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LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.03.2015 - 6 KR 71/14
Anspruch auf Erteilung einer Zusage für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Form einer stationären Drogentherapie für einen Strafgefangenen; Zurückstellung einer Maßregel nach § 35 Abs. 1 S. 1 BtMG
1. Strafgefangene, gegen die eine Freiheitsstrafe oder ein Strafrest von nur noch zwei Jahren wirksam verhängt ist, können gegen einen zuständigen Sozialleistungsträger einen Anspruch auf eine aufschiebend bedingte Zusage zur Übernahme einer Rehabilitationsmaßnahme im Rahmen des Konzepts der Therapie statt Strafe (§ 35 Abs 1 Satz 1 BtMG) haben, die sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzen können.
2. Aufschiebende Bedingung ist insoweit die Zurückstellung des Straf- oder Maßregelvollzuges durch die zuständigen Strafvollzugsorgane.
3. Die Entscheidungszuständigkeit der Strafvollzugsorgane über die Zurückstellung einer Strafe oder Maßregel im Rahmen des Konzeptes der Therapie statt Strafe nach § 35 Abs 1 Satz 1 BtMG kann den Prüfungsumfang eines Sozialleistungsträgers hinsichtlich des Anspruchs auf Kostenzusage thematisch einengen.
4. Ob ggf die Therapie in einer Maßregel besser als in einer Rehabilitationsmaßnahme außerhalb des Freiheitsentzugs zu verwirklichen ist, ist allein von den Strafvollzugsorganen in dem Verfahren nach § 35 Abs 1 Satz 1 BtMG zu beurteilen, für dessen Einleitung die aufschiebend bedingte Kostenzusage nur eine Voraussetzung ist.
5. Setzt das Strafzumessungsrecht für die Verhängung einer Maßregel einen "Hang" zum Drogenkonsum voraus, kann dieser Hang dem Gefangenen bei der Prüfung der Rehabilitationsfähigkeit nach § 40 SGB V isoliert nicht entgegen gehalten werden. Erst die Strafvollzugsorgane haben im Rahmen einer Gesamtbewertung zu prüfen, ob die Anwendung des Konzepts der Therapie statt Strafe im Einzelfall zu verantworten ist.
6. Steht fest, dass der Strafgefangene rehabilitationsbedürftig ist, und ergeben sich im Rahmen der beschriebenen, eingeengten Prüfung keine Gesichtspunkte gegen die Rehabilitationsfähigkeit, ist die Zusage unter Ausübung des Auswahlermessens zu erteilen.
Fundstellen: NStZ-RR 2016, 270
Normenkette:
BtMG (1981) § 35 Abs. 1 S. 1
,
SGB X § 32 Abs. 1
,
SGB X § 32 Abs. 2 Nr. 2
,
SGB V § 11 Abs. 2
,
SGB V § 40 Abs. 2
,
SGB V § 40 Abs. 3
,
SGG § 86b Abs. 2 S. 2
,
StGB § 64 S. 1
Vorinstanzen: SG Halle 05.12.2014 S 16 KR 444/14 ER
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 5. Dezember 2014 wird aufgehoben.
Die Beschwerdegegnerin wird bis zu einer gerichtlichen Entscheidung des Sozialgerichts in der Hauptsache, dem sonstigen Abschluss eines solchen Verfahrens oder dem sonstigen Eintritt der Bestandskraft ihres Bescheides vom 28. November 2014 verpflichtet, dem Beschwerdeführer eine Zusage auf Übernahme einer konkret zu benennenden stationären Rehabilitationsmaßnahme zur Drogenentwöhnung zu erteilen, die für den Fall der Zurückstellung der Vollstreckung der Strafe bzw. Maßregel aus dem Urteil des Amtsgerichts Weißenfels vom 9. Dezember 2014 durchgeführt wird.
Die Beschwerdegegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers für das Antrags- und Beschwerdeverfahren.

Entscheidungstext anzeigen: