Zulässigkeit der Beschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren gegen einen Beschluss des Sozialgerichts zur Verpflichtung einer
Behörde zur Ermöglichung elektronischen Rechtsverkehrs via Fax und Email bei missbräuchlichen und/oder querulatorischen Eingaben
Gründe
1. Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.
a) Der Antragsteller hat erstinstanzlich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren lediglich beantragt, die Antragsgegnerin per
einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm wieder zu ermöglichen, mit ihr über Mail und/oder Fax ohne weitere Einschränkung
in Kontakt treten zu können (Antrag zu 1. aus der Klageschrift vom 28.12.2018). Der Antrag zu 2. ("Die Beklagte ohne mündliche
Verhandlung zu verurteilen, an mich die dargelegten Fahrtkosten (inc. Zinsen) sofort zu zahlen und mir Schadensersatz und
Schmerzensgeld zu leisten") betrifft einen anderen Streitgegenstand und ist vor allem nicht Teil des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens
geworden. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin in der Beschwerdeschrift vom 28.02.2019 wird Bezug
genommen. Dennoch hat das Sozialgericht (SG) hierüber unter Verstoß gegen §
123 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entschieden. Das gebietet es, den Beschluss insoweit aufzuheben.
b) Auch hinsichtlich des Antrags zu 1. hat die Beschwerde Erfolg. Das SG hat insoweit tenoriert: "Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller den
elektronischen Rechtsverkehr via Fax und Email zu ermöglichen". Unklar bleibt zunächst, welcher Sachverhalt dieser Tenorierung
zugrunde liegt. Der Antragsteller greift die Formulierung der Antragsgegnerin in der E-Mail vom 04.09.2017 an: "Aufgrund ihrer
unsachgemäßen Beleidigungen und Drohungen sehen wir uns daher leider gezwungen, Ihre weiteren Fax- und E-Mailzustellungen
abzuweisen." Nicht geklärt ist, welche Bedeutung der Infinitiv "abzuweisen" hat.
aa) Sofern die Antragsgegnerin damit meint, Eingaben per E-Mail oder Fax des Antragstellers nicht mehr zu bearbeiten, ist
das grundsätzlich zulässig (hierzu u.a. Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 12.04.2018 - 2 VAs 25/18 -). Auch im Gerichtsverfahren ist es rechtlich möglich und ggf. geboten, missbräuchliche und / oder querulatorische Eingaben
letztlich zu ignorieren (hierzu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 75. Auflage, 2015 Ein III Rn. 66). Insoweit hätte sich das SG mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit das Verhalten des Antragstellers eine solche Reaktion rechtfertigt.
Es steht für den Senat im Ergebnis außer Zweifel, dass die Antragsgegnerin berechtigt ist, die Kommunikation mit dem Antragsteller
einzuschränken, der sich seit geraumer Zeit beleidigend und bedrohend gegenüber ihren Mitarbeitern äußert. Die Staatsanwaltschaft
Bielefeld hat hierauf einen Strafbehelf erlassen. Der Antragsteller trägt hierzu vor, dieser beruhe auf "immensen Lügen" der
Antragsgegnerin. Im Übrigen lässt er sich im Schriftsatz vom 31.01.2019 wörtlich wie folgt ein: "Dass die Handlungsweisen
der Antragsgegnerin hirnlos sind, dürfte selbst einem Ausstehenden einleuchten." Überdies reichert er die von ihm gewählte
Formulierung im fraglichen Schriftsatz mit weiteren ggf. strafrechtlich relevanten Wendungen (z.B. Blödsinn, Pamphlete, scheinheilig,
Schwachsinn, fern jeder Kompetenz, grobe Unverschämtheit, Arglist, bewusst falsch, unverschämte Lügen, verschleiert, Betrug,
Unterschlagung, Lügen, veranlasster Blödsinn). Damit hat er mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht, sein nicht hinnehmbares
Verbalverhalten fortführen zu wollen. Zwar hat jeder Bürger jederzeit das Recht, mit einer Behörde zu kommunizieren. Indessen
gilt dies nicht schrankenlos. Ein Mindestmaß an sozialverträglichem Verhalten ist Grundlage jeder zwischenmenschlichen Kommunikation.
Dieser Bereich ist weit zu fassen. Hiervon nicht mehr getragenes und sie herabsetzendes oder beleidigendes Verhalten müssen
die Mitarbeiter einer Behörde nicht hinnehmen. Das Recht auf gleichen Zugang zu einer Behörde kann vor diesem Hintergrund
jedenfalls dann verwirkt sein, wenn - wie hier - andere Kommunikationswege offen bleiben.
bb) Allerdings scheint die Antragsgegnerin unter der Verbform "abzuweisen" zu verstehen, die elektronische Kommunikation des
Antragstellers mit ihr per Fax und per E-Mail zu unterbinden (s. Schriftsatz vom 28.02.2019). Das ist technisch nur eingeschränkt
möglich. Die Antragsgegnerin kann nicht verhindern, dass ihr eine vom Antragsteller abgesandte E-Mail zugeht. Selbst wenn
sie insoweit einen "Spam-Filter" oder "Junk-Filter" aktiviert, ändert dies am Zugang nichts. Damit läuft der Antrag zu 1.
leer. Der Antragsteller kann mit der Antragsgegnerin "in Kontakt treten". Sie verweigert lediglich, auf per E-Mail oder Fax
zugegangene Eingaben zu reagieren. Hierzu ist sie unter den zu 1. b) aa) genannten Voraussetzungen berechtigt. Der Tenor der
sozialgerichtlichen Entscheidung trifft dies nicht. Er ist schon deswegen abzuändern. Dem Senat ist es insoweit verwehrt,
eine eigene Sachentscheidung zu treffen. Das würde voraussetzen, dass der Antragsteller dezidiert darlegt, welche Eingabe
die Antragsgegnerin zu bearbeiten verweigert. Daran fehlt es. Ein Anspruch darauf, jedes Schreiben beantwortet zu bekommen,
existiert nicht. Lediglich §
88 SGG sichert einen Anspruch auf Bescheidung und §§
13 - 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) auf Aufklärung, Beratung und Auskunft.
cc) Die Entscheidung des SG ist infolgedessen auf die Beschwerde der Antragsgegnerin aufzuheben. Der vom SG beschiedene Antrag zu 2. war nicht Gegenstand des einstweiligen Anordnungsverfahrens. Der Antrag zu 1. kann keinen Erfolg
haben, weil die Antragstellerin nicht verpflichtet werden kann, jedes Schreiben des Antragstellers zu beantworten. Sie kann
die Kommunikation reduzieren oder vorbehaltlich des §
88 SGG und der §§
13 - 15
SGB I einstellen.
2. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Sie ist indessen unbegründet.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des SG vom 30.10. 2019 dahin zu ändern, dass neben den Fahrkosten für Juli und August 2017 ebenfalls die Fahrtkosten für September
2019 in Höhe von 41,60 EUR von der Antragsgegnerin zu erstatten sind.
Dieser Antrag betrifft einen Streitgegenstand, der erstinstanzlich nicht anhängig war und über den das SG dennoch entschieden hat. Die Voraussetzungen des §
153 Abs.
1 SGG i.V.m. §
99 Abs.
1 SGG liegen im Übrigen nicht vor. Die Antragsgegnerin hat in die Antragsänderung, die im Übrigen auch nicht sachdienlich ist,
nicht eingewilligt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs.
1 Satz 1
SGG.
4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG),