Anerkennung einer Rotatorenmanschettenruptur als weitere Folge eines Arbeitsunfalls
Hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs
Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung einer Rotatorenmanschettenruptur an der linken Schulter als weitere Folge des Arbeitsunfalls
vom 22. Juni 2010 sowie die Gewährung einer Verletztenrente.
Der im Jahr 1957 geborene und zum Unfallzeitpunkt am 22. Juni 2010 als Bauarbeiter beschäftigte Kläger stürzte beim Abladen
eines LKWs von dessen Hinterrad in eine ca. 1,8 m tiefe Baugrube. Die Gesamtfallhöhe betrug ca. 3,00 m. Die Erstaufnahme
mit stationärer Weiterbehandlung vom 22. bis 25. Juni 2010 erfolgte im St. G. Klinikum E. Der dortige D-Arzt Dr. E. stellte
u.a. oberflächliche Abschürfungen am linken Unterschenkel, beiden Knien, der linken Schulter, dem Kinn sowie eine Prellmarke
quer über den Oberbauchbereich fest. Durchgeführte Röntgenergebnisse erbrachten hinsichtlich des Thoraxes, der Schulter links
und des linken Unterschenkels keine Skelettverletzungen. Er diagnostizierte multiple Prellungen und ein stumpfes Bauchtrauma
(Durchgangsarztbericht vom 22. Juni 2010). Entsprechend dem Bericht des St. G. Klinikum E. vom 24. Juni 2010 wurde der Kläger
nach einem unkomplizierten stationären Aufenthalt entlassen.
Wegen persistierender Beschwerden im Thoraxbereich suchte der Kläger am 26. Juli 2010 erneut den D-Arzt Dr. E. auf, der eine
Computertomographie veranlasste. Hierbei ergab sich eine Rippenserienfraktur ohne Dislokation beidseits, die mit konservativer
Therapie behandelt wurde. Die Beschwerden im Schulterbereich hätten sich deutlich gebessert (Zwischenbericht vom 26. Juli
2010). Am 2. September 2010 erfolgte eine kernspintomographische Untersuchung zum Ausschluss einer Rotatorenmanschettenverletzung.
Die Radiologin Dr. Sch. befundete u.a. ein unauffälliges Knochenmarksignal und einen fehlenden Gelenkerguss und weiter eine
Arthrose des AC-Gelenkes mit Gelenkerguss sowie eine subacromiales Impingement mit Tendinitis im peripheren Verlauf der Supraspinatussehne,
hingegen keinen Sehnenabriss sowie keine Atrophie der Muskulatur und auch die übrigen Muskeln der Rotatorenmanschette seien
regelrecht zur Darstellung gekommen. Sie beurteilte bei Zustand nach Traumatendinitis im peripheren Verlauf der Supraspinatussehne
mit Gelenkerguss und etwas Verdickung des Acromiums eine möglicherweise posttraumatische Dehiszenz des AC-Gelenks. Ein Hochstand
der Klavikula bestehe nicht. Der hieraufhin von der Beklagten zu den unfallbedingten Verletzungen im Bereich der linken Schulter
befragte Beratungsarzt Dr. St. teilte mit, dass eine substanzielle knöcherne und eine substanzielle Weichgewebebeschädigung
im Bereich des linken Schultergelenks nicht belegt sei (beratungsärztliche Stellungnahme vom 6. Oktober 2010).
Nachdem der Kläger am 2. November 2010 gegenüber der Beklagten Weichteilbeschwerden im Bereich der Schulter beklagte und die
Übernahme von Kosten für einen Osteopaten begehrte, befragte die Beklagte erneut einen Beratungsarzt. Dr. M. teilte hieraufhin
mit (beratungsärztliche Stellungnahme vom 2. November 2010), dass ausgehend von den Befunden allenfalls ein Schulteranprall
wahrscheinlich gemacht werden könne, der laut des MRT-Befundes jedoch zu keinem wesentlichen Schulterbinnenschaden geführt
habe. Die anhaltenden Beschwerden des Klägers seien auf unfallunabhängige Veränderungen zurückzuführen. Entsprechend dem MRT-Befund
vom 2. September 2010 sei klar, dass die Ursachen für die Beschwerden unfallunabhängig seien. Die Beklagte holte bei der Krankenkasse
des Klägers ein Vorerkrankungsverzeichnis ein und Unterlagen bezüglich einer Behandlung der rechten Schulter im Jahre 2007.
Am 16. Februar 2011 erfolgte erneut eine kernspintomographische Untersuchung. Hier zeigte sich ein Knochenmarködem am Tuberculum
majus im Ansatzbereich der Supraspinatussehne. Okkulte Frakturen lägen nicht vor, hingegen aber ein leichtes peritendinöses
Ödem im ansatznahen Bereich der Supraspinatussehne. Im Vergleich zur Voruntersuchung vom 2. September 2010 zeigten sich neu
nachweisbare insertionstendinopathische Signalveränderungen am Ansatz des M. supraspiantus bei leichter Perintendinitis des
Supraspinatussehnenansatzes und subacromialem Impingement sowie eine beginnende ACG-Arthrose ohne Hinweis auf eine Instabilität
(MRT-Befund vom 16. Februar 2011).
Die mit Einverständnis des Klägers durch die Beklagte beauftragten Gutachter Dr. St. und Dr. S. gelangen mit ihrem Zusammenhangsgutachten
vom 19. April 2011 zu der Feststellung, dass beim Kläger eine Arthrose des linken Acromiklavikulargelenks mit subacromialen
Impingement und eine Insertionstendinopathie der Supraspinatussehne ohne Anhalt für einen relevanten posttraumatischen Strukturschaden
der Rotatorenmanschette vorliege. Die Arthrose des AC-Gelenkes und die Perintendinistis humerus scalpularis hätten bereits
vor dem Unfall bestanden und seien durch dieses Ereignis erst symptomatisch geworden. Dies werde auch dadurch bekräftigt,
dass der Kläger bereits im Jahr 2007 wegen eines subacromialen Schmerzsyndroms im Bereich der rechten Schulter in Behandlung
gewesen sei. Eine frische Läsion der Rotatorenmanschette sei nach den vorliegenden Befunden der erstbehandelnden Kollegen
nicht zu unterstellen. Im Übrigen sei der Sachverhalt auch nicht geeignet, eine Läsion der Rotatorenmanschette herbeizuführen.
Die MdE hinsichtlich der Unfallfolgen sei mit unter 10 von Hundert (v.H.) anzusetzen.
Mit Bescheid vom 20. Juli 2011 erkannte die Beklagte den Arbeitsunfall an. Folgen des Unfalls seien eine folgenlos ausgeheilte
Serienfraktur der Rippen 3 - 7 links und 5 - 7 rechts. An der Schulter sei unfallbedingt lediglich eine oberflächliche Schürfung
entstanden. Die Be-handlungsmaßnahmen und Arbeitsunfähigkeit über den 19. November 2010 (Abschluss der Physiotherapie wegen
des Bauchtraumas bzw. der Rippenserienfraktur) seien nicht mehr wegen der Folgen des Unfallereignisses erforderlich. Unfallunabhängig
seien eine Bewegungseinschränkung und Beschwerden an der linken Schulter aufgrund einer Arthrose des linken Acromioclavikulargelenks
(Gelenkverbindung zwischen Schlüsselbein und dem Schulterblatt), des Subacromialen Impingement (Einengung des Gelenkspaltes
zwischen Schulterdach und Oberarmkopf) sowie eine Insertionstendiopathie der Supraspinatussehne (degenerative und entzündliche
Reizung am Sehnenansatz). Eine Rente ergebe sich nicht, da die Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert sei.
Der hiergegen ohne weitere Begründung eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 8. März 2012).
Im Rahmen der gegen den Widerspruchsbescheid gerichteten Klage hat das Sozialgericht Prof. Dr. I. mit der Erstellung eines
Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser hat ein persistierendes subacromiales Schmerzsyndrom links nach traumatisch
bedingter Rotatorenmaschettenläsion links in Form einer sogenannten Intervall-/Pulley-Läsion anlässlich des Un-fallereignisses
vom 22. Juni 2010 diagnostiziert (Sachverständigengutachten vom 13. April 2015). Hinsichtlich des Unfallzusammenhangs sei
zu berücksichtigen, dass - entsprechend der Angaben der bei der Begutachtung anwesenden Ehefrau des Klägers - der erstbehandelnde
Arzt den Arm selbst zur Untersuchung bewegen musste, da der Kläger heftige Schmerzen verspürt habe. Zudem habe der Arm nicht
mehr richtig bewegt werden können. Eine Ablehnung eines Unfallzusammenhangs aufgrund eines ungeeigneten Unfallmechanismus,
so wie es die Vorgutachter vorgenommen hätten, sei nicht zutreffend. Auch der weitere Verlauf sei typisch für ein akutes Geschehen.
Es habe sich sofort eine hochschmerzhafte Symptomatik mit Funktionsausfall gezeigt, die aber im Rahmen der weiteren Verletzung
zunächst nicht beachtet worden sei. Erst sechs Wochen später sei ein MRT veranlasst worden, welches deutliche strukturelle
Veränderung gezeigt habe. Hierbei hätten sich jedoch keine Hinweise auf relevante degenerative Veränderungen gezeigt. Soweit
ein fehlendes Bone bruise als Nachweis einer Unfallabhängigkeit verlangt werde, sei zu beachten, dass dies keine Rückschlüsse
auf eine traumatische oder degenerative Genese zuließe. Auch der leichte allmählich gebesserte Verlauf der Erkrankung spreche
für einen Unfallzusammenhang. Es ergebe sich hieraus eine Decrescendo-Symptomatik und eben keine Crescendo-Symptomatik, wie
sie bei einer degenerativen Rotatorenmanschettenruptur typisch sei. Schließlich spreche gegen eine traumatische Genese auch
nicht die Arthrose des Acromioclavikulargelenks. Insoweit handle es sich vielmehr um eine Fehlinterpretation des MRTs. Die
MdE hat der Sachverständige gestaffelt auf 70, 25 und schließlich 20 v.H. eingeschätzt.
Die Beklagte hat u.a. die Bestimmung der Messwerte sowie die MdE-Einschätzung und auch die Geeignetheit des Unfallhergangs
beanstandet. Hierauf hat der Sachverständige mit ergänzender Stellungnahme vom 21. Dezember 2015 ergänzend ausgeführt. Der
Beratungsarzt der Beklagten Dr. Sch. hat mit seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 11. April 2016 dargestellt, dass
das MRT vom 2. September 2010 eine vollständig durchgängige Supraspinatussehne ohne Defekt gezeigt habe. Selbiges Bild ergebe
sich aufgrund der MRT vom 16. Februar 2011. Es zeige sich zudem eine Geröllzyste als Hinweis für lange bestehende entzündliche
degenerative Veränderungen. Es sei zu berücksichtigen, dass bei der MRT-Untersuchung 2 1/2 Monate nach dem Unfall weder Hinweise
für eine Rissschädigung der Supraspinatussehne noch für eine Schädigung des Rotatorenintervalls festzustellen gewesen seien,
auch keine Rissschädigung oder Subluxation der langen Bizepssehne. Acht Monate nach dem Unfallereignis sei eine Rissschädigung
der Rotatorenmanschette nach dem entsprechenden MRT auszuschließen. Zur gleichen Zeit, also acht Monate nach dem Unfallereignis,
sei die Begutachtung durch Dr. St. erfolgt. In dessen Gutachten vom 19. April 2011 seien nur minimale Bewegungseinschränkungen
am linken Schultergelenk festgestellt worden. Dies widerspreche einer Rotatorenmanschettenruptur durch den Unfall. Die bestehenden
geringen Funktionseinschränkungen und Beschwerden seien auf degenerative Veränderungen, nämlich ein leichtgradig ausgeprägtes
Impingementsyndrom, zurückzuführen. Eine durch den Unfall verursachte Rissschädigung der Rotatorenmanschette könne mit Sicherheit
ausgeschlossen werden. Folgen des Unfallereignisses vom 22. Juni 2010 am linken Schultergelenk seien am 16. Februar 2011 nicht
mehr nachweisbar. Für die Ruptur der Rotatorenmanschette existiere kein Nachweis. Selbst wenn eine solche Ruptur anzunehmen
sei, dann müsse nach der Untersuchung durch Dr. St. am 16. Februar 2011 davon ausgegangen werden, dass diese anlagebedingt
sei, da bis dahin die Folgen des Unfalls vollständig abgeklungen seien. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. I. eine Decrescendo-Symptomatik
(anfangs starke und dann abflau-ende Beschwerden) ausgemacht habe, sei dies kein Beweis für eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur.
Zwar habe die Ehefrau erklärt, der Kläger habe Schmerzen beim Hochheben der Arme bekundet, doch sei hierbei zu berücksichtigen,
dass der Kläger einen schmerzhaften Rippenserienbruch erlitten habe. Dies könne entsprechende Beschwerden zweifelsfrei erklären.
Zwar habe der Kläger am Tag nach dem Unfall auch über Schmerzen im Schulterbereich geklagt, doch ergebe sich entsprechend
dem Arztbericht vom 24. Juni 2010 über die stationäre Behandlung, dass diese dann nicht mehr besonders ausgeprägt gewesen
seien. Im weiteren Verlauf hingegen seien immer wieder Schmerzen im linken Schultergelenk bekundet worden. Dies widerspreche
der Annahme einer Decrescendo-Symptomatik. Da das MRT vom 2. September 2011 eine Ruptur der Rotatorenmanschette eindeutig
ausgeschlossen habe, komme es auf einen geeigneten Unfallhergang schließlich nicht an, gleichwohl ein solcher in der vorliegenden
Konstellation mit einer angenommenen Fallhöhe von drei Metern seitwärts auf Beton nicht ausgeschlossen werden könne. Durch
den Unfall sei es zu einer Prellung des Schultergelenks gekommen, welche wiederum zum Verschlimmern der vorbestehenden krankhaften
Veränderungen geführt habe. Mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Mai 2016 hat der Sachverständige Prof. Dr. I. auf
die Ausführungen des Beratungsarztes erwidert und insbesondere dargelegt, dass er die MRT-Bilder vom 2. September 2010 und
vom 16. Februar 2011 anders bewerte.
Mit Urteil vom 30. August 2016 hat das Sozialgericht der Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen
Prof. Dr. I. stattgegeben und als weitere Unfallfolge eine Rotatorenmanschettenruptur der linken Schulter festgestellt und
die Beklagte zur Gewährung einer Verletztenrente unter Annahme einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. verurteilt.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die sich vor Berufungseinlegung radiologisch beraten ließ. Der Radiologe
Dr. Z. stellte mit Stellungnahme vom 29. November 2016 fest, dass eine Vorschädigung der Supraspinatussehne mit hoher Wahrscheinlichkeit
anzunehmen sei. Eine Zerrung der Supraspinatussehne mit einzelnen Faserrissen im zeitlichen Zu-sammenhang mit dem Unfall könne
nicht ausgeschlossen werden. Dennoch sei dies kein wesentlicher Schaden durch den Unfall, da laut der Krankengeschichte die
Schulterverletzung nicht im Vordergrund gestanden habe. Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 30. August 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat ein Sachverständigengutachten nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei Dr. St. in Auftrag gegeben. Dieser
hat mit seinem Gutachten vom 9. September 2017 eine Arthrose des linken Schultereckgelenks, ein Impingementsyndrom der linken
Schulter, eine Schädigung der Supraspinatussehne (Tendinitis) sowie eine Entzündung des unter der Schulterhöhe gelegenen Schleimbeutels
als unfallunabhängig festgestellt. Hinsichtlich des Ursa-chenzusammenhangs sei die Situation bezüglich der linken Schulter
vor dem Unfallereignis als für einen Zusammenhang sprechend zu würdigen, denn die Schulter sei bis dahin beschwerdefrei gewesen.
