Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende
Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche nach den Vorgaben der Schlussanträge des Generalanwalts des
EuGH in der Sache Alimanovic
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der am 31. Mai 1991 geborene Antragsteller ist lettischer Staatsbürger. Vom 9. August 2014 bis 21. September 2014 war der
Antragsteller als Spüler im Restaurant S in B F beschäftigt. Für die Monate Februar 2015 und März 2015 erhielt er von dem
Jobcenter B S-Z mit Bescheid vom 18. März 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 320 € (Februar 2050)
sowie 279,30 € (März 2015).
Am 6. März 2015 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II. Mit Bescheid vom 27. März 2015 lehnte der Antragsgegner den Antrag unter Hinweis auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ab; außerdem verwies er zusätzlich auf den Bewilligungsbescheid des Jobcenters B S-Z vom 18. März 2015. Gegen den Bescheid
vom 27. März 2015 erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. April 2015 Widerspruch.
Am 27. April 2015 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung
des Antragsgegners zur vorläufigen Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis zum 31. August 2015 in Höhe von 799
€ monatlich und für April 2015 in Höhe von 106,53 € beantragt. Er sei bereits befristet vom 9. August 2014 bis zum 21. September
2014 bei dem Restaurant S zu einem Bruttolohn von 7 Euro angestellt gewesen. Er sei derzeit auf Arbeitssuche und wähle bei
den potentiellen Arbeitgebern vornehmlich Gastronomiebetriebe aus. Dabei gehe er derart vor, dass er bei den potentiellen
Arbeitgebern seinen Lebenslauf einreiche. Der Antragsschrift beigefügt gewesen ist die Kopie eines Lebenslaufes, auf der handschriftlich
eine E-Mail Adresse unter dem Namen des Antragstellers mit der Angabe einer Mobilfunktelefonnummer sowie ein von dem auf dem
Pass des Antragstellers enthaltenen Geburtsdatum (... 1991) abweichendes Geburtsdatum (... 1992) enthalten gewesen ist.
Mit Schriftsatz vom 30. April 2015 hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers ausgeführt, die Bewerbungsbemühungen
des Antragstellers hätten Erfolg gehabt, er habe nunmehr eine geringfügige Beschäftigung gefunden. Beigefügt war die Kopie
eines Schreibens der RE & Partner GbR - Restaurant W, in dem ausgeführt worden ist:
"... Herr HJ wird ab dem 1.5.2015 einen Job als geringfügig Beschäftigt (MINI-JOB) nach §
8 Abs.
1 Nr.
1 SGB IV im Restaurant W beginnen."
Mit Beschluss vom 11. Mai 2015 hat das Sozialgericht Berlin den Antragsgegner zur vorläufigen Leistungsgewährung für den Zeitraum
vom 27. April 2015 bis 30. April 2015 in Höhe von 66,55 € und für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis 31. August 2015 in Höhe von
499,15 € monatlich verpflichtet. Im Übrigen hat es den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Der Antragsteller habe seinen
gewöhnlichen Aufenthalt seit Juli 2014 in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Überzeugung der Kammer sei er auch nicht nach
§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Der Antragsteller habe in ausreichendem Maße glaubhaft gemacht, dass er seit dem 1. Mai 2015 einer abhängigen
Beschäftigung nachgehe und demnach sein Aufenthaltsrecht auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU stütze. Abgesehen davon sei die Kammer ohnehin der Auffassung, dass dem Antragsteller auch dann im Rahmen einer Folgenabwägung
Leistungen zuzusprechen wären, wenn er sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhielte. Insofern verweise die Kammer
auf den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 11. März 2013 zum Aktenzeichen L 31 AS 318/13 B ER.
Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 hat der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Mai 2005
abzuändern und den Antragsgegner zu verpflichten, für die Monate Juni 2015 bis August 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen aus abhängiger Beschäftigung sowie für den Monat Mai 2015 unter Anrechnung von lediglich 38,25
€ zu zahlen. Er habe lediglich am 6. Mai 2015 bei der RE & Partner GbR gearbeitet, danach sei ihm gekündigt worden. Zur Glaubhaftmachung,
dass er tatsächlich bei der R E & Partner GbR gearbeitet habe, werde eine eidesstattliche Versicherung, die Bestätigung über
den mündlich geschlossenen Arbeitsvertrag sowie eine Quittung über den Erhalt des Tageslohnes von 38,25 € eingereicht. Beigefügt
ist diesem Schreiben gewesen eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 19. Mai 2015, die Kopie des Schreibens
der R E & Partner GbR vom 28. April 2015 nebst einer Kopie einer Quittung mit Daten vom 6. Juni 2015 bzw. 6. Mai 2015, wegen
deren Inhalts im Einzelnen auf Blatt 69 und 70 der Gerichtsakten verwiesen wird.
Mit Beschluss vom 28. Mai 2015 das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 11. Mai 2015 zurückgewiesen.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2015 hat der Antragsteller am 28. Mai 2015 bei dem Landessozialgericht
Berlin Brandenburg Beschwerde eingelegt und wiederum beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Monate Juni 2015 bis August 2015 ohne Anrechnung von Einkommen aus abhängiger Beschäftigung sowie für den Monat Mai
2015 unter Anrechnung von lediglich 38,45 € zu zahlen. Er habe lediglich am 6. Mai 2015 bei der R E & Partner GbR gearbeitet,
danach sei ihm gekündigt worden.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Mai 2015 hat der Antragsgegner am 9. Juni 2015 bei dem Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg Beschwerde eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen
Verwaltungsakte des Antragsgegners (...), die der Entscheidung zu Grunde gelegen haben, verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet; die Beschwerde des Antragstellers ist ebenfalls zulässig, jedoch
nicht begründet.
Nach §
86b Abs.
2 S. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(§
86b Abs.
2 S. 2
SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den
so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft
macht (§
86 b Abs.
2 S. 4
SGG, §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung -
ZPO). Auch im Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung maßgeblich (OVG Hamburg, NVwZ 1990, 975).
Für den Zeitraum vor der (vermeintlichen) Arbeitsaufnahme am 6. Mai 2015 ist allenfalls ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche
als glaubhaft gemacht anzusehen, so dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greift und deshalb ein Anordnungsanspruch nicht erkennbar ist.
Zu einer anderen Einschätzung führt nicht die vermeintlich von dem Antragsteller am 6. Mai 2015 ausgeübte Tätigkeit im Restaurant
W. Entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Ansicht kommt auch ein hieraus abgeleitetes Aufenthaltsrecht nicht in Betracht.
Der Senat sieht es schon nicht als glaubhaft gemacht an, dass, in welchem Zeitraumund in welchem Umfang der Antragsteller
überhaupt im Restaurant W beschäftigt gewesen ist.
Das folgt schon daraus, dass die Angaben des Antragstellers und die vorgelegten Unterlagen in sich widersprüchlich sind. So
hat der Antragsteller bereits im erstinstanzlichen Verfahren als Anlage 5 zum Schriftsatz vom 27. April 2015 einen so genannten
Lebenslauf überreicht, der ein - von seinem zu den Verwaltungsakten gereichten Kopie seines Passes - abweichendes Geburtsdatum
enthält (im Pass 31. Mai 1991/in der Anlage 5 31. Januar 1992). Mit dem Schriftsatz vom 19. Mai 2015 hat der Antragsteller
nicht nur eine eidesstattliche Versicherung vom 19. Mai 2015 und eine Kopie des Schreibens der R E & Partner GbR vom 28. April
2015 übersandt, sondern auch die Kopie einer Quittung nicht nur mit widersprüchlichen Angaben (6.6.2015 bzw. 6. Mai 2015),
sondern auch ohne Aussage, wofür diese Zahlung quittiert worden ist. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag betreffend eine vermeintliche
Tätigkeit bei der R E & Partner GbR - Restaurant W liegt überhaupt nicht vor; aus dem Schreiben vom 28. April 2015 geht außerdem
weder die Dauer der Arbeitszeit noch außer der Angabe "geringfügig beschäftigt (Minijob) nach §
8 Abs.
1 Nr.
1 SGB IV" die Höhe des vereinbarten Arbeitsentgelts hervor.
Das Sozialgericht geht in dem angefochtenen Beschluss vom 11. Mai 2015 zudem schon nach den eigenen Angaben des Antragstellers
unzutreffend davon aus, dass dieser ab dem 1. Mai 2015 einer abhängigen Beschäftigung nachgegangen sei und sich demnach auf
ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU stützen könne. Tatsächlich kann - wenn überhaupt - allenfalls
von einer Tätigkeit des Antragstellers an einem einzigen Tag, dem 6. Mai 2015 ausgegangen werden.
Selbst wenn im Übrigen der Antragsteller tatsächlich am 6. Mai 2015 tätig geworden ist, ist nach Ansicht des Senats mehr als
zweifelhaft, ob hierin eine Tätigkeit zu sehen ist, die geeignet ist, ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer zu begründen.
Hierzu hat der Senat bereits wiederholt festgestellt, dass Tätigkeiten von völlig untergeordneter und unwesentlicher Bedeutung
ein solches Aufenthaltsrecht nicht begründen können (vergleiche Beschluss vom 4. Juni 2015, L 29 AS 1128/15 B ER, m.w.N., zitiert nach juris).
Damit bleibt festzustellen, dass für den streitigen Zeitraum ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsausübung weder direkt noch abgeleitet
als glaubhaft gemacht angesehen werden kann und daher der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greift.
Zur Anwendung des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist festzustellen, dass der Europäische Gerichtshof bereits mit Urteil vom 11. November 2014 in der Rechtssache C-333/13 - Dano (zitiert nach juris) die Europarechtskonformität und damit Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II bestätigt hat.
Schließlich hat der Senat in ständiger Rechtsprechung bereits mehrfach dargelegt, dass in einem Fall wie der vorliegenden
Art, in dem der Antragsgegner einen Leistungsantrag rechtmäßig unter Hinweis auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II abgelehnt hat, durch die erkennenden Gerichte weder eine vorläufige Bewilligung über §
328 des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III) in Verbindung mit § 40 SGB II noch über eine Folgenabwägung erfolgen kann. Denn beides würde letztlich zur Nichtanwendung einer rechtmäßigen gesetzlichen
Regelung führen. Insoweit verweist der Senat auf seine zahlreichen Beschlüsse hierzu, insbesondere den Beschluss vom 20. Oktober
2014 (Aktenzeichen: L 29 AS 2052/14 B ER, m.w.N., zitiert nach juris) und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Soweit der Antragsteller bereits in der Antragsschrift vom 27. April 2015 unter Hinweis auf die jüngst veröffentlichten Schlussanträge
des Generalanwalts des EuGH Wathelet (Rechtssache C-67/14 - Pressemitteilung Nr. 35/15 vom 26. März 2015, veröffentlicht in juris; Schlussanträge des Generalanwalts des EuGH Wathelet
vom 26. März 2015, veröffentlicht ebenfalls in juris) in dem Vorabentscheidungsersuchen des BSG (Az. B 4 AS 9/13) zur Zulässigkeit eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II für Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche in einen Mitgliedstaat begeben, deren Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen,
vorträgt, hierbei handele es sich um eine Folgenabwägung, bei der das Interesse des Antragstellers am einstweiligen Bezug
existenzsichernder Leistungen das fiskalische Interesse des Antragsgegners überwiege und ein Anspruch nach diesen Schlussanträgen
des Generalanwalts auch deshalb in Betracht komme, weil er bereits in der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer tätig
gewesen sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
Hier ist zunächst festzustellen, dass es sich bei diesen Schlussanträgen lediglich um einen Entscheidungsvorschlag an das
Gericht handelt. Eine Entscheidung des EuGH, die allenfalls eine Bindungswirkung entfalten könnte, liegt demgegenüber noch
nicht vor.
Darüber hinaus hat der Generalanwalt nach dem klaren Wortlaut seiner Schlussanträge auch nicht generell einen pauschalen Leistungsausschluss
als europarechtswidrig angesehen. Er hat vielmehr vorgeschlagen, zwischen drei Fallgestaltungen zu unterscheiden und hierzu
folgendes ausgeführt:
"Bei der ersten Fallgestaltung, bei der sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats
begibt und sich dort (seit weniger oder seit mehr als drei Monaten) aufhält, ohne dort eine Arbeit suchen zu wollen, ist es
- wie der Gerichtshof im Urteil Dano entschieden hat - berechtigt, dass der betreffende Unionsbürger von Leistungen der Sozialhilfe
ausgeschlossen wird, um das finanzielle Gleichgewicht der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit zu erhalten.
Bei der zweiten Fallgestaltung, bei der sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats in das Hoheitsgebiet eines anderen
Mitgliedstaats begibt, um dort Arbeit zu suchen, ist ein solcher Ausschluss aus den gleichen Gründen ebenfalls berechtigt.
Bei der dritten Fallgestaltung hingegen, bei der sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats mehr als drei Monate im Gebiet
eines Mitgliedstaats aufhält und dort gearbeitet hat, ist der Generalanwalt der Ansicht, dass dem betreffenden Unionsbürger
die in Rede stehenden Leistungen nicht automatisch verweigert werden dürfen.
Zwar kann ein Unionsbürger, der im Inland weniger als ein Jahr berufstätig war, im Einklang mit dem Unionsrecht seine - Erwerbstätigeneigenschaft
nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit verlieren (was bei Frau A und ihrer Tochter S im Dezember 2011 geschehen ist).
Jedoch verstößt es gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn ein Unionsbürger nach Ablauf eines Zeitraums der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit
von sechs Monaten im Anschluss an eine - Erwerbstätigkeit von weniger als einem Jahr automatisch von Sozialhilfeleistungen
wie den hier in Rede stehenden ausgeschlossen wird, ohne dass es dem betreffenden Unionsbürger erlaubt würde, das Bestehen
einer tatsächlichen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat nachzuweisen.
In dieser Hinsicht ist - neben Umständen, die sich aus dem familiären Kontext ergeben (wie der Schulausbildung der Kinder)
- die effektive und tatsächliche Beschäftigungssuche während eines angemessenen Zeitraums ein Umstand, der das Bestehen einer
solchen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat belegen kann. Eine frühere Erwerbstätigkeit oder auch die Tatsache, dass
der Betreffende nach -Stellung des Antrags auf Sozialleistungen eine neue Arbeit gefunden hat, wäre zu diesem Zweck ebenfalls
zu berücksichtigen. ..."
Danach sieht auch der Generalanwalt nach seinen eindeutigen Ausführungen in zwei von drei Fällen einen pauschalen Leistungsausschluss
sogar ausdrücklich als gerechtfertigt an.
In den Fällen, in denen sich ein Unionsbürger in einen anderen Mitgliedstaat begibt, ohne dort eine Arbeit suchen zu wollen
(Fallgruppe Nr. 1) oder um dort eine Arbeit lediglich zu suchen (Fallgruppe Nr. 2) hält der Generalanwalt einen pauschalen
Leistungsausschluss ausdrücklich für geboten. Er hat zudem darauf hingewiesen, dass die erste Fallgruppe (Aufenthalt ohne
Arbeitssuche) bereits vom Gerichtshof im Urteil Dano entschieden wurde. Die zweite Fallgruppe (Aufenthalt nur zur Arbeitssuche)
entspricht demgegenüber dem Wortlaut der Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II.
Allenfalls in einer dritten Fallgestaltung sieht der Generalanwalt einen pauschalen Leistungsausschluss als gegebenenfalls
gleichheitswidrig an, nämlich dann, wenn die betreffende Person in dem Mitgliedstaat bereits eine Beschäftigung ausgeübt hat.
Dann dürften ihr - im Anschluss an eine Erwerbstätigkeit von mehr als drei Monaten, aber weniger als einem Jahr - derartige
Leistungen nicht automatisch ohne individuelle Prüfung verweigert werden, ohne dass es dem betreffenden Unionsbürger erlaubt
würde, das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat nachzuweisen.
Nach seinen oben genannten Ausführungen sind die Voraussetzungen für diese dritte Fallgestaltung jedoch nur bei dem kumulativen
Vorliegen von drei Voraussetzungen erfüllt, nämlich
1. wenn sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats mehr als drei Monate im Gebiet eines Mitgliedstaats aufgehalten hat,
2. dort in dieser Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und
3. das "Bestehen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat nachgewiesen" hat.
Von einer solchen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat ist nach Ansicht des Generalanwalts auch nur dann auszugehen, wenn
neben den Umständen, die sich aus dem familiären Kontext ergeben (wie den Schulbesuch der Kinder), die "effektive und tatsächliche
Beschäftigungssuche während eines angemessenen Zeitraums" belegt werden kann.
