Zulässigkeit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen einen Beitragsbescheid im sozialgerichtlichen Verfahren
Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen
Gründe
I. Die am 26.6.2017 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 6.6.2017 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts
(SG) Köln vom 30.5.2017 ist zulässig, insbesondere gemäß §
172 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht (§
173 Satz 1, §
64 Abs.
1, Abs.
2, §
63 SGG) eingelegt worden.
Nach dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2017 erstreckt sich das einstweilige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin
auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer zum SG Köln erhobenen, unter dem Az. S 40 R 1573/17 anhängigen Klage gegen den Bescheid vom 13.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2017.
II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist mit Ausnahme der Beitragsforderung betreffend Q, M, S und T zudem begründet. Die
aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 13.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 19.10.2017 ist in entsprechendem Umfang anzuordnen.
Nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,
diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich
der Säumniszuschläge. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird,
erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses
an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an §
86a Abs.
3 Satz 2
SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die
Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge
hätte. Da §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest
überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906 [907 f.]; Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER, ASR 2014, 26 ff.).
Da §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, hier
des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren
möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage
zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat,
Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER; Beschluss v. 11.3.2016, L 8 R 506/14 B ER, jeweils juris).
Tragen jedoch die vom prüfenden Rentenversicherungsträger getroffenen bzw. in verfahrensrechtlich zulässiger Weise verwerteten
Feststellungen anderer Behörden (z.B. der Hauptzollämter) die beitragsrechtliche Bewertung des Sachverhalts im angegriffenen
Bescheid nicht und sind zur Feststellung der Schlüssigkeit der Beitragsforderung noch umfangreiche, das Maß "ergänzender Feststellungen"
überschreitende Ermittlungen erforderlich, sind überwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides begründet. Einer
Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines gegen den Bescheid erhobenen Rechtsbehelfs steht in diesem Fall auch nicht entgegen,
dass sich der Bescheid unter Umständen aufgrund weiterer Ermittlungen doch noch im Ergebnis als rechtmäßig herausstellen kann
(hierzu bereits im Einzelnen Senat, Beschluss v. 24.3.2017, L 8 R 17/15 B ER, juris).
Auf dieser Grundlage ist im vorliegenden Fall die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin bereits deshalb anzuordnen,
weil die von der Antragsgegnerin bislang getroffenen Feststellungen und angestellten Ermittlungen die von ihr im angegriffenen
Bescheid angenommene Verpflichtung der Antragstellerin zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Betreuungskräfte
nicht tragen.
1. Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV). Hiernach erlassen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe
in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern. Diese
Vorschrift ermächtigt auch zur Erhebung von Säumniszuschlägen gemäß §
24 SGB IV (u.a. Senat, Beschluss v. 20.1.2015, L 8 R 70/14 B ER; im Einzelnen hierzu Scheer, in: jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28p Rdnr. 213).
Nach §
28e Abs.
1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen
Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§
28d Sätze 1 und 2
SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen,
die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch
Drittes Buch [SGB III]). Dies gilt nicht, wenn eine zur Entgeltgeringfügigkeit führende Beschäftigung nach §
8 Abs.
1 Nr.
1 SGB IV vorliegt, die nach §
27 Abs.
2 Satz 1
SGB III, §
7 SGB V und §
5 Abs.
2 Nr.
1 SGB VI zur grundsätzlichen Versicherungsfreiheit in den jeweiligen Zweigen der Sozialversicherung führt. In diesem Fall besteht
lediglich die Pflicht zur Abführung pauschaler Sozialversicherungsbeiträge für den Arbeitgeber in der gesetzlichen Kranken-
und Rentenversicherung (§
249b Satz1
SGB V, §
172 Abs.
3 Satz 1
SGB VI).
Beschäftigung ist gemäß §
7 Abs.
1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind
eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich
bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild
der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil v. 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 35; Urteil v. 16.8.2017, B 12 KR 14/16 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 31; Urteil v. 31.3.2017, B 12 R 7/15 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 30; Urteil v.30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger
Tätigkeit vgl. BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder
selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt,
in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar,
d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil v. 23.5.2017, B 12 KR 9/16 R, SozR 4-2400 § 26 Nr. 4).
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom - wahren und wirksamen - Inhalt der zwischen den
Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Auf dieser Grundlage ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses
zum Typus der abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen,
ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil v. 24.3.2016, B 12 KR 20/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 29; Urteil v. 18.11.2015, a.a.O.; Urteil v. 29.7.2015, a.a.O.).
