Anspruch auf Krankengeld in der gesetzlichen Krankenversicherung
Anforderungen an den Krankengeldhöchstanspruch innerhalb einer Blockfrist und an ein "Hinzutreten während der Arbeitsunfähigkeit"
im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 24.01.2017 bis zum 04.03.2017 streitig.
Die 1967 geborene Klägerin war bei der Beklagten als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte gesetzlich krankenversichert. Sie erkrankte
nach vorangegangener Arbeitsunfähigkeit vom 23.12.2010 bis 29.05.2011 wegen einer depressiven Episode am 05.09.2012 ausweislich
der vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen wegen einer akuten Belastungsreaktion und ab 29.01.2013 auch wegen einer hinzugetretenen
Leberzirrhose arbeitsunfähig und bezog vom 17.10.2012 bis zum 29.09.2013 Krankengeld.
Am 28.07.2015 erkrankte die Klägerin aufgrund einer Wadenbein- und Sprunggelenksfraktur erneut arbeitsunfähig und bezog von
der Beklagten Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 24,30 € brutto ab dem 08.09.2015. Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin
endete am 30.09.2015
Am 12.10.2015 trat bei ihr ein Leberversagen ein. Die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Wadenbein- und Sprunggelenksfraktur
bestand bis zum 18.10.2015 fort. Die weitere Arbeitsunfähigkeit war durch das Leberleiden bedingt.
Mit Bescheid vom 17.10.2016 setzte die Beklagte die Höchstbezugsdauer für den Krankengeldbezug der Klägerin auf den 23.01.2017
fest und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2017 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 20.07.2017 Klage zum Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben und geltend gemacht, die Blockfrist wegen der am 05.09.2012 eingetretenen Lebererkrankung sei bis zum 04.09.2015
gelaufen. Die neue Blockfrist habe am 05.09.2015 begonnen und am 04.09.2018 geendet. Während dieses Zeitraums habe sie einen
Anspruch auf Krankengeld für 78 Wochen. Da die Lebererkrankung ab 19.10.2015 alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit gewesen
sei, habe der 78wöchige Zeitraum wegen des erneut entstehenden Krankengeldanspruchs am 19.10.2015 begonnen und am 16.04.2017
geendet und liege damit vollständig innerhalb der zweiten Blockfrist.
Das SG hat mit Urteil vom 02.07.2019 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der maßgebende Dreijahreszeitraum
die Zeit vom 28.07.2015 bis zum 27.07.2018 umfasse. Innerhalb dieses Zeitraums sei der Krankengeldhöchstanspruch von 78 Wochen
am 23.01.2017 erschöpft gewesen, da es sich bei der Leberzirrhose um eine am 12.10.2015 hinzugetretene Erkrankung gehandelt
habe. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 08.11.2015, B 1 KR 27/04 R) liege ein "Hinzutreten während der Arbeitsunfähigkeit" iSv §
48 Abs
1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) vor, wenn zeitgleich mit dem Vorliegen oder Wiedervorliegen einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden ersten Erkrankung unabhängig
von dieser Krankheit zugleich eine weitere Krankheit die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten bedinge.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 05.08.2019 zugestellte Urteil am 04.09.2019 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie
ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und geltend macht, dass für jede einzelne Krankheit ein Krankengeldanspruch für
78 Wochen bestehe. Die Arbeitsunfähigkeitszeit wegen der Fraktur sei nicht auf die Arbeitsunfähigkeitszeit wegen der Lebererkrankung
anzurechnen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG vom 02.07.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.06.2017 zu verurteilen, ihr Krankengeld für die Zeit vom 24.01.2017 bis zum 04.03.2017 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Unter dem 26.03.2020 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss
in Betracht komme und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Die Klägerin hat daraufhin unter dem 04.05.2020 ihre Rechtsauffassung
wiederholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte
verwiesen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält
der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel kann daher durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen werden,
nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§
153 Abs
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 17.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2017 ist rechtmäßig und verletzt
die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 24.01.2017 bis zum 04.03.2017.
Das SG hat den Sachverhalt rechtsfehlerfrei gewürdigt. Der Senat verweist daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden
Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil und macht sich diese Gründe zur Vermeidung nicht gebotener Wiederholungen gemäß §
153 Abs
2 Satz 3
SGG zu Eigen; zumal die Klägerin sich mit der gesetzlichen Regelung und der in dem erstinstanzlichen Urteil umfassend berücksichtigten
höchstrichterlichen Rechtsprechung in keinster Weise auseinandergesetzt hat.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich ergänzend darauf hinzuweisen, dass jede neue Krankheit iSd §
48 SGB V, also nicht "dieselbe Krankheit", eine Kette von Dreijahreszeiträumen mit entsprechenden Höchstbezugszeiten von 78 Wochen
auslöst (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 21.06.2011 - B 1 KR 15/10 R -, juris, Rn 12). Der Dreijahreszeitraum wird nach dem Grundsatz der starren Rahmenfrist (Blockfrist) bestimmt (vgl. Sonnhoff
in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl., §
48 SGB V (Stand: 01.01.2016), Rn 22; Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB, 03/20, §
48 SGB V, Rn 31; Schifferdecker in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: 107. EL Dezember 2019, §
48 SGB V, Rn 24). Da eine Blockfrist für jede Krankheit zu bilden ist, laufen wegen verschiedener Krankheiten verschiedene Blockfristen.
Ausgehend hiervon ist die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin in den Jahren 2012 und 2013 wegen ua der Leberzirrhose rechtlich
unerheblich für die in der Blockfrist wegen der Wadenbein- und Sprunggelenksfraktur am 28.07.2015 eingetretene Arbeitsunfähigkeit,
weil die neue Erkrankung einen neuen Dreijahreszeitraum mit einer Höchstbezugsdauer von 78 Wochen in Lauf gesetzt hat, zu
der mit der Lebererkrankung ein weitere Krankheit im Sinne des §
48 Abs
1 Satz 2
SGB V hinzugetreten und daher auch zu berücksichtigen ist. Dass in der vorangegangenen Blockfrist dieselbe Erkrankung wie ab dem
12.10.2015 in der neuen Blockfrist vorlag, hat keinen Einfluss auf die aus §
48 Abs
1 Satz 2
SGB V folgende Begrenzung der Leistungsdaher in der zweiten Blockfrist. Die am 28.07.2015 beginnende 78-Wochenfrist war mithin
gem §
48 Abs
1 Satz 2
SGB V mit dem 23.01.2017 ausgeschöpft.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gem §
160 Abs
2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.