Nach dem Verständnis des Senats hat daher die Prüfung, ob diese dritte Fallgestaltung geben ist, in zwei Stufen zu erfolgen.
In einer ersten Stufe der Fallgruppe Nr. 3 ist zu prüfen, ob der Unionsbürger sich mehr als drei Monate in der Bundesrepublik
Deutschland aufgehalten hat und hier erwerbstätig war. Unter Berücksichtigung insbesondere des Rechtsgedankens des § 4a Abs.
1 Freizügigkeitsgesetz/EU ist hierbei nach Ansicht des Senats nur ein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet und eine rechtmäßig
ausgeübte Erwerbstätigkeit berücksichtigungsfähig. Die Beweislast für den rechtmäßigen Aufenthalt und die rechtmäßige Ausübung
der Arbeit für mehr als drei Monate im Bundesgebiet trägt der Unionsbürger; er hat sie nach den Ausführungen des Generalanwalts
gegebenenfalls "nachzuweisen".
Nur wenn ein solcher Nachweis gelungen ist, ist in einer zweiten Stufe der Fallgruppe Nr. 3 zu prüfen, ob der Unionsbürger
als Folge dieses rechtmäßigen Aufenthaltes und der rechtmäßigen Erwerbstätigkeit eine "tatsächliche Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat"
eingegangen ist.
Hierbei sind grundsätzlich alle Umstände zu berücksichtigen, wobei maßgeblich auf die familiäre Situation und eine effektive
und tatsächliche Beschäftigungssuche oder weitere Beschäftigungsausübung abzustellen sind. Nach Ansicht des Senats ist in
dieser zweiten Stufe mithin zu prüfen, ob der Unionsbürger infolge seines längeren Aufenthalts als Erwerbstätiger in schützenswerter
Weise im Bundesgebiet "Wurzeln geschlagen hat", indem er sich sowohl um seine Integration in die Gemeinschaft als auch in
den Arbeitsmarkt hinreichend bemüht hat. Allein beispielsweise der Nachweis eines Aufenthaltes im Bundesgebiet, der Bezug
von Leistungen (u.a. Kindergeld), die Anmeldung der Kinder zum Schulbesuch oder der Besuch von Integrationskursen (beispielsweise
Sprachkursen) kann danach mithin nicht zur Annahme der dritten Fallgestaltung führen. Erforderlich ist vielmehr in jedem Fall
auch, dass der Unionsbürger weiterhin "effektiv und tatsächlich" eine Beschäftigung sucht oder sogar gefunden hat. Auch hier
ist der Unionsbürger für die Integration und Beschäftigungssuche/Beschäftigungsausübung nachweispflichtig.
Im vorliegenden Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz führen diese Erwägungen mithin dazu, dass zur Glaubhaftmachung eines
Anordnungsanspruches von dem Unionsbürger in einer ersten Stufe der Fallgruppe Nr. 3 ein rechtmäßiger Aufenthalt und eine
rechtmäßige Beschäftigungsausübung im Bundesgebiet von mehr als drei Monaten belegt werden müssen und in einer zweiten Stufe
der Fallgruppe Nr. 3 nicht nur seine Integration in die Gemeinschaft (und die gegebenenfalls seiner Familie), sondern auch
seine effektiven und tatsächlichen Bemühungen für eine Integration in den Arbeitsmarkt im Bundesgebiet.
Dies ist vorliegend nicht gelungen.
Schon die Glaubhaftmachung der ersten Stufe der Fallgruppe Nr. 3 ist nach Ansicht des Senats nicht gelungen. Eine frühere
Tätigkeit und damit eine tatsächliche Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt für mehr als drei Monate hat der Antragsteller
nach Ansicht des Senats nicht glaubhaft gemacht. Er hat lediglich in der Zeit vom 9. August 2014 bis zum 21. September 2014,
d.h. für etwa sechs Wochen, und - wenn überhaupt (vergleiche Ausführungen oben) - am 6. Mai 2015 eine Tätigkeit ausgeübt.
Dem Antragsteller war Prozesskostenhilfe nach §
73a SGG in Verbindung mit §
119 Abs.1 S. 2
ZPO ohne Prüfung zu bewilligen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder
mutwillig erscheint, weil der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§
177 SGG).