2. Ausgehend davon tragen zunächst die im angegriffenen Bescheid getroffenen Feststellungen die Annahme versicherungspflichtiger
Beschäftigung der betroffenen Auftragnehmer der Antragstellerin nicht.
a) Die Antragsgegnerin ermittelte schon nicht bzw. nicht vollständig die zwischen der Antragstellerin und den im 24 Stunden-Dienst
tätig gewesenen Betreuungskräften getroffenen schriftlichen, mündlichen und/oder konkludenten Vereinbarungen, die in der bisher
nicht ermittelten Vertragspraxis ihren Ausdruck finden können.
Es findet sich in den Beweismitteln lediglich in zwei Fällen ein zwischen der Antragstellerin und einer Betreuungskraft geschlossener
"Vertrag über Betreuungs/Pflegedienste". Der für den Zeitraum vom 27.3 bis 27.5.2013 geschlossene Vertrag mit N U enthält
ansonsten nur eine grobe Festlegung der von der Betreuungskraft zu verrichtenden Tätigkeiten. Es fehlen u.a. Vereinbarungen
zum täglichen Tätigkeitsumfang, zum Ort der Tätigkeit und zur Vergütung. Neben dieser rudimentären schriftlichen Vereinbarung
mögliche mündliche und/oder konkludente Vereinbarungen wurden nicht ermittelt. Der Vertrag mit N L für eine Einsatzzeit bis
zum 14.5.2012 enthält im Gegensatz zu dem vorgenannten Vertrag neben Vereinbarungen zu den Betreuungs- und Pflegetätigkeiten
solche zur Vergütung, den Tätigkeitstagen bei einem 24 Stunden-Dienst und der Person der Pflegebedürftigen. Auch hinsichtlich
dieses Vertrages fehlen Feststellungen zu etwaigen mündlichen Vereinbarungen und zur Vertragspraxis, die Rückschlüsse auf
konkludente Vereinbarungen hätte erlauben können.
Es unterblieb bisher vollständig eine persönliche und/oder schriftliche Befragung dieser Betreuungskräfte zu Vereinbarungen
und zur Vertragspraxis, obwohl deren Anschriften mit nur wenigen Ausnahmen bekannt sind. Unklar ist daher, welche gegenseitigen
Haupt- und Nebenleistungspflichten vereinbart wurden und ob die Betreuungskräfte gegenüber der Antragstellerin weisungsgebunden
hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer und Art ihrer Tätigkeit zumindest im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe und in
die Arbeitsorganisation der Antragstellerin eingegliedert waren oder im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten konnten
(Rechtsgedanke des § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch). Demgegenüber enthalten einige der vom HZA L sichergestellten Beweismittel Hinweise auf eine Weisungsfreiheit der Betreuungskräfte.
So enthalten z.B. Schriftstücke zu drei problematischen Betreuungsfällen (Schreiben der Antragstellerin vom 26.9.2010, 28.11.2011
und 1.8.2012) jedenfalls Hinweise darauf, dass die Antragstellerin in diesen Fällen keine arbeitgeberseitigen Weisungen zur
Fortsetzung der Tätigkeit der Betreuungskräfte erteilte, sondern diese selbst die Entscheidung hierüber trafen, also hinsichtlich
Ort und Zeit ihrer Tätigkeit weisungsfrei waren. Hinsichtlich einer Weisungsgebundenheit der Betreuungskräfte in inhaltlicher
Hinsicht ist bisher nichts ersichtlich. Nicht ermittelt wurde zudem, ob die jeweilige Betreuungstätigkeit der Betreuungskräfte
hinsichtlich Ort und Zeit nicht auf vertraglichen Vereinbarungen beruhte und damit arbeitgeberseitigen Weisungen gem. §
315 Bürgerliches Gesetzbuch bzw. § 106 Gewerbeordnung entzogen war.
Nicht ersichtlich ist weiter, ob ggf. eigene Vertragspflichten der Antragstellerin gegenüber den Pflegebedürftigen in die
mit den Betreuungskräften geschlossenen Vereinbarungen als auch für diese verbindlich einbezogen wurden und damit Raum für
einseitige arbeitgeberseitige Weisungen ließen. Ohne diese Feststellungen lässt sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin
aus den Vertragspflichten der Antragstellerin gegenüber den Pflegebedürftigen nichts für die Rechtsbeziehung zur jeweiligen
Betreuungskraft herleiten. Soweit die Antragstellerin nach den in den Akten vorliegenden Verträgen selbst Vertragspartnerin
der Pflegebedürftigen war und auch selbst Betreuungsverträge gekündigt hat, lässt dies demnach nach keine Rückschlüsse auf
die Vereinbarungen zwischen ihr und den Betreuungskräften zu.