Jedoch sei die Situation an der rechten Schulter, wegen derer bereits eine Behandlung vor dem Unfallereignis erfolgt sei,
als gegen einen Zusammenhang sprechend zu werten. Das Unfallereignis, das hier mit einer Sturzhöhe von drei Metern auf die
Schulter nicht per se ungeeignet sei, sei als Kriterium auszublenden. Die erste ärztliche Befunddokumentation spreche hingegen
gegen einen Unfallzusammenhang. Ein sehr heftiger Schmerz und eine starke Beeinträchtigung der Schulterbeweglichkeit seien
nicht dokumentiert. Im Übrigen zeigten die Röntgenbilder vom Unfalltag keine Fraktur oder eine Luxation und auch keine wesentlich
vorauseilenden Verschleißprozesse. Das MRT vom 2. September 2010 zeige eine Arthrose am Schultereckgelenk, ein subacromiales
Impingement und eine Tendinitis der Supraspinatussehne. Ein Sehnenabriss im Bereich der Supraspinatussehne sei nicht feststellbar.
Ein traumatischer Schaden an der linken Schulter ließe sich nicht nachweisen. Das schließe einen Unfallzusammenhang zwischen
den nachgewiesenen Gesundheitsschäden und dem Sturz aus. Bei der MRT vom 16. Februar 2011 zeige sich zwar nun ein Knochenmarksödem
am Ansatz der Supraspinatussehne, welche als unfallbedingte Schädigung gedeutet werden könne. Zudem zeigten sich innerhalb
der Supraspinatussehne Veränderungen, die auf eine Teilruptur der Sehne hindeuteten. Zusammenfassend sprächen jedoch die überwiegenden
Argumente gegen die Annahme eines Unfallzusammenhangs. Gegen einen Zusammenhang sei insbesondere anzuführen, dass im Bereich
der linken Schulter keine strukturellen Gesundheitsschädigungen festgestellt werden konnten, die nachweislich vom Unfall her
stammten. Im MRT 2 1/2 Monate nach dem Unfall zeigten sich Gesundheitsschäden, die sicher nicht vom Unfall her stamm-ten.
Zwar habe auch der Radiologe eine Tendinitis beschrieben, doch müsse wegen der minderen Qualität dieses MRT auch eine Teilschädigung
der Supraspinatussehne in Betracht gezogen werden. Aber hierzu fehlten die begleitenden Schäden wie sie bei unfallbedingter
Schädigung der Rotatorenmanschette typischerweise vorliegen würden. Hingegen zeigten sich andere Ursachen für eine Tendinitis
der Supraspinatussehne im Sinne einer Verengung des Gleitraumes für die Schultersehnen. Entsprechend müsse mit Wahrscheinlichkeit
eine degenerative Schädigung der Supraspinatussehne angenommen werden. Eine unfallbedingte Schädigung der Supraspinatussehne
sei hingegen nicht wahrscheinlich. Für eine Schädigung aus körpereigenem Grund, also aufgrund der Schulterdachenge, spreche
im Übrigen das Bild der rechten Schulter. Auch dort sei eine Verengung des Gleitraumes für die Schultersehnen zu erkennen.
Die MdE schätzte der Sachverständige Dr. St. mit 10 v.H. ein.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat ein Sachverständigengutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei Prof. Dr.
L. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 28. August 2019 ausgeführt, dass im MRT vom 2. September 2010 bzw. in dem
MRT vom 16. Februar 2011 eine ansatznahe Rotatorenmanschettenpartialläsion der Supraspinatussehne zu vermuten sei. Bezüglich
des knöchernen Status zeigten die Röntgenbilder und MRT-Aufnahmen keine nennenswerte Hinweise, die eine potenzielle Schädigung
der Rotatorenmanschette zum Zeitpunkt des Unfalls unzweifelhaft begründen könnten. Degenerative Veränderungen vor dem Unfall
seien nicht nachweisbar; es ergebe sich kein Hinweis auf nen-nenswerte Vorschäden. Als unfallbedingte Diagnosen hat der Sachverständige
ein chronisch rezidivierendes Impingementsyndrom der linken Schulter mit konsekutiver sekundärer AC-Gelenksarthrose, den Verdacht
auf eine Rotatorenmanschettenpartialläsion der Sehne des M. supraspinatus bzw. infraspinatus, den Verdacht auf eine chronische
Läsion der Sehne des M. biceps brachii und eine chronische Bursitis subacromialis bzw. subdeltoidea gestellt. Hinsichtlich
des Unfallzusammenhangs hat er zunächst dargelegt, dass die Datengrundlage bezüglich der Beurteilung des Erstbefundes und
des Unfallereignisses nur eingeschränkt sei. Hinsichtlich des Erstbefundes zeigten sich nur oberflächliche Abschürfungen.
Auch der zeitnah eingeholte Röntgenbefund bringe keine klaren Erkenntnisse. Hier sei ein MRT erforderlich gewesen. Das stattgefundene
Unfallereignis hingegen sei geeignet gewesen, eine Rotatorenmanschettenruptur hervorzurufen. Insoweit verweise er auf die
zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. I. Auch der Ereignisablauf und das Verhalten des
Klägers zum Unfall entsprächen einer typischen traumatischen Rotatorenmanschettenläsion. Der Kläger habe starke Schmerzen
und einen Funktionsverlust geschildert. Es existiere auch keine Vorgeschichte, die gegen einen Unfallzusammenhang spreche.
Die MdE sei mit 20 v.H. anzusetzen.
Hiergegen wandte die Beklagte ein, dass weder eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur noch unfallbedingte strukturelle
Schäden im Bereich des linken Schultergelenks nachgewiesen werden könnten. Anhand des MRT aus September 2010 zeige sich kein
verletzungsspezifischer Befund. Ein hochgradiger Funktionsverlust der linken Schulter in den ersten Wochen nach dem Unfall
sei nicht befundet worden. Insoweit nahm die Beklagte Bezug auf die beratungsärztliche Stellungnahme der Dr. H. vom 11. Januar
2020. Daraus folge, dass hinsichtlich der Beurteilung durch den Sachverständigen Prof. L. festzustellen sei, dass die angenommene
fehlende Beweglichkeit des linken Arms insofern widersprüchlich sei, als das keine Atrophie, also ein Muskelschwund ausgemacht
worden sei. Im Verlaufe der Zeit sei jedoch bei einer fehlenden Armbeweglichkeit eine entsprechende Rücknahme des Muskels
unumgänglich. Die Schultergelenksarthrose könne nicht unfallabhängig sein. Diese sei bereits bei der MRT 2010 zu erkennen
gewesen und damit vorbestehend. Soweit seitens des Prof. L. Verdachtsdiagnosen gestellt worden seien, seien dies nicht verwertbar.
Im Übrigen sei in den ersten Wochen nach dem Unfall kein einziger Befund erhoben worden, der auf eine hochgradige Schulterminderbelastbarkeit
links Rückschlüsse ziehen ließe. Die Zusammenfassung zur Unfallursächlichkeit durch Prof. L. sei nicht überzeugend. Vielmehr
entspreche der Verlauf keiner unfallbedingten Ursache, sondern es liege ein Crescendo-/Decrescendo-Verlauf, also mit zu- und
abnehmenden Beschwerden, vor. Das seien deutliche Zeichen für degenerative Veränderungen. Für einen typischen traumatischen
Verlauf seien abnehmende Beschwerden erforderlich. Die vorliegenden Beschwerden seien aber wellenförmig bzw. gar zunehmend.
Schließlich seien zeitnah zum Unfallereignis weder Schulterbinnenschädigungen im Vollbeweis noch eine Rotatorenmanschettenschädigung
noch eine Schultergelenksarthrose gesichert worden. Hingegen seien chronische Insertionstendinopathien beidseits festgestellt
worden. Diese erklärten auch die Beschwerden des Klägers.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und den der Gerichtsakte
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage des Klägers ist unbegründet. Er wird durch
den Bescheid vom 20. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. März 2012 nicht in seinen Rechten verletzt.
Er hat weder einen Anspruch auf Feststellung des geltend gemachten Gesundheitsschadens als Unfallfolge (hierzu 1.) noch einen
Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente (hierzu 2.).
Richtige Klageart für die Feststellung weiterer Unfallfolgen ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach
§ 54 Abs. 1 SGG und § 55 Abs. 1, 3 SGG. Soweit der Kläger die Zahlung von Verletztenrente begehrt, handelt es sich um eine
kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG.
1. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Feststellung einer Rotatorenmanschettenruptur als Unfallfolge; die Klage ist
insoweit nicht begründet, die Berufung der Beklagten hingegen begründet.
Rechtsgrundlage für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von
Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Für einen Arbeitsunfall ist es danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten
Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang). Diese Verrichtung muss zu dem zeitlich begrenzten, von außen
auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden
verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheits(erst)schadens
(haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, sondern insbesondere für
die Gewährung einer Verletztenrente (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Ur-teil vom 30. Juni 2009 - B 2 U 22/08 R, nach juris).
Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und
feststellbaren Voraussetzungen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses", "Unfallereignis" und
"Gesundheitserstschaden" wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünfti-ger
die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige
Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit
wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden
(haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens
(haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 27/06 R, nach juris).
Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die
für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom
9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, nach juris). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der
sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt
zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.
Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis
und den geltend gemachten Unfallfolgen ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen
Bedingung bestehen. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie,
nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non).
Erst nachdem feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache für einen Erfolg ist, stellt sich
die Frage nach einer wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen
Ursachen für einen Erfolg ist zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, die für
den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer
besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht,
muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. des
Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, nach juris).
Ausgehend hiervon ist der Senat nicht zur Überzeugung gelangt, dass das Ereignis vom 22. Juni 2010 zu einer Rotatorenmanschettenruptur
geführt hat. Zum Vorliegen einer Rotatorenmanschettenruptur ist zunächst festzuhalten, dass einzig der Sachverständige Prof.
