuge gewesen wäre, wird diese Rechtsprechung nicht mehr aufrecht erhalten.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).