Die Auswertung der im Smartphone der Antragstellerin gespeicherten SMS, WhatsApp-Nachrichten etc. gibt für die erforderlichen
Feststellungen nichts her. Die Kommunikationsdaten sind jedenfalls so bruchstückhaft, dass keine zuverlässigen Rückschlüsse
auf Vereinbarungen und tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeiten der einzelnen Betreuungskräfte und erst Recht keine verallgemeinerungsfähigen
Rückschlüsse möglich sind.
Die Bekundungen der vom Hauptzollamt vernommenen Zeuginnen U, S, H und S sind im Hinblick auf die Rechtsbeziehungen der Antragstellerin
und den in Rede stehenden Betreuungskräften völlig unergiebig. Sie bestätigen insbesondere nicht, dass es zwischen den Betreuungskräften
im 24 Stunden-Dienst und den angestellten Mitarbeitern der Antragstellerin zur Zusammenarbeit oder auch Vertretung gekommen
ist. Sie stützen nicht ansatzweise die Annahme der Antragsgegnerin, die Betreuungskräfte würden wie eigenes Personal durch
die Antragstellerin eingesetzt und stünden in keiner vertraglich geregelten Beziehung zu den Pflegestellen. Es ist auch im
Übrigen nicht ersichtlich, welche tatsächlichen Umstände diesen Feststellungen zugrunde liegen. Dasselbe gilt für die Ausführungen
dazu, dass die Betreuungskräfte durch die Antragstellerin nach deren Plänen und Kalkulationen wie und neben den übrigen nichtselbständigen
Arbeitnehmern der Antragstellerin eingesetzt würden. Die Darstellung dieser Pläne und Kalkulationen fehlt völlig. In den sichergestellten
Beweismitteln finden sich lediglich die Dienstpläne für die von der Antragstellerin zur Sozialversicherung gemeldeten Beschäftigten,
nicht jedoch für die im 24 Stunden-Dienst tätig gewesenen Betreuungskräfte.
Ebenso ermittelte die Antragsgegnerin nicht etwaige zwischen den Pflegebedürftigen und den Betreuungskräften getroffenen schriftlichen,
mündlichen und/oder konkludenten Vereinbarungen (zur Relevanz insoweit vgl. Senat, Beschluss v. 17.10.2011, L 8 R 420/11 B ER, juris). Es wurde auch hierzu nicht eine einzige der Betreuungskräfte befragt, zudem auch keine Person aus dem Kreis
der Pflegebedürftigen bzw. ihrer Vertreter oder Betreuer.
Für das Vorliegen einer gegenüber der Antragstellerin weisungsgebundenen und in deren Betriebsorganisation eingegliederten
Tätigkeit der betroffenen Auftragnehmer finden sich daher keine ausreichenden Anhaltspunkte. Bisher wurde daher nicht festgestellt,
dass die Vertragsbeziehungen zwischen der Antragstellerin und den Betreuungskräften über die von der Antragstellerin behaupteten
Vermittlungs- und Abwicklungsdienste hinausgingen und die Betreuungskräfte weisungsgebunden und eingegliedert im Betrieb der
Antragstellerin tätig waren.
b) Der Umstand der Bezeichnung der an die Betreuungskräfte ausgezahlten Beträge als "Lohn" bzw. "Weihnachtsgeld" durch die
Antragstellerin deutet nicht zwingend auf Beschäftigungen der Betreuungskräfte bei ihr hin, da die Behandlung als "Lohn" durch
die Antragstellerin schon nicht konsistent war. Denn sie erfasste diese Zahlungen in ihrer Buchhaltung als "Fremdleistungen".