Dr. I. mit seinem Sachverständigengutachten vom 13. April 2015 ein persistierendes subacromiales Schmerzsyndrom links nach
traumatisch bedingter Rotatorenmanschettenläsion links in Form einer sogenannten Intervall-/Pulley-Läsion festgestellt hat.
Der Sachverständige Dr. St. hingegen hat eine solche Rotatorenmanschettenläsion gerade nicht festgestellt. In Auswertung der
MRT-Bilder vom 2. September 2010 gelangte er zu der Feststellung, dass hinsichtlich der Supraspinatussehne eine Tendinitis,
jedoch kein Abriss vorhanden sei. Insgesamt lässt sich - so die nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. St.
- ein traumatischer Schaden an der linken Schulter generell nicht nachweisen. Insoweit verweist er auch zutreffend auf die
angefertigten Röntgenaufnahmen vom Unfalltag, wonach sich weder eine Fraktur noch eine Luxation ergibt. Anderes folgt auch
nicht aus dem im Auftrag des Klägers eingeholten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. L. vom 28. Au-gust 2019. Auch dieser
kann keine Ruptur der Rotatorenmanschette bzw. einer entsprechenden Sehne im Sinne des Vollbeweises feststellen. Er vermutet
lediglich aufgrund der MRT-Bilder vom 2. September 2010 bzw. 16. Februar 2011, dass es zu einer Rotatorenmanschettenpartialläsion
gekommen sei. Entsprechend gelangt er letztlich auch zu der Diagnose eines Verdachts auf eine Rotatorenmanschettenpartialläsion.
Der Verdacht einer Läsion ist letztlich aber schon dem Wortlaut gerade nicht das tatsächliche Vorliegen der Läsion. Ein Vollbeweis
der Läsion einer Sehne der Rotatorenmanschette, der eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit fordert (hierzu bereits
oben), ist damit nicht erbracht. Dies steht auch im Einklang mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten bzw. beratungsärztlichen
Stellungnahmen. So hat schon der Beratungsarzt Dr. St. mit Stellungnahme vom 6. Oktober 2010 ausgeführt, dass eine substantielle
knöcherne und substantielle Weichgewebeschädigung im Bereich des linken Schultergelenks nicht belegt ist. Der Beratungsarzt
Dr. M. teilte mit Stellungnahme vom 2. November 2010 mit, dass der Schulteranprall laut MRT-Befund zu keinem wesentlichen
Schulterbinnenschaden führte. Schließlich haben die Gutachter Dr. St. und Dr. S. mit ihrem Gutachten vom 19. April 2011 ebenfalls
ausgeführt, dass es keinen Anhalt für eine relevante posttraumatische Strukturschädigung der Rotatorenmanschette gibt. Insoweit
ist festzuhalten, dass der Sachverständige Prof. Dr. I. zu einer Läsion der Rotatorenmanschette unter Annahme einer Hill-Sachs-Läsion
gelangt, die er vor allem aus den MRTs vom 16. Februar 2011 und auch 2. September 2010 ableitet. Einer derartige Auswertung
der Bilder ist Dr. St. entgegen getreten und hat hingegen eine Tendinitis als entsprechende Schädigung der Rotatorenmanschette
ausgemacht. Auch der Beratungsarzt Dr. Sch. hatte zuvor festgestellt, dass die MRT-Aufnahmen vom 2. September 2010 sowie 16.
Februar 2011 eine vollständig durchgängige Supraspinatussehne ohne Defekt zeige. Dies steht im Einklang mit der Auswertung
der MRT-Aufnahme vom 2. September 2010 durch die Radiologin Dr. Sch., die ebenfalls eine Tendinitis beurteilt. Gleiches gilt
für die MRT-Aufnahmen vom 6. Februar 2011 be-züglich derer die Radiologin Dr. B. eine Peritendinitis feststellt und eine entsprechende
Läsion der Rotatorenmanschette oder deren Teilläsion gerade nicht erkennt. Insoweit ist den in sich nicht widersprüchlichen
und fachradiologischen Einschätzungen beizutreten. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Prof. Dr. I. mit seiner ergänzenden
Stellungnahme vom 19. Mai 2016 im Hinblick auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Sch. vom 11. April 2016 eingeräumt
hat, dass er die entsprechenden MRT-Bilder anders werten würde. Da ein operativer Eingriff an der linken Schulter nicht erfolgt
ist, steht ein Operationsbericht zur Auswer-tung nicht zur Verfügung.
Neben einer vollständigen oder auch teilweisen Läsion der Rotatorenmanschette sind zudem auch einzelne Einrisse von Sehnenfasern
als Unfallfolge auszuschließen. Auch insoweit bedürfte es hinsichtlich deren Vorliegens eines Vollbeweises bzw. hinsichtlich
des Ursachenzusammenhangs zum Unfallereignis der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Der radiologische Beratungsarzt Dr. Z.
hat mit seiner Stellungnahme vom 29. November 2016 ausgeführt, dass eine Zerrung der Supraspinatussehne mit einzelnen Faserrissen
im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall nicht ausgeschlossen werden könne. Hierauf hat sich auch der Sachverständige Dr.
