Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren als notwendig und die Erstattung
der entsprechenden Gebühren und Auslagen.
Der Kläger bezog bis zum 31. Dezember 2004 Sozialhilfeleistungen. Seine Mietaufwendungen betrugen EUR 76,-. Auf seinen Antrag
auf Leistungen nach dem zum 1. Januar 2005 eingeführten Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - bewilligte die Beklagte dem
Kläger mit Bescheid vom 30. Oktober 2004 Leistungen; Unterkunftskosten wurden lediglich in Höhe von EUR 46,42 berücksichtigt.
Nachdem der Kläger auf Aufforderung der Beklagten im November 2004 weitere Unterlagen vorgelegt hatte, wurden die Unterkunftskosten
in der Kassenanordnung der Beklagten vom 29. Dezember 2004 in zutreffender Höhe berücksichtigt und an den Kläger angewiesen;
ein Bescheid darüber erging nicht.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2005 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Oktober
2004. Die Unterkunftskosten seien nicht in der richtigen Höhe berücksichtigt worden. Er beantragte zugleich die Anerkennung
der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwaltes.
Mit Bescheid vom 13. April 2005 bewilligte die Beklagte für den Zeitraum von Mai bis Oktober Leistungen nach dem SGB II und
berücksichtigte dabei durchgehend die Unterkunftskosten in Höhe von EUR 76,-. Auf die Nachfrage des Klägers kündigte die Beklagte
mit Schreiben vom 17. Mai 2005 den Erlass eines Änderungsbescheides für den Leistungszeitraum Januar bis April 2005 an und
lehnte mit Bescheid vom selben Tage den Antrag, die anwaltliche Zuziehung im Vorverfahren als notwendig anzuerkennen, ab.
Die Unterkunftskosten seien tatsächlich in der richtigen Höhe überwiesen worden; die Sachlage sei zudem einfach.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 23. Mai 2005 Widerspruch ein. Der Bescheid vom 30. Oktober 2004 habe keinen Vorbehalt
hinsichtlich der Klärung der Unterkunftskosten beinhaltet. Die tatsächlichen Leistungen seien nicht erkennbar gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Widerspruch sei von vornherein unnötig
gewesen, da die Leistungshöhe - erkennbar aus der Überweisung - zutreffend korrigiert worden sei.
Auf die dagegen gerichtete Klage vom 20. August 2005 hob das Sozialgericht nach Anhörung durch Gerichtsbescheid vom 6. März
2007 die angefochtenen Bescheide auf, erklärte die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig und gab
der Beklagten die Erstattung der entsprechenden Gebühren und Auslagen auf. Nach § 63 SGB X sei die Zuziehung eines Bevollmächtigten in der Regel als notwendig anzusehen, um angesichts der Komplexität und Ausdifferenzierung
des Sozialrechts eine Chancengleichheit in der Verwirklichung des Rechtsschutzes für den Bürger zu gewährleisten. Dass die
Beklagte tatsächlich in der begehrten Höhe leistete, ändere an der Beurteilung nichts. Denn über diese Korrektur sei kein
Bescheid ergangen, so dass die Höhe künftiger Leistungen zumindest ungewiss und sogar die Gefahr einer Rückforderung gegeben
gewesen sei. Die Rechtsfragen im Zusammenhang mit den Unterkunftskosten seien auch keineswegs regelmäßig als rechtlich einfach
anzusehen; überdies habe die Umstellung vom Bundessozialhilfegesetz (BSHG) auf das SGB II für große Unsicherheit gesorgt.
Dagegen hat der Kläger am 22. März 2007 Berufung eingelegt. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten sei im Vorverfahren in der
Regel gerade nicht notwendig; der Sozialleistungsträger sei an das Gesetz gebunden und gerichtlicher Kontrolle unterworfen.
Grundsätzlich sei es dem Rechtssuchenden zuzumuten, zunächst kostensparend die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Behörde
zu suchen. Vorliegend sei der Sachverhalt einfach gelagert gewesen; eine Nachfrage bei der Beklagten hätte bereits ausgereicht,
um Klarheit herzustellen. Das sei im Sinne einer Schadensminderungspflicht auch geboten gewesen.
Die Beklagte beantragt,. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. März 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 2. Juni 2009 hat das Gericht das Verfahren nach §
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Das Gericht hat am 2. Juli 2009 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte sowie die Leistungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach
§
153 Abs.
5 SGG übertragen hatte.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist rechtmäßig. Zu Recht hat das Sozialgericht
die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren als notwendig anerkannt. Das erkennende Gericht sieht nach §
153 Abs.
2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil es die Berufung aus den Gründen des mit der Berufung angefochtenen
Gerichtsbescheides des Sozialgerichts für unbegründet hält und daher auf den Gerichtsbescheid verweist.
Ergänzend und mit Blick auf das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren ist insbesondere der Ausgangspunkt des Sozialgerichts
zu bestätigen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren regelmäßig als notwendig anzuerkennen ist. Das ist
ganz allgemein anerkannt (Roos, in: v. Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, §
63 Rn. 26 m.w.N.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl. 2008, § 193 Rn. 5b m.w.N.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 80 Rn. 42 m.w.N.; ansatzweise bereits BSG, Urt. v. 31.5.2006, B 6 KA 78/04 R, juris). Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst (Beschl. v. 11.5.2009, 1 BvR 1517/08, juris) - in einem anderen Zusammenhang, aber auch hier erhellend - ausgeführt:
"Durch die Einführung des § 63 SGB X sind Wertungen überholt, wonach es angesichts der Gebührenfreiheit des Vorverfahrens angemessen sei, dass der Widerspruchsführer
die Kosten der Vertretung in diesem Stadium stets selbst tragen müsse (vgl. BSGE 24, 207 (214)). Auch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 22. Januar 1959 (BVerfGE 9, 124 ff.), wonach der damalige Ausschluss der Anwaltsbeiordnung in den unteren Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit durch die Besonderheiten
des vergleichsweise klaren Streitstoffes, des fürsorgerischen Parteigegners und der Gesamtkonstruktion des Verfahrens aufgewogen
wurde (vgl. BVerfGE 9, 124 (133 ff.)), lassen sich angesichts der veränderten Rechtslage nicht mehr in einem Erst-Recht-Schluss auf das Verwaltungsverfahren
übertragen (so noch BSGE 24, 207 (214)). Der Gesetzgeber hat längst die Prozesskostenhilfe für die unteren Instanzen eingeführt und ist dabei davon ausgegangen
(vgl. BT-Drucks. 8/3068, S. 22 f.), dass das Sozialrecht eine Spezialmaterie ist, die nicht nur der rechtsunkundigen Partei,
sondern selbst ausgebildeten Juristen Schwierigkeiten bereitet."
Dem schließt sich das erkennende Gericht an. Das unterstreicht, dass der Bürger nur in Ausnahmefällen in der Lage sein wird,
seine Rechte gegenüber der Verwaltung selbst ausreichend zu wahren (so auch LSG NW, Beschl. v. 21.10.2008, L 1 B 28/08 AS, juris; Roos, aaO.).
Der vorliegende Fall bietet keinen Ansatzpunkt, ausnahmsweise die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht für notwendig
zu halten. Zunächst war der Kläger nicht durch seine individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten in besonderer Weise in die Lage
versetzt, seine Angelegenheit selbst gegenüber der Beklagten zu vertreten. Insbesondere ist weiterhin der Umstand, dass die
Beklagte noch vor der Widerspruchseinlegung die Unterkunftskosten zutreffend berücksichtigte, nicht durch Bescheidung des
Klägers deutlich gemacht und dadurch in eine Regelung gebracht worden. Hätte die Beklagte das getan, wäre für eine Bevollmächtigung
kein Raum gewesen. Daran fehlte es jedoch; die bloße Überweisung des richtigen Betrages konnte dem Kläger aber aus den vom
Sozialgericht genannten Gründen nicht ausreichen, auf den Widerspruch unter Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zu verzichten.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG vorliegt.