Die Ausführungen im Beitragsbescheid zur "Gewinnmarge" der Antragstellerin geben für eine statusrechtliche Beurteilung ebenso
wenig her wie Mängel in der Rechnungstellung durch die Betreuungskräfte. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin
die Kosten der Betreuungskosten für deren (Auslands-)Krankenversicherung sowie Reisekosten endgültig selbst trug. In einer
Reihe der von der Antragstellerin mit den Pflege- bzw. Betreuungsbedürftigen geschlossenen Betreuungs- und Pflegeverträgen
wurde vereinbart, dass Letztgenannte auch zur Zahlung von Reisegeldern verpflichtet waren. Soweit es solche Regelungen nicht
gab, liegt es nahe, dass diese Kosten bei der Kalkulation der von der Antragstellerin mit den Pflegebedürftigen vereinbarten
Tagessätze berücksichtigt wurden, da diese die den Betreuungskräften gezahlten Tagessätze teilweise deutlich überstiegen (z.B.
70 EUR gegenüber 40 EUR). Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob die Annahme der Antragsgegnerin zutrifft, dass solche
Kosten regelmäßig durch Unternehmer wirtschaftlich zu tragen seien.
c) Angesichts der in §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV hervorgehobenen Bedeutung der Weisungsgebundenheit und Eingliederung kann das Fehlen dieser Merkmale im Rahmen der gebotenen
Gesamtabwägung auch nicht durch den Hinweis auf das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte bzw. eines unternehmerischen Risikos
der jeweiligen Betreuungskraft ersetzt werden (abgesehen davon, dass auch hierzu keine belastbaren Tatsachen von der Antragsgegnerin
dargelegt worden sind). In diesem Zusammenhang bedurfte es der Aufklärung, ob die Betreuungskräfte hinsichtlich ihrer Vergütung
und Auslagenerstattung das Risiko der Insolvenz der Pflegebedürftigen (mit)getragen haben. Im Übrigen ist das Fehlen einer
eigenen Betriebsstätte bei reinen Dienstleistungen, die dazu noch im Haushalt der Pflegebedürftigen erbracht werden, ohne
nennenswerte Relevanz.
d) Die Antragsgegnerin kann sich gegenüber dieser Beurteilung nicht mit Erfolg darauf berufen, die Antragstellerin habe nicht
vorgetragen, aus welchen Gründen sie die Betreuungskräfte nicht auf die bestehende Verpflichtung nach § 190a Sechstes Buch
Sozialgesetzbuch, ihre Selbstständigkeit gegenüber dem kontoführenden Rentenversicherungsträger anzuzeigen, hingewiesen habe.
Hier unterliegt die Antragsgegnerin zum einen dem Irrtum, dass die Antragstellerin hierzu rechtlich verpflichtet sei. Zum
anderen ist nicht ersichtlich, welche Relevanz dieser Aspekt für die statusrechtliche Beurteilung haben könnte.
e) Aus den vorgenannten Gründen kommen die von der Antragsgegnerin vorgenommene Hochrechnung (§
14 Abs.
2 Satz 2
SGB IV), die Festsetzung von Säumniszuschlägen (§
24 Abs.
2 SGB IV) und die Annahme einer 30jährigen Verjährung (§
25 Abs.
1 Satz 2
SGB IV) nicht in Betracht. Alle drei Tatbestände setzen zudem voraus, dass die Antragstellerin zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt,
d.h. ihre Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG, Urteil v. 16.12.2015, B 12 R 11/14 R, SozR 4-2400 § 28p Nr. 6 m.w.N.). Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung ist
hiervon nicht auszugehen. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf die Einstellung des gegen die Antragstellerin geführten Ermittlungsverfahrens
112 Js 85/15 der Staatsanwaltschaft L nach §
170 Abs.
2 StPO, auch wenn die Ermittlungen nach der Remonstration des ermittelnden HZA-Beamten wieder aufgenommen wurden.
f) Unbegründet ist hingegen die Beschwerde der Antragstellerin hinsichtlich der Beitragsforderung betreffend Q, M, S und T.
Soweit die Antragsgegnerin für diese Versicherten Beiträge für bisher nicht verbeitragte Entgelte nach §
14 Abs.
1 SGB IV nachfordert, erweist sich dies nach summarischer Prüfung als rechtmäßig. Die maßgeblichen Tatsachen ergeben sich aus den
durchgeführten Zeugenvernehmungen. Grund und Höhe dieser Beitragsforderung sind von der Antragstellerin nicht angegriffen
worden. Unrichtigkeiten sind insoweit nicht ersichtlich.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §§
154 Abs.
1,
155 Abs.
1 Satz 3,
161 Abs.
1,
162 Abs.
3 Verwaltungsgerichtsordnung, die Entscheidung über den Streitwert auf §§ 52, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur
ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich der Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (Senat, Beschluss
v. 8.10.2010, L 8 R 368/10 ER, juris).
IV. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).