St. bezogen und ebenfalls dargestellt, dass sich innerhalb der Supraspinatussehne Ver-änderungen feststellen lassen, die auf
eine Teilruptur der Sehnen hindeuten und nicht ausge-schlossen werden könne, dass die Zerrung der Supraspinatussehne zu einzelnen
Einrissen von Sehnenfasern führte. Unterstellt, dass solche Faserrisse beim Kläger im Sinne des Vollbeweises tatsächlich vorliegen,
ist der Umstand, dass ein entsprechender Kausalzusammenhang dieses Gesundheitsschadens mit dem Unfallereignis nicht ausgeschlossen
werden kann, jedoch nicht ausreichend, um den Senat von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs
zu überzeugen. Hierfür müssten bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang
sprechen, so dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (hierzu bereits oben). Dass ein Zusammenhang
lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, ist für die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs
nicht ausreichend.
Auch weitere im Laufe des Verfahrens durch Prof. Dr. I. bzw. Prof. Dr. L. gestellte unfallbedingte Diagnosen sind keine Folgen
des Arbeitsunfalls. Für das von Prof. Dr. I. festgestellte persistierende subacromiales Schmerzsyndrom links gilt das schon
deshalb, da er dies als Folge einer traumatisch bedingten Rotatorenmanschettenläsion ausgemacht hat. Eine solche traumatische
Rotatorenmanschettenläsion hat nach den Feststellungen des Senats jedoch nicht stattgefunden (siehe hierzu oben), so dass
sich hieraus auch keine weiteren unfallbedingten Folgen ergeben können. Hinsichtlich des von Prof. Dr. L. festgestellten chronisch-rezidivierenden
Impingementsyndrom der linken Schulter bleibt Prof. Dr. L. jegliche Erklärung schuldig, inwieweit hierin tatsächlich eine
Unfallkausalität gesehen werden kann. Viel-mehr handelt es sich bei einem Impingementsyndrom typischerweise um eine degenerative
Veränderung (vgl. auch die beratungsärztliche Stellungnahme Dr. Sch. vom 11. April 2016, beratungsärztliche Stellungnahme
Dr. Z. vom 29. November 2016, Sachverständigengutachten des Dr. St. vom 9. September 2017). Hinsichtlich der Verdachtsdiagnosen
auf eine Rotato-renmanschetten(partial)läsion der Sehne M. supraspinatus bzw. infraspinatus und eines Verdachts auf eine chronische
Läsion der Sehne des M. biceps brachii ist festzuhalten, dass diese für sich schon eine Anerkennung als Unfallfolge ausschließen.
Wie bereits ausgeführt, bedarf es zur Feststellung eines Gesundheitsschadens der Überzeugung des Gerichts im Sinne eines Vollbeweises.
Eine Verdachtsdiagnose kann einen Vollbeweis nicht rechtfertigen. Soweit Prof. Dr. L. eine chronische Borsitis subacromialis
bzw. subdeltoidea für unfallursächlich hält, fehlen auch hierzu jegliche Ausführungen zur Kausalität. Soweit schließlich Prof.
Dr. L. eine AC-Gelenksarthrose als unfallbedingt ansieht, steht dem entgegen, dass diese bereits in der MRT vom September
2010 ausgemacht werden konnte und somit sicher nicht auf das erst 2 1/2 Monate vorher stattgefundene Unfallereignis zurückgeführt
werden kann (vgl. beratungsärztliche Stellungnahme Dr. H. vom 11. Januar 2020). Zudem bedurfte es - entsprechend der nachvollziehbaren
Ausführungen des Sachverständigen Dr. St. - für die Entstehung einer unfallbedingten Arthrose einer Fraktur eines gelenksbildenden
Knochens am Schultereckgelenk in der Nähe des Schultergelenkes, welches in Fehlstellung verheilt ist. Dies ist vorliegend
nicht gegeben. Im Übrigen lässt sich eine Arthrose beim Kläger auch an dessen rechten Schulter nachweisen, was ebenfalls auf
eine degenerative Genese hinweist.
Aus den vorgenannten Gründen kam es vorliegend auch nicht auf die Geeignetheit des Unfallhergangs zur Herbeiführung einer
(Teil-)Läsion der Rotatorenmanschette an. Anders wäre dies nur, wenn das Vorliegen der Rotatorenmanschetteruptur erwiesen
und deren Kausalität fraglich gewesen wäre. Vorliegend ist die Teil-Läsion der Rotatorenmanschette aber schon nicht erwiesen
(siehe oben). Gegen die Annahme, dass es durch das Unfallgeschehen zu weiteren Verletzungen im Schultergelenk gekommen ist,
spricht zudem, dass im bildgebenden Befund keinerlei strukturelle Gesundheitsschäden festgestellt worden sind, die nachweislich
vom Unfall her stammen. So fanden sich weder substantielle knöcherne noch substantielle weichgewebige Schädigungen im Bereich
des Schultergelenks. Solche sind aber bei einer traumatischen Genese zu erwarten gewesen. Weiter ist festzustellen, dass in
den ersten Wochen nach dem Unfall kein Befund erhoben wurde, der auf eine hochgradige Schulterminderbelastbarkeit bzw. Funktionseinschränkungen
wegen hochgradiger Schmerzen hindeuten würde. Soweit dies Prof. Dr. I. in seinem Sachverständigengutachten unter Hinweis auf
die Mittteilung der Ehefrau des Klägers, dass dieser bei der Untersuchung durch den erstbehandelnden Arzt die Arme unter Schmerzen
gehoben bekommen habe, anders würdigt und eine entsprechende Schmerzsituation annimt, ist ein entsprechender Zusammenhang
zwischen einer Schulterverletzung und dem Unfallereignis nicht darstellbar. Erwiesen sein könnte damit allenfalls das Vorhandensein
einer entsprechenden Schmerzsituation, deren Ursache jedoch vollkommen offen ist. Insoweit weist der Beratungsarzt Dr. Sch.
mit seiner Stellungnahm vom 11. April 2016 zutreffend darauf hin, dass der Kläger bei dem Unfallereignis eine nicht unerhebliche
Rippenserienfraktur erlitten hat, welche ebenfalls geeignet ist, eine entsprechende Schmerzsymptomatik zu begründen. Auch
der weitere Verlauf der Beschwerden spricht gegen eine traumatische Verletzung. Bei einer solchen kommt es typischer Weise
zu einer Decrescendo-Symptomatik mit hochschmerzhaftem Beginn inklusive eines Funktionsausfall sowie nachfolgender allmählicher
Besserung. Eine derartige Symptomatik ist vorliegend jedoch nicht auszumachen, vielmehr ist festzustellen, dass im weiteren
Verlauf nach dem Unfallereignis hinsichtlich der Beschwerden im Schulterbereich eine schwankende Schmerzsymptomatik dokumentiert
ist. Insoweit hat die Beratungsärztin Dr. H. mit ihrer Stellungnahme vom 11. Januar 2020 zutreffend darauf hin-gewiesen, dass
der Kläger zunächst im Juni 2010 aus der unkomplizierten stationären Behandlung entlassen wurde und im Abschlussbericht Schmerzen
im Schulterbereich überhaupt nicht dokumentiert wurden. Bei einer weiteren Untersuchung in der Praxisklinik in E. wurde sodann
festgestellt, dass die Beschwerden weitestgehend zurückgingen und das Gelenk frei beweglich ist und sich nur eine mäßige Kraftminderung
ergibt (Bericht vom 29. November 2010). Erst im weiteren Verlauf wurden stärke Schmerzsituationen berichtet. Es handelt sich
hierbei um einen Crescendo-Decrescendo-Verlauf wie er für degenerative Veränderungen typisch ist und bei denen es zu wellenförmigen
bzw. zunehmenden Symptomatiken kommt. Schließlich spricht gegen eine traumatische Verursachung der Gesundheitsbeeinträchtigung
des Klägers im Bereich des linken Schultergelenks, dass - wie die Beratungsärztin Dr. H. fest-gestellt hat - bei dem Kläger
beidseits chronisch eine Insertionstendiopathie besteht. Auch der Sachverständige Dr. St. hat festgestellt, dass für eine
Schädigung aus körpereigenem Grund, also aus Degeneration (hier: Schulterdachenge), auch das Bild bezüglich der rechten Schulter
spricht, denn auch dort ist eine Verengung des Gleitraumes für die Schultersehne zu erkennen.
Insgesamt kann daher eine weitere Unfallfolge im Bereich der linken Schulter nicht anerkannt werden.
2. Ein Anspruch auf Verletztenrente besteht nicht. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte in Folge eines Versicherungsfalles
über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus Anspruch auf Gewährung von Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit um mindestens
20 v.H. gemindert ist.
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die durch den Unfall vom 22. Juni 2010 verursachte MdE ist mit unter 10 v.H. anzusetzen.
Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner
freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des
Leistungsvermögens des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer sowie sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen
bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem
gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der
dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (vgl.
BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R, nach juris). Bei der Bewertung der MdE ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher
maßgebend, sondern vielmehr der damit verbundene Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen
Gesichtspunkten (vgl. BSG, Urteile vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 11/15 R und vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R, beide nach
juris). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind,
liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerung darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen
sich auf die Erwerbsfähigkeit des Verletzten auswirken, sind zwar nicht verbindlich, bilden aber eine wichtige und vielfach
unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang
die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind (vgl. BSG, Urteil vom 23.
April 1987 - 2 RU 42/86, nach juris). Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie
von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze
zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE
in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 11/15 R, nach juris).
In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Beklagte mit den angegriffenen Bescheiden zutreffend von einer MdE von
weniger als 20 v.H. ausgegangen ist.
Zwar kamen die Sachverständigen Prof. Dr. I. und Prof. Dr. L. jeweils zu der Feststellung, dass bei dem Kläger eine MdE von
20 v.H. vorliege. Diese Einschätzung beruht jedoch auf der unzutreffenden Annahme weiterer unfallbedingter Gesundheitsschäden
im Bereich der linken Schulter (hierzu bereits unter 1.). Unter Berücksichtigung der im angegriffenen Bescheid festgestellten
Unfallfolgen lässt sich eine wesentliche Funktionseinschränkung beim Kläger nicht ausmachen. Insbesondere ist, wie der Sachverständige
Dr. St. explizit ausgeführt hat, die Rippenserienfraktur folgenlos ausgeheilt. Dies ist auch für den Kläger unstreitig, der
die Gewährung einer MdE mit weiteren - hier nicht gegebenen (siehe oben) - Schädigungen im Bereich des Schultergelenks begründet
wissen will.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.